„Man muß nur in der Lage sein, endlich loszukommen von jener Dummheit, die man heute Geschichte nennt… die Aktivitäten der Logen. Rudolf Steiner

Hochaktuelle Thematik über geschichtliche Zusammenhänge und das Wirken von Logen im Hintergrund (1.Weltkrieg) im 10.Vortrag und zeitaktuelle Hintergrundinfo in „Tagesenerie“ – s. Eintrag ganz unten: Kurzzusammenfassung:

„Aber darauf kommt es an, daß man in diesen Dingen heute klar sieht. In ihrem Sinne haben die Angehörigen der anglo-amerikanischen Welt klar gesehen, und wir haben dumpf gesehen. – Und auch die Inspirationen verwandeln sich, und zwar zu wilden animalischen Emotionen, die sich in Blut ausleben wollen. Sehen Sie hin auf das Blut, das heute fließt, sehen Sie hin, wenn die Menschen an die Wand gestellt und erschossen werden: das sind die Inspirationen, die an die Menschen kommen wollen mit dem guten Willen der geistigen Welt, die von den Menschen gehaßt wird, und die sich daher in wilde animalische Triebe verwandeln. Denn wenn der Mensch dasjenige, was aus der geistigen Welt als Inspiration an ihn herankommen will, nicht aufkommen lassen will, dann verwandelt es sich in wilde Emotionen, in animalische Triebe…
Dieser anglo-amerikanische Westen hat in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts… vor der Öffentlichkeit dasjenige gesprochen, was er gerade der intellektuellen, der Seelenverfassung dieser Öffentlichkeit als angemessen hielt. Aber er sprach aus den Logen seiner Initiation heraus so, daß er sagte: Der Weltkrieg wird kommen – das war ein geisteswissenschaftliches Dogma bei der englisch sprechenden Bevölkerung -, und er kann nur das Ziel haben, daß im Osten Europas sozialistische Experimente gemacht werden, die wir für den Westen nicht wollen und auch nicht wollen können. – Ich erzähle Ihnen kein Märchen…
Und so brach über einen herein das, was die anderen wußten, die daher niemals den Kürzeren ziehen konnten, eben aus dem Grunde, weil sie wußten. Und in diesen geheimnisvollen Logen selber, was waren da für Leute? Da waren Leute, die ihre Verzweigungen hatten hinein in alle diejenigen Gegenden, auf deren Bearbeitung es ankam…
Da ist alles darauf angelegt gewesen, daß durch den Weltkrieg die sozialistischen Experimente des Ostens kommen und Mitteleuropa überschwemmen. In den Eingeweihtenlogen sagten diese Leute: Wir im Westen bereiten alles vor, damit wir in Zukunft mit all den Mitteln, die man aus der geistigen Welt gewinnen kann – aber in unrechtmäßiger Weise gewinnen kann -, zur Erhöhung der nationalen Ehre solche Menschen bekommen, die ihre Herrscher werden können, einzelne Menschen auf plutokratischer Grundlage.
Das wurde vom Westen vorbereitet. Darin steckten die ahrimanischen Geister, und in dieser Welt sind diejenigen Persönlichkeiten zu suchen, die warten können, die nicht durch Jahre, sondern durch Jahrzehnte ihre Handlungen vorbereiten, wenn diese die Handlungen der großen Politik sind. In diesen englisch sprechenden Gegenden herrscht nicht eine militaristische Disziplin, wie sie in Mitteleuropa bekannt ist, sondern dort herrscht eine spirituelle Disziplin, aber im höchsten Maße…“

RUDOLF STEINER
Geisteswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen
GA 192
Siebzehn Vorträge, gehalten in Stuttgart zwischen dem 21. April und 28. September 1919

