Karma – Gedanken / Kurzauszüge

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Karma-Gedanken

Kurzauszüge – von R.Steiner:

Soziales Verhalten und Karma:
„In unserer Zeit ist es nun so, dass es eben unsere Aufgabe ist als Menschen der Gegenwart – das können Sie aus den verschiedenen Betrachtungen, die wir angestellt haben, ersehen -, uns allmählich aus den alten Blutsverhältnissen heraus aufzuschwingen zu einem Verständnis desjenigen, was so dämmerig, dunkel unter uns sozial webt und wellt. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Gegenwart, sich Verständnis für dieses Weben und Wellen zu erwerben. Dasjenige, was ich nenne die «Dreigliederung des sozialen Organismus», ist im Grunde genommen nur eine solche Struktur des menschlichen Zusammenlebens, dass der Mensch nach und nach, nach einer Anzahl von Generationen in die Möglichkeit kommen könne, dieses Weben und Wesen von Mensch zu Mensch, das man als das soziale Element bezeichnen kann, wirklich verständnisvoll in sich aufzunehmen. Dieses Verständnis kann nur kommen dadurch, dass selbständig neben das wirtschaftliche Leben treten das rechtliche Leben und das geistige Leben, namentlich dass das geistige Leben in völlig freier Weise den anderen beiden Lebensgebieten gegenübersteht.
Es ist die wichtigste öffentliche Aufgabe der gegenwärtigen und der nächst zukünftigen Menschheit, diese Dreigliederung vorzunehmen, damit die Menschheit überhaupt weiterbestehen könne, damit sie zu wirklich sozialem innerem Erfühlen des Menschenlebens kommen könne. Die Menschheit hat in der neueren Zeit, seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, den Gang zu diesem Verständnis angetreten. Schwierig ist es in der Gegenwart nur aus dem Grunde, weil zum ersten Mal in der ganzen Menschheitsentwickelung der Erde appelliert wird von den göttlich-geistigen Mächten der Welt an das Bewusstsein der Menschen. Alles, was bisher an Fortschritten bewirkt worden ist, ist mehr oder weniger unbewusst bewirkt worden. Das, was zunächst zu tun ist, ist, dass in bewusster Weise eine soziale Struktur angestrebt werde. Alte soziale Strukturen sind hervorgegangen aus Blutsverbänden, aus der kleinen und großen Familie, aus der Sippe, den Klassen und so weiter. Die haben sich dann erweitert zu Volkszusammenhängen. Heute zappelt die Menschheit, indem sie in einer verlogenen Weise glaubt, sich an solche Zusammenhänge halten zu können, in Volkszusammenhängen, während sie im Grunde genommen längst überwunden hat, was Volkszusammenhänge sind, während längst die Notwendigkeit da ist, zu anderen sozialen Zusammengehörigkeiten zu kommen, als sie die Blutsverwandtschaft durch die Völker darstellt.
Ich habe Ihnen gesagt, dass gewissermaßen die erste Etappe auf diesem Wege zu einem solchen Verständnis, wie es für die Gegenwart und für die nächste Zukunft notwendig ist, diese war, dass sich mit der Reformation heraufentwickelt hat die Herrschaft des ökonomischen Menschen. Ich habe Sie darauf verwiesen, wie in alten Zeiten der Eingeweihte, der Initiierte geherrscht hat, wie dann der Priester geherrscht hat, und wie dann seit der Mitte des 15. Jahrhunderts der Ökonomische Mensch zu dem Herrschenden geworden ist. Seit der Reformation mussten diejenigen, die sonst Purpurmantel trugen und Herrscher vorstellten, die Puppen werden der ökonomischen Menschen, wenn sie herrschen wollten. In Wahrheit haben immer mehr und mehr seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die ökonomischen Menschen geherrscht, diejenigen Menschen, die die Ökonomie der verschiedenen Territorien der Erde besorgten. Wenn dem Namen nach andere herrschten, so war das nur eben dem Namen nach, und die Regierungen wurden im Grunde genommen ganz durchdrungen von den ökonomischen Prinzipien. Man redet natürlich nicht gerne davon, dass man alles dasjenige, was man tut seit der Reformation, unter wirtschaftlichem Gesichtspunkte tut. Man redet von Idealen und so weiter. Aber das sind für den Vertreter der wirklichen Geschichte nur Masken. Um nicht gar zu sehr den Schleier zu lüften, wurden auch seit der Reformation noch Kultusminister, Unterrichtsminister, Justizminister und so weiter bestellt. Aber die alle waren eigentlich nur etwas schwächer nuancierte Wirtschaftsminister. Wer auf die Realitäten geht, der kann das schon sehen, höchstens dass sie alte Überlieferungen übertrugen, aber im Wesentlichen doch unter wirtschaftlichen Rücksichten.
In dieser Beziehung hat die katholische Kirche eigentlich verstanden, gerade im Zeitalter der Reformation recht zeitgemäß zu sein. Die katholische Kirche hat im Grunde genommen in dem Aufgange des Reformationszeitalters am besten verstanden, den Fortschritt ganz im Sinne des neueren ökonomischen Prinzips zu besorgen. Man braucht ja nur eine Tatsache aus den anderen Tatsachen herauszugreifen. Bis zu dieser Zeit hatte es die Kirche dahin gebracht, nahe aneinanderzurücken höchste geistige Angelegenheiten und trivialste weltliche Angelegenheiten. Man konnte in alten Zeiten Sünden abbüßen durch allerlei Taten. Nach und nach ist es dahin gekommen, dass man Sünden abbüßen konnte dadurch, dass man bezahlte. Und der Papst hat es, schneller eigentlich als die anderen, die weltlichen Mächte, sehr gut verstanden, mit dem Fortschritt der neueren Zeit zu rechnen. Er hat vorausgenommen seine Einkünfte der späteren Zeit aus dem Abbüßen der Sünden. Wenn man die Macht hat, dass einem bezahlt werden die von den Menschen begangenen Sünden dafür, dass sie erlassen werden, so bedeutet das eine ganz gewaltige zukünftige Einnahme. Und wenn diese so gesichert ist, wie etwas gesichert sein kann durch den Glauben der Menschen, dann bedeutet es eine sehr sichere Einnahme. Das größte Bankhaus der Sieneser hat es deshalb als ein sicheres Geschäft angesehen, dem Papst so und so viel von den künftigen Sündenabbüßungen der Menschheit abzukaufen. Der Papst bezog, während er diese Gelder schon gut verwendete, von einem Sieneser Bankhaus Riesensummen. Und das Bankhaus stellte sich den Tetzel an zum Eintreiben dieser Summen. Der zog dann in den Ländern Mitteleuropas herum und trieb die Summen wieder ein für das Sieneser Bankhaus.
Sie sehen, die Kirche hat es außerordentlich gut verstanden, mit den Verhältnissen der neueren Zeit zu rechnen. Das ist auch Geschichte! Diese Geschichte muss durchaus ins Auge gefasst werden.
Der ökonomische Mensch kam herauf. Die Kirche war da. Aber schließlich ist ja die Verwaltung der geistlichen Angelegenheiten mit Hilfe des Sieneser Bankhauses und seines Eintreibers, seines Agenten, für das eigentlich Geistliche doch nur eine Maske. Und wenn Sie die neuere Geschichte studieren, so werden Sie schon finden, dass es eine tiefe Bedeutung hat, wenn man davon spricht, dass der ökonomische Mensch der herrschende wurde. Der Papst ist nur dadurch ein so starker Herrscher geblieben, dass er im rechten Moment verstanden hat, auch ein ökonomischer Mensch zu werden, dass er sich dem ökonomischen Typus anbequemte.
Ja, der ökonomische Typus herrschte seit der Reformation. Er löste ab den alten Priestertypus. Im 19. Jahrhundert war die allgemeine Menschheit erst so weit, wie die Kirche, die viel besser den Fortschritt verstand, schon zur Zeit der Reformation war. Aber der ökonomische Typus Mensch herrschte nur bis ins 19. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert wurde wiederum ein anderer Typus herrschend. Wenn man davon spricht, dass er herrschend wurde, dieser Typus, so bedeutet das, dass die maßgeblichen Einflüsse in der sozialen Struktur von diesem Typus abhängen. Im 19. Jahrhundert, in dem ersten, zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wurde dann maßgebend der Wucherer, will sagen: der Bankier. Wenn Sie nämlich eine sachgemäße Definition suchen würden des Bankiers, dann wird die Geschichte außerordentlich brenzlig. Wenn man nämlich aus wirklich sozial-ökonomischen Untergründen heraus eine Definition aufstellt – man vermeidet das sehr gern – des Bankiers, des großen und des kleinen, dann soll man nur ja nicht gleichzeitig suchen nach einer Definition des Wucherers. Denn diese beiden Definitionen werden einander gleichen; sie können nur sich einander gleichen. Aber das ist etwas, was die neuere Menschheit ebenso sorgfältig als ein Geheimnis gehütet hat, wie gewisse Geheimgesellschaften ihre «Zeichen» und «Worte» gehütet haben. Man hat das nicht so unter die allgemeine Menschheit hinausgestreut. Das ist ein Geheimnis im sozialen Leben geblieben.
Der Bankier wurde der Herrschende. Und wenn man untersucht, wie sich die soziale Struktur im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelt hat, dann findet man, dass mit dem ersten, zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts der Bankier, dieser spezielle ökonomische Typus, der nur ökonomisiert mit dem Gelde, es ist, der nun, geradeso wie früher der ökonomische Mensch, im weiteren Umfange auf alles, was als soziale Struktur sich herausstellt, auf alle Gesetze der Länder und so weiter seinen maßgebenden Einfluss ausübt. Es ist sehr wichtig, diese Verhältnisse zu durchschauen, es ist sehr wichtig, zu durchschauen, dass der ökonomische Typus Mensch herrschend wird seit der Reformation, dass der Bankier herrschend wird seit dem Beginne des 19. Jahrhunderts. Und man kann nicht die öffentlichen Angelegenheiten der zivilisierten Welt in der neuesten Zeit verstehen, wenn man nicht in ihnen eine Geschichte der Herrschaft des Bankierwesens sieht. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts ist dann das eingetreten, was ich 1908 in meinem Nürnberger Vortragszyklus bereits angeführt habe: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und noch etwas hinein in die zweite Hälfte war individuell der Träger des Geldes der Herrschende; dann aber verwandelte sich dieses Herrscherprinzip so, dass das Geld als solches herrschend wurde. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war aber der einzelne individuelle Mensch als Bankier noch Herrscher. Ich habe das durch ein Beispiel illustriert, wenn Sie sich erinnern. Ich habe Ihnen erzählt, wie der Pariser Rothschild einmal «angepumpt» werden sollte, nun ja, von dem König von Frankreich. Nicht wahr, wenn der Pariser Rothschild von dem König von Frankreich angepumpt werden sollte, so verrät das schon ein bisschen, wer eigentlich der Herrschende ist. Nun, Könige pumpen nicht direkt, nicht wahr. Während der König also seinen Minister hinschickte – «Finanzminister» nennt man ja diese Art von Wirtschaftsminister -, hatte der Rothschild gerade mit einem Lederhändler zu tun. Der Diener sagte dem abgesandten Minister des Königs von Frankreich, er solle im Vorzimmer warten. Das erschien natürlich wiederum dem Minister des Königs von Frankreich als etwas höchst Ungewöhnliches, dass er warten solle, während der Rothschild mit einem Lederhändler verhandelt. Er soll warten? Er wartet nicht, sondern reißt die Türe auf: Ich komme zu Ihnen im Auftrage des Königs von Frankreich. – Bitte, nehmen Sie sich einen Stuhl -, sagte Rothschild. Das war dem Minister natürlich völlig unbegreiflich. Ja, aber ich bin der Abgesandte des Königs von Frankreich! – Nehmen Sie zwei Stühle und setzen Sie sich!
Sehen Sie, da war noch der einzelne individuelle Bankier der Herrschende. Das ging allmählich über in die Herrschaft der Aktien, der Geldnoten als solcher. Und wir sind ja allmählich hineingesegelt in die Zeit, in der der einzelne Geldbesitzer nicht mehr das Wesentliche ist, sondern das abstrakte, zusammengehäufte Kapital. Es kann einer einmal heute reich sein, morgen arm. Der Mensch selber kugelt hinauf und kugelt hinunter. Die Aktiengesellschaft, die abstrakte – ich habe das dazumal 1908 in Nürnberg ausgeführt -, ist dasjenige, was herrschend geworden ist.
Damit aber ist die menschliche Entwickelung angelangt an einem Extrem, an einem Äußersten. Denn sobald das Geld als solches herrscht, sobald das Geld der eigentlich treibende Motor ist, ist die Zeit erfüllt, in der abgelöst werden muss, ich möchte sagen, die bloße bare Ziffer im Gelde durch Realitäten. Nun ist das Geld das Allergeistigste der Wirtschaft. Es ist dasjenige von der Wirtschaft, was nur geistig erfasst werden kann. Es hat ja auch nur einen geistigen Wert, das Geld, nur einen Wert in der menschlichen Anerkennung. Essen kann man zwar Brot und Fleisch, aber Geld kann man nicht essen. Man kann wirklich für die Menschen Brauchbares erwerben durch Geld, wenn das Geld anerkannt ist. Es hat bloß einen seelischen, einen geistigen Wert, einen Begriffswert, einen Vorstellungswert. Es ist eben die Zeit erfüllt; es muss eintreten das, dass umschlägt die Entwickelung von dem rein wirtschaftlich Geistigen des Geldes zu dem wirklich im Geiste Erfassten. Und das, was durch die Dreigliederung als soziales Verständnis gefordert werden soll, das ist dasjenige, was sich unmittelbar anschließen muss an die Herrschaft des allerabstraktesten Wirtschaftlichen, des Geldes. Denn so dunkel, so dämmerig das soziale Verständnis, wie ich geschildert habe, unter den Menschen lebt, so hell muss es eigentlich werden. Denn denken Sie sich einmal, dieses (siehe Zeichnung) wäre ein Menschenleben der Gegenwart von der Geburt bis zum Tode. Dieses Leben würde so durchlebt, dass der Mensch sich soziales Verständnis drinnen erwirbt, dass wirklich das soziale Leben, die soziale Struktur nicht gebaut wäre auf die Geldgeltung, die er hat, sondern auf soziales Verständnis. Dann würde der Mensch durch die Pforte des Todes gehen, durchleben die Zeit bis zur nächsten Geburt und dann wiederum sein Leben von der Geburt bis zum Tode durchleben. Dasjenige, was sich der Mensch hier zwischen Geburt und Tod aneignet an sozialem Verständnis, das liegt ja auch innerlich in ihm. Das geht vor allen Dingen in das schlafende Wollen hinein, von dem ich gestern gesprochen habe; das wird durch die Todespforte getragen. So dass der Mensch sein soziales Verständnis durch die Todespforte trägt bis zur Weltenmitternacht und es dann wiederum durch die Geburt ins nächste Erdenleben hineinträgt.
Was wird nun dieses Verständnis, das man sich durch soziales Verständnis erwirbt, in dem nächsten Erdenleben? – Das ist die große Frage, die heute schon aufgeworfen werden muss. Das wird das Verständnis für das Karma. Das heißt, wir haben im weltgeschichtlichen Verlauf der Menschheitsentwickelung gegenwärtig die Zeitepoche erreicht, in welcher die Menschheit sich soziales Verständnis erwerben muss; denn dieses soziale Verständnis liefert für die nächste Inkarnation das Verständnis für das Karma. Aber es kann sich kein Mensch soziales Verständnis erwerben anders, als dass er sich Verständnis für das Geistige erwirbt.
Sie sehen, wie die Dinge zusammenhängen, Sie sehen, wie das soziale Verständnis hängt an dem geistigen Verständnis, an einer spirituellen Welterfassung und Weltanschauung, und wie davon abhängt dasjenige, was als ein bewusstes Erkennen des Schicksals im Laufe der Menschheitsentwickelung für die Menschen eintreten muss, die dann mit sozialem Verständnis durch die Pforte des Todes gehen, wiedergeboren werden und nach der Wiedergeburt verstehen werden ihr Schicksal.
Das ist es, worauf es ankommt, dass man so recht einsieht, wie die Dinge in der Menschheitsentwickelung im Erdenlauf zusammenhängen. Wir leben in der Epoche der Notwendigkeit des sozialen Verständnisses. Wir werden wiedergeboren werden in der Epoche des Schicksalsverständnisses der einzelnen Menschen. Es ist wahrhaftig nicht aus einem bloßen abstrakten Impuls heraus, dass man heute von der Notwendigkeit des sozialen Verständnisses spricht, sondern es hängt das zusammen mit den innersten Entwickelungsimpulsen der Erdenmenschheit überhaupt. Das ist dasjenige, was ich Ihnen heute einmal nahelegen wollte, meine lieben Freunde.“
Rudolf Steiner in der GA 191 („Soziales Verständnis aus geisteswissenschaftlicher Erkenntnis“), S. 172 ff.

