Aus:
GA 167
RUDOLF STEINER
Gegenwärtiges und Vergangenes im Menschengeiste
Zwölf Vorträge, gehalten in Berlin vom 13. Februar bis 30. März 1916
Inhaltsübersicht:
—————————————————————————————————-
Nur darauf möchte ich noch einmal aufmerksam machen, daß ich ja ausgeführt habe, wie gewissermaßen über die ganze gegenwärtige gebildete Welt, auch über die ungebildete, ja, vielleicht sogar noch mehr, wenn auch in anderem Sinne, gewisse Menschengemeinschaften verbreitet sind, welche okkultes Wissen pflegen und welche auch okkultes Wissen, wie ich ja gezeigt habe, dazu verwenden, um es in einer gewissen Weise einfließen zu lassen in dasjenige, was sie tun und wodurch sie versuchen, den Entwicklungsgang der Menschheit in ihrer Art im Rechten oder im Nicht-Rechten zu beeinflussen…
Wenn sie ihren Sinn richten wollen auf diese schöpferischen Gewalten, die die Welt durchpulsen und durchziehen, auf das Göttlich-Geistige also, was die Welt durchpulst und durchzieht, so sprechen diese Gemeinschaften von dem «erhabenen Baumeister der Welt»…
Dieser Begriff der Ur-Offenbarung tritt in solchen Schriften auf, die heute durchaus schon in der wissenschaftlichen Welt einen gewissen Wert haben, die nicht so als verrücktes Zeug angesehen werden wie unsere Schriften. Also es tritt der Begriff der Ur-Offenbarung immerhin schon in denjenigen Schriften auf, die wenigstens bis zu einem gewissen Grade ernst genommen werden…
…so merkt man in den alten religiösen Schriften, daß die Leute, die mit dem Zustandekommen dieser Schriften etwas zu tun gehabt haben, vor Jahrtausenden ein Wissen gehabt haben, das verloren gegangen ist für die Menschheit, das allmählich, ich möchte sagen, versickert ist unter dem zunehmenden Materialismus.
Aber wir sagen, wenn der Unbefangene nun die Jahrhunderte durch das Römertum, Griechentum, Ägyptertum zurückgeht, so kommt er zurück zu einer Menschheit, die einmal ein Wissen gehabt hat, das ausgebreitet war über die Welt auf eine Weise, wie es der gegenwärtige Mensch nicht erringen kann…
…daß in diesem Wissen enthalten ist nicht nur ein Bewußtsein davon, daß man hinaufsteigen kann in geistige Welten, sondern daß man in diesen geistigen Welten andere Wesen findet, die nicht im Fleisch verkörpert sind, Wesen, die wir heute zusammenfassen, wenn wir von den höheren Hierarchien der Angeloi, Archangeloi und so weiter sprechen. Wir finden sogar in diesen uralten Religionsschriften, daß die Leute von diesen höheren Geistwesen wie von Wesen sprechen, mit denen sie verkehrt haben. Wie gesagt, das läßt sich aus den Schriften selber nachweisen…
Nun darf man sich nicht vorstellen, daß diese elementarischen Wesenheiten nur dazu da sind, um sich von den Menschen erkennen zu lassen, die hellsichtig werden, und daß sie sich im übrigen nur auf die faule Haut zu legen brauchen und nichts zu tun haben. Das darf man sich natürlich nicht vorstellen, sondern diese Wesenheiten haben ihre gute Aufgabe in der Welt…
Und so vollzieht sich im Jahreslauf eine Wechselwirkung zwischen den Geistern der höheren Hierarchien und den elementarischen Wesen, die weben und leben in der Natur, die uns umgibt
Denn der Mensch ist ein Mikrokosmos, und in ihm spielen alle die Kräfte und Vorgänge im Kleinen sich ab, die sonst sich in der großen Welt abspielen. Das Letzte, was der Mensch auf diese Weise gelernt hat, was von außen ihm zugeflossen ist, das ist die Geometrie und Arithmetik…
Der griechische Tempel ist nichts anderes, als die Ausfüllung mit physischer Materie desjenigen, was auf diese Weise sich in geometrischen Formen hellsichtig um den Menschen hinstellt…
Also Sie sehen hier den Zusammenhang des Bauens des Tempels mit einem ursprünglichen Hellsehen…
Die Natur macht keine Sprünge, sagt man. Es ist das Blödeste, was man sagen kann. Sprünge macht sie allerdings nicht, aber fortwährend Übergänge, starke Übergänge. Das Blumenblatt verwandelt sich nicht allmählich in ein bissel weniger Blumenblatt…
…die heutige Naturwissenschaft arbeitet von der einen Seite her, und die Geisteswissenschaft arbeitet von der anderen Seite, und sie müssen sich in der Mitte treffen zur Gesamtwahrheit…
Im ersteren Fall, dem der Gewebe-Produktion durch den hysterischen Impuls, liegt das metaphysische Problem der Inkarnation vor. Also der moderne Arzt spricht von Inkarnation…
Der gewöhnliche Gedanke kann natürlich nicht eine Anschwellung erzeugen. Versuchen Sie es nur, denken Sie noch so sehr, Sie werden eine Geschwulst bekommen: Sie werden schon nicht diese Geschwulst bekommen…
Man wird also eben erst dasjenige finden müssen, was die Geisteswissenschaft von der anderen Seite der Naturwissenschaft zuträgt. Leider reden wir vielfach in den Worten noch anein-der vorbei. In den Tatsachen treffen wir uns schon, aber in den Worten reden wir vielfach aneinander vorbei…
—————————————————————————————————-
FÜNFTER VORTRAG Berlin, 13. April 1916
Die Uroffenbarung der Menschheit
In der schweren Zeit, in der wir leben, und deren Schwierigkeiten täglich neu und vergrößert fühlbar werden, ziemt es sich wohl, gerade solche Betrachtungen hier in unserem Kreise anzustellen, welche geeignet sind, uns bekannt zu machen mit den großen geschichtlichen Menschheitszielen und Menschheitsimpulsen. Dabei liegt der Gedanke zugrunde, daß es gerade tief, tief nötig ist in unserer Zeit, sich an das Große, Bedeutungsvolle, das sich aus der geistigen Welt uns offenbaren kann, zu wenden, weil dasjenige, was wir jetzt durchleben, ganz gewiß Zeiten heraufbringen wird, in denen man gar sehr bedürftig sein wird desjenigen, was der Menschenseele Stärkung und Kraft und Trost und Hoffnung und Zuversicht aus den geistigen Welten heraus bringen kann.
Wir müssen diesen Gedanken um so mehr hegen, als wir zugleich in einer Zeit leben, in der richtige geistige Vertiefung, das heißt Vertiefung in das wahre Geistesleben, das der Mensch braucht, wiederum für die Menschheit unendlich schwierig ist, unermeßlichen Hindernissen eigentlich begegnet. Es sind Hindernisse, für die in einem gewissen höheren Sinne der Mensch der Gegenwart eigentlich gar nichts kann, die sich ihm auftürmen einfach aus den Bedingungen und Entwickelungsimpulsen der Gegenwart heraus, die ihn zurückhalten vor einem wahren Ergreifen des geistigen Lebens, wie es eben so nötig wird, nötiger, möchte man sagen, in unserer Gegenwart von Woche zu Woche, und besonders nötig sein wird in der Zeit, die auf die unsrige nahe folgt, und die in vielen Beziehungen keineswegs leichter sein wird als diejenige unserer unmittelbaren Tage.
Nun habe ich versucht, Betrachtungen anzustellen vor Ihnen in den vorangehenden Stunden über den Zusammenhang gewisser, in einzelnen geistigen Gemeinschaften gepflogener Erkenntnisse und Verrichtungen mit dem allgemeinen Entwickelungsgange der Menschheit. Heute möchte ich diese Betrachtungen in einer gewissen Beziehung vertiefen, obwohl dasjenige, was ich zu sagen habe, ganz unabhängig sein wird von dem, was gesagt worden ist und ohne das auch verstanden werden kann.
Nur darauf möchte ich noch einmal aufmerksam machen, daß ich ja ausgeführt habe, wie gewissermaßen über die ganze gegenwärtige gebildete Welt, auch über die ungebildete, ja, vielleicht sogar noch mehr, wenn auch in anderem Sinne, gewisse Menschengemeinschaften verbreitet sind, welche okkultes Wissen pflegen und welche auch okkultes Wissen, wie ich ja gezeigt habe, dazu verwenden, um es in einer gewissen Weise einfließen zu lassen in dasjenige, was sie tun und wodurch sie versuchen, den Entwicklungsgang der Menschheit in ihrer Art im Rechten oder im Nicht-Rechten zu beeinflussen. Nun ist eines bemerkbar in einem großen Teile solcher geistigen Gemeinschaften, namentlich derjenigen, die diese geistigen Gemeinschaften herauf-entwickelt haben bis in unsere Zeit und dasjenige, was in unserer Zeit als eine besondere Notwendigkeit neu hereintreten muß in solchen Gemeinschaften, noch nicht verstehen, die also zwar die alten Traditionen haben, die alten Überlieferungen, aber noch nicht verstehen, was hineinkommen muß durch dasjenige, was sich jetzt offenbart aus der geistigen Welt heraus.