10. VORTRAG
Stuttgart, 15, Juni 1919

Inhaltsübersicht:
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Denn in der Zeit, als dieses Ungewitter ausgebrochen ist, (gemeint ist der erste Weltkrieg, admin) waren alle Teufel los und suchten sich die Tore zu den verwirrten Menschen. Und nachweisen wird man können, daß von den vierzig bis fünfzig Personen, die in die Ereignisse verstrickt waren, welche im Juli 1914 zum Kriege führten, eine große Anzahl nicht den vollen Gebrauch ihres Bewußtseins hatten, als sie jene schicksalsschweren Entschlüsse faßten im Laufe des Tages…
Dieses Deutschland muß wieder Fragen bekommen, es muß wieder den Zusammenhang mit des Lebens höheren Gütern bekommen. Denn das steht und schwebt als eine Frage über uns: Können wir noch Fragen haben von tieferer Bedeutung? Können wir uns noch kümmern um des Lebens höhere Güter? Die Frage steht auf Sein oder Nichtsein…
Aber heute ist es so, daß der Mensch nicht nur dasjenige berücksichtigen muß, was ihn selbst mit der geistigen Welt verknüpft, die ihm so nahe ist, sondern daß er auch wissen muß, daß große Weltengesetze es sind, die im Weltenwerden, in das die Menschheit mit ihrem Schicksal verstrickt ist, drinnen walten und die auch durch eine geistige Wissenschaft erfahren werden können. Man muß nur in der Lage sein, endlich loszukommen von jener Dummheit, die man heute Geschichte nennt…
Wir brauchen wahre geistige Substanz, nicht solche, die sich bloß phrasenhaft radikal gebärdet. Wir brauchen wahrhaftig Jugend, die sich begeistern kann für alles, wofür sich die Jugend begeistern könnte, aber nicht eine Jugend, die senile Phrasen schwätzt und über alles Programme hat und diese Phrasen und Programme verwechselt mit dem geistigen Inhalt…
War die Goethesche Metamorphosenlehre eine Morgenleuchte, oder wollen wir sie zu einem Darwinischen Gesetz machen, das die Sonne der Goetheschen Kultur untergehen läßt? Diese Dinge müssen heute durchdacht, müssen durchfühlt werden. Ohne dies kann es nicht weitergehen…
Denn wenn der Mensch dasjenige, was aus der geistigen Welt als Inspiration an ihn herankommen will, nicht aufkommen lassen will, dann verwandelt es sich in wilde Emotionen, in animalische Triebe…
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10. VORTRAG
Stuttgart, 15, Juni 1919

Denn in der Zeit, als dieses Ungewitter ausgebrochen ist, waren alle Teufel los (gemeint ist der erste Weltkrieg, admin) und suchten sich die Tore zu den verwirrten Menschen.
Und nachweisen wird man können, daß von den vierzig bis fünfzig Personen, die in die Ereignisse verstrickt waren, welche im Juli 1914 zum Kriege führten, eine große Anzahl nicht den vollen Gebrauch ihres Bewußtseins hatten, als sie jene schicksalsschweren Entschlüsse faßten im Laufe des Tages.
Das aber ist die Zeit, wo das Bewußtsein schweigt während des Tages, und wo die Menschen doch nicht schlafen, wo dann die den Menschen feindlichen Dämonen hereinspielen in das menschliche Bewußtsein.
Wir haben es also zu tun mit dem Hereinspielen geistiger Ursachen in die Weltkriegskatastrophe, und wer die Weltgesetze durchschaut, der kann erkennen, wie durch einen solchen Umstand, daß wichtigste Entschlüsse nur aus den Ereignissen des Tages gefaßt sind, das Unheil kommt. So wird man immer weniger und weniger die Möglichkeit finden, aus der Not und dem Elend herauszukommen, wenn die Menschen nicht dahinstreben, ihre Beziehungen zur geistigen Welt real zu machen, das heißt ernst zu nehmen ihre Beziehungen zur geistigen Welt in den Tatsachen, die sich abspielen im Innern.