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Dadurch, dass die Christus-Wesenheit von den drei Leibern Besitz ergriff, von dem, worin früher die Ich-Wesenheit des Jesus war, dadurch war nun eine Wesenheit mit der Erde verknüpft, die früher einen Wohnplatz gehabt hat auf der Sonne. Bis zu dem Momente war sie früher mit der Erde verbunden gewesen, als die Sonne hinausging aus der Erde. Der Christus ist damals mit hinausgegangen und konnte seine Gewalt von da an nur entwickeln von außen auf die Erde herein. Im Momente der Taufe vereinigte sich der hohe Christus-Geist im vollen Sinne wieder mit der Erde. Vorher wirkte er von außen, überschattete die Propheten und wirkte in den Mysterien…
„Es soll die Erscheinung der Christus-Gestalt jetzt einmal geschildert werden. Denken wir uns einen Menschen, der nie etwas gehört hätte von dem Christus, welcher niemals die Geheimnisse des Johannes-Evangeliums in sich hätte aufnehmen können, der niemals sich hätte sagen können: Ich will dem Christus, der da lebt und wirkt, nachleben, seine Grundsätze will ich aufnehmen in meine Wesenheit. – Denken wir uns also, der Christus wäre einem solchen niemals nahegetreten, er würde jenen Schatz nicht mit in die geistige Welt nehmen können, den der Mensch heute mitnehmen muss, wenn er die Verdunkelung seines Bewusstseins vermeiden will. Dasjenige, was der Mensch mitnimmt als Christus-Vorstellungen, das ist eine Kraft, die das Bewusstsein nach dem Tode hell macht, die den Menschen errettet vor dem Schicksal, das die Menschen gehabt hätten, wenn nicht Christus erschienen wäre. Wenn Christus nicht erschienen wäre, so würde das Menschenwesen zwar erhalten bleiben, aber das Bewusstsein würde sich nach dem Tode nicht erhellen können. Das ist dasjenige, was dem Auftreten des Christus die eigentliche Bedeutung gibt, dass dem Wesenskern des Menschen etwas einverleibt wird, was eine weite Bedeutung hat. Das Ereignis von Golgatha bewahrt den Menschen vor dem geistigen Tode, wenn er es mit seinem eigenen Wesen identifiziert.
Wir dürfen nun nicht glauben, dass die anderen großen Menschheitsführer nicht eine ähnliche Bedeutung hätten. Es handelt sich nicht darum, dass ein ausschließliches Dogma für das Christentum in Anspruch genommen werden soll. Das wäre ein Verstoß gegen das wahre Christentum, denn derjenige, der die Tatsachen kennt, der weiß, dass auch in den alten Mysterien das Christentum gelehrt worden ist. Und ein solches Wort, wie Augustinus es sprach, ist tief wahr: «Was man gegenwärtig die christliche Religion nennt, bestand schon bei den Alten und fehlte nicht in den Anfängen des Menschengeschlechtes, bis Christus im Fleische erschien, von wo an die wahre Religion, die schon vorher vorhanden war, den Namen der christlichen erhielt.» Es kommt nicht darauf an, dass man es so nennt, sondern dass man recht versteht die Bedeutung des Christus-Impulses. Und wie der Christus die Gestalt war, die auftrat beim tiefsten Punkt der Entwickelung, so war es auch bei Buddha, Hermes und den anderen großen Wesenheiten so, dass sie durchaus das prophetische Bewusstsein hatten, dass der Christus kommen werde, dass er in ihnen selber lebte.
Insbesondere können wir das sehen, wenn wir es an der Gestalt des Buddha studieren, und wir müssen uns klarmachen, was er war. Was war denn Buddha eigentlich? Wir müssen da etwas berühren, was nur unter Schülern der Geisteswissenschaft gesagt werden kann. Die Menschen, auch die Theosophen, stellen sich die Geheimnisse der Reinkarnation gewöhnlich viel zu einfach vor. Man darf sich nicht vorstellen, dass irgendeine Seele, die heute in ihren drei Leibern verkörpert ist, einfach in einer vorhergehenden Inkarnation sich verkörperte und dann wieder in einer vorhergehenden Inkarnation, der dann wieder eine solche voranging, immer nach demselben Schema. Die Geheimnisse liegen viel komplizierter. Trotzdem sich H. P. Blavatsky viel Mühe gab, ihren intimen Schülern zu zeigen, wie kompliziert diese Geheimnisse liegen, wird das heute doch noch nicht richtig verstanden. Man stellt sich einfach vor, dass eine Seele immer wieder in einen Körper geht. So einfach liegt das nicht. Wir können oftmals eine historische Gestalt nicht in ein solches Schema bringen, wenn wir sie richtig verstehen wollen. Wir müssen da vielfach viel komplizierter zu Werke gehen.
Wir treffen schon in der Atlantis Wesen, die um den Menschen herum sind wie die heutigen Mitmenschen, die der Mensch dann aber sah und kennenlernte, wenn er leibentrückt war oben in der geistigen Welt. Es ist schon gesagt worden, wie er da den Thor, den Zeus, den Wotan, den Baldur als wirkliche Genossen kennengelernt hat. Bei Tage lebte er in der physischen Welt, aber im anderen Bewusstseinszustand lernte er geistige Wesenheiten kennen, die nicht denselben Entwickelungsgang durchmachten wie er. Der Mensch hatte in der Urzeit der Erde auch noch nicht einen so dichten Leib wie heute; von einem Knochengerüst war in einer bestimmten Zeit noch keine Rede. Den atlantischen Leib hat man nur bis zu einem gewissen Grade mit physischen Augen sehen können. Aber es gab Wesen, die nur soweit herunter kamen, dass sie sich durchaus nur in einem Ätherleibe inkarnierten. Dann gab es Wesen, die damals, als die Luft noch durchsetzt war von Wasserdünsten, sich noch verkörperten. Damals, als der Mensch noch in der Wasser-Nebel-Atmosphäre lebte, waren ihnen diese Verkörperungen noch möglich. Eine solche Gestalt war zum Beispiel der spätere Wotan. Er sagte sich: Wenn der Mensch sich so verkörpert in dieser lichtflüssigen Materie, dann kann ich das auch tun. – Es nahm ein solches Wesen Menschengestalt an und ging in der physischen Welt herum. Aber als dann die Erde immer dichter wurde und auch der Mensch immer dichtere Formen annahm, da sagte sich Wotan: Nein, in diese dichte Materie gehe ich nicht hinein. – Er blieb dann in unsichtbaren Welten, in erdenentrückteren Welten. Das war überhaupt so mit den göttlich-geistigen Wesen.
Von da an konnten sie aber etwas anderes tun. Dafür konnten sie mit Menschen, die ihnen entgegenkamen, die sich von unten herauf entwickelten, mit denen konnten sie eine Art Verbindung eingehen. Denken wir uns das so: Der Entwickelungsgang des Menschen war so, dass er auf dem tiefsten Punkt der Entwickelung ankam. Bis zu diesem Punkte gingen die Götter in Gemeinschaft mit den Menschen mit. Dann aber schlugen Sie einen anderen Weg ein, der für die Menschen auf dem physischen Plan unsichtbar war. Aber wenn es Menschen gab, die ein Leben nach der Anordnung von Eingeweihten führten und die dadurch ihre feineren Leiber läuterten, dann kamen sie den Göttern gewissermaßen entgegen; so dass der Mensch, der im Fleisch verkörpert war, wenn er sich läuterte, das so tun konnte, dass er imstande war, überschattet zu werden von einem solchen Wesen, das nicht bis zum physischen Leibe heruntersteigen konnte. Der physische Leib wäre zu grob gewesen für ein solches Wesen. Für einen solchen Menschen trat das ein, dass der Astralleib und der Ätherleib
durchsetzt wurden von einem solch höheren Wesen, das sonst keine Menschengestalt für sich selber gehabt hat, das aber in ein anderes Wesen hineinfuhr und durch ein anderes Wesen sich verkündete.
Wenn wir diese Erscheinung kennen, dann werden wir uns die Inkarnation doch nicht so einfach vorstellen. Es kann durchaus einen Menschen geben, der die Wiederverkörperung eines früheren Menschen ist, der sich hoch entwickelt hat, der seine drei Leiber soweit geläutert hat, dass er nun ein Gefäß ist einer höheren Wesenheit. Und so wurde Buddha ein Gefäß für Wotan. Dieselbe Wesenheit, die Wotan genannt wurde in den germanischen Mythen, die trat als Buddha wieder auf. Buddha und Wotan sind sogar sprachlich verwandt.
Wir können sagen, dass vieles von demjenigen, was die Geheimnisse der atlantischen Zeit waren, damit überging auf das, was der Buddha verkündigen konnte. Und damit steht es im Einklange, dass dasjenige, was der Buddha erlebte, etwas ist, was die Götter erlebt hatten in jenen geistigen Sphären, was auch die Menschen erlebt hatten, als sie noch selbst in jenen Sphären waren. Als so die Lehre des Wotan wieder auftrat, da war sie eine Lehre, die wenig Rücksicht nahm auf den physischen Plan, die nur betonen musste, dass der physische Plan eine Stätte des Schmerzes ist und dass die Erlösung davon viel bedeute – denn es sprach viel von der Wotanwesenheit im Buddha. Deshalb haben das tiefste Verständnis für die Buddhalehren diejenigen gezeigt, die Nachzügler waren aus der Atlantis. Es sind unter der asiatischen Bevölkerung solche zurückgeblieben, die als Rassen durchaus stehengeblieben sind auf der atlantischen Stufe. Natürlich mussten sie äußerlich mit der Erdenentwickelung fortschreiten. In den mongolischen Völkern ist viel von der Atlantis zurückgeblieben; sie sind Nachzügler der alten Bevölkerung der Atlantis. Der stationäre Zug in der mongolischen Bevölkerung ist eine solche Erbschaft aus der Atlantis. Daher dienen die Lehren des Buddha vorzugsweise solchen Völkerschaften, und der Buddhismus hat große Fortschritte bei diesen Völkern gemacht.
Die Welt schreitet fort, sie geht ihren Gang. Derjenige, der hineinschauen kann in die Weltenentwickelung, der wählt nicht, der sagt nicht, ich habe mehr Geschmack an diesem oder jenem, der sagt: Das sind geistige Notwendigkeiten, welche Religion ein Volk hat. Und dadurch, dass die europäische Bevölkerung sich in die physische Welt verstrickte, dadurch ist es ihr unmöglich, sich hineinzufühlen in den Buddhismus, sich zu identifizieren mit dem Innersten der Lehre des Buddha. Der Buddhismus konnte niemals eine Menschheitsreligion werden. Für denjenigen, der sehen will, gibt es da keine Sympathie oder Antipathie, sondern nur ein Urteilen nach den Tatsachen. Ebenso falsch, wie es wäre, aus einem Zentrum Asiens heraus, wo noch andere Völker sitzen, das Christentum ausbreiten zu wollen, ebenso falsch
ist der Buddhismus für die europäische Bevölkerung. Keine Religionsanschauung ist richtig, die nicht für die innersten Bedürfnisse der Zeit geschaffen ist; eine solche kann niemals einen Kulturimpuls geben. Das sind Dinge, die man begreifen muss, wenn man die Zusammenhänge wirklich verstehen will.
Aber man darf nicht glauben, dass die historische Erscheinung des Buddha sich alles dessen bewusst gewesen wäre, was in seiner Erscheinung vorlag. Wenn ich das alles auseinandersetzen wollte, brauchte ich mehrere Stunden dazu. Wir haben die Kompliziertheit des historischen Buddha noch lange nicht erschöpft. In dem Buddha lebte noch etwas. Es ist nicht nur eine Wesenheit, die herüberkam aus der atlantischen Zeit, und die sich in dem verkörperte, der nebenbei auch noch ein menschlicher Buddha war; außer diesem war in ihm noch etwas anderes enthalten, etwas, von dem er sagen konnte: Das kann ich noch nicht umfassen, das ist etwas, was mich beseelt, aber ich nehme nur daran teil. – Das ist die Christus-Wesenheit. Sie beseelte schon die großen Propheten. Sie war eine wohlbekannte Wesenheit in den älteren Mysterien, und immer wies man überall auf den hin, der da kommen werde.
Und er kam! Aber er kam wiederum, indem er sich fügte den historischen Notwendigkeiten, welche der Evolution zugrunde liegen. In einem physischen Leibe hätte er sich ohne weiteres nicht verkörpern können. Es war noch möglich, dass er sich wie in einer Art Unterbewusstsein verkörpern konnte in dem Buddha. Aber wandelnd auf der Erde konnte er sich nur verkörpern, wenn ein physischer Leib und ein Ätherleib und ein Astralleib besonders zubereitet waren. Der Christus hatte die größte Kraft der Wirkung, aber verkörpern konnte er sich nur, wenn ein physischer Leib, Ätherleib und Astralleib durch eine andere Wesenheit vollständig geläutert und gereinigt worden waren. Und so konnte die Verkörperung des Christus nur so geschehen, dass eine Wesenheit auftrat, die sich so hoch entwickelt hatte. Das war Jesus von Nazareth. Er war so hoch gekommen in seiner Entwickelung, dass er in der Lage war, während seines Lebens seinen physischen Leib, Ätherleib und Astralleib so zu läutern, dass es ihm möglich war, im dreißigsten Jahre seines Lebens diese Leiber zu verlassen, aber so, dass sie noch lebensfähig, noch brauchbar waren für eine höhere Wesenheit.
Oft, wenn ich dies ausgesprochen habe, dass eine hohe Stufe der Entwickelung notwendig war, damit Jesus seine Leiber opfern konnte, machten die Menschen einen sehr merkwürdigen Einwand: Aber das sei doch gar kein Opfer, was könne man sich Schöneres denken? Man könne doch nicht von einem großen Opfer sprechen, wenn es sich darum handelte, einer so hohen Wesenheit seine Leiber zu überlassen. – Ja, schön ist es auch, und es wäre das Opfer nicht groß, wenn man es so abstrahierte. Aber man möchte antworten: Man mache es einmal so; das Opfer wolle wohl jeder bringen, aber man wolle es einmal probieren. – Es ist nötig, ungeheure Kräfte zu haben, um seine Leiber so zu läutern, dass man sie lebensfähig verlassen kann. Um diese Kräfte zu erlangen, dazu sind die Opfer notwendig. Jesus von Nazareth musste schon eine außerordentlich hohe Individualität sein, damit er das konnte. Das Johannes-Evangelium deutet an, wann Jesus seinen physischen Leib, Ätherleib und Astralleib verließ und einging in die geistige Welt und das Christus-Wesen hineinfuhr in die dreifache Leiblichkeit. Das geschah bei der Taufe des Jesus im Jordan. Da geschah etwas sehr Bedeutungsvolles in der Leiblichkeit des Jesus von Nazareth. Wiederum muss das, was ich jetzt sage, ein Gräuel sein für ein materialistisches Gemüt. Es ging etwas Besonderes vor, selbst in dem physischen Leibe des Jesus von Nazareth. Wenn wir das verstehen wollen, was da vorging in dem Moment der Taufe, als der Christus in den Jesus hineinfuhr, da müssen wir uns eines einmal vor die Seele führen, was recht sonderbar erscheinen wird, aber doch wahr ist.
Im Laufe der Menschheitsevolution haben sich einzelne Organe nach und nach entwickelt, mehr und mehr herausgebildet. Wir haben gesehen, wie, als die Organe bis zur Hüftmitte gekommen waren, bestimmte Strukturen und Funktionen im Menschen eintraten. Es ist in diesem immer mehr Selbständigwerden der menschlichen Individualität auch eine Verhärtung des Knochensystems eingetreten. Je selbständiger der Mensch wurde, desto mehr verhärtete sich auch sein Knochensystem, desto mehr wuchs aber auch die Gewalt des Todes. Darauf müssen wir jetzt achten, wenn wir das Folgende in der richtigen Weise verstehen wollen. Woran liegt es denn überhaupt, dass der Mensch sterben muss, dass der Leib ganz und gar verwest? Das liegt daran, dass im menschlichen Leibe etwas verbrannt werden kann: die Knochen. Es hat das Feuer eine Gewalt auch über die menschliche Knochensubstanz. Der Mensch hat keine Gewalt, wenigstens keine bewusste Gewalt über seine Knochen. Diese Gewalt liegt noch außerhalb der Macht des Menschen. In dem Augenblick, in dem in der Jordantaufe der Christus in den Leib des Jesus von Nazareth einzog, in dem Augenblick wurde das Knochensystem dieser Wesenheit etwas ganz anderes als bei anderen Menschen. Das war ein Fall, der sich vorher niemals und auch nachher niemals bis auf heute ereignet hat. Es fuhr mit der Christus-Wesenheit in die Jesus-Wesenheit etwas herein, das Macht hatte über die Kräfte, die Knochen verbrennen. Heute ist es noch nicht in die Willkür des Menschen gestellt, die Knochen aufzubauen. Diese Gewalt aber griff bis in die Knochen hinein. Bis in die Knochen hinein griff die bewusste Gewalt der Christus-Wesenheit; das gehört zum Sinn der Johannestaufe. Damit war in die Erde etwas verpflanzt, was man nennen kann die Oberherrschaft über den Tod, denn mit den Knochen ist der Tod erst in die Welt gekommen. Dadurch, dass die Gewalt über die Knochen einzog in den menschlichen Leib, damit ist die Überwindung des Todes in die Welt gekommen. Damit wird ein tiefstes Mysterium ausgesprochen, damit war ein Heiligstes, ein im höchsten Maße Heiligstes, in das Knochensystem des Jesus von Nazareth durch den Christus eingezogen. Daher durfte es nicht angetastet werden. Daher musste sich das Schriftwort erfüllen: Ihr dürft ihm kein Bein zerbrechen. – Da hätte in die Gotteskräfte Menschengewalt eingegriffen. Wir sehen hier in ein ganz tiefes Mysterium der Menschheitsentwickelung.
Und damit kommen wir zu gleicher Zeit auf einen sehr bedeutungsvollen Begriff des esoterischen Christentums, der uns zeigen kann, wie dieses Christentum mit den höchsten Wahrheiten durchtränkt ist. Wir kommen zu dem, was uns außerdem noch in der Taufe entgegentritt. Dadurch, dass die Christus-Wesenheit von den drei Leibern Besitz ergriff, von dem, worin früher die Ich-Wesenheit des Jesus war, dadurch war nun eine Wesenheit mit der Erde verknüpft, die früher einen Wohnplatz gehabt hat auf der Sonne. Bis zu dem Momente war sie früher mit der Erde verbunden gewesen, als die Sonne hinausging aus der Erde. Der Christus ist damals mit hinausgegangen und konnte seine Gewalt von da an nur entwickeln von außen auf die Erde herein. Im Momente der Taufe vereinigte sich der hohe Christus-Geist im vollen Sinne wieder mit der Erde. Vorher wirkte er von außen, überschattete die Propheten und wirkte in den Mysterien. Jetzt war er in einem physischen Menschenleibe auf der Erde selbst verkörpert. Und wenn ein Wesen von einem fernen Punkte des Weltenalls durch Jahrtausende hätte heruntersehen können, dann würde ein solches Wesen, das nicht nur die physische Erde gesehen hätte, sondern auch ihre geistigen Strömungen, ihren Astralleib und Ätherleib, bedeutungsvolle Vorgänge gesehen haben in dem Moment der Johannestaufe und in dem Momente, wo das Blut aus den Wunden Christi floss auf Golgatha. Der Astralleib der Erde wurde dadurch gründlich verändert. Er nahm in diesem Momente etwas anderes auf, nahm andere Farben an. Es wurde der Erde eine neue Kraft einverleibt. Das, was früher von außen wirkte, wurde mit der Erde wieder verbunden, und dadurch wird die Anziehungskraft zwischen Sonne und Erde so stark werden, dass sich Sonne und Erde wieder vereinigen werden, und der Mensch mit den Sonnengeistern. Der Christus war es, der die Möglichkeit gab, dass die Erde sich wieder vereinigen kann mit der Sonne und dann im Schoße der Gottheit ist.
Das ist der Vorgang, der sich vollzog, und seine Bedeutung. Dies mussten wir vorausschicken, um verständlich zu machen, welch Bedeutungsvolles in die Erde eintrat mit dem Christus. Und wir können dadurch begreifen, wie in der Tat durch die Vereinigung mit dem Christus der Mensch etwas aufnehmen kann, wodurch das Bewusstsein des Menschen nach dem Tode wieder aufgehellt werden kann. Wenn wir uns das vor Augen halten, dann werden wir auch begreifen können, wie eine Evolution da ist für die Zeit zwischen Tod und neuer Geburt.“
Rudolf Steiner in der GA 106 („Ägyptische Mythen und Mysterien im Verhältnis zu den wirkenden Geisteskräften der Gegenwart“), S. 128 ff.

