Die Philosophie der Freiheit. Grundlegende Gedanken über die Macht des Denkens / R.Steiner

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„…aber nötig ist es, sich zu durchdringen mit der gegenwärtigen Wissenschaft, und wenn dies Durchdrungensein da ist, damit lebendig aufzusteigen in Geisteswissenschaft. Man kommt dann zu einem gewissen Punkt, in dem man die Übereinstimmung desjenigen, was gegenwärtige Wissenschaft gibt, mit der Geisteswissenschaft so sicher fühlt, so sicher weiß in seinem inneren Erleben, daß man darin nicht mehr beirrt werden kann durch etwas, was aus der gegenwärtigen materiellen Zeitkultur kommt“. R.Steiner
aus:
Mitteleuropa zwischen Ost und West- Kosmische und menschliche Geschichte Sechster Band GA 174a

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Hinweis:
…für Newcomer/Einsteiger und Fortgeschrittene absolut zu empfehlen:
Die Beobachtung des Denkens – von Jürgen Strube.
Wie kann man das Denken beobachten? Wie kann sich der Übergang zur Imagination vollziehen? und weitere Themen mit praktischen Übungstipps.
Erschienen im Verlag für Anthroposophie

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Die Philosophie der Freiheit.

Rudolf Steiner formulierte einmal, dass ihm die „Die Philosophie der Freiheit“ eines seiner wesentlichsten Darstellungen für den heutigen – durch naturwissenschaftliches Denken geschulten Menschen – galt.

Kurzauszug aus
Steiner, Rudolf: Mein Lebensgang.
Dornach (CH). Rudolf-Steiner-Verlag, 1983. GA 28

btr. Die Philosophie der Freiheit.

…Ich suchte in meinem Buche darzulegen, daß nicht [245] hinter der Sinneswelt ein Unbekanntes liegt, sondern in ihr die geistige Welt. Und von der menschlichen Ideenwelt suchte ich zu zeigen, daß sie in dieser geistigen Welt ihren Bestand hat. Es ist also dem menschlichen Bewußtsein das Wesenhafte der Sinneswelt nur so lange verborgen, als die Seele nur durch die Sinne wahrnimmt. Wenn zu den Sinneswahrnehmungen die Ideen hinzuerlebt werden, dann wird die Sinneswelt in ihrer objektiven Wesenhaftigkeit von dem Bewußtsein erlebt. Erkennen ist nicht ein Abbilden eines Wesenhaften, sondern ein Sich-hinein-Leben der Seele in dieses Wesenhafte. Innerhalb des Bewußtseins vollzieht sich das Fortschreiten von der noch unwesenhaften Sinnenwelt zu dem Wesenhaften derselben. So ist die Sinnenwelt nur so lange Erscheinung (Phänomen), als das Bewußtsein mit ihr noch nicht fertig geworden ist (Erkennen= Wahrnehmung des Gegenstandes und – uns meist nicht bewusst – das Hinzufügen des Begriffes, admin)
…Ich wollte zeigen, wie im subjektiv Erlebten das objektiv Geistige aufleuchtet und wahrer Bewußtseinsinhalt wird.

…Ich sah im Mittelpunkt des menschlichen Seelenlebens ein vollkommenes Zusammensein der Seele mit der Geistwelt. Ich versuchte die Sache so darzustellen, daß sich eine vermeintliche Schwierigkeit, die Viele stört, in Nichts auflöst. Man meint nämlich, um zu erkennen, müsse die Seele – oder das «Ich» – sich von dem Erkannten unterscheiden, dürfe also nicht mit ihm in eins zusammenfließen. Doch ist diese Unterscheidung ja auch dann möglich, wenn die Seele gewissermaßen pendelartig sich zwischen dem Eins-Sein mit dem geistig [247] Wesenhaften und der Besinnung auf sich selbst hin- und herbewegt. Sie wird dann «unbewußt» im Untertauchen in den objektiven Geist, bringt aber das vollkommen Wesenhafte bei der Selbstbesinnung in das Bewußtsein herein (begriffliches Erkennen, admin).
Ist es nun möglich, daß die persönliche Individualität des Menschen in die geistige Wirklichkeit der Welt untertaucht, so kann in dieser Wirklichkeit auch die Welt der sittlichen Impulse erlebt werden. Sittlichkeit bekommt einen Inhalt, der sich aus der geistigen Welt innerhalb der menschlichen Individualität offenbart; und das ins Geistige erweiterte Bewußtsein dringt bis zum Anschauen dieses Offenbarens vor. Was den Menschen anregt zum sittlichen Handeln, ist Offenbarung der Geistwelt an das Erleben dieser Geistwelt durch die Seele. Und dieses Erleben geschieht innerhalb der persönlichen Individualität des Menschen. Sieht der Mensch im sittlichen Handeln sich im Wechselverkehr mit der Geistwelt, so erlebt er seine Freiheit. Denn die Geistwelt wirkt in der Seele nicht in Notwendigkeit, sondern so, daß der Mensch in Freiheit die Aktivität entfalten muß, die ihn zum Annehmen des Geistigen veranlaßt.