Was hilft es, wenn Sie ein noch so guter Mystiker sind, wenn Sie den halben Tag oder manchmal auch den ganzen sich hinsetzen und innerlich sich vertiefen und alles mögliche probieren, um ein inneres Behagen und Wohlgefallen in sich hervorzurufen -was hilft es, wenn in Ihnen der Geist nicht lebendig wird, wodurch Sie lebendige Beziehungen erzeugen zwischen sich und der realen geistigen Welt und ihren Gesetzen, deren Ausdruck dann die Schicksale sind, in welche wir Menschen hineingespannt sind?
Alles, was in diesen Worten sich ausspricht, war mit einer der Gründe, warum die Lektüre der vorhin vorgelesenen Worte Ennemosers besondere Gedanken in mir angeregt hatte. Denn, es war so in der Mitte das deutsche Geistesleben zwischen Osten und Westen.
Ennemoser gebraucht selbst diese Worte, er sagt: «Es weht der Wind von Osten und Westen », er weist also zunächst hin auf ein besonderes Verhältnis zum Orient und Okzident, auf das ich neulich im öffentlichen Vortrage hingewiesen habe. Er weist darauf hin als ein Mensch der alten deutschen Zeit und zeigt, daß in den alten Zeiten der deutsche Geist mit dem Weltengeist noch zusammenhing, und daß der deutsche Geist eigentlich berufen war, die großen Weltenzusammenhänge ein wenig zu durchschauen. O ja, es geht einem schon tief zu Herzen, wenn man in unserer jetzigen Zeit einen solchen Satz liest, der vor mehr als einem halben Jahrhundert hingeschrieben worden ist:
«Deutschland wird seinen Beruf erfüllen oder auf das allerschmählichste untergehen und mit ihm die europäische Kultur.» Man fühlt dann, dass andere auch schon in verflossenen Zeiten das gedacht haben, was hier und an anderen Orten zu Ihnen und anderen Leuten schon gesprochen worden ist. Denn im Grunde genommen war vieles eine Umschreibung der Worte: Deutschland wird entweder seinen Beruf erfüllen oder untergehen und mit ihm die europäische Kultur. –
Dieses Deutschland muß wieder Fragen bekommen, es muß wieder den Zusammenhang mit des Lebens höheren Gütern bekommen. Denn das steht und schwebt als eine Frage über uns: Können wir noch Fragen haben von tieferer Bedeutung? Können wir uns noch kümmern um des Lebens höhere Güter? Die Frage steht auf Sein oder Nichtsein.

Kümmern wir uns um höhere Güter, können wir noch Fragen stellen an die geistige Welt, dann werden wir den Weg finden von Mitteleuropa aus, um die Weltkultur nicht untergehen zu lassen. Setzen wir dagegen den Weg fort durch eine senile Jugend und eine philiströse Phrase, die sich revolutionär maskiert, dann gehen wir in die Barbarei hinein. Versteht sich der Mensch in Deutschland zu durchgeistigen, dann ist er der Segen der Welt; versteht er es nicht, dann ist er der Fluch der Welt. Heute stehen die Dinge so, daß zwischen rechts und links, wie auf der scharfen Schneide eines Rasiermessers, der Weg geht, der zum Heile der Menschen in die Zukunft führen wird, und daß der Mensch, der die Dinge in ihrer Wirklichkeit erkennen will, nicht die Bequemlichkeit Heben, nicht bequeme Wege wählen darf.