Bei diesen geistigen Gemeinschaften also, die noch nicht auf der vollen Höhe der Zeit stehen können, ist gewissermaßen eine gemeinsame Formel da, die eine große Reihe dieser Gemeinschaften beherrscht. Und diese Formel ist die, durch die sie sprechen von der schöpferischen Gewalt, welche die Welten durchpulst und durchzieht.
Wenn sie ihren Sinn richten wollen auf diese schöpferischen Gewalten, die die Welt durchpulsen und durchziehen, auf das Göttlich-Geistige also, was die Welt durchpulst und durchzieht, so sprechen diese Gemeinschaften von dem «erhabenen Baumeister der Welt».
Das ist eine vielgebrauchte Formel: von dem erhabenen Baumeister der Welt. Für denjenigen, der aus der Geisteswissenschaft heraus den Gang der Menschheitsentwickelung kennt, beweist die Tatsache, daß gesprochen wird, sagen wir zum Beispiel in gewissen maurerischen Gemeinschaften, aber auch in anderen, von dem erhabenen Baumeister der Welten, das uralte Bestehen solcher Gemeinschaften und ihr Zurückgehen auf uralte Einrichtungen.
Es beweist, daß alles dasjenige, was historisch mit einem gewissen Rechte gesagt werden kann über ein späteres Entstehen solcher Gemeinschaften, unrichtig ist, daß in Wahrheit solche Gemeinschaften doch weit, weit zurückgehen, wenn sie auch früher andere Formen gehabt haben, und zwar in ununterbrochener Folge zu uralten Gemeinschaften, die da im vierten nachatlantischen Zeitraum bei den Griechen, bei den Römern, aber auch bei den alten Ägyptern bestanden haben, ja, wir könnten noch weiter zurückgehen.
Und von diesen Gemeinschaften uralter Zeiten leiten sich dann auch die gegenwärtigen Gemeinschaften her, die solcher Art sind, wie ich es beschrieben habe, nur daß diese gegenwärtigen gleichsam nicht in einem so unmittelbaren Verkehr ihrer Vorsteher stehen mit der geistigen Welt, wie die früheren Gemeinschaften, sondern dasjenige, was sie als Wissen haben, mehr als überliefertes Wissen bewahren.
Wenn man verstehen will, was die Formel von dem erhabenen Baumeister der Welten bedeutet, oder vielmehr warum gerade die Formel von dem erhabenen Baumeister der Welten, dem großen Architekten des Universums, angewendet wird, dann muß man an verschiedenes erinnern, was gegenwärtig eigentlich durchaus schon gewußt werden könnte, aber durchaus noch nicht in das allgemeine Bewußtsein der Menschheit, auch der gelehrten Menschheit, eingedrungen ist. In einzelnen Schriften aufgeklärterer Theologiekundiger oder Altertumskundiger finden Sie heute nämlich schon den Begriff der Ur-Offenbarung. Was nennen die Leute Ur-Offenbarung ?
Dieser Begriff der Ur-Offenbarung tritt in solchen Schriften auf, die heute durchaus schon in der wissenschaftlichen Welt einen gewissen Wert haben, die nicht so als verrücktes Zeug angesehen werden wie unsere Schriften. Also es tritt der Begriff der Ur-Offenbarung immerhin schon in denjenigen Schriften auf, die wenigstens bis zu einem gewissen Grade ernst genommen werden in dem Umfang der vier Fakultäten. Nun, dieser Begriff der Ur-Offenbarung, der kann einem besonders klar werden, wenn man versucht, sich bekannt zu machen mit alten Religionsschriften.
Man braucht eigentlich nur zurückzugehen bis zu den Schriften des Gotama Buddha. Da findet man, wenn man zu diesen Schriften, zu älteren Religionsurkunden überhaupt zurückgeht, wenn man nur unbefangen genug ist, wenn man nicht so töricht ist, wie zum Beispiel der Schreiber über gewisse ägyptische Zustände, der im letzten «Zeitgeist» geschrieben hat — wenn man also einigermaßen unbefangen ist, so merkt man in den alten religiösen Schriften, daß die Leute, die mit dem Zustandekommen dieser Schriften etwas zu tun gehabt haben, vor Jahrtausenden ein Wissen gehabt haben, das verloren gegangen ist für die Menschheit, das allmählich, ich möchte sagen, versickert ist unter dem zunehmenden Materialismus. Wie gesagt, Sie brauchen nur mit Unbefangenheit die Schriften, die Ihnen erreichbar sind von dem Gotama Buddha, zu lesen, so werden Sie sehen: Was da gesagt wird, ist auf Grundlage eines großen Wissens, das aber schon für ihn überliefert sein muß, das auf viel, viel ältere Zeiten zurückgeht, auf ein Ur-Wissen, aufgebaut.
Nun, auf diejenige Art und Weise, wie die Menschen jetzt ihr Wissen bekommen in den vier Fakultäten, konnte selbstverständlich dieses Wissen nicht erreicht werden. Das, glaube ich, wird auch ein unbefangener Betrachter der gegenwärtigen Gelehrsamkeit nicht gerade in Abrede stellen. Und ein Befangener erst recht nicht, denn ein Befangener lehnt all dieses Wissen ab und betrachtet es als törichtes Zeug. Nicht wahr, historisch betrachtet er es und läßt Bücher, die sich historisch darüber ergehen, ja gewiß gelten, wenn sie Belegstellen haben, Anführungen machen können. Aber das Wissen selber, das läßt er nicht gelten. Also kann er auch durchaus nicht zugeben, daß man auf dem gegenwärtigen natürlichen Wege zu solchem Wissen kommen könne, denn er läßt es ja nicht gelten, nicht wahr?
Also auf ein Ur-Wissen werden wir da zurückgeführt. Wir müssen danach annehmen — und jeder Unbefangene muß das nach den alten Religionsurkunden annehmen —, daß man zurückgehen kann von jetzt in die Zeiten der Menschheitsentwickelung und daß man da kommt, von der jetzigen Zeit, in der wir es auf allen Gebieten so herrlich weit gebracht haben, bis zu dem furchtbaren gegenwärtigen
Morden sogar gebracht haben (1.Weltkrieg, admin), nicht wahr, zurückgehend durch die früheren Jahrhunderte, auf dasjenige, was die Leute früher gewußt haben, was für unsere Zeit, die es so herrlich weit gebracht hat, so ein verwirrtes Zeug ist, wie wir es bei Jakob Böhme, Paracelsus und so weiter finden.
Und dann kommt man zurück auf die Zeit, wo die Leute in Retorten alchimistisches Zeug getrieben haben, und dann immer weiter und weiter, wo sie, selbst wenn sie gelehrt waren, nach den Vorstellungen der Gegenwart nun einmal «abergläubisch» waren, und dann geht es immer weiter zurück.
Aber wir sagen, wenn der Unbefangene nun die Jahrhunderte durch das Römertum, Griechentum, Ägyptertum zurückgeht, so kommt er zurück zu einer Menschheit, die einmal ein Wissen gehabt hat, das ausgebreitet war über die Welt auf eine Weise, wie es der gegenwärtige Mensch nicht erringen kann.
Eine Vorstellung ist ja natürlich für diesen gegenwärtigen Menschen schwer zu gewinnen, denn er versetzt in die Zeit, von der wir da sprechen, den Menschen, der eigentlich erst noch ein Affe war, Pithecanthropus erectus, den Affenmenschen. Aber trotz all dieser Theorien von dem Affenmenschen muß der Unbefangene, wie gesagt, aus wirklichen Urkunden selbst heute annehmen, daß da ursprünglich ein Wissen war, welches der Mensch eben mit seiner gegenwärtigen Gescheitheit nicht erreichen kann, das unendlich tief ist und das sich über die geistigen Welten in einem hervorragenden Maße so erstreckt, daß in diesem Wissen enthalten ist nicht nur ein Bewußtsein davon, daß man hinaufsteigen kann in geistige Welten, sondern daß man in diesen geistigen Welten andere Wesen findet, die nicht im Fleisch verkörpert sind, Wesen, die wir heute zusammenfassen, wenn wir von den höheren Hierarchien der Angeloi, Archangeloi und so weiter sprechen. Wir finden sogar in diesen uralten Religionsschriften, daß die Leute von diesen höheren Geistwesen wie von Wesen sprechen, mit denen sie verkehrt haben. Wie gesagt, das läßt sich aus den Schriften selber nachweisen.