Die Gestalt, welche die Ideen des Buches angenommen haben, ist durch meine damalige Seelenverfassung bedingt. Durch mein Erleben der geistigen Welt in unmittelbarer Anschauung zeigte sich mir die Natur als Geist; ich wollte eine geistgemäße Naturwissenschaft schaffen. Im anschauenden Selbsterkennen der Menschenseele trat in dieser die moralische Welt als deren ganz individuelles Erlebnis auf.
Im Geist-Erleben lag die Quelle für die Gestaltung, die ich den Ideen meines Buches gab. Es ist zunächst die Darstellung einer Anthroposophie, die auf die Natur hin und auf das Stehen des Menschen in der Natur mit seiner ihm individuell eigenen sittlichen Wesenheit orientiert ist.

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Als Lesung:
Rudolf Steiner: Die Philosophie der Freiheit -1-

Als Buch:

Steiner, Rudolf:
Die Philosophie der Freiheit. GA 04
Grundzüge einer modernen Weltanschauung.

Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode.
Dornach (CH). Rudolf-Steiner-Verlag, 1958.

INHALT

Vorrede zur Neuausgabe 1918

I. Teil: Wissenschaft der Freiheit
Das bewusste menschliche Handeln
Der Grundtrieb zur Wissenschaft
Das Denken im Dienste der Weltauffassung
Die Welt als Wahrnehmung
Das Erkennen der Welt
Die menschliche Individualität
Gibt es Grenzen des Erkennens

II. Teil: Die Wirklichkeit der Freiheit
Die Faktoren des Lebens
Die Idee der Freiheit
Freiheitsphilosophie und Monismus
Weltzweck und Lebenszweck (Bestimmung des Menschen)
Die moralische Phantasie (Darwinismus und Sittlichkeit)
Der Wert des Lebens (Pessimismus und Optimismus)
Individualität und Gattung

Die letzten Fragen – Die Konsequenzen des Monismus
Erster Anhang (Zusatz zur Neuausgabe 1918)
Zweiter Anhang (Vorrede zur 1. Auflage von 1884)

Vorrede zur Neuausgabe 1918
[7] Zwei Wurzelfragen des menschlichen Seelenlebens sind es, nach denen hingeordnet ist alles, was durch dieses Buch besprochen werden soll. Die eine ist, ob es eine Möglichkeit gibt, die menschliche Wesenheit so anzuschauen, daß diese Anschauung sich als Stütze erweist für alles andere, was durch Erleben oder Wissenschaft an den Menschen herankommt, wovon er aber die Empfindung hat, es könne sich nicht selber stützen. Es könne von Zweifel und kritischem Urteil in den Bereich des Ungewissen getrieben werden. Die andere Frage ist die: Darf sich der Mensch als wollendes Wesen die Freiheit zuschreiben, oder ist diese Freiheit eine bloße Illusion, die in ihm entsteht, weil er die Fäden der Notwendigkeit nicht durchschaut, an denen sein Wollen ebenso hängt wie ein Naturgeschehen? Nicht ein künstliches Gedankengespinst ruft diese Frage hervor. Sie tritt ganz naturgemäß in einer bestimmten Verfassung der Seele vor diese hin. Und man kann fühlen, es ginge der Seele etwas ab von dem, was sie sein soll, wenn sie nicht vor die zwei Möglichkeiten: Freiheit oder Notwendigkeit des Wollens, einmal mit einem möglichst großen Frageernst sich gestellt sähe. In dieser Schrift soll gezeigt werden, daß die Seelenerlebnisse, welche der Mensch durch die zweite Frage erfahren muß, davon abhängen, welchen Gesichtspunkt er gegenüber der ersten einzunehmen vermag. Der Versuch wird gemacht, nachzuweisen, daß es eine Anschauung über die menschliche Wesenheit gibt, welche die übrige Erkenntnis stützen kann; und der weitere, darauf hinzudeuten, daß mit dieser Anschauung für die Idee der Freiheit des Willens eine volle Berechtigung gewonnen wird, wenn nur erst das [8] Seelengebiet gefunden ist, auf dem das freie Wollen sich entfalten kann…

R.Steiner:
„Meine «Philosophie der Freiheit» ist so gemeint,
dass man zur unmittelbaren eigenen Denktätigkeit Seite für Seite greifen muss, dass gewissermaßen das Buch selbst nur eine Art Partitur ist und man in innerer Denktätigkeit diese Partitur lesen muss, um fortwährend aus dem Eigenen heraus von Gedanke zu Gedanke fortzuschreiten. So dass bei diesem Buch durchaus immer mit der gedanklichen Mitarbeit des Lesers gerechnet ist. Und es ist ferner gerechnet mit demjenigen, was aus der Seele wird, wenn sie eine solche Gedankenarbeit mitmacht.
Derjenige, der sich nicht gesteht, dass, wenn er dieses Buch nun wirklich in eigener seelischer Gedankenarbeit absolviert hat, er dann gewissermaßen sich in einem Elemente des Seelenlebens erfasst hat, in dem er sich früher nicht erfasst hat; derjenige, der nicht spürt, dass er gewissermaßen herausgehoben ist aus seinem gewöhnlichen Vorstellen in ein sinnlichkeitsfreies Denken, in dem man sich ganz bewegt, so dass man erfühlt, wie man in diesem Denken frei geworden ist von den Bedingungen der Leiblichkeit,
der liest eigentlich diese «Philosophie der Freiheit» nicht im richtigen Sinne. Und der versteht sie im Grunde genommen nicht richtig, der sich dies nicht gestehen kann. Man muss gewissermaßen sich sagen können: Jetzt weiß ich durch diese seelische Gedankenarbeit, die ich verrichtet habe, was eigentlich reines Denken ist.“
Rudolf Steiner in der GA 322, S. 111