Erinnern Sie sich, daß ich unseren Freunden seit langer Zeit dargestellt habe, daß allerdings gerechnet wurde, deutlich gerechnet wurde mit großzügigen historischen Impulsen, aber in einem Sinne, der eben gerade an jenen Orten nur von Heil war, wo er die volksegoistischen Impulse so auslebte, daß ihre Träger sie ansahen als allgemein menschliche. Die angloamerikanische Welt hat ihre Eingeweihten, hat ihre Initiierten, sie hat diejenigen Menschen, die zu schätzen wissen die geistigen Kräfte. Hier konnte man predigen und predigen von den geistigen Kräften, und die Dreimal-Abergläubischen hielten einen selbst für einen Abergläubischen. Daher auch sind die Dreimal-Abergläubischen das Opfer geworden des anglo-amerika-nischen Westens, der die Dinge durchschaute. Dieser anglo-amerikanische Westen hat in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, vielleicht auch früher-ich weiß es nur bis zu diesen Zeiten-, vor der Öffentlichkeit dasjenige gesprochen, was er gerade der intellektuellen, der Seelenverfassung dieser Öffentlichkeit als angemessen hielt. Aber er sprach aus den Logen seiner Initiation heraus so, daß er sagte:
Der Weltkrieg wird kommen – das war ein geisteswissenschaftliches Dogma bei der englisch sprechenden Bevölkerung -, und er kann nur das Ziel haben, daß im Osten Europas sozialistische Experimente gemacht werden, die wir für den Westen nicht wollen und auch nicht wollen können. – Ich erzähle Ihnen kein Märchen, sondern ich erzähle Ihnen das, was in der englisch sprechenden Bevölkerung in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts von Leuten ausgesprochen wurde, die im Zusammenhange standen mit denjenigen, die von diesen Dingen wußten. Aber diese Dinge nahm man eben hier nicht als das, was sie sind, nämlich als Erkundungen einer wirklichen Realität.

Und so brach über einen herein das, was die anderen wußten, die daher niemals den Kürzeren ziehen konnten, eben aus dem Grunde, weil sie wußten. Und in diesen geheimnisvollen Logen selber, was waren da für Leute? Da waren Leute, die ihre Verzweigungen hatten hinein in alle diejenigen Gegenden, auf deren Bearbeitung es ankam. Man studiere nur einmal, was an den verschiedenen Punkten, zum Beispiel der Balkanhalbinsel, vorgegangen ist durch Jahrzehnte, und man versuche den Zusammenhang zu erkennen. Ich habe in den Vorträgen, die ich während des Krieges an verschiedenen Orten gehalten habe, auf manche Symptome in dieser Beziehung hingewiesen. Da ist alles darauf angelegt gewesen, daß durch den Weltkrieg die sozialistischen Experimente des Ostens kommen und Mitteleuropa überschwemmen. In den Eingeweihtenlogen sagten diese Leute: Wir im Westen bereiten alles vor, damit wir in Zukunft mit all den Mitteln, die man aus der geistigen Welt gewinnen kann – aber in unrechtmäßiger Weise gewinnen kann -, zur Erhöhung der nationalen Ehre solche Menschen bekommen, die ihre Herrscher werden können, einzelne Menschen auf plutokratischer Grundlage.

Das wurde vom Westen vorbereitet. Darin steckten die ahrimani-schen Geister, und in dieser Welt sind diejenigen Persönlichkeiten zu suchen, die warten können, die nicht durch Jahre, sondern durch Jahrzehnte ihre Handlungen vorbereiten, wenn diese die Handlungen der großen Politik sind. In diesen englisch sprechenden Gegenden herrscht nicht eine militaristische Disziplin, wie sie in Mitteleuropa bekannt ist, sondern dort herrscht eine spirituelle Disziplin, aber im höchsten Maße. Die ist so stark, daß sie Männer wie Asquith und Grey, die im Grunde genommen unschuldige Hasen sind, zu ihren Puppen, zu ihren Marionetten machen kann. Grey ist wahrhaftig kein schuldiger Mensch, sondern stimmen wird das, was ein Ministerkollege vor langer Zeit von ihm gesagt hat: Er ist ein Mensch, der immer einen konzentrierten Eindruck macht, weil er niemals einen eigenen Gedanken gemacht hat. – Aber solche Menschen sucht man sich aus, wenn man die rechten Marionetten für das Weltentheater haben will. Die Dinge waren gut eingeleitet und gut vorbereitet.