Was liegt dieser Tatsache eigentlich zugrunde? Nun kann man ja von einem gewissen Gesichtspunkte einer Initiiertenstufe unmittelbar hinter dieses Geheimnis, das hiermit angedeutet ist, kommen. Aber man kann schon, ich möchte sagen, von einem gewissen niedrigeren Initiationsstandpunkte, von dem ganz gewöhnlichen leicht zu erreichenden Initiations-Standpunkte, durch einen Analogieschluß zu dem kommen, was eigentlich diesem Geheimnis zugrunde liegt.
Wir wissen ja, daß um uns herum sich in der Welt nicht bloß dasjenige ausbreitet, wovon die heutige Sinnes-Wissenschaft spricht, sondern daß dieser Natur, von der wir heute sprechen, zugrunde liegt die sogenannte elementarische Welt, zugrunde liegt die Welt, für die wir nur Bezeichnungen haben, wenn wir auf die alte Mythologie zurückgehen, in den verschiedenen Elementarwesen, die zugrunde liegen dem mineralischen Reich als Gnomen, dem wässerigen, pflanzlichen Reich als Undinen, dem luftförmig belebten Reiche als Sylphen, und dem ganzen Irdischen als Salamanderwesen.
Man muß sich schon, wenn man nicht gerade in dieser erleuchteten Gesellschaft ist, sogar heute schämen, von diesen Dingen im Ernste zu sprechen; aber wir sind ja unter uns und können davon sprechen. Es liegen also dieser Welt, der Natur, die uns umgibt, elementarische Wesenheiten zugrunde. Nun darf man sich nicht vorstellen, daß diese elementarischen Wesenheiten nur dazu da sind, um sich von den Menschen erkennen zu lassen, die hellsichtig werden, und daß sie sich im übrigen nur auf die faule Haut zu legen brauchen und nichts zu tun haben.
Das darf man sich natürlich nicht vorstellen, sondern diese Wesenheiten haben ihre gute Aufgabe in der Welt, diese Wesenheiten haben sehr viel zu tun.
Sie haben zu tun in der Art, von der man allerdings meint in der äußeren materialistischen Wissenschaft: es macht sich alles von selbst. Aber es macht sich nicht von selbst! Derjenige, dessen Augen geöffnet sind für diese elementarische Welt, der sieht, wie diese elementarischen Wesen im Grunde genommen wirklich im Verlaufe des Jahres eine Art Jahreskursus durchzunehmen haben: wie in anderer Weise gewirkt wird von den geistigen Welten herunter auf diese Wesen im Frühling, im Sommer, im Herbst, im Winter, das heißt wie sie hier auf der Erde um uns herum ein elementarisches Reich ausbreiten, das in der angedeuteten Weise dem Naturreich zugrunde liegt, und wie
sich herunterströmend ergießt, man kann nicht sagen ein Unterricht, aber etwas, was an Kräften sich ergießt, damit diese Wesen im Frühling die Macht bekommen, aus der Erde die Pflanzendecke herauszuformen.
Es tragen herunter die Kräfte der Geister der Form gewisse Geisteswesenheiten, die sie diesen elementarischen Wesenheiten mitteilen, so daß eine neue Formenwelt im Frühling heraussprießt. Indem es dem Sommer zugeht, bekommen sie gleichsam einen späteren Kursus, so daß sie dasjenige wieder bewirken können, was gegen den Sommer zu sich vollzieht. Und so vollzieht sich im Jahresiauf eine Wechselwirkung zwischen den Geistern der höheren Hierarchien und den elementarischen Wesen, die weben und leben in der Natur, die uns umgibt. Das heißt, wir haben es fortwährend zu tun mit einem Auf- und Abschweben, mit einem Auf- und Abströmen von Geistwesenheiten der höheren Hierarchien, deren Zöglinge, deren Schüler die Wesenheiten sind, weiche die belebenden Kräfte wieder abzugeben haben für alles dasjenige, was im Jahreslauf sprießt und sproßt. Denn alles dasjenige, was im Jahreslauf sprießt und sproßt, was entsteht und vergeht, alles das ist nicht bloß herausgewachsen aus unserer Erde, sondern steht in unmittelbarer Wechselwirkung mit dem Himmlisch-Geistigen.
Und diejenigen Menschen, die glauben, daß die Pflanzen, daß die Tiere, die da aufleben in jedem Frühling, so aus den Kräften der Erde nur herauswachsen, diese Menschen sind zu vergleichen, sagen wir, mit Würmern, die unter der Erdendecke immerfort hinkriechen und niemals an die Oberfläche der Erde kommen, und die glauben würden, indem sie von Pflanzenwurzel zu Pflanzenwurzel kriechen: Es gibt nur Pflanzenwurzeln, und dasjenige, was da oberhalb der Erde ist, in das sie niemals einen Blick tun, das werden sie selbstverständlich ableugnen.
Und wenn dann doch einmal ein Wurm kommt und ein Loch sich bohrt und heraufkommt und sieht, daß da oben Blätter und Blüten sind, daß von den Wurzeln etwas heraufreicht in das Licht der Sonne, und er wiederum zurückkommt und den Würmern, die unten kriechen und nur die Pflanzenwurzeln kennen, erzählt davon, dann werden sie sagen:
Du bist ein ganz verrückter Wurm, du bist ein ganz verdrehter Wurmzwickel, das gibt es ja alles nicht, wovon du uns da erzählst! — Ja, wir haben dies vielleicht unter den Würmern nicht, die Würmer sind vermutlich gescheiter; aber unter den Menschen haben wir das allerdings.
Also wie gesagt, dasjenige, was sprießt und sproßt im Jahreslauf, das steht in unmittelbarer Wechselwirkung mit den Wesen, die ihre Kräfte auf- und abströmen lassen und sie ergießen in diese elementarische Welt. So aber, meine lieben Freunde, wie heute Sylphen und Gnomen und Undinen und Salamander ihre Einflüsse erhalten von diesen Wesen der höheren Hierarchien, die auf- und niedersteigen, je nach dem Jahreslauf, so bekam der Mensch, als er noch nicht so dicht mit seinem physischen Leibe verwachsen war, in alten Zeiten den Unterricht von den auf- und abschwebenden Geistern der höheren Hierarchien. Und all die Sagen und Mythen, die geblieben sind und die uns sagen, daß in alten Zeiten der Mensch den Unterricht solcher Wesen genossen hat, die selber herunterstiegen aus der geistigen Welt, diese Mythen beruhen durchaus auf Wahrheit.
Der Mensch befand sich selber unter denjenigen Geistern, unter denen sich heute nur Gnomen, Sylphen, Undinen und so weiter befinden. Und während diese Geister diejenigen Kräfte empfangen, durch die sie die Formen, die im Jahreslauf aus der Erde auf- und absprießen, entwickeln, bekam der Mensch in alten Zeiten von den auf- und abschwebenden Wesen der höheren Hierarchien seinen Unterricht. Und dasjenige, was er da bekam in uralten Zeiten, das ist das, dessen letzter Rest geblieben ist in solchen Schriften, die uns heute noch aufbewahrt sind, und aus denen ein Unbefangener nachweisen kann — wie gesagt, aus äußeren Schriften —, daß solch eine UrOffenbarung stattgefunden hat.
Also eine solche Ur-Offenbarung hat stattgefunden. Und in denjenigen Zeiten, die vorangehen dem achten vorchristlichen Jahrhundert, sind die letzten Reste dieser Ur-Offenbarung zu der Menschheit heruntergeflossen. Geradezu können wir das Jahr 747 angeben, in dem gewissermaßen der Mensch durch die weitere Entwickelung seiner physischen Natur ausgeschlossen worden ist von der unmittelbaren Teilnahme — selbstverständlich geschieht ja das alles nach und nach — an solchem Unterricht, wie ich ihn jetzt angedeutet habe.
Alles dasjenige, was alte Wissenschaft war, ist auf diese Weise durch den unmittelbaren Unterricht der geistigen Wesenheiten in die Menschen hineingeflossen. Und die uralten Wissenschaften, die überliefert sind und die heute nicht mehr verstanden werden, sind auf diese Weise den Menschen zugekommen. Die letzte Wissenschaft nun, die auf diese Weise den Menschen zugekommen ist, müssen wir einmal ins Auge fassen. Was hat denn der Mensch im Laufe der Zeit, von der ersten Zeit an in der alten Atlantis, wo solche Ur-Offenbarung heruntergeflossen ist, erfahren?
Er hat erfahren den Zusammenhang, in dem er selbst als Mensch steht mit den geistigen Welten. Denn der Mensch ist ein Mikrokosmos, und in ihm spielen alle die Kräfte und Vorgänge im Kleinen sich ab, die sonst sich in der großen Welt abspielen.
Das Letzte, was der Mensch auf diese Weise gelernt hat, was von außen ihm zugeflossen ist, das ist die Geometrie und Arithmetik. Und derjenige, der heute noch Geometrie und Arithmetik im wahren Sinne des Wortes auf sich wirken läßt, wird noch etwas verspüren davon, daß darin etwas anderes an ihn herankommt als anderes Wissen. Anderes Wissen sammelt man so aus der Erfahrung zusammen. Aber Geometrie und Arithmetik ist etwas, worinnen man spürt, daß es wahr ist abgesehen von der äußeren Erfahrung, abgesehen von aller Sinneserfahrung.