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GA 240 S.63-67
Schicksalswege
„Es gibt noch ein anderes Tor hinüber in die geistige Welt: das ist die Sonne. Wenn man durch Initiationswissenschaft die Sonne kennenlernt, dann trifft man nicht Wesenheiten, welche zusammenhängen mit unserer Erde selber wie die Mondwesenheiten; man trifft nicht Wesenheiten in der Sonne, die einmal die Erde bewohnt haben. Man trifft die-jenigen Wesenheiten, die Sie bezeichnet finden in meiner «Geheimwissenschaft» als A n g e l o i und die höheren Wesenheiten in den Hierarchien. Wenn ich sage «in der Sonne», so müssen Sie sich natürlich solche in der ganzen Sphäre der Sonne, in der ganzen Lichtflut, die von der Sonne ausgeht, vorstellen. Die Sonne ist der Wohnsitz der Angeloi, Engel, jener Wesenheiten, von denen je eine immer zusammenhängt mit einem Menschenindividuum. Und wir Menschen hängen schon einmal mit Bezug auf unser Ich mit diesen höheren Individuen zusammen, und wir hängen durch das Sonnendasein mit diesen höheren Individuen zusammen. Die Angeloi sind gewissermaßen die kosmischen Vorbilder des Menschen, denn der Mensch wird einmal die Rangstufe der Angeloi erreichen. Auf der Sonne leben diejenigen Wesenheiten, denen wir uns hinsichtlich ihrer Beschaffenheit selber nähern. Daraus werden Sie schon entnehmen, daß ebenso, wie mit dem Mondendasein unsere Ver-gangenheit, so mit dem Sonnendasein unsere Zukunft zusammenhängt. Mond und Sonne stellen eine Welt unserer Vergangenheit und unserer Zukunft dar, und wenn wir auf der einen Seite sehen, daß die Monden-wesen die Buchhalter unserer Vergangenheit sind, daß gewissermaßen unsere vergangenen Erdenleben auf den Blättern ihrer Bücher eingezeichnet sind, so wird uns durch die Initiationswissenschaft klar, daß wir zu den Angeloi, Engeln, hinschauen müssen, wenn wir uns um unsere Zukunft kümmern. Wir tun ja fortwährend etwas, vielleicht nicht alle, aber die meisten Menschen müssen ja etwas tun. Geradeso wie dasjenige, was wir in der Vergangenheit getan haben, in unser gegenwärtiges Leben hineinwirkt, so müssen diejenigen Dinge, die wir in der Gegenwart tun, in die Zukunft hineinwirken. Sie können aber nur dadurch in die Zukunft hineinwirken, daß gewissermaßen die Angeloi hinlenken ihre Seelenblicke auf dasjenige, was der Mensch in der Gegenwart tut, und es zur Wirkung bringen in der Zukunft. Es ist eine sehr gute Empfindung, wenn man mit dieser Aufgabe der Angeloi in der Welt rechnet. Wir vollbringen ja manches, was in der Zukunft Früchte tragen soll. Die Gegenwartsmenschheit ist in bezug auf solche Dinge furchtbar gedankenlos geworden. Sie sollte solche Dinge ins Auge fassen, und wenn der Mensch irgend etwas tut, so soll er an seinen Angelos denken, etwa so:
«Mein schützender Geist empfange dasjenige, was meine Tat ist, als eine Wurzel und bringe Früchte daraus hervor.» Je bildlicher, je anschaulicher ein Mensch also anknüpft eine solche Ansprache an seinen Angelos für Taten, die in der Zukunft Früchte tragen sollen, desto mehr wird von diesen Früchten in der Zukunft vor-handen sein können. – So also, wie die Mondenwesen unser vergangenes Schicksal aufbewahren, so weben fortwährend die Sonnenwesen neues Schicksal in die Zukunft hinein. In Wahrheit wird nicht nur das äußere physische Sonnenlicht von der Sonne auf die Erde hinuntergeschickt, nicht nur der äußere Mondenschein; sondern wenn wir mit geistigen Blicken hinschauen zu Sonne und Mond, so wissen wir, daß der Mond in Zusammenhang steht mit unserem astralischen Leibe. Durch diese Beziehung zu unserem astralischen Leibe ist der Mond der Ausgangspunkt für alles dasjenige, was aus unserer Vergangenheit heraus in unser Schicksal hineinverwoben wird. Die Sonne steht in Zusammenhang mit unserem Ich, und durch die Wesenheiten, die uns ein Vorbild sind für unsere kosmische Zukunft, steht die Sonne in Beziehung zu dem, was unser zukünftiges Schicksal ist. So weben sich in Sonne und Mond, die miteinander äußerlich in Lichtwirkung stehen, im Bilde in der Wechselbeziehung von Sonne und Mond die himmlischen Spiegelbilder unseres Schicksals.
Die Initiationswissenschaft liefert in dieser Beziehung eine wirkliche Erklärung dieses Tatbestandes. Wenn derjenige, der wirklich so weit gekommen ist, wie es nötig ist – ich habe es in meinem Buch «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» beschrieben -,
den V o l l m o n d betrachtet, dann sieht er nicht nur das, was das menschliche Bewußtsein sieht, sondern er sieht vor allen Dingen im mitgeteilten Lichte sein vergangenes Schicksal, den Inhalt seines vergangenen Erdenlebens. Und wenn er den entsprechenden Geistesblick geschärft hat und er schaut hin an eine Stelle, wo
der N e u m o n d ist, den man nicht sieht mit dem physischen Auge, dann wird ihm dasjenige, was ihm jetzt aus dem dunklen Neumond entgegenf instert, entgegenschattet, der große Mahner aus seinem Schicksal heraus, der ihm zuruft, wie er sich gegenüber Dingen seiner Vergangenheit im vorigen Erdenleben zu verhalten hat, um sie wieder auszugleichen in der karmischen Entwickelung.
In einer ähnlichen Beziehung kann der Mensch zur Sonne stehen.
Auch da kann er dasjenige, was ihm winkt an künftigen Schicksalsbestimmungen, wenigstens im allgemeinen, wenn auch nicht im speziellen, ahnen. Wenn wir jetzt vom Kosmischen absehen und hinschauen auf den Menschen selber, dann finden wir ja das menschliche Schicksal wirklich in wunderbarer Weise aus zwei Elementen heraus gewoben.
Wenn zwei Menschen, sagen wir der eine in seinem fünfundzwanzigsten, der andere in seinem dreißigsten Jahre, einander begegnen, so kann der Fall eintreten – er wird es nicht immer -, daß, wenn der eine oder der andere zurückblickt auf sein bisheriges Erdenleben, ihm ganz klar wird: sie haben ihre Lebenswege so durchgemacht, als ob sie einander gesucht hätten. Es ist nur eine Gedankenlosigkeit, wenn wir auf solche Dinge nicht aufmerksam werden. Schon das Kind hat die Richtung des Weges genommen, der es dahin führen mußte, wo es den anderen Menschen trifft, und der andere Mensch hat auch diesen Weg genommen, und alles dasjenige, bis zum gemeinsamen Treffpunkt, es hat sich im Unterbewußten vollzogen. Aber was hat denn im Unterbewußten gewirkt? Wenn der eine der A ist und der andere der B, so ist der A hinuntergestiegen durch die Mondensphäre, bevor er das Erdenleben betreten hat. Die Mondenwesen haben in die Bücher, auch in den astralischen Leib dasjenige eingezeichnet, was er gemeinsam hatte im vergangenen Erdenleben mit dem B, und diese Eintragungen in die Akasha-Mondchronik, die haben den Weg beeinflußt, ebenso bei dem B.
Von dem Momente an, wo sich die beiden Menschen treffen, hört das Unterbewußte auf, die alleinige Bedeutung zu haben, denn dann werden die Menschen einander ansichtig. Sie machen aufeinander einen Eindruck. Sie werden einander sympathisch oder antipathisch. Es wirkt nicht mehr eine Konservierung des Vergangenen, es wirkt nun die Gegenwart. Es treten die Angeloi ein und führen die Menschen dann weiter. Da tritt das Sonnendasein in seine Kraft, so daß wirklich im Inneren des Menschen Sonne und Mond zusammen das Schicksal des Menschen weben. Das ist ja, im Grunde genommen, recht genau wahrzunehmen, wenn man nur sinnig auf das Menschenleben hinschaut.
Nehmen Sie einmal zwei Menschen, die sich irgendwo begegnen. Der Eindruck, den sie aufeinander machen, kann sehr verschiedenartig sein. Es gibt Fälle, wo zwei Menschen sich treffen, und es ist wirklich so, daß der eine Mensch den anderen ganz in seinen Willen, in sein Gemüt aufnimmt. Dieses Aufnehmen ins Gemüt, das ist in einem hohen Grade unbeeinflußt von dem persönlichen Eindruck. Bloße Verständlinge haben eben nicht viel Verständnis für dasjenige, was da innerlich vorhanden ist, denn es gehört ja wirklich zum Wunderbarsten, wenn man einmal sieht, wie ein Mensch dem anderen gegenübertritt. Einmal nimmt wirklich der A den B so in seinen Willen auf, daß er sagt: Ich möchte es selber ausführen, was der B tut: Wie es ihm gefällt, so gefällt es auch mir. Nun ist aber der B häßlich, und man kann nicht begreifen, daß der B dem A gefällt. Sehen Sie, die Anziehung von B zum A wird nicht gebildet durch den Verstand, auch nicht durch die Sinneseindrücke, sondern durch die tiefen seelischen Kräfte: durch den Willen und dasjenige, was vom Willen ins Gemüt geht. Da mag der andere noch so häßlich sein, die Häßlichkeit hat er erst im gegenwärtigen Erdenleben bekommen. Dasjenige, was die beiden verbindet, hat seinen Ursprung in demjenigen, was sie gemeinsam durchlebt haben im vor-herigen Erdenleben. Beim äußeren Anblick meint man, die beiden Menschen passen doch gar nicht zusammen; aber dasjenige, was sie in ihrem Unterbewußtsein haben, das führt ihre Willen zusammen. Das zeigt sich oftmals schon in der Kindheit. Wie sehr ist man als Kind schon darauf aus, so zu sein wie «er», so zu wollen wie «er», so zu fühlen wie «er». Dann ist eine karmische Beziehung vorhanden.
Dies ist eine Art, wie Menschen im Leben einander begegnen, und würde man auf diese Art recht aufmerksam sein, wie man es einmal in einer gar nicht fernen Zukunft sein wird, wo man wieder mehr auf das Innere des Menschen sehen wird, dann würde in diesen Fällen, in der Art und Weise, wie ein Wille pulsiert, zu erkennen sein, daß man schon mit Menschen vergangene Erdenleben durchgemacht hat, und unterbewußte Seelenkräfte sagen etwas darüber aus, was man mit einem Menschen im vergangenen Erdenleben durchgemacht hat.
Der andere Fall ist der, daß man irgendeinen Menschen trifft, bei dem sich kein solches Verhältnis zwischen den Willen einstellt, sondern gerade ein solches, wo der ästhetische oder der Verstandeseindruck das Maßgebende ist. Wie oft kommt es vor, daß ein A einen B kennenlernt und dann nicht im Tone jener Begeisterung oder des Abscheus von ihm redet, in dem man redet von einem Menschen, mit dem man früher karmisch verbunden war. Man lobt vielleicht einen solchen Menschen, mit dem man nicht karmisch verbunden ist, findet ihn nett, einen Prachtskerl, aber er geht nicht in den Willen hinein, sondern nur in den Ver-stand, in den ästhetischen Sinn.
Das ist die zweite Art, wie man mit Menschen zusammentrifft. Geht dasjenige, was zwei Menschen als Wirkung aufeinander ausüben, bis in den Willen, in das Gemüt, in den Charakter hinein, dann liegt eine karmische Zusammengehörigkeit vor, dann sind die beiden Menschen zu-sammengeführt durch gemeinsame Erlebnisse im vergangenen Erden-leben. Geht von einem Menschen ein Impuls aus, der nur bis in den Verstand, den ästhetischen Sinn hineinreicht, so daß uns der Mensch nur gefällt, nur mißfällt, dann liegt nicht etwas vor, was der Mond gemacht hat, sondern was die Sonne erst gegenwärtig macht und was erst eine Fortsetzung in der Zukunft finden wird. So daß man also durch ein sinniges Betrachten des Menschen dazu kommen kann, zu empfinden, wo karmische Beziehungen vorliegen.“
Rudolf Steiner 1924
Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge
GA 240 S.63-67 Schicksalswege

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Gedanken zur Anthroposophie:

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Das Verhältnis der Sternenwelt zum Menschen und des Menschen zur Sternenwelt / R. Steiner
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Zur ungemein wichtigen Erkenntniserweiterung in Richtung einer kosmischen Dimension des Menschen-Wesens sei ergänzend auf ein kürzlich veröffentlichtes Audio verwiesen: Rudolf Steiner, Vom nachtodlichen und vorgeburtlichen LEBEN
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Die Toten spielen herein in unser Leben
Wir sind also von den sogenannten Toten nur dadurch getrennt, daß wir nicht in der Lage sind, mit dem gewöhnlichen Bewußtsein wahrzunehmen, wie die Kräfte der Toten, das Leben der Toten, die Handlungen der Toten in unser eigenes Leben hereinspielen. Denn diese Kräfte, diese Handlungen der Toten durchdringen unser Gefühlsleben und unser Willensleben fortwährend. Wir leben also mit den Toten. Und es ist schon von Bedeutung, sich klarzumachen in dieser unserer Gegenwart, wie Geisteswissenschaft die Aufgabe hat, dieses Bewußtsein des Zusammengehörens mit den Totenseelen zu entwickeln.
Der Rest der Erdenentwickelung wird nicht verfließen können, wenn er zum Heile der Menschheit verfließen soll, ohne daß die Menschheit dieses lebendige Gefühl von dem Zusammensein mit den Toten entwickelt. Denn das Leben der Toten spielt auf mannigfaltigen Umwegen herein in das Leben der sogenannten Lebendigen.
Rudolf Steiner – GA 179 – Geschichtliche Notwendigkeit und Freiheit/ Schicksalseinwirkungen aus der Welt der Toten – Dornach, 10 Dezember 1917 (Seite 55)

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„In einem gewissen Sinne ist dasjenige, was wir hier auf Erden an Erfahrungen, an Erlebnissen uns aneignen, eine Nahrung für den Kosmos -, so müssen wir nun sagen: Nachdem wir das, was wir hier in einem Erdenleben als für den Kosmos brauchbar – als Nahrung oder als Heizmaterial – bewahrt haben, an den Kosmos hingegeben haben, da bekommen wir aus der Fülle des Kosmos heraus all diejenigen Substanzen, aus denen wir den neuen Menschen, den wir später beziehen werden, wiederum weben.
Da lebt der Mensch, indem er wirklich ganz hingegeben ist an eine geistige Welt, als Geist. Sein ganzes Weben und Wesen ist ein geistiges Arbeiten und ein geistiges Sein. Das dauert eine lange Zeit. Denn wirklich – man muss es immer wieder betonen -, dasjenige zu weben, was der Mensch ist, ist etwas ganz Gewaltiges und Großartiges. Und in alten Mysterien hat man nicht mit Unrecht den menschlichen physischen Leib einen «Tempel der Götter» genannt. Dieses Wort hat schon eine tiefe Bedeutung. Man lernt die ganze tiefe Bedeutung dieses Wortes immer mehr und mehr fühlen, je mehr man Einblick in die ganze Initiationswissenschaft gewinnt, in dasjenige, was als das Leben des Menschen selber zwischen dem Tode und einer neuen Geburt vor sich geht. Da lebt man aber auch so, dass man, ich möchte sagen, unmittelbar ansichtig wird der Geistwesen als Geistwesen. Das dauert längere Zeit. Dann tritt ein anderer Zustand ein.

Dasjenige, was vorher war, war so, dass man die einzelnen Geistwesen als Individualitäten wirklich geschaut hat. Man lernte sozusagen von Angesicht zu Angesicht, indem man mit ihnen arbeitete, die Geistwesen kennen. Dann tritt einmal ein Zustand ein, wo – ich möchte sagen, es ist nur bildlich gesprochen, aber man kann für diese Dinge ja nur Bilder anwenden – diese Geistwesen immer undeutlicher und undeutlicher werden und mehr ein allgemeines Geistgebilde auftritt. Man kann das so aussprechen, dass man sagt: Eine gewisse Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt erlebt man so, dass man unmittelbar mit den Geistwesen lebt. Dann kommt eine Zeit, wo man nur in der Offenbarung der Geistwesen lebt, wo sie sich einem offenbaren. – Ich will ein recht triviales Gleichnis gebrauchen. Wenn Sie in der Ferne so eine kleine graue Wolke sehen, so können Sie sie für eine kleine graue Wolke halten, gehen Sie näher hinzu, so entpuppt sie sich Ihnen als ein Mückenschwarm. Sie sehen jetzt jede einzelne Mücke. Hier ist es umgekehrt. Sie nehmen wahr – zuerst als einzelne Individualitäten – die göttlich-geistigen Wesenheiten, mit denen Sie arbeiten. Dann leben Sie sich hinein, so dass Sie die allgemeine Geistigkeit wahrnehmen wie den Mückenschwarm als Wolke, wo die einzelnen Individualitäten mehr verschwinden, und Sie leben dann, ich möchte sagen mehr auf pantheistische Weise in einer allgemeinen geistigen Welt.

Indem Sie jetzt in einer allgemeinen geistigen Welt leben, taucht aber aus Ihrem Inneren ein stärkeres Selbstgefühl auf, als Sie vorher hatten. Vorher waren Sie in Ihrem Selbst so, dass Sie gewissermaßen eins waren mit der geistigen Welt, die Sie in ihren Individualitäten erlebten. Jetzt fühlen Sie die geistige Welt gewissermaßen nur wie eine allgemeine Geistigkeit. Aber Sie fühlen sich stärker. Es erwacht die Intensität des eigenen Selbstgefühles. Und damit tritt langsam und allmählich im Menschen wiederum das Bedürfnis auf nach einem neuen Erdendasein. Mit diesem Erwachen des Selbstgefühles tritt das Bedürfnis auf nach einem neuen Erdendasein. Dieses Bedürfnis muss ich Ihnen so schildern. Durch die ganze Zeit, die ich Ihnen jetzt geschildert habe und die durch Jahrhunderte geht, hat der Mensch eigentlich, nachdem er die erste Zeit durchgemacht hat, wo er noch immer mit der Erde zusammenhängt, von da ab, wo er an seinen Ausgangspunkt wieder zurückgekommen ist, im Grunde genommen hauptsächlich nur die Interessen für die geistige Welt. Er webt in der Weise, wie ich es Ihnen geschildert habe, an dem Menschen im Großen. Er hat Interesse hauptsächlich für die geistige Welt.

In dem Momente, wo die geistige Welt gewissermaßen in ihren Individualitäten ineinander verschwimmt und der Mensch die geistige Welt im Allgemeinen wahrnimmt, erwacht in ihm das Interesse für die Erdenwelt wiederum. Dieses Interesse für die Erdenwelt tritt in einer ganz besonderen Weise ein. Es tritt nämlich in bestimmter Weise, in konkreter Weise auf. Man fängt an, ein Interesse zu bekommen an ganz bestimmten Menschen, die da unten auf der Erde sind, und wiederum an deren Kindern und an deren Kindern wiederum. Während man früher nur ein Himmelsinteresse hat, bekommt man jetzt ein merkwürdiges Interesse, wenn die geistige Welt zur Offenbarung wird, an gewissen Generationenfolgen. Das sind die Generationenfolgen, an deren Ende dann die eigenen Eltern stehen, die einen gebären werden, wenn man wiederum herabsteigt zur Erde. Aber man bekommt schon lange vorher für die Voreltern Interesse. Man verfolgt die Generationenreihe bis zu den Eltern hinunter, und zwar verfolgt man sie nicht bloß im Zeitenverlaufe, sondern wenn dieser Zustand der Offenbarung zuerst eintritt, da sieht man schon wie prophetisch die ganze Generationenreihe vor sich. Da sieht man durch die Generationen, durch die Menschenfolge Urururgroßvater, Ururgroßvater, Urgroßvater, Großvater und so weiter, man sieht den Weg, den man auf die Erde hinunter machen wird, in Menschengenerationen vor sich. Nachdem man zuerst in den Kosmos hineingewachsen ist, wächst man später in die reale, in die konkrete Menschengeschichte hinein. Und dann kommt der Zeitpunkt, wo man wiederum aus dem Sonnenbereiche allmählich herauskommt. Man bleibt natürlich immer im Sonnenbereiche drinnen, aber das deutliche, klare, bewusste Verhältnis verdunkelt sich, und man zieht wieder in den Mondenbereich ein. Und jetzt findet man im Mondenbereich das Päckchen, das man abgelegt hat – ich kann es nicht anders als mit diesem Bilde bezeichnen -, dasjenige, was die moralische Wertigkeit darstellt. Die muss man jetzt aufnehmen.

Wir werden in den nächsten Tagen sehen, wie da wiederum der Christus-Impuls eine sehr bedeutsame Rolle spielt. Man muss das Schicksalspäckchen sich einverleiben. Aber indem man sich dieses Schicksalspäckchen einverleibt, indem man den Mondenbereich betritt, geht einem, während das Selbstgefühl immer stärker und stärker geworden ist, während man immer mehr und mehr innerlich Seele geworden ist, das Gewebe, das man zu seinem physischen Leibe gewoben hat, allmählich verloren. Der Geistkeim, den man selbst gewoben hat, geht einem verloren, geht einem in dem Momente verloren, wo auf der Erde die Konzeption für den körperlichen Keim eintritt, den man auf Erden anzunehmen hat.

Nun ist man aber noch selber in der geistigen Welt. Der Geistkeim des physischen Leibes ist schon hinuntergegangen, man ist selber in der geistigen Welt. Da tritt eine starke Entbehrung ein, ein starkes Entbehrungsgefühl. Man hat seinen Geistkeim des physischen Leibes verloren. Der ist schon unten. Der ist am Ende der Generationenreihe angekommen, die man gesehen hat. Man ist noch oben. Gewaltig macht sich da die Entbehrung geltend. Und diese Entbehrung, die zieht jetzt aus aller Welt die geeigneten Ingredienzien des Weltenäthers zusammen. Nachdem man schon den Geistkeim des physischen Leibes auf die Erde hinuntergeschickt hat und als Seele, als Ich und als astralischer Leib, zurückgeblieben ist, zieht man aus dem Weltenäther Äthersubstanz zusammen und bildet den eigenen Ätherleib. Und mit diesem eigenen Ätherleib, den man gebildet hat, vereinigt man sich dann etwa in der dritten Woche, nachdem die Befruchtung auf Erden eingetreten ist, und vereinigt sich mit dem leiblichen Keim, der sich nach dem Geistkeim in der geschilderten Weise gebildet hat. Aber ehe man sich mit seinem eigenen Leibeskeim vereinigt, bildet man sich noch seinen Ätherleib in der Weise, wie ich es geschildert habe. Und in diesen Ätherleib hinein ist verwoben das Päckchen, von dem ich gesprochen habe, das die moralische Wertigkeit enthält. Das verwebt man jetzt in sein Ich, in seinen astralischen Leib, aber auch noch in den ätherischen Leib hinein. Das bringt man dann mit dem physischen Leibe zusammen. Und so ist es, dass man sein Karma mit auf die Erde trägt. Das hat man zuerst im Mondenbereich zurückgelassen, denn man würde einen schlechten, einen verdorbenen physischen Leib ausgebildet haben, wenn man das in den Sonnenbereich mitgenommen hätte. Der physische Leib des Menschen wird individuell erst dadurch, dass der Ätherleib ihn durchzieht. Der physische Leib eines jeden Menschen würde gleich dem physischen Leib eines andern Menschen sein, denn in der geistigen Welt weben sich die Menschen schlechthin gleiche Geistkeime für ihren physischen Leib. Individuell werden wir eben nach unserem Karma, nach dem, wie wir unser Päckchen in den Ätherleib hineinverweben müssen, der dann schon, während wir noch im embryonalen Zustande sind, individuell unseren physischen Leib gestaltet, konstituiert, durchdringt.