Aber heute ist es so, daß der Mensch nicht nur dasjenige berücksichtigen muß, was ihn selbst mit der geistigen Welt verknüpft, die ihm so nahe ist, sondern daß er auch wissen muß, daß große Weltengesetze es sind, die im Weltenwerden, in das die Menschheit mit ihrem Schicksal verstrickt ist, drinnen walten und die auch durch eine geistige Wissenschaft erfahren werden können. Man muß nur in der Lage sein, endlich loszukommen von jener Dummheit, die man heute Geschichte nennt; denn diese Geschichte von heute ist eine Dummheit.
Sie glaubt daran, daß das Folgende immer durch das Vorhergehende bestimmt ist. Eine solche Anschauung ist aber gerade so, wie wenn Sie ein Meer vor sich hätten und von ihm sagen würden: Da werden Wellen herangespült; jede folgende wird von der vorhergehenden verursacht; die fünfte kommt von der vierten, die vierte von der dritten, die dritte von der zweiten, die zweite von der ersten.

In Wahrheit aber liegen die Dinge so, daß unter der Oberfläche des Wassers Kräfte wirken, die das Heraufschlagen der einzelnen Wellen verursachen. Nach der eben gekennzeichneten Weise, wie jemand heute das Meer betrachtet, so betrachten die Menschen auch heute die Geschichte, und sie sind noch stolz darauf, in dieser Weise pragmatische oder kausale Geschichte zu treiben und diese Gespenster vor die Menschen hinzustellen, die sich wieder abergläubisch dazu verhalten und diese Dummheit der kausalen Geschichte als Wirklichkeit nehmen. Wer aber weiß, wie sich die Dinge in Wahrheit verhalten, wie von unten Kräfte wirken, wie jedes einzelne Ereignis an die Oberfläche getrieben wird, der muß sich sagen: Ehe man nicht diese Dummheit, die man heute Geschichte nennt, aus den Gemütern und Anschauungen der Menschen herausbekommt, eher kann kein Heil in das Menschenwerden und in die Menschheitsentwickelung hineinkommen. Das sind ernste Gedanken, die heute denjenigen Menschen erfüllen sollten, der es wirklich einmal ernst zu nehmen vermag mit demjenigen, was heute durch solche Feuerzeichen hereinspielt in unsere Zeit.

Oh, es konnte einem schmerzlich durch die Seele ziehen, wenn man versuchte, in konkreten Fragen die Menschheit zur Besinnung zu bringen. So mußte ich in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts denken: Ach, wir haben eine Physik, die ihre verheerenden Wirkungen auf die ganze Weltanschauung mit ihrer widersinnigen Atomtheorie ausübt, und die da glaubt an das Gespenst der äußeren Welt, von dem ich vorhin gesprochen habe. Wie kann man, so dachte ich, dieser Welt wieder etwas davon beibringen, daß das ein Gespenst ist? Und ich sagte mir: Wenn man die Welt darauf aufmerksam macht, daß dasjenige, was uns als Farbe und Licht ins Auge dringt, nicht nur Quantität ist, wie die Physik heute mit ihrer atomistischen Dummheit meint, sondern auch Qualität im Goetheschen Sinne, dann könnte man die Menschen von einem Zipfel aus zum Selbstbewußtsein in
dieser Beziehung bringen. – Und ich wollte den Leuten begreiflich machen:
die Goethesche Farbenlehre ist kein Dilettantismus, sondern sie ist die Wirklichkeit gegenüber der heutigen atomistischen physikalischen Dummheit. Doch es war die Zeit dafür noch nicht gekommen. Deutschlands Geist beugte sich noch unter die englisch New-tonsche Farbenlehre, die dem anglo-amerikanischen Geist ebenso angepaßt ist wie die Goethesche Farbenlehre dem deutschen Geist. Hätten wir die Möglichkeit gefunden, das aufzunehmen, was wir brauchen, wer weiß, was gekommen wäre! Aber wir hätten es nicht auf dem Wege der Bequemlichkeit versuchen müssen, sondern auf dem, daß wir mit dem Geist Ernst machen. Und dann: Goethes Metamorphosenlehre war schon jene Lehre von dem Zusammenhang des Menschen mit der übrigen Lebewelt. Ausgebaut hätte diese Metamorphosenlehre werden müssen. Aber was geschah? Man redete zwar darüber, aber die, welche darüber sprachen, hatten von den wirklichen Verhältnissen keine Ahnung: es waren Phrasen, was gesprochen wurde. Man unterschied die Phrasen nicht von dem, was Substanz hatte. Und so nahm man den anglo-amerikanischen Darwinismus an an Stelle der Goetheschen Metamorphosenlehre.