Kein Mensch kann dadurch, daß er es sich aufzeichnet und in der Sinneserfahrung ein Dreieck vorstellt, beweisen, indem er abmißt die Winkel, daß dieselben hundertachtzig Grad sind. Da kann er höchstens darauf kommen; aber beweisen kann er es sich nur durch das innere Gedankenerlebnis. Und ebenso kann sich kein Mensch beweisen, daß drei mal drei neun ist, bloß durch äußeres Zählen, sondern nur durch innere Vorstellung. Man braucht da keine Erbsen oder Bohnen zu haben, auch nicht die Finger, sondern man braucht es sich nur innerlich vorzustellen, und man wird innerlich zu der Wahrheit kommen: drei mal drei ist neun.
Im weiteren Umfange aber liegt dem, was da als Geometrie und Arithmetik gedacht wird, zugrunde alles dasjenige, was in den Formen der Baukunst zum Ausdruck kommt. Schon in den Zeiten der Ägypter wurde angeschlossen an noch Älteres, an ein Urwissen, darin geoffenbart wurde die Geometrie und Arithmetik. In den griechisch-lateinischen Zeiten wurde dann dasjenige, was altes Wissen war, in den Mysterien den Menschen so vermittelt, daß man ihnen sagte: Wenn du dich recht in dich vertiefst, dann bringst du das aus dir heraus, was in früheren Zeiten, in denen du auf der Erde gelebt hast, von den Geistern der höheren Hierarchien geoffenbart worden war. —
In den ägyptischen Mysterien brauchte man das nicht zu tun, da kamen die hohen Wesen noch selber herab. In der griechisch-lateinischen Zeit versammelte der Meister seine Schüler, indem er ihnen sagte: Ihr wart da in früheren Inkarnationen, da gingt ihr durch eine Menschenentwickelung hindurch, woran teilnahmen die Geister der höheren Hierarchien. Das hat sich in euren Seelen festgesetzt — holt es herauf! — So ließ der Meister der griechischen, der römischen Mysterien noch dasjenige heraufholen, was auf diese Weise in der Menschenseele war. Denn alles ist in der Menschenseele zu finden, weil in der Ur-Offenbarung alles durch die Geister in die Menschen heruntergeströmt ist. Was wir heute aus uns herausbringen, wirklich aus uns herausbringen, das haben wir ja schon einmal durchlaufen im Unterricht von den höheren Hierarchien aus.
Dann kam das Jahr 1413/14. Und da kann sich der Mensch nicht mehr dessen bewußt werden — denn da besonders beginnt das materialistische Zeitalter —, was in ihm aus früherem spirituellem Unterricht eigentlich enthalten ist. Von da ab deckt die dichte Vereinigung der Seele mit dem physischen Leibe dieses, was da in unseren Seelen ist, zu. Aber in der ganzen Zeit von 747 vor Christus bis 1413 war das möglich, daß das heraufgeholt wurde aus der Seele, was in früheren Zeiten auf die angedeutete Weise eingeströmt ist. Denken Sie, wie solch ein Mensch, insbesondere in der alten Griechenzeit, nun eigentlich empfunden haben muß. Gerade in der alten Griechenzeit hat er so empfunden, wie ich Ihnen jetzt andeute. Er hat sich gesagt: Geometrie, wie sie sich in den Formen eines Bauwerkes zum Ausdruck bringt, ist früher heruntergeflossen durch göttlich-geistigen Unterricht aus der Außenwelt.
Es hat sich dargestellt. Der Mensch war eingesäumt von Formen. Jetzt, wenn der Mensch ein Dreieck zeichnen will, nimmt er die Kreide und zeichnet sich das auf. Das brauchte der alte Grieche noch nicht, sondern der brauchte sich nur auf sich zu besinnen, dann konnte er noch gleichsam hellsehend, ätherisch-hellsichtig, das Dreieck vor sich sehen. Also er konnte dasjenige, was Geometrie war, noch hellsichtig vor sich hinzeichnen.
So war es ja auch in der Urzeit mit der Schrift, aber in einer älteren Urzeit. Da brauchte man nicht bloß auf Papyrus zu schreiben, sondern man schrieb auch vor sich hin, hellsichtig schrieb man vor sich hin. Aber wie gesagt, dasjenige, was in die Formen der Baukunst einfloß, setzte der Mensch rings um sich herum, so daß er also so unterrichtet wurde in einer gewissen Zeit der griechischen Mysterien, daß ihm gesagt wurde: Jetzt besinne dich ganz deutlich auf dich! Wenn du dich auf den göttlichen Menschen, der in dir lebt, besinnst, wenn du also nicht deinen vorübergehenden Erdenmenschen nur ins Auge faßt, sondern wenn du dich auf den göttlichen Menschen in dir besinnst, dann wird sich um dich herum ein Bauwerk aufbauen, das aus den Formen der Geometrie zusammengefügt ist; du bist mitten darinnen.
Wie die Spinne ihr Spinnennetz um sich herum spinnt, so spann ätherisch um sich herum solch ein Schüler der griechischen Mysterien; er spann sich noch das Ganze geometrisch, und in das stellte sich ihm dann das andere Menschenwissen hinein. Das brauchte er dann nur um sich herum äußerlich herzustellen: dann hatte er den griechischen Tempel. Der griechische Tempel ist nichts anderes, als die Ausfüllung mit physischer Materie desjenigen, was auf diese Weise sich in geometrischen Formen hellsichtig um den Menschen hinstellt. Der griechische Tempel gibt nur die Steine hinein in das, was sich so hinstellt. Daher hat der Grieche auch immer die Tendenz, in den Tempel eine Götterfigur hineinzustellen, wie er sich eigentlich seinen eigenen göttlichen Menschen da drinnen denken muß. So baut er in den Zeiten, in denen die Tempel wirklich gebaut werden, nicht einfach einen Tempel hin, sondern innen das Götterbild, die Pallas Athene oder irgendeinen anderen Gott, weil das zusammengehört, weil das gleichsam dasjenige ist, was um sich herum das Bauwerk errichtet:
Der Mikrokosmos mit dem zusammen, was aus dem Makrokosmos heraus sich offenbart, aber jetzt natürlich von innen heraus sich offenbaren muß aus dem angedeuteten Grunde. Also Sie sehen hier den Zusammenhang des Bauens des Tempels mit einem ursprünglichen Hellsehen.
Daher fühlten diejenigen, die in dieser Zeit bauten, in der Baukunst doch etwas Göttliches, etwas, was mit allen inneren Offenbarungen des Menschen im höchsten Maße zusammenhängt. Sie fühlten, daß man nicht so wie heute baut, wo man auf der Hochschule allerlei lernt und dann baut. Deshalb finden ja die Leute so unnatürlich, daß wir aus unserer eigenen Geisteswissenschaft heraus den Dornacher Bau bauen wollen.
Sie fänden es natürlich, wenn ihn ein gewöhnlicher Baumeister baute, und von dem gewöhnlichen Baumeister würden sie nicht verlangen, daß er irgendein Sterbenswörtchen wüßte von unserer Geisteswissenschaft. Denn heute weiß man nicht, daß dasjenige, dem der Bau dient, in der ganzen Umgebung, in dem ganzen Bauwerke sich zum Ausdruck bringen muß. Aber in der Zeit, in der der Mensch den Bau empfunden hat wie die Offenbarung der Geister der Form, da war es so. Daher die eigentümliche Art, in der noch Vitruvius, der große Baumeister aus dem Zeitalter des Augustus, von dem Baumeister spricht. Da spricht er von den moralischen Eigenschaften, die der Baumeister haben muß, von seinem Sinn für den göttlichen Sinn des Universums. Und dann möchte ich Ihnen eine merkwürdige Stelle aus Vitruv vorlesen, die Ihnen zeigen soll, was Vitruv verlangt von dem Baumeister. Der sagt von dem Baumeister:
«Er muß daher nicht allein Naturgaben, sondern auch Lernbegierde besitzen; denn weder Genie ohne wissenschaftliche Bildung, noch wissenschaftliche Bildung ohne Genie kann einen vollkommenen Künstler machen. Er muß fertig im Schreiben, erfahren im Zeichnen, der Geometrie kundig, in der Optik nicht unwissend, in der Arithmetik unterrichtet sein; er muß viele Geschichten wissen, die Philosophie fleißig gehört haben, Musik verstehen, von Medizin Kenntnis haben, mit der Rechtsgelehrsamkeit bekannt sein und mit der Sternkunde samt dem Himmelslaufe sich vertraut gemacht haben.»