Ich werde in den nächsten Tagen natürlich noch manches hinzufügen müssen zu dem, was ich Ihnen skizzenhaft über den Durchgang des Menschen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt geschildert habe. Aber Sie haben gesehen, dass der Mensch da reiche Erlebnisse durchmacht, dass da die große Erfahrung eintritt, wie wir zuerst aufgehen in den Kosmos, wie wir aus dem Kosmos heraus wiederum die Menschlichkeit bilden, um zu einem neuen Erdenleben zu kommen.

Es sind im Wesentlichen drei Dinge, die wir da durchmachen. Erstens leben wir als Geistseele unter Geistseelen. Es ist ein wirkliches Miterleben der geistigen Welt. Zweitens leben wir in der Offenbarung der geistigen Welt. Die Individualitäten der einzelnen geistigen Wesenheiten sind gewissermaßen verschwommen, die geistige Welt offenbart sich uns als ein Ganzes. Wir nähern uns wiederum dem Mondenbereich, da aber erwacht unser Selbstgefühl, das schon die
Vorbereitung für das irdische Selbstgefühl ist. Während wir in der geistigen Welt als ein geistiges Selbst bewusst werden, nicht nach der Erde begehren, fangen wir jetzt während der Offenbarungszeit an, nach der Erde zu begehren, ein starkes, schon nach der Erde geneigtes
Selbstgefühl zu entwickeln. Und das dritte ist dann, wenn wir in den Mondenbereich eingetreten sind, wenn wir unseren Geistkeim abgegeben haben an die physische Welt, dass wir die Äthermaterie aus allen Himmeln zusammenziehen zum eigenen Ätherleib. Drei aufeinanderfolgende Stadien: wirkliches Leben mit der geistigen Welt; Leben, indem man sich selber schon als ein egoistisches Ich fühlt, in den Offenbarungen der geistigen Welt; Leben im Zusammenziehen des Weltenäthers.

Davon kommen dann, wenn der Mensch in seinen physischen Leib eingezogen ist, die Abbilder zustande. Diese Abbilder stellen sich als etwas höchst Überraschendes heraus. Wir sehen das Kind. Wir sehen es in seinem physischen Leibe vor uns. Es entwickelt sich. Es ist ja
das Wunderbarste, was wir sehen können in der physischen Welt, diese Entwickelung des Kindes. Wir sehen, wie es zuerst kriecht, wie es sich in die Gleichgewichtslage gegenüber der Welt versetzt. Wir nehmen das Gehenlernen wahr. Es ist ungeheuer viel mit diesem Gehenlernen verknüpft. Es ist ein ganzes Sich-Hineinbegeben in die Gleichgewichtslage der Welt. Es ist ein wirkliches Sich-Hineinversetzen des ganzen Kosmos in die drei Raumesrichtungen der Welt. Wie da das Kind eben erst die richtige menschliche Gleichgewichtslage innerhalb der Welt findet, das ist das erste Wunderbare.

Das ist ein irdisches anspruchsloses Abbild desjenigen, was der Mensch in langen Jahrhunderten durchgemacht hat, indem er als Geist unter Geistern lebte. Da bekommt man eine große Ehrfurcht vor der Welt, wenn man die Welt so betrachtet, dass man das Kind sieht, wie es zuerst ungeschickt mit den Gliedern in aller Welt herumfuchtelt, wie das nach und nach verständig wird. Ja, das ist die Nachwirkung der Bewegungen, die wir als Geistwesen unter Geistwesen durch Jahrhunderte ausgeführt haben. Es ist wirklich etwas Wunderbares, in den einzelnen Bewegungen des Kindes, in dem Aufsuchen der Gleichgewichtslage die irdischen Nachwirkungen der himmlischen Bewegungen, die rein geistig ausgeführt werden als Geist unter Geistern, wieder zu sehen. So geschieht es ja regelmäßig beim Kinde. Wenn es anders geschieht, ist es etwas abnorm. Es kann auch eintreten, aber eigentlich sollte das Kind zuerst gehen lernen, zuerst sich ins Gleichgewicht bringen lernen und dann sprechen.

Und nun lebt sich das Kind mit der Sprache nachahmend ein in die Umgebung. Aber mit jedem Laute, mit jeder Wortbildung, die sich in dem Kinde ausbildet, haben wir einen anspruchslosen irdischen Anklang jenes Erlebnisses, das wir haben, wenn das Erleben des Geistigen Offenbarung wird, gewissermaßen sich zu einem einheitlichen Nebel zusammenbildet. Da wird aus den einzelnen Wesen der Welt, die wir vorher individuell erlebt haben, der Weltenlogos. Dieser Nebel ist ja der Weltenlogos. Und wenn aus dem Kinde heraus Wort für Wort kommt, so ist das das ausgesprochene irdische Nachbild jenes
wunderbaren Weltentableaus, das der Mensch in der Offenbarungszeit durchmacht, bevor er wiederum in den Mondenbereich eintritt.

Und dann, wenn das Kind, nachdem es gehen und sprechen gelernt hat, die Gedanken allmählich entwickelt – denn das dritte sollte erst das Denkenlernen bei der regelmäßigen menschlichen Entwickelung sein -, da ist das ein Nachbild jener Verrichtungen, die der Mensch vollzogen hat, indem er den Weltenäther aus allen Weltengebieten zum eigenen Ätherleib zusammengeformt hat.

So schauen wir das Kind an, wie es in die Welt hereingetreten ist. Und in dieser Stufenfolge der drei anspruchslosen Verrichtungen, die es sich aneignet, in ein dynamisch-statisches Verhältnis zur Welt zu kommen, Gleichgewicht zu erhalten, was wir Gehenlernen nennen,
Sprechenlernen, Denkenlernen, sehen wir die ganz zusammengefalteten, irdisch anspruchslosen Nachbilder desjenigen, was ins gewaltige Kosmische auseinandergerollt die Zustände darstellt, die zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durchgemacht werden.

Erst dadurch, dass wir dieses geistige Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt kennenlernen, lernen wir auch kennen jenes Geheimnisvolle, das sich herausarbeitet aus dem tiefsten Inneren des Menschen, wenn das Kind zuerst ganz undifferenziert zur Welt kommt und immer differenzierter und differenzierter wird. So lernen wir die Welt begreifen als eine Offenbarung des Göttlichen, wenn wir in jedem einzelnen hindeuten können, wie es eine Offenbarung des Göttlichen ist.“

Rudolf Steiner in der GA 226 („Menschenwesen Menschenschicksal und Welt-Entwickelung“), S. 37 ff.

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Siebenten Vortag (S. 83) aus dem Buch „Die Theosophie des Rosenkreuzers“ (GA 99):
„Um das Karmagesetz, sofern es im Menschenleben auftritt, noch besser verstehen zu können, will ich eine Erscheinung erzählen, die unmittelbar nach dem Tode des Menschen auftritt. Denken Sie an das Erinnerungs-Tableau, das eintritt, wenn der Mensch befreit ist von dem physischen Leibe und für kurze Zeit nur in der Hülle des ästherischen und astralischen Leibes lebt, ehe er seinen weiteren Fortgang durch die elementare Welt nimmt. Zum intimen Verständnis des Wirkens von Karma lassen Sie mich ein eigentümliches Gefühl schildern, das auch schon während dieses großen Tableaus auftritt. Es ist das eines Größerwerdens, eines Aus-sich-heraus-Wachsens. Dies tritt stärker und stärker auf, auch solange der Mensch noch in seinem Ätherleibe ist. Er kommt in eine eigentümliche Lage gegenüber diesem Tableau. Zuerst sind es Bilder des verflossenen Lebens, die er wie in einem Panorama anschaut. Dann kommt ein Moment – er liegt nicht lange nach dem Tode und dauert Stunden, auch Tage, je nach Individualität des Menschen -, wo der Mensch die Empfindung hat: Ich bin selbst alle diese Bilder – Er fühlt seinen Ätherleib wachsen, als ob er umgreife den ganzen Umkreis der Erde bis zur Sonne hinauf. Dann, wenn der Mensch seinen Ätherleib verläßt, tritt ein anderes, höchst merkwürdiges Gefühl auf, das geradezu schwer mit Worten aus der physischen Welt zu beschreiben ist. Es ist zwar ein Gefühl der Ausdehnung weit hinaus bis in den Weltenraum, aber so, als ob man alle die Orte des Weltenraumes nicht mehr ausfülle. Man kann es nur grob beschreiben. Man fühlt sich so, daß man sich zum Beispiel mit einem Teil eines Wesens in München, einem andern in Mainz, einem dritten in Basel und noch mit einem andern Teile weit außerhalb des Erdkreises, vielleicht auf dem Monde fühlt. Man fühlt sich sozusagen zerstückelt und die dazwischen liegenden Räume als nicht zu sich gehörig. Das ist die eigentümliche Art, sich… (S. 84)… astral zu fühlen: wie ausgebreitet im Raum, an verschiedene Orte hinversetzt, aber den dazwischenliegenden Raum nicht ausfüllend. Und diese Empfindung dauert die ganze Kamaloka-Zeit hindurch, die der Mensch rückläufig bis zur Geburt durchlebt. Es ist immer ein Durchleben solcher Stücke, die zu einem gehören. Das gliedert sich dann zusammen mit dem ganzen übrigen Kamaloka-Leben. Es ist wichtig, das zu wissen, um eine Vorstellung davon zu erhalten, wie eigentlich das Karmagesetz wirkt. Man fühlt sich zunächst in dem Menschen drinnen, mit dem man zuletzt verbunden war, und dann zurück in allen Menschen und andern Wesen, mit denen man zu tun hatte während des Lebens.“…

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… „Die Auseinandersetzungen über das Karma können nur langsam und allmählich in das Verständnis dieser weltgrundlegenden und komplizierten Gesetzmäßigkeit hineinführen. Ich möchte heute zunächst darauf verweisen, wie wir betonen mussten, dass mitarbeiten an der Gestaltung des Karma des Menschen in dem Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt zunächst die Menschen selber, die Menschen, die in diesem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt sind, in demjenigen Zustande, den ich da geschildert habe. Zusammen arbeiten da die Menschen mit anderen Menschen, mit denjenigen Menschen, mit denen sie vorzugsweise karmisch verbunden sind. So dass wir in der Gestaltung des Karmas in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt sehen Menschengruppen, karmisch verbundene Menschengruppen, und wir können schon sagen: Deutlich voneinander gliedern sich ab in diesem rein geistigen Leben die Menschengruppen, die miteinander etwas zu tun haben. Das schließt ja nicht aus, dass wir auch in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, und insbesondere in diesem Leben teilhaben an der ganzen Menschheit, dass wir, weil wir innerhalb einer Menschengruppe stehen, oder sagen wir einer Seelengruppe, dadurch nicht ausgeschlossen sind von dem Anteilnehmen an der Gesamtmenschheit.

Aber in alle diese Gruppen, bis herein in das individuelle Schicksal des einzelnen Menschen, arbeiten die Wesenheiten der höheren Hierarchien. Und diese Wesenheiten der höheren Hierarchien, die also mit dem Menschen zusammen karmagestaltend sind zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, die wirken nun auch herein in dasjenige Leben, das wir zwischen der Geburt und dem Tode verbringen, indem sich ja das Karma auf moralische Art auslebt, im Schicksal der Menschen auslebt. Und wir müssen heute einmal die Frage beantworten: Wie spielt die Arbeit, das Wirken der Hierarchien eigentlich herein in das Leben der Menschen?

Da muss man schon sagen, wenn man heute mit Initiationswissenschaft redet, dass diese Frage eigentlich eine herzeinschneidende ist; denn Sie können ja schon ahnen, meine lieben Freunde, aus dem, was ich im Laufe der letzten Vorträge gesagt habe, dass das äußere naturhafte Geschehen im Zusammenhange steht mit dem Karmageschehen der Menschheit.

Derjenige, der seinen Blick eben nicht bloß auf das naturhafte Geschehen hinwendet, sondern der seinen Blick auf das gesamte kosmisch-menschliche Geschehen hinwendet, der sieht den Zusammenhang zwischen dem, was namentlich innerhalb von Menschengruppen und Menschenmassen auf Erden vorgeht in irgendeinem Zeitalter, und was sich in einem anderen Zeitalter als Naturvorgänge abspielt. Wir können ja manchmal hinschauen auf Naturereignisse, die hereinspielen in das Erdenleben. Wir schauen hin auf die verheerenden Vulkanausbrüche, wir schauen hin auf dasjenige, was durch die natürlichen Elementarereignisse bewirkt wird in Überschwemmungen, in ähnlichen Erscheinungen.

Wir stehen zunächst, wenn wir diese Ereignisse bloß naturhaft auffassen, doch vor etwas, was unbegreiflich ist gegenüber dem Gesamteindrucke, den wir von der Welt erhalten. Denn wir blicken da auf Ereignisse, die eben hereinbrechen in die Weltenordnung, und denen gegenüber der Mensch eigentlich gewöhnlich so steht, dass er das Begreifen aufgibt, dass er nur das Unglück, die Schicksalsereignisse einfach hinnimmt. Die geisteswissenschaftliche Untersuchung führt aber da schon rein durch sich ein Stückchen weiter. Denn sie liefert uns
merkwürdige Anschauungen gerade mit Bezug auf solche elementarischen Naturereignisse.

Wir lassen den Blick hinschweifen über die Erdoberfläche. Wir finden gewisse Gegenden der Erdoberfläche geradezu mit Vulkanen besät. Wir finden an anderen Stellen der Erdoberfläche die Möglichkeit erdbebenartiger Katastrophen oder anderer Katastrophen. Und wenn wir dann gerade mit Bezug auf solche Dinge die karmischen Zusammenhänge verfolgen, wie wir sie in historischer Beziehung für manche historischen Persönlichkeiten in den verflossenen Vorträgen verfolgt haben, dann stellt sich uns etwas sehr Eigentümliches heraus. Dann finden wir die merkwürdige Tatsache: Da oben in der geistigen Welt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt leben Menschenseelen in Gruppen zusammenhängend nach ihrem Karma, ausarbeitend nach ihren vergangenen karmischen Zusammenhängen ihre zukünftigen karmischen Zusammenhänge. Und wir sehen solche Menschengruppen, Gruppen von Menschenseelen bei ihrem Heruntersteigen aus dem vorirdischen Dasein in das irdische Dasein geradezu hinwandern an die Orte, die in der Nähe von Vulkanen liegen, oder da liegen, wo erdbebenartige Katastrophen eintreten können, um dasjenige Schicksal zu empfangen aus den elementarischen Naturereignissen heraus, das durch solche Wohnplätze kommen kann. Ja wir finden sogar, dass in diesem Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, wo der Mensch ja ganz andere Anschauungen und Empfindungen hat, von den Seelen, die zusammengehören, zuweilen solche Orte aufgesucht werden, um das Schicksal, das man auf diese Weise erleben kann, eben zu erleben. Denn dasjenige, was hier auf Erden wenig Anklang findet in unseren Seelen, etwa der Satz: Ich wähle mir ein großes Unglück, um vollkommener zu werden, weil ich sonst unvollkommen bliebe gegenüber dem, was in meinem vergangenen Karma liegt -, dieses Urteil, das, wie gesagt, wenig Anklang findet innerhalb des Erdenlebens, es ist da, es ist als ein vollgültiges Urteil da, wenn wir in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt stehen. Da suchen wir auch einen Vulkanausbruch, da suchen wir auch ein Erdbeben, um auf dem Wege des Unglückes den Weg zur Vollkommenheit zu finden.

Wir müssen uns eben durchaus diese zwei verschiedenen Beurteilungsarten des Lebens, diejenige von der geistigen Welt aus und diejenige von der physischen Welt aus, zu Eigen machen.

Aber weiter müssen wir uns in diesem Zusammenhange etwa so fragen: Da draußen fließen die Naturerscheinungen ab, die alltäglichen, die den verhältnismäßig regelmäßigen Gang gehen, insofern die Sternenwelt daran beteiligt ist; denn diese Sternenwelt verfließt mit einer gewissen Regelmäßigkeit, namentlich was Sonne und Mond anbetrifft, was die übrigen Sterne betrifft, mit Ausnahme der fragwürdigen Meteoren- und Kometenwelt, die schon in einer merkwürdigen Weise hereinplatzt in das regelmäßige rhythmische Geschehen des Kosmos.

Aber nur eigentlich dasjenige, was wir Wind und Wetter nennen, dasjenige, was in Gewitter und Hagelschlägen, überhaupt in dem Klimatologischen und Meteorologischen sich hereinmischt in unser natürliches Dasein, das durchbricht diesen regelmäßigen rhythmischen
Gang alltäglich. Wir sehen das. Wir sind zunächst diesem äußeren Gang der Naturereignisse hingegeben. Dann wohl, wenn wir den Drang haben nach dem Geistigen, dann hören wir wohl auch zu, wenn aus der Initiation heraus die Mitteilung gemacht wird: Es gibt nicht nur diese äußerlich sichtbare Welt, es gibt eine Welt des Übersinnlichen. In dieser Welt des Übersinnlichen leben die Wesen der höheren Hierarchien. Und wir kommen in den Bereich dieser höheren Hierarchien in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt ebenso, wie wir in den Bereich der drei Naturreiche, des mineralischen, des pflanzlichen, des tierischen, in dem Leben zwischen der Geburt und dem Tode kommen.

Wir hören uns das an. Wir versuchen uns die Vorstellung zu bilden, dass es sozusagen diese zweite Welt gibt, bleiben dann aber oftmals dabei, die zwei Welten eben einfach nebeneinanderzustellen, sie nicht in unseren Vorstellungen miteinander zu verbinden.

Aber erst dann bekommen wir eine reale Anschauung über diese beiden Welten, wenn wir sie zusammenschauen können, wenn wir ihr Zusammenwirken ins Seelenauge fassen können. Denn dieses Wirken müssen wir ja durchschauen, wenn wir die Gestaltung des Karmas verstehen wollen. In dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt wird dieses Karma bereitet. Aber durch die Wirksamkeit der höheren Hierarchien auch in dem Leben zwischen Geburt und Tod wird das Karma hier auf Erden ausgebildet.

Wir müssen uns also fragen: Wie wirken in das Erdenleben herein diese höheren Hierarchien?

Nun, sehen Sie, diese höheren Hierarchien wirken in das Erdenleben so herein, dass sie die Vorgänge des Irdischen benützen, um in diesen Vorgängen des Irdischen zu wirken.