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Kann der Materialismus denkend überwunden werden?
Obwohl das Denken an sich schon eine geistige Tätigkeit ist, wird es schwierig sein zu beweisen, dass es eine solche (geistige) Realität überhaupt gibt! Dies liegt am Charakter der normalen, materialistischen Denkweise. Aus diesem Umstand geht hervor, dass es für den Menschen keine wirkliche Freiheit geben kann! Denn ein solches Denken ist vom Gehirn (also von der materiellen Existenz unseres Körpers) abhängig und kann somit auch zu nichts anderem führen. Wie können wir diesen Graben überwinden? Rudolf Steiner hat in seiner „Philosophie der Freiheit“ Wesentliches beigetragen, diesen Konflikt zu lösen. Er zeigt auf, wie die Existenz einer solchen geistigen Welt auch denkend in Erfahrung gebracht werden kann…
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Die Macht des Denkens und der Empathie – Ein unglaublich schönes Gespräch zwischen Paula P´Cay (HFP) und Daniele Ganser mit dem Blick auf die Menschlichkeit
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Frei für alles?
„…Das aber ist die „Philosophie der Freiheit“, schon nicht mehr als Buch, sondern als Wirklichkeit.
Eine mächtige, ruhige Stimme über der totalen Wüste des Menschendaseins:
Mensch, gib acht! Es kommt endlich die schwierigste Stunde deiner Volljährigkeit. Bisher warst du minderjährig und deshalb unfrei, gebunden, abhängig. Du standst unter sicherer Vormundschaft, welchen Namen sie auch immer getragen haben mag: Gott, Kirche, Moral, Glaube, Wissen, Sitten, Traditionen.
Jetzt ist alles entwertet und zum Nichts geworden. Jetzt bist du endgültig dir selbst überlassen. Jetzt bist du frei.

Suche nicht irgendeinen Halt außerhalb deiner selbst. Dort herrscht nur totale Leere. Du stehst jetzt in Freiheit, das aber bedeutet, du stehst im Nichts. Frei von allem, aber dennoch frei. Es steht dir also frei, deine letzte Wahl zu treffen. Niemand wird dich verurteilen.

Du kannst dir sagen: Ich bin frei, also lebe die Schweinerei. Du kannst dir aber auch sagen: Ich bin frei, folglich will ich rechtschaffen sein. Oder immer mehr und mehr: Jetzt bin ich frei geworden und stehe hier als einziger, der noch entscheiden kann.

Die Götter fühlen sich ohnmächtig gegenüber diesem Nichts; jetzt hängt das Schicksal der Götter selbst allein von mir ab. Ich bin frei, folglich kann ich verkünden: Es gibt keine Götter, kein Ich, keine Pflicht. Bin ich aber nicht ebenso frei, mich an meine Urgeburt zu erinnern, daran, dass ich selbst göttlichen Ursprungs bin und dass das in mir und durch mich Geschehene keineswegs nur meine private Angelegenheit, sondern ein Teilchen des Weltprozesses ist?

Die Natur, die mich geschaffen und nun zu diesem meinem Freiheitsbewusstsein gebracht hat, fährt immer noch fort, sich durch mich weiterzuentwickeln, so dass nun alles von mir abhängt, ob diese Entwicklung weitergehen oder in mir innere Sackgasse finden soll. Nun wird mir ganz klar, dass Frei-Sein verantwortlich zu sein heißt.

Je freier, desto verantwortlicher; verantwortlich vor der Welt, denn die Wirklichkeit meiner Freiheit ist durch die Wissenschaft dieser Freiheit bedingt, so dass ich, frei der ich bin, nicht aus Unwissen frei zu handeln habe, sondern wissentlich, und ich weiß nun, dass diese meine Freiheit keineswegs solipsistisch ist, sondern mit dem ganzen Weltall verbunden. Das ganze Weltall scheint eine Geisel meiner Freiheit zu sein. Deshalb kehre ich von diesem Alles- ist-erlaubt-Punkt zum Bewusstsein meiner Pflicht zurück, aber nicht mehr im alten Kantschen Sinne, sondern ganz neu: Ja, endlich bin ich frei, meiner Pflicht eigenwillig, aus meinen eigenen Wollen nachzukommen…“ –

aus: Unterwegs nach Damaskus – Zur geistigen Situation zwischen Ost und West von K. Swassjan

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„Heute ist die Naturwissenschaft dazu reif, sich hineinzuentwickeln in das Ergreifen des Geistigen“.
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