Warum muß der Baumeister nach Vitruvs Anschauung dies alles kennen? Aus dem Grunde, weil die Formen des Baues die Offenbarungen sind der höheren Hierarchien — dessen war man sich bewußt —, weil man in denjenigen, die schufen, die Wesenheiten der höheren Hierarchien eigentlich sah. Das ist das ungeheuer Bedeutsame. Und welches Gefühl hatte solch ein Baumeiser ? Nicht wahr, der heutige Baumeister würde ein sonderbares Gesicht machen, wenn man von ihm verlangen würde, er solle nicht nur dasjenige wissen, was man heute an den technischen Hochschulen lernt, sondern er solle auch noch Medizin, Philosophie, sogar Sternkunde und den Himmelslauf kennen, er solle also in einer gewissen Weise in den Geisteswissenschaften ein Eingeweihter sein. Weshalb war das so? Es war so, weil Vitruv selber noch das Folgende empfand: Wenn ich baue, sagte er sich, da darf nicht dieser endliche Mensch bauen, sondern da muß dieser endliche Mensch zum Werkzeug werden für ein Wesen höherer Hierarchien, das durch ihn wirkt.
Aber diese Möglichkeit, in Zusammenhang zu kommen mit den höheren Hierarchien, so daß, wenn Stein auf Stein gefügt wird im Bauwerk, nicht dieser endliche Mensch schafft, sondern die Geister der höheren Hierarchien schaffen, diese Möglichkeit bekam man nur in den geheimen Mysterienstätten. Da mußte man eingeweiht werden in den Zusammenhang des Göttlichen und des Menschlichen. Man mußte Medizin aus dem Grunde kennen, weil man die Formen so fügen mußte, daß sie wirklich waren wie ein Abdruck des menschlichen Wesens selber, vergleichbar in gewissem Sinne wie das Schneckenhaus ein Abdruck der Schnecke ist, wie das aus ihrem Wesen heraus, das in sie gelegt ist, aus dem Makrokosmos heraus gebaut wird. So fühlte sich der Mensch, daß in ihm wirkte dieses göttlich-geistige Wesen, und daß es seine Hände führt, daß es seinen Geist führt und in die Formen der Baukunst hineinwirkt.
Weil die Formen der Baukunst das Letzte waren, was geoffenbart worden ist, geht deshalb alles dasjenige, was in solchen okkulten Gesellschaften lebt und in deren Anhängseln, von denen ich das letzte Mal gesprochen habe, von der wirklichen Baukunst und von der Stimmung, die der Baukünstler in der wirklichen Baukunst hatte, aus. Vor allen Dingen lebt in diesen okkulten Gesellschaften, wenn auch im Zerrbild, in der Karikatur, daß derjenige, der eintritt, auf den Weg sich begibt in die geistigen Welten hinein:
Erster Grad. Der da hineintritt, begibt sich auf den Weg in die geistige Welt.
Zweiter Grad: Er stellt mit denjenigen, die mit ihm zusammen in den okkulten Gemeinschaften sind, solche Beziehungen her, die nicht bloß von äußeren sozialen Verhältnissen herrühren, nicht durch sie bestimmt sind, sondern die von Seele zu Seele gehen. Er wird Geselle, Genosse im zweiten Grad. Und endlich lernt er fühlen, was es heißt: Hier stehe ich als Mensch und fühle mich als Mensch wie die Umhüllung desjenigen, was in mir als der Geistesmensch lebt, mit dem die Wesen der höheren Hierarchien sprechen, zu dem sie sich hinunterneigen, der kein Wort sprechen darf, das nicht inspiriert ist von diesen Geistern der höheren Hierarchien. — Wenn auch wenig Bewußtsein davon vorhanden ist bei denjenigen, die als im dritten Grade in solchen okkulten Verbrüderungen sind und die sich dann die Meister nennen, die Meister des dritten Grades, — aber diese Tatsache liegt zugrunde. Und weil die Offenbarungen nicht mehr stattfinden, weil die Dinge nicht so intensiv wirkend gelassen werden heute, weil kein unmittelbarer Zusammenhang mit der geistigen Welt ist, nimmt man die Überlieferungen, nimmt dasjenige, was überliefert worden ist, breitet dann das Geheimnis darüber, läßt andere nicht teilnehmen, damit andere das nicht wissen. Aber es wird in solchen Gemeinschaften von Jahrhundert zu Jahrhundert, von Generation zu Generation das Urwissen fortbewahrt, allerdings oftmals in jenen Unfug verkehrt, in jener schlechten Weise für das Menschheitswissen angewendet, wie ich das auch das letzte Mal angeführt habe.
Die vierte nachatlantische Periode bis in das fünfzehnte Jahrhundert, bis zum Jahre 1413 ungefähr, ist geradezu dazu da, um langsam absickern zu lassen den unmittelbaren Zusammenhang mit der geistigen Welt.
Das Merkwürdige ist, daß feinere, sensitivere Geister gerade in der Zeit, wo so die Jahre vorbei waren, in denen das abgesickert ist, was früher Zusammenhang mit der geistigen Welt war, das durchaus fühlten. Die ganze Zeit hindurch — ich habe das
schon angedeutet — vom Jahre 747 vor Christus bis zum Jahre 1413 ungefähr nach Christus war ja ein gewisser Zusammenhang mit der geistigen Welt da. Man konnte ihn wenigstens aus dem Inneren heraus beleben in diesen Jahren, wenigstens aus der Erinnerung heraus beleben. Das hörte eben mit dem vierzehnten Jahrhundert auf. Und über das vierzehnte Jahrhundert hinaus fühlten sensitive Geister noch, daß gewissermaßen der Geist noch hereinspielt.
Die Leute, die heute Geschichte lernen, die lernen Geschichte ja so — ich habe das oft angedeutet —, wie wenn es immer so gewesen wäre mit den Menschen, wie in der Zeit von heute, wo wir es so herrlich weit gebracht. Aber so war es nicht immer! Wer zum Beispiel begreifen will das fünfzehnte, sechzehnte, siebzehnte Jahrhundert, der muß sich eine Ahnung davon verschaffen, daß das doch Zeiten waren, in denen gewissermaßen der Hauch des geistigen Lebens noch über die Erde hinzog. In älteren Zeiten fühlte ja der Mensch, wenn er das, was in seiner Umgebung war, ins seelische Auge faßte, nicht bloß: da draußen sind Pflanzen, da sind Wolken, stürmt der Wind, sind Blitze, sondern da fühlte er sich umgeben von den elementarischen Wesen, da fühlte er das ebenso da, wie Pflanzen und Tiere.
Aber das versickerte, das verschwand — natürlich nicht auf einmal —, so daß wir uns die Zeiten schon vom vierzehnten, fünfzehnten, sechzehnten, auch noch vom siebzehnten Jahrhundert so vorzustellen haben, daß empfänglichere Naturen wußten: um uns herum webt und lebt der Geist.
Nun, dasjenige, was hereinspielte aus der geistigen Welt, wurde dazumal noch nicht so genommen wie heute. Heute sagt man, wenn irgend jemand die geistige Welt hereinspielen hat: Hysterie, hysterisch! — Selbstverständlich, hysterisch, aber das will ja nichts besagen. Es kann ja hysterisch sein; deshalb kann ja trotzdem die geistige Welt hereinspielen. Diese beiden Dinge haben miteinander gar nichts zu tun. Man begnügt sich nur heute mit der materialistischen Auslegung. Aber in den damaligen Zeiten wußte man noch etwas von den Tatsachen, da nahm man nicht als bloße Krankheitserscheinungen — was sie ja auch daneben noch sein können in unserem materialistischen Sinne — dasjenige, was sich hereinlebte aus der geistigen Welt in die Welt des Menschen. Wir begreifen gewisse Dinge durchaus nicht, wenn man dieses nicht ins Auge faßt.
Ich will Sie auf eine Tatsache aufmerksam machen. Der heutige Historiker redet zum Beispiel über die Zeit des Savonarola im fünfzehnten Jahrhundert so, daß er wirklich über das damalige Florenz redet, wie man über eine heutige Stadt redet, nicht wahr, so wie man erzählen würde, wie heute die Leute meinetwillen vor den Butterläden sich ansammeln und dort in einer gewissen Stimmung sind. So redet man über das damalige Florenz. Man bedenkt nicht, daß man sich da erst in die Stimmung der damaligen Zeit versetzen muß, in jene Stimmung, wo man das Geistige noch etwas miterlebte. Was war es denn, was in einer gewissen Woche in Florenz jeden, jedermann, den man auf der Straße sehen kann, mit gedrücktem Leibe, mit trübem Auge, wie unter einer schweren Last dahinwan-deln ließ?