Wir werden, was da vorliegt, am leichtesten verstehen, wenn wir zunächst unseren Blick auf dasjenige hinwenden, was sich eben in der Sternenwelt und in der irdischen Welt vor unseren Sinnen ausbreitet. Wir schauen während des täglichen wachenden Lebens die Sonne über uns. Wir nehmen wahr in nächtlichen Stunden das Scheinen des Mondes, das Scheinen der Sterne. Vergegenwärtigen wir uns einmal, meine lieben Freunde, wie wir da hinausschauen in die Welt, wie wir auf unsere Sinne wirken lassen dasjenige, was über uns ist, dasjenige, was auf der Erde um uns ist in den Naturreichen. Und vergegenwärtigen wir uns, dass diese Sinneswelt ja für sich ebenso wenig einen Sinn hat wie die Form eines menschlichen Leichnams. Wenn wir im ganzen Umkreis auf dasjenige sehen, was es auf der Erde an Kräften außer dem Menschen gibt, so finden wir zwar alle die Kräfte, die in einem Leichnam sind, aber wir finden nicht die Kräfte des lebendigen Menschen. Der Leichnam, der vor uns liegt, ist ein Unsinn; er hat nur einen Sinn als ein Überbleibsel vom lebendigen Menschen. Und niemand kann als vernünftig angesehen werden, der da glaubt, der Leichnam könnte für
sich bestehen als irgendein Zusammenhang von Tatsachen, der in sich begründet ist. Er kann eben nur als Überbleibsel da sein, er kann eben nur eine Form zeigen, die von etwas ist, das nicht mehr in ihm sichtbar ist. Ebenso wie man auf vernünftige Weise vom Leichnam auf den lebendigen Menschen geführt werden muss, ebenso muss man von alledem, was man im Umkreise des physisch-sinnlichen Daseins sieht, zur geistigen Welt geführt werden. Denn dieses physisch-sinnliche Dasein hat eben an sich ebenso wenig einen Sinn wie der Leichnam.

Wie wir vom Leichnam zum lebendigen Menschen hingelenkt werden in unseren Vorstellungen, wie wir sagen: Das ist der Leichnam eines Menschen -, so sagen wir gegenüber der Natur: Das ist die Offenbarung göttlich-geistiger Mächte. – Kein anderes kann vernünftig sein, ja es ist nicht einmal gesund, anders zu denken. Es bezeugt ein krankhaftes
Denken, wenn man anders denkt.

Aber was für eine geistige Welt haben wir zu vermuten hinter dieser physisch-sinnlichen Welt? Diejenige geistige Welt, sehen Sie, die wir hinter dieser physisch-sinnlichen Welt zu vermuten haben, ist die, welche wir als die zweite Hierarchie kennengelernt haben: Exusiai, Dynamis, Kyriotetes.

Die zweite Hierarchie, sie steht hinter alledem, was sonnenbeschienen ist. Und was ist denn nicht sonnenbeschienen und sonnenerhalten im Umkreise desjenigen, was wir durch unsere Sinne darleben? Alles ist sonnenbeschienen und sonnenerhalten.

Diese Wesenheiten der zweiten Hierarchie haben vorzugsweise in der Sonne ihren Wohnsitz. Von der Sonne aus beherrschen sie die sichtbare Welt, die ihre Offenbarung ist. So dass wir sagen können: Haben wir hier die Erde, haben wir auf die Erde herabschauend irgendwo die
Sonne, so haben wir hinter dem Sonnenwirken, in dem Sonnenwirken, durch das Sonnenwirken das Wirken der zweiten Hierarchie, der Exusiai, Kyriotetes, Dynamis.

Auf den Strahlungen, die die Taten der zweiten Hierarchie sind, werden alle sinnlichen Eindrücke getragen, die auf den Menschen ausgeübt werden können, alle die Eindrücke, die während des Tages im Wachen an unsere Sinne herankommen. So dass wir in einem gewissen Sinne richtig sprechen, wenn wir sagen: In und durch und hinter dem Wirken des Sonnenhaften im Umkreise unseres physisch-sinnlichen Daseins steht die übersinnliche Welt der zweiten Hierarchie.“

Rudolf Steiner in der GA 236 („Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge – Zweiter Band“), S. 270 ff.

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…“Diese Depression braucht ihren Ursprung nicht im gegenwärtigen bewußten Seelenleben zu haben, sondern in der Vergangenheit. In diesem Leben trat einmal irgend etwas im seelischen Erleben auf. Der Mensch ist darüber hinausgekommen, aber nicht vollständig; im Unterbewußten ist ein Rest geblieben…. In dem, was der Psychoanalytiker in den enttäuschten Lebenshoffnungen in den Untergründen der Seele sucht, liegt, wenn er nur tief genug darauf eingeht, dasjenige, was sich vorbereitet in einem gegenwärtigen Leben, um schicksalsmäßig in ein nächstes Leben einzugreifen. …

Gewiß, es sind enttäuschte Hoffnungen in diesem Grundschlamm enthalten; aber in dem, was da eingebettet ist, birgt sich zu gleicher Zeit eine Keimkraft, welche das darstellt, was – wenn der Mensch durch die Pforte des Todes gegangen sein wird in das Leben, das zwischen dem Tod und einer neuen Geburt verläuft, und dann in ein neues Erdenleben eintritt -aus den getäuschten Hoffnungen etwas ganz anderes macht als eine Depression, dasjenige aus ihnen macht, was dann in einem nächsten Leben zur Ent-Täuschung, zur Ertüchtigung führt. In dem, was der Psychoanalytiker in den enttäuschten Lebenshoffnungen in den Untergründen der Seele sucht, liegt, wenn er nur tief genug darauf eingeht, dasjenige, was sich vorbereitet in einem gegenwärtigen Leben, um schicksalsmäßig in ein nächstes Leben einzugreifen.“
Aus GA 066, S. 180/181 – Vortrag 17.3.1917.

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… „Von den Planeten kommen nicht etwa bloß die physischen Kräfte, welche die physische Astronomie lehrt, die Schwerkraft und die anderen physischen Kräfte, sondern auch geistige Kräfte. Und mit diesen geistigen Kräften des Kosmos steht der Mensch in Verbindung; und zwar jeder Mensch in einer besonderen Weise, je nach seiner Individualität. Er lebt, wenn er in Europa geboren ist, mit den Wärmeverhältnissen und so weiter in einem anderen Zusammenhange, als wenn er zum Beispiel in Australien geboren wäre. Ebenso steht er im Leben zwischen Tod und neuer Geburt in Beziehung: der eine mehr zu den geistigen Kräften des Mars, der andere mehr zu denen des Jupiter, mancher mehr zu jenen des ganzen Planetensystems überhaupt und so weiter. Und diese Kräfte sind es auch, die den Menschen wieder auf die Erde zurückführen. So lebt er die Zeit vor einer Geburt mit dem gesamten Sternenraum in Verbindung.
Nach diesen besonderen Verhältnissen eines Menschen zum kosmischen System bestimmen sich auch die Kräfte, die einen Menschen zu diesem oder jenem Elternpaar, in diese oder jene Gegend hinleiten. Der Trieb, der Impuls, sich da oder dort, in diese oder jene Familie, in dieses oder jenes Volk, zu diesem oder jenem Zeitpunkt zu inkarnieren, hängt davon ab, wie der Mensch vor der Geburt in den Kosmos eingegliedert ist.

Man hatte in der älteren Zeit im deutschen Sprachgebiet einen Ausdruck, der außerordentlich bezeichnend war für den Eintritt der Geburt eines Menschen. Wenn ein Mensch geboren wurde, sagte man, er sei da oder dort jung geworden. Darinnen liegt ein unbewußter Hinweis darauf, daß der Mensch in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt zuerst den Kräften weiter untersteht, welche ihn in der vorhergehenden Verkörperung alt gemacht haben, und daß an deren Stelle dann noch vor der Geburt solche treten, welche ihn wieder «jung» machen. So gebraucht noch Goethe im «Faust» den Ausdruck «im Nebellande jung geworden», wobei «Nebelland» der alte Name für das mittelalterliche Deutschland ist.

Dem Stellen des Horoskops liegt die Wahrheit zum Grunde, daß der Kenner dieser Dinge die Kräfte lesen kann, nach denen sich der Mensch in das physische Dasein hereinfindet. Einem Menschen ist ein bestimmtes Horoskop zugeordnet, weil in demselben sich die Kräfte ausdrücken, die ihn ins Dasein geführt haben. Wenn so zum Beispiel im Horoskop der Mars über dem Widder steht, so heißt das, daß gewisse Widderkräfte nicht durch den Mars durchgelassen werden, daß sie abgeschwächt werden. Es wird also der Mensch in das physische Dasein hineingestellt, und das Horoskop ist das, wonach er sich richtet, bevor er sich hineinbegibt in das irdische Dasein. Es soll diese Sache, die ja in unserer Gegenwart so gewagt erscheint, nicht berührt werden, ohne darauf aufmerksam zu machen, daß fast alles, was in dieser Richtung jetzt getrieben wird, der reinste Dilettantismus ist – ein wahrer Aberglaube -, und daß für die äußere Welt die wahre Wissenschaft von diesen Dingen zum großen Teile ganz verloren gegangen ist. Man soll daher die prinzipiellen Dinge, welche hier gesagt werden, nicht beurteilen nach dem, was gegenwärtig vielfach als Astrologie ein fragwürdiges Dasein führt.
Was den Menschen hereintreibt in die physische Verkörperung, das sind die wirksamen Kräfte der Sternenwelt.“

aus GA 15 Seite 71-72

RUDOLF STEINER – GA 15 –
DIE GEISTIGE FÜHRUNG DES MENSCHEN UND DER MENSCHHEIT

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…Wir haben also die Ursachen für vieles, was jetzt in unser Leben tritt, in früheren Erdenleben zu suchen. Da wird sich der Mensch leicht sagen: Also ist dasjenige, was er jetzt erlebt, bedingt, verursacht. Wie kann er dann ein freier Mensch sein?
„Also die wiederholten Erdenleben haben ihre Grenze, wenn man nach rückwärts schaut. Ebenso werden sie eine Grenze haben, wenn man nach vorwärts in die Zukunft schaut. Denn das, was ganz bewusst mit Anthroposophie beginnt, dass in das gewöhnliche Bewusstsein hereinragen soll die geistige Welt, das wird zur Folge haben, dass auch wiederum in die Welt, die man durchlebt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, diese Erdenwelt mehr hineinragt, aber trotzdem das Bewusstsein nicht traumhaft, sondern klarer werden wird, immer klarer und klarer werden wird. Der Unterschied wird wiederum geringer werden. So dass man dieses Leben in den wiederholten Erdenleben begrenzt hat zwischen den äußeren Grenzen, die dann in ein ganz andersgeartetes Dasein des Menschen hineinführen, wo es keinen Sinn hat, von den wiederholten Erdenleben zu sprechen, weil eben die Differenz zwischen dem Erdenleben und dem geistigen Leben nicht so groß ist, wie sie jetzt ist.

Wenn man aber nun einmal für die weite Gegenwart der Erdenzeit annimmt, hinter diesem Erdenleben liegen viele andere – man darf gar nicht sagen unzählige andere, denn sie lassen sich bei einer genauen geisteswissenschaftlichen Untersuchung sogar zählen -, dann haben wir in diesen früheren Erdenleben bestimmte Erlebnisse gehabt, welche Verhältnisse von Mensch zu Mensch darstellten. Und die Wirkungen dieser Verhältnisse von Mensch zu Mensch, die sich damals eben in dem auslebten, was man durchmachte, die stehen in diesem Erdenleben geradeso da, wie die Wirkungen dessen, was wir in diesem jetzigen Erdenleben verrichten, sich hineinerstrecken in die nächsten Erdenleben. Wir haben also die Ursachen für vieles, was jetzt in unser Leben tritt, in früheren Erdenleben zu suchen. Da wird sich der Mensch leicht sagen: Also ist dasjenige, was er jetzt erlebt, bedingt, verursacht. Wie kann er dann ein freier Mensch sein?

Nun, die Frage ist schon, wenn man sie so betrachtet, eine ziemlich bedeutsame; denn alle geistige Beobachtung zeigt eben, dass in dieser Weise das folgende Erdenleben durch die früheren bedingt ist. Auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der Freiheit ganz unbedingt da. Und wenn Sie meine «Philosophie der Freiheit» lesen, so werden Sie sehen, dass man den Menschen gar nicht verstehen kann, wenn man nicht sich klar darüber ist, dass sein ganzes Seelenleben hintendiert, hingerichtet ist, hinorientiert ist auf die Freiheit, aber auf eine Freiheit, die man eben richtig zu verstehen hat.

Nun werden Sie gerade in meiner «Philosophie der Freiheit» eine Idee der Freiheit finden, die aufzufassen im rechten Sinne außerordentlich wichtig ist. Es handelt sich dabei darum, dass man die Freiheit entwickelt hat zunächst im Gedanken. Im Gedanken geht der Quell der Freiheit auf. Der Mensch hat einfach ein unmittelbares Bewusstsein davon, dass er im Gedanken ein freies Wesen ist.

Sie können sagen: Aber es gibt doch viele Menschen heute, welche die Freiheit bezweifeln. – Das ist nur ein Beweis dafür, dass heute der theoretische Fanatismus der Menschen größer ist als das, was der Mensch unmittelbar in der Wirklichkeit erlebt. Der Mensch glaubt ja nicht mehr an seine Erlebnisse, weil er vollgepfropft ist mit theoretischen Anschauungen. Der Mensch bildet sich heute aus der Beobachtung der Naturvorgänge die Idee: Alles ist notwendig bedingt, jede Wirkung hat eine Ursache, alles, was da ist, hat seine Ursache. Also, wenn ich einen Gedanken fasse, hat das auch eine Ursache. An die wiederholten Erdenleben denkt man gar nicht gleich, sondern man denkt daran, dass dasjenige, was aus einem Gedanken hervorquillt, ebenso verursacht ist wie das, was aus einer Maschine hervorgeht.

Durch diese Theorie von der allgemeinen Kausalität, wie man es nennt, von der allgemeinen Verursachung, durch diese Theorie macht sich der Mensch heute vielfach blind dagegen, dass er deutlich in sich das Bewusstsein der Freiheit trägt. Die Freiheit ist eine Tatsache, die erlebt wird, sobald man nur wirklich zur Selbstbesinnung kommt.

Nun gibt es auch Menschen, die da der Anschauung sind, dass nun einmal das Nervensystem eben ein Nervensystem ist und aus sich die Gedanken herauszaubert. Dann wären die Gedanken natürlich gerade so, sagen wir, wie die Flamme, die unter dem Einflusse des Brennstoffes brennt, notwendige Ergebnisse, und von Freiheit könnte nicht die Rede sein.

Aber diese Menschen widersprechen sich ja, indem sie überhaupt reden. Ich habe schon öfters hier erzählt: Ich hatte einen Jugendfreund, der in einer gewissen Zeit einen Fanatismus hatte, dahingehend, recht materialistisch zu denken, und so sagte er auch: Wenn ich gehe, zum
Beispiel, da sind es meine Gehirnnerven, die von gewissen Ursachen durchzogen sind, die bringen die Wirkung des Gehens hervor. – Das konnte unter Umständen eine lange Debatte abgeben mit diesem Jugendfreund. Ich sagte ihm zuletzt einmal: Ja, aber sieh einmal, du sagst doch, ich gehe. Warum sagst du denn nicht: mein Gehirn geht? Wenn du wirklich an deine Theorie glaubst, so musst du niemals sagen: Ich gehe, ich greife, sondern: Mein Gehirn greift, mein Gehirn geht. Also, warum lügst du denn?

Das sind mehr die Theoretiker. Es gibt nun auch Praktiker. Wenn sie irgendeinen Unfug an sich bemerken, den sie nicht abstellen wollen, dann sagen sie: Ja, das kann ich nicht abstellen, das ist nun einmal so meine Natur. Es kommt von selber, ich bin machtlos dagegen. – Solche Menschen gibt es viele. Sie berufen sich auf die unabänderliche Verursachung ihres Wesens. Sie werden nur meistens unkonsequent, wenn sie einmal etwas zur Schau tragen, was sie haben möchten an sich, wofür sie keine Entschuldigung brauchen, sondern wofür sie eine Belobigung wünschen; dann gehen sie ab von dieser Anschauung.

Die Grundtatsache des freien Menschenwesens, die ist eben eine solche Tatsache, sie kann unmittelbar erlebt werden. Nun ist schon im gewöhnlichen Erdenleben die Sache so, dass wir vielerlei Dinge tun, in voller Freiheit tun, und eigentlich sie wiederum so liegen, diese Dinge, dass wir sie nicht gut ungetan sein lassen können. Trotzdem fühlen wir unsere Freiheit dadurch nicht beeinträchtigt.

Nehmen Sie einmal an, Sie fassen jetzt den Beschluss, sich ein Haus zu bauen. Das Haus braucht, um erbaut zu werden, meinetwillen ein Jahr. Sie werden nach einem Jahre drinnen wohnen. Werden Sie Ihre Freiheit dadurch beeinträchtigt fühlen, dass Sie sich dann sagen müssen: Jetzt ist das Haus da, ich muss da herein, ich muss da drinnen wohnen – das ist doch Zwang! – Sie werden Ihre Freiheit nicht beeinträchtigt fühlen dadurch, dass Sie sich ein Haus gebaut haben.

Diese zwei Dinge bestehen durchaus nebeneinander auch schon im gewöhnlichen Leben: dass man sozusagen sich für etwas engagiert hat, was dann Tatsache geworden ist im Leben, mit dem man rechnen muss.

Nehmen Sie nun alles das, was aus früheren Erdenleben stammt, alles das, womit Sie eben rechnen müssen, weil es ja von Ihnen herrührt, geradeso wie der Hausbau von Ihnen herrührt, dann werden Sie dadurch, dass Ihr gegenwärtiges Erdenleben von früheren Erdenleben her bestimmt ist, keine Beeinträchtigung Ihrer Freiheit empfinden.

Nun können Sie sagen: Ja, gut, ich baue mir ein Haus, aber ich will doch ein freier Mensch bleiben, ich will mich dadurch nicht zwingen lassen. Ich werde, wenn es mir nicht gefällt, nach einem Jahre eben nicht in dieses Haus einziehen, werde es verkaufen. – Schön! Man könnte darüber auch seine Ansicht haben, man könnte die Ansicht haben, dass Sie nicht recht wissen, was Sie eigentlich wollen im Leben, wenn Sie das tun. Gewiss, diese Ansicht könnte man auch haben; aber sehen wir ab von dieser Ansicht. Sehen wir ab davon, dass jemand ein Fanatiker der Freiheit ist und sich fortwährend Dinge vornimmt, die er dann aus Freiheit unterlässt. Man könnte dann sagen: Der Mann hat nicht einmal die Freiheit, auf dasjenige einzugehen, was er sich vorgenommen hat. Er steht unter dem fortwährenden Stachel, frei sein zu wollen, und wird geradezu gehetzt von diesem Freiheitsfanatismus.

Es handelt sich wirklich darum, dass diese Dinge nicht starr theoretisch gefasst werden, sondern dass sie lebensvoll gefasst werden. Und gehen wir jetzt, ich möchte sagen, zu einem komplizierteren Begriffe über. Wenn wir dem Menschen Freiheit zuschreiben, so müssen wir
ja den anderen Wesen, die nicht beeinträchtigt sind in ihrer Freiheit durch die Schranken der Menschennatur – wenn wir zu den Wesen hinaufgehen, die den höheren Hierarchien angehören, so sind die ja nicht beeinträchtigt durch die Schranken der Menschennatur -, da müssen wir die Freiheit bei ihnen sogar in einem höheren Grade suchen. Nun könnte jemand eine eigentümliche theologische Theorie aufstellen, könnte sagen: Aber Gott muss doch frei sein! Und doch hat er ja die Welt in einer gewissen Weise eingerichtet. Dadurch ist er aber doch engagiert, er kann doch nicht jeden Tag die Weltordnung andern; also wäre er doch unfrei.

Sehen Sie, wenn Sie in dieser Weise die innere karmische Notwendigkeit und die Freiheit, die eine Tatsache unseres Bewusstseins ist, die einfach ein Ergebnis der Selbstbeobachtung ist, gegeneinanderstellen, so kommen Sie aus einem fortwährenden Zirkel gar nicht heraus. Auf
diese Weise kommen sie aus einem Zirkel gar nicht heraus. Denn die Sache ist diese: Nehmen Sie einmal – ich will das Beispiel zwar nicht tottreten, aber es kann uns doch noch auf die weitere Fährte führen -, nehmen Sie noch einmal das Beispiel vom Hausbau. Also jemand baut sich ein Haus. Ich will nicht sagen, ich baue mir ein Haus – ich werde mir wahrscheinlich niemals eins bauen -, aber sagen wir, jemand baut sich ein Haus. Nun, durch diesen Entschluss bestimmt er in einer bestimmten Weise seine Zukunft. Nun bleibt ihm für diese Zukunft, wenn das Haus fertig ist und er mit seinem früheren Entschluss rechnet, für das Drinnenwohnen scheinbar keine Freiheit. Er hat sie sich freilich selber beschränkt, diese Freiheit; aber es bleibt ihm scheinbar keine Freiheit.