Das sind die einzelnen Tatsachen auf konkretem Gebiete, an denen man durchschauen kann, was wir gesündigt haben an den einzelnen Tatsachen, und was zum Beispiel an solchen einzelnen Tatsachen geschehen müßte. Heute ist die Zeit ernst, und notwendig ist es, daß wir uns zurückbesinnen zu den großen Impulsen des mitteleuropäischen Geistes, welcher der Zeit von der Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts die Signatur gegeben hat. Können wir die Kräfte wieder aufrufen, die in dieser Zeit gewaltet haben, dann könnte Hoffnung vorhanden sein, daß uns wieder Fragen aufgehen und daß wir wieder Ziele finden und den Zugang zu den geistigen Kräften der Welt. Denn wie für unsere Zeit ist es gesprochen, was vor mehr als einem halben Jahrhundert Ennemoser hingeschrieben hat:
«Die Entscheidung naht, die Zeit drängt, es weht der Wind von Osten und Westen, es kann ein Sturm losbrechen!» Heute kann man es spüren. «Der Stamm der alten Politik steht auf faulen Wurzeln, der Kalkül der Diplomaten möchte wohl zuschanden werden, ihre Kunst ist zur verzerrten, von niemand verstandenen Künstelei geworden. Kann man von den Disteln Feigen, von den Dornen Trauben lösen?» Und ich frage: Kann man mit Philistern, die sich radikal gebärden, Revolutionen machen? Kann man mit seniler Jugend den Geist emanzipieren und auf sich selbst stellen?
Wir brauchen wahre geistige Substanz, nicht solche, die sich bloß phrasenhaft radikal gebärdet. Wir brauchen wahrhaftig Jugend, die sich begeistern kann für alles, wofür sich die Jugend begeistern könnte, aber nicht eine Jugend, die senile Phrasen schwätzt und über alles Programme hat und diese Phrasen und Programme verwechselt mit dem geistigen Inhalt.

Man möchte, daß sich in die Herzen ein Strahl der Geisteskraft hineinsenkt, damit er die Menschen bereit mache zu unterscheiden zwischen gedankenloser Phrase und substantiellem Inhalt. Aber wenn substantieller Inhalt an die Leute kommt, dann sagen sie, das verstehen sie nicht, das ist ihnen nicht ganz deutlich. Und wenn in irgend etwas die Gesinnung lebt:

du mußt deine Sätze so formen, wie es der Wahrheit angemessen ist – und es ist nicht immer bequem, daß sie sich fügt in jede billige Phrase -, dann sagen die Leute: man schreibt gewundene Sätze. Wie oft habe ich gesagt: Wer es mit der Wahrheit ernst nimmt, muß manche Sätze so hinschreiben, daß er sich bei der Fassung des einen mit dem nächsten Satz beschäftigt, und daß er das, was in dem einen Satz gesagt ist, mit dem nächsten in sein richtiges Licht stellt.
Wenn man dies ernst nimmt, dann kommt man schon zu jener Gesinnung, welche die Anthroposophie in ihrem tiefsten Innern zu verstehen vermag, und man kommt vor allen Dingen zur Unterscheidung, zu wirklichen Unterscheidungen. Können denn die Menschen heute noch in der Wirklichkeit die Dinge, die zum Beispiel vom Aufgang und vom Untergang sind, unterscheiden? Sie können es nicht. Und da, an diesem Unterscheidungsvermögen, müssen die großen Fragen aufgehen, die wir zu stellen haben. Wir müssen uns fragen, was Goethe für die Naturforschung gewollt hat. War Goethes Farbenlehre eine Morgenleuchte, um das Wesen der Farbe tiefer zu erkennen, als die Physik es kann, oder wollen wir sie zu einem Abendrot machen, das bezeugt, daß die Sonne der Goetheschen Kultur uns schon untergegangen ist? War die Goethesche Metamorphosenlehre eine Morgenleuchte, oder wollen wir sie zu einem Darwinischen Gesetz machen, das die Sonne der Goetheschen Kultur untergehen läßt? Diese Dinge müssen heute durchdacht, müssen durchfühlt werden. Ohne dies kann es nicht weitergehen.