Das war es, daß Savonarola am letzten Sonntag gesagt hatte:
Wenn die Moral so fortgehen werde, wie sie war, dann werde hereinbrechen die Sintflut. Und geschlossen hatte er mit den Worten: Ecce ego aducam aquas super terram — Ich sage euch, die Wasser werden über die Erde fließen! —
Und diese Worte waren belebt von Geist, und der Geist strömte aus. Und unter diesem geistigen Einflüsse standen eine Woche lang die Bewohner von Florenz und wandelten so, wie ich es geschildert habe. Einer der Zeitgenossen des Savonarola war Pico della Mirandola, der Graf Mirandola, der am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts gelebt hat und ganz darinnen war in der Stimmung, die dazumal in Florenz lebte. Sie sehen, wir sind in dem Jahrhundert, wo der vierte nachatlantische Zeitraum in den fünften nachatlantischen Zeitraum übergeht. Pico von Mirandola ist einer derjenigen Geister, die zu den empfänglichen gehörten, die fühlten, der Geist verschwindet aus unserer Umgebung, und der zu gleicher Zeit eine innigste Sehnsucht bekam, diesen Geist noch zu fühlen, ihn hereinzubekommen. Ja, es war eine ganze Anzahl von Menschen dazumal in Florenz, in dieser Zeit, welche in dieser Stimmung lebten. Sie fühlten:
für das normale menschliche Leben verweht der Geist; aber wir müssen ihn hereinbekommen. Neuplatoniker nannten sich dazumal diese Renaissance-Menschen. Und derjenige konnte nicht in ihre Akademie eintreten, der nicht wenigstens ein Erlebnis hatte, durch das er Zusammenhänge seiner Seele, Kräfte bewiesen hätte, welche zeigten, daß er noch eine unmittelbare Anschauung gehabt habe von dem Geiste, der um uns herum wirkt und ist.
Das war noch im fünfzehnten Jahrhundert. In die Akademie von Florenz, die den Neuplatonismus, die Wiederauflebung Piatos, pflegte, durfte man gar nicht eintreten, wenn man sich nicht bemühte, ein Erlebnis zuerst gehabt zu haben, durch das man unmittelbar wußte: der Geist lebt sich herein in das Sinnenleben.
Und Pico hatte solcher Augenblicke mehrere. Und daher verstand er die Worte Savonarolas, die, wenn auch in einer eigenartigen Weise, durchtränkt waren von solchen geistigen Strömungen. Dieser Pico verstand in seiner Art den Savonarola. Pico von Mirandola war nur zu eitel dazu, um auf dasjenige einzugehen, was Savonarola für ihn wollte. Der wollte ihn eigentlich zu seinem Genossen machen. Aber Pico von Mirandola konnte das nicht mit seiner Eitelkeit in Vereinbarung bringen. Als Pico von Mirandola, noch als verhältnismäßig junger Mensch, dem Tode nahe war, da hatte er wiederum solch ein Erlebnis. Und dieses Erlebnis prägte sich ihm so aus:
Indem er sein Ende herankommen fühlte — er war noch ganz jung —, sah er in die geistige Welt hinein. Die Formen, in denen sich dann die Wesen der geistigen Welt ausprägen, richten sich ja nach dem Subjektiven des Menschen. Was sich dem Pico aus der geistigen Welt offenbarte, kleidete sich ihm in das Bild der Madonna. Kurz, die Madonna erschien ihm, so können wir sagen, und sie sagte:
Ich werde dich noch nicht völlig dem Tode überliefern. — Mirandola verstand das nicht einmal gleich. Er glaubte, er könne als physischer Mensch weiterleben. Dennoch starb er, und Savonarola hielt selber die Leichenrede. Und es ist bedeutsam, uns in die ganze Stimmung hinein zu versetzen, die den Übergang bildete zwischen dem vierten und dem fünften nachatlantischen Zeitraum. Es ist vielleicht gut, einmal die Worte, die Savonarola am Grabe des Pico von Mirandola gesprochen hat, sich ins Gedächtnis zu rufen, denn man sieht in diesen Worten, wie dazumal ernst genommen wurde die Tatsache, daß solch ein Mensch wie Pico von Mirandola eine solche Beziehung zur geistigen Welt hatte, daß sich ihm noch vor dem Tode in einer solchen Weise die geistige Welt zeigte in einem Bilde.
Savonarola sagte dazumal an dem Grabe des Pico von Mirandola — es ist dies zugleich ein Zeichen dafür, daß dazumal Leichenreden nicht bloß zur Schmeichelei gehalten worden sind —:
«Keiner ist unter euch, der Giovanni Pico nicht gekannt hätte. Mit großen Wohltaten und hohen Gunsterweisungen hat Gott ihn überhäuft. Mannigfaltig war sein Wissen, und sein Geist ragte empor über die Sterblichen. Auch für die Kirche bedeutet sein Tod einen schweren Verlust. Wäre seine Lebenszeit nicht so kurz gewesen, so hätte er, nach meiner festen Überzeugung, alle Gelehrten der letzten achthundert Jahre in den Schatten gestellt. Eine göttliche Stimme in seinem Herzen rief ihm zu, die Weihen zu nehmen. Bisweilen war er willens, dem Rufe Folge zu leisten. Aber er verschob immer wieder den Eintritt in das Kloster, sei es aus Undankbarkeit gegen Gott, sei es, weil die Sinnlichkeit ihn zurückhielt, oder weil er bei der Zartheit seines Körpers vor den Anstrengungen des Mönchslebens zurückschreckte, oder endlich, weil er durch seine wissenschaftlichen Arbeiten schon an sich der Religion förderlich sein zu können glaubte. Deshalb drohte ich ihm seit zwei Jahren mit der Geißel Gottes, und ich bekenne, daß ich den Höchsten anflehte, den Säumigen ein wenig zu züchtigen. Aber selbst ihm gegenüber zeigte sich Gott in seiner Nachsicht. Zwar ist des Toten Seele noch nicht eingegangen zur himmlischen Seligkeit im Schöße des Vaters, doch ist sie auch nicht zu den Martern der Hölle auf ewig verdammt, denn sie empfängt eine bestimmte Zeit lang ihre Sühne im Feuer des Purgatoriums. Was ich euch über Picos Tod verkündete, das wird nicht durch das ihm gewordene Versprechen der heiligen Jungfrau widerlegt. Zuerst hielt ich dieses Versprechen überhaupt für die Vorspiegelung eines Dämons» — Savonarola spricht also von dem letzten Gesichte des Pico von Mirandola —, «dann wurde mir jedoch klar, daß der Sterbende in der Sinnesverwirrung der letzten Stunde unter jener Verheißung den ersten Tod, die Madonna aber den ewigen gemeint habe.»
Das heißt, die Madonna hat ihm gesagt: er werde nicht auf immer in Strafe genommen werden, sondern nur kurze Zeit nach seinem Tode — so meint Savonarola.
Die Stimmung, in der dazumal bei solchen Gelegenheiten von geistigen Erscheinungen gesprochen worden ist, diese Stimmung wollte ich nur charakterisieren. Und man darf sie mit diesem Beispiel charakterisieren, denn Savonarola ist kein Mensch, der sich bloß aus Heuchelei, weil er Priester war, zu geistigen Erscheinungen bekannt haben würde. Savonarola war ein Mensch von der Art, daß man ihm zumuten mußte: In jeder Lage und in jeder Stellung, in der er war, folgte er nur der Stimme dessen, wovon er sich persönlich überzeugt hatte. Er sprach nicht nur, um der Kirche zu gefallen, der er ja auch wirklich nicht gefiel und die ihn entsprechend behandelt hat, sondern er sprach, indem er von den geistigen Welten sprach, von dem, wovon er wußte aus seiner eigenen Erfahrung. Denn dasjenige, was Pico wußte von der geistigen Welt aus seiner unmittelbaren Erfahrung, wurde natürlich weit übertroffen durch die unmittelbaren Offenbarungen, die Savonarola selber von der geistigen Welt hatte.
Ich wollte Ihnen damit nur charakterisieren, wie sehr wir die Stimmung gegenüber der geistigen Welt ins Auge fassen müssen, wenn wir verstehen wollen, wie dieser rasche, plötzliche Übergang ist vom vierzehnten ins fünfzehnte Jahrhundert. Wie eine Sehnsucht spricht uns das an, was wir gehört haben: zurück in die Zeit, wo man leichter noch empfangen hat die Eindrücke der geistigen Welt! Aber diese Menschen, sie waren jetzt vereinzelt. Sie mußten besondere asketische Übungen machen, um das, was sie ersehnten, wenigstens in gewissen Augenblicken des Lebens, vielleicht sogar auf eine verzerrte Art, zu bekommen. Es ist wirklich nicht so, wie sich die heutige Gelehrsamkeit das vorstellt, daß alles sich so langsam und allmählich entwickele. Die Natur macht keine Sprünge, sagt man.
Es ist das Blödeste, was man sagen kann. Sprünge macht sie allerdings nicht, aber fortwährend Übergänge, starke Übergänge. Das Blumenblatt verwandelt sich nicht allmählich in ein bissei weniger Blumenblatt, und wieder ein bissei weniger Blumenblatt in das Blütenblatt, sondern das grüne Pflanzenblatt schließt ab mit dem Kelchblatt, und das farbige Blumenblatt ist da. Unsinn, zu sagen, die Natur mache keine Sprünge! Aber solche Worte werden als Trivialworte immer wieder und wiederum fortgepflanzt.