Aber denken Sie, für wie vieles Ihnen dann noch innerhalb dieses Hauses doch Freiheit bleibt! Es steht Ihnen sogar frei, darinnen dumm oder gescheit zu sein. Es steht Ihnen frei, darinnen mit Ihren Mitmenschen ekelhaft oder liebevoll zu sein. Es steht Ihnen frei, darinnen früh oder spät aufzustehen. Vielleicht hat man dafür andere Notwendigkeiten, aber jedenfalls steht es Ihnen in Bezug auf den Hausbau frei, früh oder spät aufzustehen. Es steht Ihnen frei, darinnen Anthroposoph oder Materialist zu sein. Kurz, es gibt unzählige Dinge, die Ihnen dann noch immer freistehen.

Geradeso gibt es im einzelnen Menschenleben, trotzdem die karmische Notwendigkeit vorliegt, unzählige Dinge, viel mehr als in einem Haus, unzählige Dinge, die einem freistehen, die wirklich ganz im Bereiche der Freiheit liegen.

Nun werden Sie vielleicht weiter sagen können: Gut, dann haben wir also im Leben einen gewissen Bereich von Freiheit. Den will ich hier in der Zeichnung hell machen, weil ihn die Menschen gern haben, und ringsherum die karmische Notwendigkeit (siehe Zeichnung, rot). – Ja, die ist nun auch da! Also ein gewisser eingeschlossener Bereich von Freiheit, ringsherum die karmische Notwendigkeit.

Nun, dieses anschauend, können Sie folgendes geltend machen. Sie können sagen: Nun ja, jetzt bin ich in einem gewissen Bezirke frei; aber nun komme ich an die Grenze meiner Freiheit. Da empfinde ich überall die karmische Notwendigkeit. Ich gehe in meinem Freiheitszimmer herum, aber überall an den Grenzen komme ich an meine karmische
Notwendigkeit und empfinde diese karmische Notwendigkeit.

Ja, meine lieben Freunde, wenn der Fisch ebenso dächte, so wäre er höchst unglücklich im Wasser, denn er kommt, wenn er im Wasser schwimmt, an die Grenze des Wassers. Außerhalb dieses Wassers kann er nicht mehr leben. Daher unterlässt er es, außerhalb des Wassers zu gehen. Er geht gar nicht außerhalb des Wassers. Er bleibt im Wasser, er schwimmt im Wasser herum und lässt das andere, was außer dem Wasser ist, Luft sein, oder was es eben ist. Und aus dem Grunde, weil der Fisch das tut, kann ich Ihnen die Versicherung abgeben, dass der Fisch gar nicht unglücklich ist darüber, dass er nicht mit Lungen atmen kann. Er kommt gar nicht darauf, unglücklich zu sein. Wenn aber der Fisch darauf kommen sollte, unglücklich zu sein darüber, dass er nur mit Kiemen atmet und nicht mit Lungen atmet, da müsste er Lungen in der Reserve haben, und da müsste er vergleichen, wie es ist, unter dem Wasser zu leben und in der Luft zu leben. Und dann wäre die ganze Art, wie der Fisch sich innerlich fühlt, anders. Es wäre alles anders.

Wenden wir den Vergleich auf das Menschenleben in Bezug auf Freiheit und karmische Notwendigkeit an, dann ist das so, dass ja zunächst der Mensch in der gegenwärtigen Erdenzeit das gewöhnliche Bewusstsein hat. Mit diesem gewöhnlichen Bewusstsein lebt er im Bezirk der Freiheit, so wie der Fisch im Wasser lebt, und er kommt gar nicht mit diesem Bewusstsein in das Reich der karmischen Notwendigkeit herein. Erst wenn der Mensch anfängt, die geistige Welt wirklich wahrzunehmen – was so wäre, wie wenn der Fisch Lungen in Reserve hätte -, und erst dann, wenn der Mensch wirklich in die geistige Welt sich einlebt, dann bekommt er eine Anschauung von den Impulsen, die als karmische Notwendigkeit in ihm leben. Und dann schaut er in seine früheren Erdenleben zurück und empfindet nicht, sagt nicht, indem er aus dem früheren Erdenleben herüber die Ursachen für gegenwärtige Erlebnisse hat: Ich bin jetzt unter dem Zwang einer eisernen Notwendigkeit und meine Freiheit ist beeinträchtigt -, sondern er schaut zurück, wie er selber sich dasjenige, was jetzt vorliegt, zusammengezimmert hat, so wie einer, der sich ein Haus gebaut hat, auf den Entschluss zurückschaut, der zum Bau dieses Hauses geführt hat. Und dann findet man es gewöhnlich gescheiter, zu fragen: War dazumal das ein vernünftiger Entschluss, das Haus zu bauen, oder ein unvernünftiger? – Nun, da kann man natürlich allerlei Ansichten später darüber gewinnen, wenn sich die Dinge herausstellen, gewiss; aber man kann höchstens, wenn man findet, dass es eine riesenhafte Torheit war, sich das Haus zu bauen, man kann höchstens sagen, dass man töricht gewesen ist.“

Rudolf Steiner in der GA 235 („Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge – Erster Band“), S. 53 ff.

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Im Buch: Die Theosophie des Rosenkreuzers (GA 99) geht es weiter auf Seite 74:
„Das, wovon der Ätherleib Träger ist in diesem Leben, der bleibende Charakter, die Anlagen und so weiter, das tritt im nächsten Leben im physischen Leibe auf, und zwar so, daß zum Beispiel ein Mensch, der in seinem Leben schlechte Neigungen und Leidenschaften entwickelt hat, im nächsten Leben mit einem ungesunden physischen Körper geboren wird. Ein Mensch dagegen, der eine gute Gesundheit hat, der viel auszuhalten vermag, der hat im vorigen Leben gute Eigenschaften entwickelt. Einer, der fortwährend zu Krankheiten neigt, hat schlechte Triebe in sich hineingearbeitet. So haben wir es in der Hand, uns Gesundheit oder Krankheit, insofern sie in der Veranlagung des physischen Leibes liegen, selbst zu schaffen. Man braucht nur alle schlechten Neigungen auszumerzen und bereitet sich dann einen guten, kräftigen Körper für das nächste Leben vor.“

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„Denn im Traume erlebt der Mensch fast zu allen Menschen, mit denen er irgendwie in karmischer Beziehung steht, ein Band; er erlebt das Zusammensein mit all den Menschen, mit denen er in irgendeiner karmischen Beziehung steht. Von da an, wo Sie anfangen einzuschlafen, bis Sie wieder aufwachen, geht von Ihnen eine Kraft zu unzähligen Menschen, und von unzähligen Menschen gehen Kräfte zu Ihnen. Sie – ich kann nicht sagen – sprechen, weil man das Sprechen erst lernt im wachen Tagesleben, aber wenn Sie mich nicht mißverstehen und mit Bezug auf diejenigen Kommunikationen, die wir im Schlafe haben, das denken, was ich jetzt sage, dann werden Sie auch verstehen, wenn ich sage, im Schlafe sprechen Sie mit unzähligen Menschen, und unzählige Menschen sprechen mit Ihnen. Und was Sie in Ihrer Seele erleben während des Schlafes, sind die Mitteilungen unzähliger Menschen; und was Sie tun wahrend des Schlafes, das ist, daß Sie Ihre Gedanken an unzählige Menschen hinsenden. Dieses Verbinden der Menschen, dieses Verbundensein der Menschen untereinander ist während des Schlafes ein sehr, sehr inniges. Es wäre im höchsten Grade peinlich, wenn während des wachen Tageslebens sich das fortsetzte. Das ist ja das Wohltätige des «Hüters der Schwelle», daß er dem Menschen das verbirgt, was unter der Schwelle seines Bewußtseins ist. Im Schlafe wissen Sie es in der Regel, wenn Sie einer anlügt; Sie wissen in der Regel, wenn einer recht böse an Sie denkt. Überhaupt die Menschen kennen einander im Schlafe verhältnismäßig recht gut, aber in einem dumpfen Bewußtsein. Das alles wird durch das wache Bewußtsein überdeckt, und es muß überdeckt werden, aus dem einfachen Grunde, weil der Mensch nie zu demjenigen selbstbewußten Denken kommen würde, das er gerade durch die Erdenmission lernen soll, und auch zur Handhabung des freien Willens, den er wiederum durch die Erdenmission gewinnen soll, wenn er so fortgelebt hätte, wie er während der Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit, namentlich während der Mondenzeit gelebt hat. Da hat er auch in dem äußeren Leben so gelebt, wie er jetzt lebt vom Einschlafen bis zum Aufwachen.“
GA 273 SEITE 150/151

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Aber denken Sie nur einmal daran, meine lieben Freunde, um, ich möchte sagen, in einer ganz trivialen Art sich vorzustellen, was da als Möglichkeit vorliegt, denken Sie nur einmal an einen Kaffeeklatsch, an einen so richtigen Kaffeeklatsch, wo ein Halbdutzend – es genügt schon! – irgendwelcher Tanten oder Onkels – es können auch Onkels sein – beisammensitzen und über ihre Mitmenschen sich ergehen! Denken Sie, wie viel da an Antipathien in anderthalb Stunden – manchmal dauert es länger – abgeladen wird auf die Menschen! Indem das ausströmt, bemerken es die Leute nicht; aber wenn es im nächsten Erdenleben zurückkommt, da wird es sehr wohl bemerkt. Und es kommt unweigerlich zurück.
„Alles das, was der Mensch herüberbringt aus früheren Erdenleben, nach dem, wie er war, nach dem, was er getan hat, das findet die Sympathie oder Antipathie der Wesenheiten, die er kennenlernt, indem er durchgeht durch die Welt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.
Da ist für das Karma nicht nur von einer großen Bedeutung, welche Sympathien und Antipathien bei höheren Wesenheiten der Mensch findet durch das, was er getan hat im vorigen Erdenleben, sondern da ist vor allen Dingen von einer großen Bedeutung, dass der Mensch in Beziehung kommt zu denjenigen Menschenseelen, mit denen er auf Erden in Beziehung war, und dass eine eigentümliche Spiegelung stattfindet zwischen seinem Wesen und dem Wesen derjenigen Seelen, mit denen er auf Erden in Beziehung war. Nehmen wir an, irgendjemand hat zu einer Seele, die er nun wieder trifft zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, eine gute Beziehung gehabt. In ihm hat gelebt während früherer Erdenleben alles das, was eine gute Beziehung begleitet. Dann spiegelt sich diese gute Beziehung in der Seele, wenn diese Seele zwischen dem Tode und einer neuen Geburt getroffen wird. Und es ist wirklich so, dass der Mensch bei diesem Durchgange durch das Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt in den Seelen, mit denen er nun zusammenlebt, weil er mit ihnen auf Erden zusammengelebt hat, überall sich selbst gespiegelt sieht. Hat man einem Menschen etwas Gutes zugefügt, es spiegelt sich etwas von der Seele herüber; hat man ihm etwas Böses zugefügt, es spiegelt sich etwas von der Seele herüber. Und man hat das Gefühl – wenn ich mich da des Ausdruckes «Gefühl» mit der Einschränkung, die ich im Beginne meiner Auseinandersetzungen gemacht habe, bedienen darf -: du hast diese Menschenseele gefördert. Was du da erlebt hast durch die Förderung, was du da empfunden hast für diese Menschenseele, was aus Empfindungen heraus zu deinem Verhalten geführt hat, deine eigenen inneren Erlebnisse während der Tat dieser Förderung, sie kommen zurück von dieser Seele. Sie spiegeln sich von dieser Seele aus. Eine andere Seele – man hat sie geschädigt; dasjenige, was in einem gelebt hat während dieser Schädigung, es spiegelt sich.

Und man hat eigentlich wie in einem mächtigen, ausgebreiteten Spiegelungsapparat seine vorigen Erdenleben, namentlich das letzte, aus den Seelen, mit denen man zusammen war, gespiegelt vor sich. Und man bekommt gerade bezüglich seines Tatenlebens den Eindruck:
das alles geht von einem fort. Man verliert, oder hat eigentlich längst verloren, zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, das Ich-Gefühl, das man auf Erden im Leibe gehabt hat; man bekommt aber das Ich- Gefühl von dieser ganzen Spiegelung. Man lebt in all den Seelen mit
den Spiegelungen seiner Taten auf, mit denen man im Erdenleben zusammen war.

Auf Erden war das Ich als ein Punkt gewissermaßen. Hier zwischen dem Tode und einer neuen Geburt spiegelt es sich überall aus dem Umkreise. Es ist ein inniges Zusammensein mit den anderen Seelen, aber ein Zusammensein nach Maßgabe der Beziehungen, die man mit ihnen angeknüpft hat.

Und das ist alles in der geistigen Welt eine Realität. Wenn wir durch irgendeinen Raum gehen, der viele Spiegel hat, sehen wir uns in jedem Spiegel gespiegelt. Aber wir wissen auch: das ist – der gewöhnlichen Menschensprache nach – nicht da; wenn wir weggehen, bleibt es nicht, spiegeln wir uns nicht mehr. Aber das, was sich da in den Menschenseelen spiegelt, das bleibt, das bleibt vorhanden. Und es kommt eine Zeit im letzten Drittel zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, da bilden wir uns aus diesen Spiegelbildern unseren
astralischen Leib. Da ziehen wir das zusammen zu unserem astralischen Leib, so dass wir durchaus in unserem astralischen Leib, wenn wir von der geistigen Welt in die physische heruntersteigen, dasjenige tragen, was wir in uns wieder aufgenommen haben nach der Spiegelung, die unsere Taten im vorigen Erdenleben in anderen Seelen gefunden haben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Das aber gibt uns die Impulse, die uns drängen zu den Menschenseelen, oder abdrängen von den Menschenseelen, mit denen wir dann im physischen Leib zugleich wiederum geboren werden.

Und auf diese Art – ich werde demnächst noch ausführlicher den Vorgang zu beschreiben haben, indem ich später auch auf das Ich Rücksicht zu nehmen haben werde -, aber auf diese Art bildet sich zwischen dem Tod und einer neuen Geburt der Impuls zum Karma im neuen Erdenleben aus.

Und da lässt sich verfolgen, wie ein Impuls des einen Lebens in die anderen Leben hinüberwirkt. Nehmen wir zum Beispiel den Impuls der Liebe. Wir können unsere Taten den anderen Menschen gegenüber aus dem heraus verrichten, was wir Liebe nennen. Es ist ein Unterschied, ob wir unsere Taten aus bloßem Pflichtgefühl heraus verrichten, aus Konvention, aus Anstand und so weiter, oder ob wir sie aus einer größeren oder geringeren Liebe heraus verrichten.

Nehmen wir an, ein Mensch bringt es dazu, Handlungen zu verrichten in einem Erdenleben, die von der Liebe getragen sind, die durchwärmt sind von der Liebe. Ja, das bleibt als Kraft in seiner Seele vorhanden. Und was er nun mitnimmt als Ergebnis seiner Taten, und was sich da spiegelt in den Seelen, das kommt auf ihn zurück eben als Spiegelbild. Und indem der Mensch sich seinen astralischen Leib daraus bildet, mit dem er herunterkommt zur Erde, wandelt sich die Liebe des vorigen Erdenlebens, die von dem Menschen ausgeströmt ist, rückkommend von anderen Menschen, in Freude. So dass also, indem der Mensch seinen Mitmenschen gegenüber in einem Erdenleben irgend etwas tut, was von Liebe getragen ist, wobei also die Liebe von ihm ausströmt, mit den Taten mitgeht, die den anderen Menschen
fördern, dann die Metamorphose beim Durchgang durch das Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt so ist, dass sich, was ausströmende Liebe in einem Erdenleben ist, im nächsten Erdenleben metamorphosiert, verwandelt in an den Menschen heranströmende Freude.

Erleben Sie durch einen Menschen Freude, meine lieben Freunde, in einem Erdenleben, so können Sie sicher sein, dass diese Freude das Ergebnis der Liebe ist, die Sie ihm gegenüber in einem vorigen Erdenleben entfaltet haben. Diese Freude strömt nun wiederum in Ihre Seele zurück während des Erdenlebens. Sie kennen jenes innerlich Erwärmende der Freude. Sie wissen, was Freude im Leben für eine Bedeutung hat, Freude insbesondere, die von Menschen kommt. Sie wärmt das Leben, sie trägt das Leben, sie gibt dem Leben, können wir sagen, Schwingen. Sie ist karmisch das Ergebnis aufgewendeter Liebe.

Aber wir erleben ja wiederum an der Freude eine Beziehung zu dem anderen Menschen, der uns Freude macht. So dass wir in den früheren Erdenleben innerlich etwas gehabt haben, was ausströmen machte die Liebe; in den folgenden Erdenleben haben wir schon als Ergebnis innerlich erlebend die Wärme der Freude. Das ist wiederum etwas, was von uns ausströmt. Ein Mensch, der im Leben Freude erleben darf, ist auch wiederum etwas für die anderen Menschen, was erwärmende Bedeutung hat. Ein Mensch, der Gründe dafür hat, freudelos durchs Leben zu gehen, ist anders zu den anderen Menschen als ein Mensch, der in Freuden darf durch das Leben gehen.

Das aber, was da erlebt wird in der Freude zwischen der Geburt und dem Tode, das wiederum spiegelt sich in den verschiedensten Seelen, mit denen man auf Erden zusammen war, und die jetzt auch in dem Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt sind. Und dieses Spiegelbild, das in vielfacher Weise dann von den Seelen der uns bekannten Menschen kommt, das wirkt wiederum zurück. Wir tragen es wiederum in unserem astralischen Leib, wenn wir zum nächsten – also jetzt sind wir beim dritten Erdenleben -, zum nächsten Erdenleben heruntersteigen. Und wiederum ist es eingeschaltet, eingeprägt unserem astralischen Leibe. Und jetzt wird es in seinem Ergebnis zur Grundlage, zum Impuls des leichten Verstehens von Menschen und Welt. Es wird zur Grundlage derjenigen Seelenverfassung, die uns trägt dadurch, dass wir die Welt verstehen. Wenn wir Freude
haben können an dem interessanten Verhalten der Menschen, verstehen das interessante Verhalten der Menschen in einer Erdeninkarnation, so weist uns das zurück auf die Freude der vorhergehenden, auf die Liebe der weiter vorangehenden Erdeninkarnation. Menschen, die mit freiem, offenem Sinn so durch die Welt gehen können, dass der freie, offene Sinn die Welt in sie hereinströmen lässt, so dass sie für die Welt Verständnis haben, das sind Menschen, die diese Stellung zur Welt sich durch Liebe und Freude errungen haben.

Das ist etwas ganz anderes, was wir in den Taten aus der Liebe heraus tun, als dasjenige, was wir aus starrem, trockenem Pflichtgefühl heraus tun. Sie wissen ja, wie ich in meinen Schriften immer darauf gesehen habe, die Taten, die aus der Liebe kommen, als die eigentlich ethischen, als die eigentlich moralischen aufzufassen.

Ich habe oftmals auf den großen Gegensatz hinweisen müssen, der in dieser Beziehung zwischen Kant und Schiller besteht. Kant hat ja eigentlich im Leben und in der Erkenntnis alles verkantet. Es ist alles eckig und kantig in der Erkenntnis durch Kant geworden, und so auch das menschliche Handeln: «Pflicht, du erhabener, großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest . . .» und so weiter. Ich habe die Stelle in meiner «Philosophie der Freiheit» zum geheuchelten Ärger vieler Gegner – nicht zum wirklichen, zum geheuchelten Ärger vieler Gegner – zitiert und habe dasjenige dagegengestellt, was ich selber als meine Anschauung anerkennen muss: Liebe, du warm zur Seele sprechender Impuls – und so weiter.

Schiller, gegenüber dem starren, trockenen Pflichtbegriffe Kants, hat ja die Worte geprägt: «Gerne dien’ ich den Freunden, doch tu‘ ich es leider mit Neigung, und so wurmt es mich oft, dass ich nicht tugendhaft bin.» Denn nach Kantscher Ethik ist dasjenige, was man aus Neigung tut, nicht tugendhaft, sondern dasjenige, was man aus dem starren Pflichtbegriff heraus tut.