Nehmen Sie die Erfahrungen der letzten Wochen: Sie können zu gleicher Zeit hoffnungsvoll, Sie können zu gleicher Zeit hoffnungslos werden. Wir haben hier begonnen, im Sinne des Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus zu arbeiten. Wir haben so begonnen, daß wir uns nicht gekümmert haben um eine gewisse Schichte der Menschheit, Wir haben gesprochen zu derjenigen Menschheit, welche die breite Masse ausmacht, und wir hatten gefunden, niemand kann es leugnen, die Seelen der breiten Massen zu verstehen.

Ich habe während des Krieges einmal mahnend das Wort ausgesprochen: Wir waren während des Krieges dazu verurteilt, daß wir gesunde Wurzeln des Volkes haben, und daß sich aus diesen Wurzeln des Volkes einzelne Individualitäten herausentwickelten, welche die deutschen Größen waren; was aber die Mittelschichte war, das war das, was einen mit Zweifeln erfüllen konnte, das war das, was so leicht den Weg zur Bequemlichkeit in bezug auf Wahrheit und Bildung gehen möchte. -Und da kam uns in unsere Bewegung der Dreigliederung hinein das, was aus den Wurzeln des Volkes herauf in eine recht bedenkliche Schau gerückt ist: die Parteiführer. Und die Parteiführer, die nicht mehr zum Volke gehören, sie stellen heute das Volk vor die Wahl: entweder vernünftig zu bleiben und hinzuhorchen auf das, was wahrhaft auf geistigen Grundlagen ruht, was aber auf vernünftige Weise durch den Menschenverstand eingesehen werden kann, wie alles, was auf geistigen Grundlagen beruht, vom Verstände eingesehen werden kann, wenn man nur will, oder aber den Führern zu folgen und Europa nach und nach hinzuführen zu dem Schicksal der zehn bis zwölf Millionen Menschen, die während der Kriegskatastrophe getötet, und der soundso viel anderen Millionen, die zu Krüppeln geschlagen worden sind, und zehn bis zwölf weitere Millionen zum Tode zu bringen oder verhungern zu lassen. Diese Wahl ist heute gestellt. Und wer zu diesem Gedanken nicht vordringen kann, der kann seine Gedanken nicht bis zu jener Stärke aufraffen, die für den Ernst der Zeit notwendig ist.