Die nächste Aufgabe, die nun da war, die war diese: nunmehr zu appellieren an diejenigen Kräfte, welche an die Stelle der alten Auffassungskraft des Geistigen treten mußten. Und da kam es, daß es gewöhnlich zwei Wege waren. Der eine Weg war einfach der der Fortpflanzung durch Tradition.
Man war zufrieden, man pflanzte das, was die Alten gesehen haben, was die Alten geoffenbart haben, durch Tradition fort. Dadurch entstanden viele geheime Gesellschaften.
Aber es gab auch Leute, die bemühten sich, mit der neuen Seelenkraft, die heraufgekommen war, zu rechnen. Sie versuchten, dasjenige, was früher in ganz anderer Form, in Form des Bildes, in Form der unmittelbaren Anschauung da war, zu übersetzen in die Form der Verstandeskraft, die an den physischen Leib gebunden ist, diese Verstandeskraft, die wir jetzt haben als normale Menschenkraft im fünften nachatlantischen Zeitalter. Einer derjenigen, der sich nun bemühte, heraufzubekommen in das richtige Zeitverhältnis das ehemalige Bauprinzip, das uns natürlich in ganz anderer Weise in Bildern und Symbolen obliegt, das ist der große Arnos Comenius.
Ich glaube, die Leute wissen schon heute nicht mehr viel von Arnos Comenius, dem eigentlichen Begründer des ganzen modernen Schulwesens, dem Begründer der Fibel, dem Manne, der, im sechzehnten Jahrhundert lebend, eigentlich dasjenige bewirkt hat, was heute den ganzen Kinderunterricht ausmacht.
Vielleicht ist es doch nicht uninteressant, in dieser Beziehung einiges vorzulesen, weil heute so wenig vorhanden ist von dem, was man nennen kann ein Bewußtsein von Arnos Comenius. Unter den mancherlei Büchern, die ich nicht etwa alle gut nennen will, unter den Sammelwerken, die jetzt erscheinen, ist auch das Buch: «Comenius und die Böhmischen Brüder» von Friedrich Eckstein. Friedrich Eckstein ist einer von denjenigen, die mit mir vereinigt waren am Ende der achtziger Jahre in Wien zu einer kleineren theosophischen Gemeinschaft. Er ist dann seine eigenen Wege gegangen. Ich habe lange nichts von ihm gehört, und jetzt ist dieses Büchelchen über Arnos Comenius von ihm erschienen, das sehr verdienstvoll zusammengestellt ist.
Eckstein sagt über den sogenannten «Orbis pictus», «daß dessen primitive Abbildungen, wenn auch in modern verstümmelten und abgeschwächten Ausgaben, uns alle in unserer Jugend erfreut haben. In den 150 Holzschnitten der Originalausgabe mit ihrem kurzen deutschen und lateinischen Text, ganz im Sinne jenes Zugleich von Real- und Sprachunterricht, wurden dem Geiste des Kindes die Hauptbegriffe des Lebens, beginnend mit Gott, der Welt, dem Himmel und den Elementen, den Pflanzen, Früchten, Tieren, dem menschlichen Körper und seinen Gliedern, bis zu den einzelnen Tätigkeiten und Handwerken, mit ergreifender, zum Herzen dringender Einfalt und Klarheit in Wort und Bild vorgeführt, und man versteht sogleich, wie dieses Buch auf die Kinder vieler Generationen den tiefsten Eindruck machen mußte. Herder und Goethe haben es in ihrer Kindheit über alles geliebt und daraus zweifellos Impulse für das Leben erhalten.
Und die ganze Art, Kinderbücher, das heißt Schulkinderbücher zu machen, fußte auf dem Arnos Comenius. Aber dieser Arnos Comenius war ein Mann — er ist in Mähren geboren —, der im Verlaufe seines Lebens in Zusammenhang gekommen ist mit den zahlreichen über ganz Europa ausgegossenen geheimen Brüderschaften, wie die sind, von denen ich Ihnen erzählt habe; denn die waren ja überall zu finden. Und mit allen ist er in reale Beziehung getreten, auf alle versuchte er zu wirken. Und wie er zu wirken wußte, das zeigt besonders schön dasjenige, was er in seiner «Pansophie» sagt.
Also da haben wir in Arnos Comenius im sechzehnten, siebzehnten Jahrhundert, im Anfange unseres Zeitraums, einen Menschen, der wußte: Jetzt ist Umschwung, es kommt ein anderes Zeitalter herauf. Man muß in die Form des äußeren Verstandes umsetzen dasjenige, was früher war. Man darf es nicht in Form einer bloßen Tradition behalten.
Die Tradition ging auf das Letzte aus, was geoffenbart war, auf den Tempelbau. Ob man nun den griechischen Tempel oder den salomonischen Tempel nahm, darauf kommt es nicht an. Auf den Tempelbau, auf die Bilder des Tempelbaues ging es hinaus, und von den Bildern des Tempelbaues wurde alles genommen, symbolisch, imaginativ.
Arnos Comenius stellte sich zur Aufgabe, in seiner «Pansophie» alles umzusetzen in die Art und Weise, wie die Seele wirkt im fünften nachatlantischen Zeitraum. Er sagt:
«Möge nun dieser oder jener Name gefallen, wir zogen den der Pansophie vor, weil wir alle Menschen anregen wollten, alles zu erkennen und überhaupt weise zu sein, mit der Wahrheit der Dinge den Geist zu erfüllen und nicht mit dem Rauch von Meinungen. Man könnte sie auch die Wissenschaft vom Besten, vom Auserwählten, oder sogar die Wissenschaft vom Nichtswissen nennen, wenn man sich an Sokrates oder an den Apostel erinnern möchte. Warum aber soll der Tempel der Pansophie errichtet werden nach den Ideen, Richtmaßen und Gesetzen des höchsten Baumeisters selbst ?»
Hier knüpft Arnos Comenius an den «erhabenen Baumeister der Welten» an. Diesen «erhabenen Baumeister der Welten», ihn ruft man an, weil man weiß, was Baukunst, die wirkliche Baukunst in alten Zeiten war. Es ist ganz wörtlich zu nehmen, aber geistigwörtlich. Aber Arnos Comenius versucht das nun in die Sprache des fünften nachatlantischen Zeitraumes umzusetzen. Hören Sie, wie er es umsetzt:
«Warum aber soll der Tempel der Pansophie errichtet werden nach den Ideen, Richtmaßen und Gesetzen des höchsten Baumeisters selbst? Weil wir dem Urbilde des Ganzen nach Maß, Zahl, Lage und Zweck der Teile so folgen, wie es die Weisheit Gottes selbst vorgezeichnet, und zwar zuerst bei Moses in der Errichtung der Stiftshütte, dann bei Salomo in Erbauung des Tempels und endlich bei Ezechiel in der Wiederherstellung des Tempels.» — Er könnte ebensogut den griechischen Tempel anführen. —
«Wenn wir den Weisheitstempel aufrichten wollen, so müssen wir uns stets daran erinnern, daß der zu bauende Tempel groß, herrlich und preisenswert war durch alle Lande, weil unser Gott über alle Götter ist. Die würdigen und tüchtigen Bauleute müssen daher herbeigerufen werden, wo sie nur zu finden sind, damit sie das Nötige finden und schaffen helfen. Der Tempel Salomos wurde auf Gottes Befehl auf dem Berge Moriah gebaut; Moriah heißt Gesicht Gottes.» —
Ebenso wie herausgebaut worden ist der Mensch aus dem Schöße der Gottheit! Sie haben ja gesehen: Vitruv hat verlangt, daß der Baumeister alle „Weisheit über den Menschen in seinem Geiste hat. —
«Die Grundlage des Weisheitstempels wird also ein Gesicht von Gott sein» — so soll durch das neuere Wissen auch geoffenbart werden das Gesicht Gottes, das heißt die Offenbarung Gottes —, «das heißt, es soll durch alles Sichtbare hindurch der unsichtbare Stuhlmeister der Welt mit seiner Allmacht, Weisheit und Güte von dem Geiste des Menschen erkannt und geschaut werden. Die Baustoffe des Salomonischen Tempels waren Steine, Holz, Metalle, und zwar kostbare Steine, Marmor und Edelsteine, und saftige und wohlriechende Hölzer, Tannen und Zedern, und reinstes Metall, Probegold. Zum Weisheitstempel liefern drei Wälder das Bauholz» — jetzt übersetzt er —, «der der Sinne, der Vernunft und der göttlichen Offenbarung; der erste liefert das Begreifliche, der zweite das Lebendige und der dritte das Unvergängliche.» — Früher hatte man es in den Bildern von Stein und Holz, das eingelegte Gold. Das übersetzt er in die Sprache des fünften nachatlantischen Zeitraumes: Das erste liefert das Begreifliche — die Sinne; die Vernunft liefert das Lebendige; die Offenbarung liefert das Unvergängliche. Da haben Sie die Übersetzung. _ «Aus den Steinen», sagt er weiter, «wurden Wände, aus dem Holz Täfelwerk, und aus dem Golde wurden Bleche zum Überziehen des Täfelwerks und des Marmorpflasters, dann die heiligen Gefäße und Gerätschaften. So werden die Wände des Weisheitstempels aus dem, dessen Wahrheit bis zur sinnlichen Gewißheit sich erhebt», — also das, was die Sinne liefern, bildet die Wände unseres Weisheitstempels — «das Täfelwerk liefern die Vernunftschlüsse, die hinzukommen» — das Holz — «und das Gold daran kommt aus der Harmonie des Erkannten mit der
Offenbarung. Der Salomonische Tempel entstand aus vollkommen behauenen Steinen, und während des Baus hörte man keinen Hammer, kein Beil, kein Eisenzeug. So soll bei dem Bau des Weisheitstempels kein Zank und Streit sein, sondern alles im Quadrat bearbeitet sein, so daß es nur der Zusammensetzung bedarf; die Weisheit muß schon vorher erörtert, in allen Dingen herausgearbeitet sein.»