Nun, es gibt eben Menschen – die kommen nicht zum Lieben zunächst. Aber weil sie dem anderen Menschen nicht aus Liebe die Wahrheit sagen können – man sagt zu dem anderen Menschen, wenn man Liebe für ihn hat, die Wahrheit und nicht die Lüge -, aber weil sie nicht lieben können, sagen sie die Wahrheit aus Pflichtgefühl; weil sie nicht lieben können, vermeiden sie es aus Pflichtgefühl, den anderen gleich zu prügeln oder ihn mit Ohrfeigen zu traktieren, anzustoßen und dergleichen, wenn er irgend etwas tut, was ihnen nicht gefällt. Es ist eben ein Unterschied zwischen dem Handeln aus starrem Pflichtbegriff, das aber durchaus im sozialen Leben notwendig ist, für viele Dinge notwendig ist, und zwischen den Taten der Liebe.

Nun, die Taten, die in starrem Pflichtbegriff oder in Konvention, «weil sich’s so schickt», getan werden, die rufen im nächsten Erdenleben nicht Freude hervor, sondern, indem sie eben so wie ich es geschildert habe, durch jene Spiegelung durch die Seelen gehen, rufen sie im nächsten Erdenleben etwas hervor, was man nennen könnte: Man spürt, man ist den Menschen mehr oder weniger gleichgültig. Und das, was mancher durchs Leben trägt, dass er den Menschen gleichgültig ist und daran leidet – man leidet mit Recht daran, wenn man den anderen Menschen gleichgültig ist, denn die Menschen sind füreinander da, und der Mensch ist darauf angewiesen, dass er den anderen Menschen nicht gleichgültig ist -, das, was man da erleidet, das ist eben das Ergebnis des Mangels an Liebe in einem vorigen Erdenleben, wo man sich als anständiger Mensch deshalb betragen hat, weil die starre Pflicht über einem hing wie ein Damoklesschwert, ich will nicht sagen wie ein stählernes, denn das würde beunruhigend sein für die meisten Pflichtmenschen, sondern eben wie ein hölzernes.

Nun aber sind wir beim zweiten Erdenleben. Was als Freude von der Liebe kommt, das wird im dritten Erdenleben, wie wir gesehen haben, ein offenes, freies Herz, das uns die Welt nahebringt, das uns für alles Schöne, Wahre, Gute den freien, einsichtsvollen Sinn gibt. Das, was als Gleichgültigkeit von Seiten anderer Menschen zu uns strömt, und was wir dadurch erleben in einem Erdenleben, das macht uns für das dritte, also für das nächste Erdenleben, zu einem Menschen, der nichts Rechtes mit sich anzufangen weiß. Wenn er in die Schule kommt, weiß er nicht, was er mit dem anfangen soll, was die Lehrer mit ihm tun. Wenn er etwas älter wird, weiß er nicht, ob er Schlosser oder Hofrat werden soll. Er weiß nichts mit sich im Leben zu machen. Er geht eigentlich ohne Richtung, direktionslos im Leben dahin. In Bezug auf die Anschauung der äußeren Welt ist er nicht gerade stumpf. Er kann zum Beispiel Musik schon verstehen, aber er hat keine Freude dran. Es ist ihm schließlich gleichgültig, ob es mehr oder weniger gute oder mehr oder weniger schlechte Musik ist. Er empfindet schon die Schönheit irgendeines malerischen oder sonstigen Werkes, aber immer kratzt es ihn in der Seele: Wozu eigentlich das alles? und so weiter. Das sind Dinge, die wiederum im dritten Erdenleben im karmischen Zusammenhange sich einstellen.

Nehmen wir aber an, der Mensch begeht gewisse Schädigungen seiner Mitmenschen aus dem Hass oder aus einer Neigung zur Antipathie heraus. Man kann da an alle Stufen denken, welche dabei vorkommen können. Es kann einer, sagen wir, mit verbrecherischem Hassgefühl
seine Mitmenschen schädigen. Er kann aber auch, ich lasse die Zwischenstufen aus, er kann aber auch ein Kritiker sein. Man muss, um Kritiker zu sein, immer ein bisschen hassen, wenn man nicht ein lobender Kritiker ist, und die sind ja heute selten, denn das ist nicht interessant, die Dinge anzuerkennen. Interessant wird es ja nur, wenn man Witze macht über die Dinge. Nun gibt es ja alle möglichen Zwischenstufen. Aber es handelt sich hier um dasjenige an Menschentaten, das aus kalter Antipathie, aus einer gewissen Antipathie, über die man sich oftmals gar nicht klar wird, bis zum Hass hin hervorgeht. Alles das, was in dieser Weise von Menschen bewirkt wird gegenüber anderen Menschen oder selbst gegenüber untermenschlichen Wesenheiten, all das lädt sich wiederum in Seelenzuständen ab, die sich nun auch spiegeln in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Und da kommt dann im nächsten Erdenleben aus dem Hass dasjenige heraus, was uns zuströmt von der Welt als leidvolles Wesen, als Unlust, die von außen verursacht wird, als das Gegenteil der Freude.

Sie werden sagen: Ja, wir erleben doch so viel Leid, soll das wirklich alles von größerem oder geringerem Hass im vorigen Erdenleben herrühren? Ich kann doch von mir unmöglich denken, dass ich ein so schlechter Kerl gewesen bin – so wird der Mensch leicht sagen -, dass ich so viel Unlust erleben kann, weil ich so viel gehasst habe! – Ja, wenn man auf diesem Gebiete vorurteilslos denken will, dann muss man sich schon klarmachen, wie groß die Illusion ist, die einem wohltut und der man daher sehr leicht sich hingibt, wenn es sich darum handelt, irgendwelche Antipathiegefühle gegen andere Menschen sich abzusuggerieren. Die Menschen gehen mit viel mehr Hass, als sie denken, eigentlich durch die Welt, wenigstens mit viel mehr Antipathie. Und es ist nun schon einmal so: Hass, er wird zunächst, weil er der
Seele ja Befriedigung gibt, gewöhnlich gar nicht erlebt. Er wird zugedeckt durch die Befriedigung. Wenn er zurückkommt als Leid, das uns von außen zuströmt, dann wird eben das Leid bemerkt.

Aber denken Sie nur einmal daran, meine lieben Freunde, um, ich möchte sagen, in einer ganz trivialen Art sich vorzustellen, was da als Möglichkeit vorliegt, denken Sie nur einmal an einen Kaffeeklatsch, an einen so richtigen Kaffeeklatsch, wo ein Halbdutzend – es genügt schon! – irgendwelcher Tanten oder Onkels – es können auch Onkels sein – beisammensitzen und über ihre Mitmenschen sich ergehen! Denken Sie, wie viel da an Antipathien in anderthalb Stunden – manchmal dauert es länger – abgeladen wird auf die Menschen! Indem das ausströmt, bemerken es die Leute nicht; aber wenn es im nächsten Erdenleben zurückkommt, da wird es sehr wohl bemerkt. Und es kommt unweigerlich zurück.

So dass tatsächlich ein Teil – nicht alles, wir werden noch andere karmische Zusammenhänge kennenlernen -, so dass ein Teil dessen, was wir in einem Erdenleben an von außen zugefügtem Leid empfinden, tatsächlich von Antipathiegefühlen in früheren Erdenleben herrühren kann.

Bei alledem muss man sich natürlich stets klar sein, dass ja das Karma, dass irgendeine karmische Strömung irgendwo einmal anfangen muss. So dass, wenn Sie zum Beispiel hier hintereinander liegende Erdenleben haben

a b c (d) e f g h

und dieses d das gegenwärtige Erdenleben ist, so muss natürlich nicht aller Schmerz, der uns von außen zukommt, im früheren Erdenleben begründet sein. Es kann auch ein ursprünglicher Schmerz sein, der dann im nächsten Erdenleben sich erst karmisch auslebt. Aber deshalb
sage ich: Ein großer Teil jenes Leides, das uns von außen zuströmt, ist die Folge von Hass, der in früheren Erdenleben aufgebracht worden ist.

Wenn wir nun zum dritten Erdenleben wieder übergehen, dann ist das Ergebnis dessen, was da als Leid uns zuströmt – aber nur das Ergebnis desjenigen Leides, das uns aus sozusagen aufgespeichertem Hass zukommt -, dann ist das Ergebnis dieses Leides, das sich dann in der
Seele ablädt, zunächst eine Art Stumpfheit des Geistes, eine Art Stumpfheit der Einsicht gegenüber der Welt. Und wer gleichgültig und phlegmatisch der Welt gegenübersteht, nicht mit offenem Herzen den Dingen oder den Menschen gegenübersteht, bei dem liegt oftmals eben das vor, dass er sich diese Stumpfheit erworben hat durch das in seinem eigenen Karma verursachte Leid eines vorigen Erdenlebens, das aber zurückgehen muss, wenn es in dieser Weise in einer stumpfen Seelenverfassung sich ausdrückt, auf Hassgefühle mindestens im drittletzten Erdenleben. Man kann nämlich immer sicher sein: Töricht in irgendeinem
Erdenleben zu sein, ist immer die Folge von Hass in einem bestimmten früheren Erdenleben.

Aber sehen Sie, meine lieben Freunde, das Verständnis für das Karma soll nicht nur darauf beruhen, dass wir das Karma zum Begreifen des Lebens auffassen, sondern dass wir es auch als Impuls des Lebens auffassen können, dass wir uns eben bewusst sind, dass es mit dem Leben nicht bloß ein «a, b, c, d» gibt (siehe Schema), sondern auch ein «e, f, g, h», dass auch kommende Erdenleben da sind, und dass dasjenige, was wir in einem gegenwärtigen Erdenleben an Inhalt in unserer Seele entwickeln, Wirkungen, Ergebnisse im nächsten Erdenleben haben wird. Wenn einer in dem drittnächsten Erdenleben besonders töricht sein will, braucht er im gegenwärtigen Erdenleben ja nur sehr viel zu hassen. Wenn einer aber im drittnächsten Erdenleben einen freien, offenen Sinn haben will, braucht er ja nur in diesem Erdenleben besonders viel zu lieben. Und erst dadurch gewinnt die Einsicht, die Erkenntnis des Karmas ihren Wert, dass sie in unseren Willen für die Zukunft einströmt, in diesem Willen für die Zukunft eine Rolle spielt. Es ist durchaus so, dass gegenwärtig derjenige Zeitpunkt für die Menschheitsentwickelung vorhanden ist, wo nicht mehr in derselben Art, wie das früher der Fall war, während unsere Seelen durch frühere Erdenleben gegangen sind, das Unbewusste weiterwirken kann, sondern die Menschen werden immer freier und bewusster. Seit dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts haben wir das Zeitalter, in dem die Menschen immer freier und bewusster werden. Und so wird für diejenigen Menschen, welche Menschen der Gegenwart sind, ein nächstes Erdenleben schon ein dunkles Gefühl der vorigen Erdenleben haben. Und so wie der heutige Mensch, wenn er an sich bemerkt, dass er nicht besonders klug ist, das nicht sich selber, sondern eben seiner Anlage zuschreibt, gewöhnlich es in seiner physischen Natur sucht nach der Ansicht des heutigen Materialismus, so werden die Menschen, die diejenigen sein werden, welche wiederkommen aus den Gegenwartsmenschen, wenigstens schon ein dunkles Gefühl haben, das sie beunruhigen wird: Wenn sie nicht besonders klug sind, so muss da irgend etwas gewesen sein, das mit Hass und Antipathiegefühlen zusammenhing. […]

Denn Karma ist in einer gewissen Beziehung etwas, was einer ehernen Notwendigkeit unterliegt. Wir können aus einer ehernen Notwendigkeit heraus unbedingt aufstellen die Reihe:

Liebe – Freude – offenes Herz.
Antipathie oder Hass – Leid – Torheit.

Das sind unbedingte Zusammenhänge. Aber es ist auch so, dass geradeso wie man einer unbedingten Notwendigkeit gegenübersteht, wenn ein Fluss läuft und dennoch man schon Flüsse reguliert hat, ihnen einen anderen Lauf gegeben hat, es auch möglich ist, die karmische
Strömung, ich möchte sagen, zu regulieren, in sie hineinzuwirken. Das ist möglich.

Wenn Sie also bemerken, im kindlichen Alter ist Anlage zur Torheit, und Sie kommen darauf, das Kind anzuleiten, besonders in seinem Herzen Liebe zu entwickeln, und wenn Sie – und das würde für Menschen, die eine feine Lebensbeobachtung haben, schon heute möglich sein -, wenn Sie entdecken, mit welchen anderen Kindern das Kind karmisch verwandt ist, und das Kind dazu bringen, gerade diese Kinder zu lieben, ihnen gegenüber Taten der Liebe zu tun, dann werden Sie sehen, dass Sie der Antipathie ein Gegengewicht in der Liebe geben können, und in einer nächsten Inkarnation, in einem nächsten Erdenleben damit die Torheit verbessern können. Es gibt ja wirklich, ich möchte sagen, instinktgeschulte Erzieher, die oftmals so etwas aus ihrem Instinkte heraus tun, die schlecht veranlagte Kinder dazu bringen, lieben zu können, und sie dadurch zu auffassungsfähigeren Menschenwesen allmählich heranerziehen. Diese Dinge, sie machen eigentlich erst die Einsicht in die karmischen Zusammenhänge zu einem Lebensdienlichen.“

Rudolf Steiner in der GA 235 („Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge – Erster Band“), S. 66 ff.
Bildquelle: GA K 58/16

„Nehmen wir an, zwei Menschen sind Jugendfreunde oder Jugendfreundinnen bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahre, dann zerbricht die Jugendfreundschaft. Geht man nun mit Geisteserkenntnis zurück in ein früheres Erdenleben, so findet man, da war eine Freundschaft zwischen den beiden Leuten auch vorhanden, aber die hat etwa im zwanzigsten Jahre begonnen und ging ins spätere Leben hinauf. Das ist ein sehr interessanter Fall, den man oftmals findet, wenn man den Dingen geisteswissenschaftlich nachgeht.
Zunächst stellt sich dann, wenn man die Fälle genauer prüft, dieses ein, dass der Drang, den Menschen, mit dem man eine Freundschaft in älteren Jahren hatte, nun auch so kennenzulernen, wie er in der Jugend sein kann, einen im nächsten Leben dazu führt, ihn wirklich als Jugendfreund kennenzulernen. Man hat ihn als älteren Menschen in einem vorigen Erdenleben gekannt; das hat den Drang in die Seele gebracht, ihn nun auch in der Jugend kennenzulernen. Das kann man nicht mehr in diesem Leben, so macht man es im nächsten Leben.

Aber das hat einen großen Einfluss, wenn in einem von den beiden oder in den beiden dieser Drang entsteht, durch den Tod geht und dann zwischen dem Tod und einer neuen Geburt sich auslebt in der geistigen Welt. Denn dann ist in der geistigen Welt etwas da wie ein Hinstarren auf die Jugend. Man hat diese ganz besondere Sehnsucht, auf die Jugend hinzustarren, und man bildet nicht den Drang aus, den Menschen auch wiederum im Alter kennenzulernen. Und so zerbricht die Jugendfreundschaft, die vorbestimmt war aus dem Leben, das man durchlebt hat, bevor man auf die Erde herabgestiegen ist.

Nun, es ist das durchaus ein Fall, den ich Ihnen aus dem Leben erzähle. Das, was ich Ihnen erzähle, ist durchaus etwas, was real ist. Es entsteht nur jetzt die Frage: Ja, wie war denn eigentlich im vorigen Leben die ältere Freundschaft, so dass sie nun diesen Drang entstehen ließ, den Menschen in der Jugend wiederum zu haben in einem neuen Erdenleben?

Nun, damit sich dieser Trieb, den Menschen in der Jugend zu haben, nicht dennoch dazu auswächst, dann den Jugendfreund im Alter weiter zu haben, muss irgendetwas anderes im Leben eintreten. In all den Fällen, die mir bewusst sind, ist es dann immer so gewesen, dass, wären diese Menschen in einem späteren Leben vereinigt geblieben, wäre die Jugendfreundschaft nicht zerbrochen, so würden sie einander überdrüssig geworden sein, weil sie die Freundschaft in einem früheren Leben, die eine Altersfreundschaft war, zu egoistisch ausgebildet haben. Der Egoismus von Freundschaften in einem Erdenleben rächt sich karmisch in dem Verlust dieser Freundschaften in anderen Erdenleben. So sind die Dinge kompliziert. Aber man bekommt immer einen Leitfaden, wenn man eben sieht: Es ist in vielen Fällen dies vorhanden, dass zwei Menschen in einem Erdenleben, sagen wir, bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr ihr Leben für sich und dann weiter in Freundschaft gehen (siehe Zeichnung I). In einem nächsten Erdenleben entspricht gewöhnlich diesem Bilde dann das andere (II), es entspricht diesem anderen die Jugendfreundschaft, und dann geht das Leben auseinander. Das ist sehr häufig der Fall. Wie denn überhaupt das gefunden wird, dass sich die einzelnen Erdenleben, ich möchte sagen, ihrer Konfiguration nach angesehen, gegenseitig ergänzen.

Besonders das wird häufig gefunden: Trifft man einen Menschen, der auf das Schicksal einen starken Einfluss hat – die Dinge gelten natürlich nur in der Regel, sind nicht für alle Fälle gültig -, aber trifft man einen Menschen im mittleren Lebensalter in einer Inkarnation, so hat man ihn unter Umständen am Anfange und am Ende des Lebens in einer vorigen Inkarnation schicksalsmäßig neben sich gehabt. Dann ist das Bild so: Man durchlebt Anfang und Ende in der einen Inkarnation mit dem anderen Menschen zusammen, und in einer anderen Inkarnation durchlebt man Anfang und Ende nicht, aber man trifft ihn gerade in der Mitte des Lebens.

Oder aber es stellt sich so heraus, dass man als Kind an irgendeinen Menschen gebunden ist schicksalsmäßig. In einem vorigen Erdenleben war man gerade, bevor man zu Tode ging, mit demselben Menschen verbunden. Solche Spiegelungen finden in den schicksalsmäßigen Zusammenhängen außerordentlich häufig statt.“

Rudolf Steiner in der GA 235 („Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge – Erster Band“), S. 95 ff.

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„…Wir nennen dasjenige, was wir tun müssen, um uns draußen bewußt zu erhalten, ein gelassenes Leben haben, gelassen die Dinge der Welt hinnehmen. Wir können noch mehr tun, als gelassen die Dinge hinnehmen. Wir können es mit dem, was uns ja als Theorie so geläufig ist, wir können es mit der Karma-Idee völlig ernst nehmen. Was heißt das?

Zunächst ist im Leben der Mensch ganz und gar nicht geneigt, es mit der Karma-Idee völlig ernst zu nehmen. Wenn er nur eine kleine Fährlichkeit hat im Leben, die ihn verletzt, oder wenn irgend etwas sonst ihm begegnet, so kann er manchmal wütend werden, es ist ihm jedenfalls antipathisch. Demjenigen, was wir unser Schicksal nennen, stehen wir mit Sympathie oder Antipathie gegenüber. Im gewöhnlichen Leben kann es auch gar nicht anders sein, da ist es ganz notwendig, daß wir gewissen Ereignissen, die wir zum Schicksal rechnen, sympathisch, und daß wir andern derartigen Ereignissen antipathisch gegenüberstehen. Das Schicksal ist für uns etwas, was von außen an uns herankommt.

Wenn wir es ernst nehmen mit der Karma-Idee, dann müssen wir unser Ich in unserem Schicksale wirklich erkennen, wir müssen uns klar sein, daß wir in dem, was uns im Schicksal zustößt, selber tätig sind, daß wir selber die eigentlichen Akteure sind. Es wird uns gewiß schwierig, wenn uns jemand beleidigt, daran zu glauben, daß in dem Beleidiger wir selber darinnenstecken. Denn im physischen Leben kann es nötig sein, die Beleidigung zu ahnden. Aber wir müssen immer ein Kämmerchen in unserem Inneren haben, in dem wir uns doch gestehen: Selbst wenn dich jemand beleidigt, so bist du es selbst, der dich beleidigt, wenn dich jemand schlägt, bist du es selbst, der dich schlägt, wenn dich mißliche Schicksalsschläge treffen, so bist du es selbst, der diese Schicksalsschläge an dich heranbringt. – Wir vergessen, daß wir nicht bloß in unserer Haut sind, sondern in unserem Schicksal darinnen sind, wir vergessen, daß wir in allen den sogenannten Zufällen unseres Schicksals darinnen sind.