Wir haben vor einigen Wochen dasjenige in Angriff genommen, was – es ist vielleicht nicht mit einem geschickten Wort bezeichnet -der Kulturrat werden soll. Seit drei Wochen patzen wir an der Sache herum, und sie ist nicht vom Platze gekommen. Es mußte die Sache so optiert werden, wie sie optiert worden ist, denn auch da mußte appelliert werden an das, was an gesunden Instinkten in der allgemeinen Verwilderung noch zurückgeblieben ist. Was von diesem Gesichtspunkte aus gesagt wurde, braucht weder national-chauvinistisch zu sein, noch braucht es die feindliche Spitze gegen ein anderes Volk zu haben. Die Engländer wissen selbst sehr gut: als einzelne Engländer sind sie etwas anderes denn als Volk. ~
Der Mann, den ich oft schon angeführt habe, der einer der feinsten Kunstbetrachter ist, hat einmal ein schönes Wort gesprochen, wobei er ungefähr das Folgende sagte:
Ach, da machen wir Geschichte. Da untersucht man, wie sich die Ereignisse eigentlich auseinander entwickelt und ergeben haben und wie die Völker in Kriege hineinkommen. Aber all das, was da geschrieben wurde, ist ja doch nur dazu da, um nach unserem subjektiven Standpunkte den einen, den wir brauchen, zu loben, und den anderen zu verurteilen oder zu verlästern. Und wahr ist es, daß die Völker, wenn sie Kriege unternehmen, überall wie die Wilden Krieg führen und nicht fragen nach den Gründen. Herman Grimm meint, in dem Augenblick, wo die Menschen Kriege unternehmen, werden sie zu Wilden. Die Menschen werden, wenn sie ein Staat, eine Nation werden, nicht ein Höheres, sondern sie werden ein Niedereres. Das ist das große Unglück in unserer Zeit, daß man den Staat oder die Zusammengehörigkeit höher schätzt als den einzelnen individuellen Menschen. Aber so verstrickt sind die Menschen heute in das Höherschätzen der Gemeinschaften als des Einzelnen, daß sie sich ganz wohl fühlen, entmenscht zu sein, eine Staatsschablone zu sein. Da ist es natürlich schwer, so etwas zu bilden, was das Geistesleben wirkHch emanzipieren kann. Aber in unserer Zeit ist die Menschheit trotz ihres Materialismus dem Geiste näher, als man glaubt. In uns walten Inspirationen und Imaginationen. Nur verwandeln wir die Imaginationen wegen unserer mangelnden produktiven Phantasiekraft in allerlei gespenstige Bilder über die Zusammenhänge der Welt, mit denen wir die wirklichen Weltzusammenhänge verleumden. Wenn man jemandem sagt:
Europa hängt soundso zusammen-, wie ich es wenige Jahre vor dem Ausbruch dieses Krieges in dem Vortragszyklus von Kristiania getan habe, wenn man die Welt so betrachtet, daß man sie mit innerer Psychologie, mit innerem Schauen beurteilt, dann betrachten es die Träumer als einen Aberglauben, und geht man daran, es ins Praktische umzusetzen, dann halten diese selben Menschen es für Utopie oder Ideologie. Aber darauf kommt es an, daß man in diesen Dingen heute klar sieht. In ihrem Sinne haben die Angehörigen der anglo-amerikanischen Welt klar gesehen, und wir haben dumpf gesehen. – Und auch die Inspirationen verwandeln sich, und zwar zu wilden animalischen Emotionen, die sich in Blut ausleben wollen.
Sehen Sie hin auf das Blut, das heute fließt, sehen Sie hin, wenn die Menschen an die Wand gestellt und erschossen werden: das sind die Inspirationen, die an die Menschen kommen wollen mit dem guten Willen der geistigen Welt, die von den Menschen gehaßt wird, und die sich daher in wilde animalische Triebe verwandeln. Denn wenn der Mensch dasjenige, was aus der geistigen Welt als Inspiration an ihn herankommen will, nicht aufkommen lassen will, dann verwandelt es sich in wilde Emotionen, in animalische Triebe…“

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…auch passend zum Thema:
Alexander Wagandt im Gespräch mit Jo Conrad über Ereignisse Oktober 2015 und die dahinter liegenden Energien – u.a. Halloween – Flüchtlinge – Logenaktivitäten – Destabilisierung – VW
Achtung: 2-Stunden-Vid!

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Okkulte Brüderschaften, der Christus-Impuls und Schwarze Magie. Kurztext von Rudolf Steiner
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Durch die eigentümliche Konfiguration der materialistischen Kultur droht das Denken, das Vorstellen beschränkt, borniert zu werden… R.Steiner
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„…ungefähr im Jahre 2200 wird eine Unterdrückung des Denkens in größtem Maßstabe auf der Welt losgehen“. / Rudolf Steiner
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Die Idee von Brüderlichkeit, Freiheit, Gleichheit… Rudolf Steiner
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