Kein Zank und Streit beim Suchen nach der Weisheit! Deshalb, meine lieben Freunde, ist das, was in unserer Gesellschaft wiederum gesucht werden soll: die geistige Weisheit, auch davon abhängig, daß unter den Mitgliedern nicht Zank und Streit herrscht. Zank und Streit ist ja, wenn unser Ziel erreicht werden soll, aus unsern Reihen ausgeschlossen. Sie wissen ja, besonders die letzten Zeiten haben gezeigt, wie stark diese goldene Regel befolgt wird. — Arnos Comenius sagt weiter:
«Die Teile des Salomonischen Tempels waren im schönsten und vollkommensten Verhältnisse nach Zahl und Maß, und ein Engel mit einer Meßschnur usw. machte dem Ezechiel den Riß.» — Da haben Sie wieder die Hindeutung auf den Angelos. — «So soll auch im Weisheitstempel alles wohl bemessen sein, damit der Geist vor allem Abirren bewahrt werde. Im Salomonischen Tempel gab es Zieraten, Bildhauerei, getriebene Arbeiten, Cherubim, Palmen und Blumen. Im Weisheitstempel soll Schönheit, die schöne Darstellung, der Schmuck sein. Alles im Umfange des Salomonischen Tempels Eingeschlossene war heilig. So soll es auch mit dem Weisheitstempel sein; sein Inhalt soll rein und heilig, den höchsten Zwecken gewidmet sein. Was aber Gott einst den Erbauern des Jerusalemischen Tempels verhieß, seine Gegenwart, seine Hilfe, seinen Segen, das können die Errichter des Weisheitstempels auch erwarten; denn er sagt: Ich liebe, die mich lieben usw. und fülle ihre Schätze. Endlich, als bei jenem Salomonischen Tempel der Grund zu den Mauern gelegt wurde, standen die Leviten und Priester in ihrem Schmuck und lobten mit Zimbeln und Pfeifen gemeinschaftlich mit dem Volke den Herrn.»
So geht es auch, wie Sie wissen, in unserer Zeit! Hier wird gesucht die geistige Weisheit, wie sie sich offenbart durch die geistigen Welten, und die Pfarrer aller Konfessionen stehen draußen, wie Sie wissen, und loben dasjenige, was gefunden wird, mit Zimbeln und mit Pfeifen gemeinschaftlich mit dem Volke des Herrn. Das haben Sie ja wohl schon gesehen, wie das geschieht bei diesen Pfarrern und Gelehrten der gegenwärtigen Zeit!
«So sollten bei der Errichtung des Weisheitstempels auch alle gottinnigen Leute zusammentreten und den Namen des Herrn preisen von nun an bis in Ewigkeit, vom Aufgange der Sonne bis zu ihrem Niedergange. Wir wünschen eine Schule der Weisheit, universaler Weisheit, eine pansophische oder Allweisheitsschule, das heißt eine Werkstatt, wo alle zur Ausbildung zugelassen, in allem für das Leben — das gegenwärtige und zukünftige — Nötigen Übung erlangen, und zwar ganz vollständig. Und dies auf so sicherem Wege, daß niemand dort gefunden wird, der durchaus nichts von den Dingen wüßte, durchaus nichts verstände, keine wahre und notwendige Anwendung zu machen imstande wäre.»
Man kann sagen: Was Goethe in «Wilhelm Meister», namentlich in den «Wanderjähren» darstellt, was er aus dem Menschen machen will, ist eine Fortsetzung desjenigen, was Arnos Comenius gewollt hat. Und wiederum, ohne daß wir unbescheiden zu sein brauchen, sondern nur indem wir in objektiver Weise blicken auf dasjenige, was Ziel unseres Strebens sein soll: wir können sehen, wie schon im sechzehnten, siebzehnten Jahrhundert der Anfang gemacht wird und wie wir nur die Aufgabe haben, uns in rechter Weise hineinzustellen in den Entwickelungsgang der Menschheit. Dann wird es schon ganz richtig sein, was wir wollen; nicht was aus subjektiver Willkür heraus entsteht, sondern was durch den Entwickelungsgang der Menschheit notwendig geworden ist.
Den Glauben kann man haben — und ich habe das öfter ausgesprochen —: die heutige Naturwissenschaft arbeitet von der einen Seite her, und die Geisteswissenschaft arbeitet von der anderen Seite, und sie müssen sich in der Mitte treffen zur Gesamtwahrheit. Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft widersprechen sich nicht. Wie diejenigen, die einen Tunnel bauen, gewissermaßen von der einen
und von der anderen Seite arbeiten können und sich in der Mitte richtig treffen, wenn alles in der richtigen Weise geometrisch angeordnet ist, wenn das Nivellement und alles stimmt, so müssen sich die heutige Naturwissenschaft, wenn sie ehrlich und rechtschaffen zu Werke geht, und die Geisteswissenschaft, wenn sie ehrlich und rechtschaffen zu Werke geht, treffen. Und sie können sich treffen, sie werden sich wirklich treffen. Auch dafür haben wir heute schon Beweise, und dafür möchte ich zum Schlüsse noch einiges anführen. Ich könnte viele Beweise anführen, aber zum Schlüsse möchte ich nur erwähnen:
Es ist in den letzten Tagen ein Buch erschienen von Karl Ludwig Schleich, ein Buch, das aus der Naturwissenschaft heraus arbeitet. «Vom Schaltwerk der Gedanken» heißt es. Ein außerordentlich interessantes Buch, ein Buch eines ehrlichen Naturforschers und Arztes, der aus demjenigen heraus arbeiten will, was ihm die ganze Breite der Sinneswissenschaft gibt. In diesem Buch ist auch ein höchst merkwürdiges Kapitel, das geradezu berufen ist, Epoche zu machen in unserer Zeit, weil es wirklich so dasteht, daß man sagen kann: das arbeitet von der einen Seite her und muß zusammentreffen mit demjenigen, was von der anderen Seite her die Geisteswissenschaft gibt. Dieses Kapitel heißt: «Die Hysterie — ein metaphysisches Problem.» Da werden allerdings merkwürdige hysterische Krankheitsfälle aufgezählt. Ich will Ihnen ein paar nur vorlesen:
«Eine hysterische junge Dame sitzt auf ihrem Diwan. Ein Ventilator, elektrisch bewegt, steht in der einen Ecke des Zimmers auf einem Tischchen. Bei einem Krankenbesuch sagt, furchtbar erschreckend, die junge Dame echt hysterisch:
Also bloß dadurch, daß er das Wort «Tetanus» gehört hatte und wußte, daß das Wundstarrkrampf ist! — «Und das vier Monate nach seiner Einlieferung.»— Also jede Infektion vollständig ausgeschlossen, der andere hatte noch gar nicht Wundstarrkrampf gehabt! — «Alle Symptome waren vorhanden, nur Fieber fehlte. Wir spritzten ihm Antitoxin ins Rückenmark, ohne Erfolg. Mich machte der Anblick des Patienten stutzig. Wir machten die übliche, absolut zuverlässige Probe der Impfung am Kaninchen mit dem Blutwasser des Rückenmarkskanals. Die Probe verlief negativ. Es waren auch keine Tetanusbazillen zu finden. Nach einigen Tagen dann Heilung durch kategorische Erklärung:
„…ungefähr im Jahre 2200 wird eine Unterdrückung des Denkens in größtem Maßstabe auf der Welt losgehen“. / Rudolf Steiner
hier weiter
weitere Texte von Rudolf Steiner:
hier weiter
Hinterlasse jetzt einen Kommentar