Es ist sehr schwierig, wirklich die Empfindung zu entwickeln, daß man sein Schicksal mit dem eigenen Ich heranträgt. Wahr ist es aber: wir tragen unser Schicksal mit unserem eigenen Ich heran, und die Impulse bekommen wir nach Maßgabe unserer früheren Inkarnationen in dem Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, so daß wir da unser Schicksal selber an uns herantragen. Und wir müssen danach streben, zusammenzuwachsen mit unserem Schicksal, müssen immer mehr und mehr, statt antipathisch einen schweren Schicksalsschlag abzuwehren, uns sagen: Dadurch, daß dieser Schicksals schlag dich trifft, das heißt, daß du dich triffst mit dem Schicksalsschlag, dadurch machst du dich in gewisser Beziehung stärker, kräftiger, kraftvoller. – Es ist schwieriger, so mit seinem Schicksal zusammenzuwachsen, als uns dagegen zu wehren, aber das, was wir verlieren, wenn unser Gedanke erstirbt, das können wir nur wiedergewinnen, wenn wir auf diese Weise das, was außer uns ist, in uns hineinziehen. In dem, was in unserer Haut ist, können wir nicht bleiben, wenn der Gedanke bei der Konzentration in uns erstirbt, aber hinaustragen wird er uns, wenn wir unser Karma, unser Schicksal im wahren Sinne erfaßt haben. Da wecken wir uns wieder auf. Der Gedanke erstirbt, aber das, was wir als Identifizierung erfaßt haben zwischen unserem Ich und unserem Schicksal, das tragen wir hinaus, das trägt uns draußen in der Welt herum.

Diese Gelassenheit gegenüber unserem Schicksal, das wahrhaftige Hinnehmen unseres Schicksals, das ist es, was uns mit Existenz beschenkt, wenn wir außerhalb unseres Leibes sind. Das braucht selbstverständlich unser Leben auf dem physischen Plane nicht zu ändern. Das können wir nicht immer. Aber die G e s i n n u n g, die wir in einem Kämmerchen unserer Seele entwickeln müssen, die muß da sein für die Augenblicke, wo wir wirklich außerhalb unseres Leibes die Möglichkeit finden wollen, bewußt zu leben.“ (GA 275 S.141-142)

RUDOLF STEINER •GA 275•
Kunst im Lichte der Mysterienweisheit Vorträge 28.12.1914 bis 4.1.1915

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„Das Leben hat ja viele Rätsel, und nicht alle Rätsel des Lebens können so betrachtet werden, dass sie ungelöst bleiben. Denn dadurch würde der Mensch allmählich aus seiner eigenen Wesenheit herausgerissen werden. Er würde ohne Bekanntschaft mit den Rätseln des Menschenwesens selbst wie ein unbewusstes Wesen sein Dasein verbringen. Aber es ist die Aufgabe des Menschen, immer bewusster und bewusster zu werden. Das kann er nur, wenn er alles dasjenige, was eigentlich an ihm, seiner Seele und seinem Geiste hängt, wirklich bis zu einem gewissen Grade durchschauen kann. Und da nun ein Bestandteil unseres ganzen Lebens und Daseins das Karma ist, so ist es selbstverständlich, dass karmische Betrachtungen unmittelbare Betrachtungen für die Grundlage unseres Menschenlebens sind.

Nun sind aber karmische Betrachtungen in unmittelbarer Anwendung auf das Leben gerade für das gegenwärtige Menschheitsbewusstsein eigentlich außerordentlich schwer anzustellen. Denn es erfordert jede auch nur einigermaßen taugliche Betrachtung des Karma in dem Leben, das uns umgibt, in dem Leben, in dem wir selber drinnenstehen, dass wir viel, viel objektiver dem Leben gegenüberstehen können, als das für ein Bewusstsein möglich ist, das aus den gegenwärtigen Bedingungen des Lebens, aus den gegenwärtigen Bedingungen der Erziehung herauswächst.

Es ist eben so vieles in den gegenwärtigen Lebensbedingungen, in die der Mensch hineinkommt, was die karmischen Zusammenhänge verdeckt, sie unsichtbar macht, so dass es außerordentlich schwierig ist, auch nur einigermaßen auf das hinzuschauen, was das Leben karmisch, schicksalsgemäß begreiflich macht.

Der Mensch der Gegenwart ist ja so wenig eigentlich dazu geeignet, sich von sich selber loszulösen und an anderes hinzugeben. Der Mensch der Gegenwart lebt außerordentlich stark in sich selbst. Und das Eigentümliche ist ja, dass der Mensch heute, gerade wenn er nach dem Geiste hinstrebt, wenn er Geistiges aufnimmt, sehr stark in die Gefahr hineinkommt, dadurch noch mehr in sich selber zu leben. Bedenken wir nur einmal, meine lieben Freunde, wie es gerade mit dem Sich-Vertiefen in das anthroposophische Leben oftmals steht. Da wird mancher sich sagen können, der im Verlaufe seines Lebens in die anthroposophische Bewegung hereingekommen ist: Als ich noch draußen stand, da hatte ich diese oder jene Beziehungen zum Leben, in denen ich aufging, die ich als etwas hinnahm, was mit mir innig zusammenhing. Ich schätzte dies oder jenes, ich glaubte, dass dies oder jenes für das Leben notwendig ist. Ich hatte auch Freunde, denen ich nahestehen konnte aus den Lebensgewohnheiten heraus, aus dem, was das alltägliche Leben gebracht hat. Nun bin ich in die Anthroposophie hineingekommen. Da hat vieles von dem eigentlich gänzlich aufgehört. Da bin ich herausgekommen aus den alten Zusammenhängen, da sind mir wenigstens diese alten Zusammenhänge nicht mehr so wertvoll geblieben, wie sie früher waren. Da wurde mir manches auch von dem, was ich früher gern getan habe, zuwider. Da betrachtete ich es nicht mehr als etwas, mit dem ich eigentlich zusammenhängen möchte.

Aber wenn dann der Mensch, nachdem er eine solche Betrachtung angestellt hat, weiter darüber nachdenkt, was denn nun für ihn an die Stelle davon getreten ist, dann findet er sehr leicht: Eigentlich hat sein Egoismus nicht abgenommen. Ich will jetzt das gar nicht in einem tadelnden, irgendwie auch nur mit einer Nuance von tadelndem Sinne aussprechen, sondern eben einfach als eine Tatsache hinstellen, die ja der Mensch sehr gut an sich selber beobachten kann: Eigentlich hat sein Egoismus zugenommen! Eigentlich gibt er jetzt viel mehr acht auf die Art und Weise, wie sein Inneres, sein Gemüt beschaffen ist. Eigentlich fragt er jetzt viel mehr, als er früher darnach gefragt hat: Was macht der andere Mensch auf mich für einen Eindruck?

Früher hat er das, was der andere Mensch neben ihm getan hat, mit einer gewissen Selbstverständlichkeit hingenommen. Jetzt tut er es nicht mehr. Jetzt fragt er nach dem Eindruck, den es auf ihn macht. Oder aber, er stand früher in irgendeinem Lebenszusammenhang drinnen, der ihm ganz plausibel war. Er hat seine Pflichten getan und so weiter. Jetzt werden ihm diese Pflichten zuwider, jetzt möchte er heraus aus diesen Pflichten, weil er meint, sie seien nicht geistig genug und so fort. So führt gerade das geistige Streben innerhalb der Anthroposophie sehr leicht in eine Art von Egoismus hinein, in ein sich viel, viel ernster nehmen, als man sich vorher genommen hat.

Die ganze Sache beruht aber darauf, dass eben in einem solchen Falle nicht die Erweiterung der Lebensinteressen nach außen eingetreten ist, sondern dass sich die Lebensinteressen in das Innere zurückgeschlagen haben. Ich habe es ja oftmals erwähnt, dass derjenige, der nun wirklich hineinwächst, ganz wahrhaftig hineinwächst in das anthroposophische Leben, nicht weniger Interesse an dem äußeren Leben nimmt, sondern gerade durch die Anthroposophie viel mehr Interesse an diesem äußeren Leben nimmt, dass alle anderen Wesen anfangen, ihm unendlich viel interessanter zu werden, viel mehr wert zu werden. Aber dazu ist notwendig, dass man sich nicht von dem äußeren Leben zurückzieht, sondern dass man in dem äußeren Leben drinnen die Geistigkeit sieht.

Gewiss, da treten dann Dinge auf, die man früher nicht bemerkt hat. Aber man muss dann auch den Mut haben, sie zu bemerken und nicht über sie hinwegzuschauen. Zur karmischen Lebensbetrachtung ist eben durchaus nötig, sich ein gewisses Maß von der Gabe anzueignen, aus sich herauszugehen, in den anderen hineinzugehen. Das ist natürlich ganz besonders schwierig, wenn der andere ein Werkzeug wird zu karmischen Ausgleichen im Leben, die einem unangenehm oder viel leicht sogar schmerzlich sind. Aber ohne dass man auch bei den Dingen, die einem unangenehm und schmerzlich sind, aus sich herausgehen kann, ist eigentlich eine karmische, eine wahrhaft geltende karmische Lebensbetrachtung nicht möglich. Denn bedenken Sie nur, welche Bedingungen da sind in der Welt, damit Karma entsteht.

Wir stehen in einem gewissen Menschenleben drinnen. In diesem Menschenleben tun wir, denken wir und fühlen wir das eine oder das andere. Wir treten in Beziehungen zu Menschen, und innerhalb dieser Beziehungen spielt sich das eine oder das andere ab. Wir denken, fühlen, wollen, tun solche Dinge, die einen karmischen Ausgleich fordern. Wir gehen Beziehungen zu Menschen ein, in deren Folgen Dinge geschehen, die wiederum einen karmischen Ausgleich fordern. Überblicken Sie nur einmal von diesem Gesichtspunkte aus ein menschliches Erdenleben, und sehen Sie dann darauf hin, dass am Ende dieses Erdenlebens der Mensch durch die Pforte des Todes eingeht in die geistige Welt.

Er lebt jetzt in der geistigen Welt drinnen. In der geistigen Welt ist es nicht so wie in der physischen Welt. In der physischen Welt, da stehen Sie außerhalb der anderen Menschen. Auch denen gegenüber stehen Sie außerhalb, denen Sie schon menschlich nahetraten. Es ist ja
immerhin zwischen zwei Menschen in der physischen Welt mindestens Luft und bei jedem seine Haut. Also Menschen in der physischen Welt, wenn sie sich noch so nahetreten, können in einem gewissen Sinn sich in sich selber zurückhalten.

Das ist aber nicht möglich, wenn man durch die Pforte des Todes gegangen ist und in der geistigen Welt lebt. Nehmen Sie einen eklatanten Fall. Sie haben irgendeinem Menschen etwas zugefügt, was einen karmischen Ausgleich fordert. Sie leben mit ihm weiter, nachdem Sie beide durch die Pforte des Todes gegangen sind. Sie leben ja dann nicht durch Ihren guten Willen oder durch Ihre innere Vollkommenheit in dem anderen Menschen – also nicht bloß in sich, sondern wirklich in dem anderen Menschen -, sondern Sie leben zwangsweise, wenn ich mich so ausdrücken darf, in dem anderen Menschen.

Nehmen Sie an, der Mensch A und der Mensch B gehen durch die Pforte des Todes. Sie sind nachher in der geistigen Welt. B und A stehen einander gegenüber in der geistigen Welt. Ja, dann lebt, während hier B in sich und A in sich gelebt hat, A ebensogut wie in sich in B und B ebensogut wie in sich in A. Die Menschen leben ja in der geistigen Welt ganz ineinander, und zwar getragen gerade durch diejenigen Kräfte, die sich in den Erdenleben aufgespeichert haben. Wir kommen nach dem Tode nicht zu beliebigen Menschen in Beziehung, sondern eben zu denjenigen Menschen, zu denen sich in Gutem und Bösem Beziehungen ergeben
haben. Aber diese Beziehungen machen es, dass wir nicht nur in uns, sondern auch in dem anderen leben.

Nun denken Sie sich, Sie haben irgendeinem Menschen etwas zugefügt, oder sagen wir, der B hat dem A etwas zugefügt, was einen karmischen Ausgleich fordert. Indem nun der B durch die Pforte des Todes schreitet, lebt er nach dem Tode, beim Durchgang durch die Welt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, in dem A. Er erlebt dasjenige, was er dem A zugefügt hat, in dem A darinnen. Und er verursacht in diesem Außer-sich-Leben, dass der karmische Ausgleich geschieht. Also dasjenige, was im karmischen Ausgleich in einem nächsten Erdenleben durch den Menschen A geschehen soll, das verursachen Sie selber durch Ihr Hinüberleben in den Menschen A. Nur dadurch, dass dann der Mensch A wiederum heruntersteigt in die physische Erdenwelt, macht er das, was Sie eigentlich in ihn gelegt haben, zu seiner eigenen Tat. Und er kommt Ihnen dann im nächsten Erdenleben mit dem entgegen, was Sie eigentlich durch ihn sich selber zufügen wollen.

Wenn ich also in einem nächsten Erdenleben von einem anderen Menschen etwas zugefügt erhalte als karmischen Ausgleich, so ist es so, dass, während ich in ihm in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt steckte, ich das Stück für Stück selber in ihn gelegt habe. Da war es gar nicht seine Tat, sondern zu seiner Tat wird es erst wiederum, indem er heruntersteigt ins irdische Leben. So dass also die Bedingungen des Karma im Weltenlaufe diejenigen sind, welche durch das Ineinanderleben der karmisch verbundenen Menschen in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt da sind.

Nun, wenn wir das gewöhnliche Erdenleben betrachten, dann sehen wir eigentlich in diesem gewöhnlichen Erdenleben nicht außerordentlich tief. Wir nehmen von dem anderen Menschen im Grunde genommen außerordentlich wenig bewusst wahr. Wir merken zum Beispiel einen gewissen Unterschied im Verhalten des anderen Menschen zu uns außerordentlich wenig. Uns tritt irgendein Mensch im Leben entgegen; sagen wir, er verhält sich in einer gewissen Weise. Nun werden wir es ja kaum bemerken, dass ein Mensch wirklich sich in einer gewissen Weise zu uns verhalten kann und dass ganz verschiedene Motive und Impulse zu diesem Verhalten in ihm stecken können. Es kann sich ein Mensch feindlich zu mir verhalten. Dieses feindliche Verhalten kann so liegen, dass ich einfach durch mein Dasein aufreizend auf ihn wirke, dass er auf etwas ganz anderes im Menschen gestimmt ist als auf das, was ich ihm entgegenbringe. Dadurch werde ich von ihm in einer gewissen Weise behandelt. Aber diese Behandlung, die kann so liegen, dass sie sich karmisch erst im nächsten Leben irgendwie ausgleicht. Die kann etwas ganz Ursprüngliches sein, etwas, was gar nicht durch vorige Erdenleben bedingt ist.

Dagegen kann mir eine ganz ähnliche, vielleicht die gleiche Behandlung werden von einem Menschen, in den ich Stück für Stück das, was aus dieser Behandlung folgt, in dem Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt hineingepflanzt habe.

Das Gefühl, das unterscheiden kann zwischen zwei solchen Behandlungsweisen, die äußerlich gleich sind, dieses Gefühl ist bei den Menschen der Gegenwart außerordentlich wenig entwickelt. Sonst würde viel mehr etwas auftauchen im Leben, was heute im Grunde genommen kaum auftaucht, was aber wiederum auftauchen muss, damit das Ethos des Lebens viel reiner werden kann, damit das moralische Empfinden viel kräftiger werden kann. Es muss einfach wiederum auftauchen im Leben etwas, was in früheren Zeitläuften, in gar nicht so weit zurückliegenden Zeitläuften in der menschlichen Empfindung lag, dass man nämlich dem einen Menschen gegenüber das Gefühl hat: der hasst dich und vollbringt aus Hass gegen dich diese oder jene Dinge; dass man bei dem anderen Menschen aber das Gefühl hat: der muss etwas gegen dich tun, weil er einfach nicht anders kann. Der erste, der könnte auch anders; der zweite kann einfach nicht anders, der ist innerlich prädestiniert, sich so zu verhalten.

Dieses Gefühl, das in feiner Weise in den Tatsachen des Lebens unterschieden werden kann, muss wiederum allgemeiner werden. Dieses Gefühl wird dem Leben viele Nuancen geben, die außerordentlich wichtig sind im Leben.

Und dazu kommt ein anderes. Sie werden ja leicht zugeben können, dass der Mensch mit anderen Menschen in Beziehungen kommt und dass an diesen Beziehungen mancherlei hängt, was ihn nicht in der gleichen Weise interessiert wie diese Beziehungen selber. Ich will einen
ganz eklatanten Fall konstruieren. Nehmen Sie an, Sie treten in eine Gesellschaft ein – ich meine jetzt nicht die Anthroposophische, die schließe ich aus davon, aus Gründen, die schon noch in dem Verlauf dieser Karmavorträge herauskommen werden -, aber in eine Gesellschaft treten Sie ein. Es kann der Grund, warum Sie in diese Gesellschaft eintreten, darinnen liegen, dass Sie eine karmische Verbindung mit einem oder zwei Menschen, vielleicht nur mit einem einzigen Menschen in dieser Gesellschaft haben. Aber Sie müssen, indem Sie in diese Gesellschaft eintreten, um dem Menschen, um den es sich handelt, so nahezukommen, als es Ihre karmischen Beziehungen notwendig machen, alles Übrige der Gesellschaft mitnehmen. Während karmisch wichtig nur die Beziehung zu diesem einen Menschen ist, nehmen Sie alles mit, was sonst in dieser Gesellschaft durch Menschen, die Sie da treffen und so weiter, an Sie herankommt.

Da handelt es sich darum, dass wir auch wissen müssen: Das Leben steht uns so gegenüber, dass es in der verschiedensten Weise nuancierte Beziehungen zu uns hat, von den gleichgültigsten Beziehungen zu den im tiefsten Sinne bedeutendsten Beziehungen, die unmittelbar nebeneinanderstehen.

Aber dazu kommt nun wiederum etwas anderes. Dazu kommt, dass das äußere Leben eben vielfach Maja, die große Illusion ist. So dass es sein kann – ich konstruiere wiederum einen Fall -, dass Sie in eine Gesellschaft eintreten, aber die Beziehung zu dem einen Menschen, die karmisch gut vorbedingt ist, die stellt sich sehr schwer heraus. Sie müssen erst mit den verschiedensten anderen Menschen Beziehungen anknüpfen, um an den einen heranzukommen. Sie gehen also durch die verschiedensten anderen Menschen, um an den einen heranzukommen. Sie gehen dadurch Beziehungen ein mit den anderen Menschen, die,
ich möchte sagen, vor der robusten Lebensbetrachtung sich außerordentlich wirksam erweisen, ja, die sich stark geltend machen, die stark da sind, während vielleicht diejenige Beziehung, an die Sie dann zuletzt herankommen, die karmisch bedeutsam sein kann, sanft, leise, unvermerkt oder fast unvermerkt sich abspielt.

So dass es wirklich so sein kann, dass das karmisch Bedeutende in irgendeinem Lebenszusammenhang wie ein kleiner Hügel neben Riesenbergen erscheint, die aber eine geringe Bedeutung haben. Allerdings erscheint dann erst vor einer durchgeistigten Betrachtung der kleine Hügel in seiner wahren Bedeutung. Es ist ja wirklich so, dass die Ereignisse, die in unser Leben eintreten, uns viel, viel Täuschungen verursachen. Wir wissen sie in der Regel, wenn wir nur das eine Erdenleben in Betracht ziehen, nicht zu werten. Schaut man andere Erdenleben auf dem Hintergrunde, dann kann man das eine Erdenleben erst in seinen Ereignissen richtig werten.“

Rudolf Steiner in der GA 236 („Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge – Zweiter Band“), S. 99 ff.

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Zusammengetragene „Schnippsel“ zur Erkenntnistheorie von R. Steiner
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