Meditation nach Rudolf Steiner

Meditation als Forschungsmethode
Anthroposophische Meditation kann als geisteswissenschaftliche Forschungsmethode klar durchschaut werden. Sie hellt die im gewöhnlichen Bewusstsein unbewusst lebenden Bereiche des Erkennens auf und führt zu einem immer bewussteren Erleben des Geistigen.
Vier Stufen der Meditation
Anthroposophische Meditation ist eine Forschungsmethode, die zu konkreten Erfahrungen und Erkenntnissen des Geistigen führt…
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Rosenkreuz-Meditation nach Rudolf Steiner, Vortrag von Rolf Speckner Teil 1

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DER ERKENNTNISPFAD UND SEINE STUFEN
Erster Vortrag, Berlin, 20. Oktober 1906
Der rosenkreuzerische Geistesweg
„Heute soll ein Bild des Erkenntnispfades gegeben werden, und es soll auch gezeigt werden, welches die Früchte dieses Pfades sind. Sie kennen einige Hauptgesichtspunkte, die dabei in Betracht kommen. Aber auch für diejenigen, die schon einschlägige Vorträge über den Erkenntnispfad gehört oder den «Lucifer», namentlich das zweiunddreißigste Heft gelesen haben, wird sich etwas Neues bieten, wenn wir den Erkenntnispfad so besprechen, wie es nur im intimen Kreise von Schülern der Geisteswissenschaft geschehen kann. Dabei wird es sich hauptsächlich darum handeln, diesen Erkenntnispfad zu besprechen, insofern er durch die rosenkreuzerische abendländische Geistes Strömung vorgezeichnet ist, die seit dem 14. Jahrhundert die europäische Kultur an unbekannten Fäden geistig lenkt und leitet.

Die rosenkreuzerische Bewegung wirkte bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ganz im Verborgenen. Was wirkliche Rosenkreuzerei war, konnte in keinem Buche gelesen werden, durfte auch nicht öffentlich ausgesprochen werden. Erst seit etwa dreißig Jahren sind einige der rosenkreuzerischen Lehren durch die theosophische Bewegung der Außenwelt bekanntgemacht worden, nachdem sie früher nur in streng geschlossenen Bünden gelehrt worden waren. Die elementarsten Lehren sind in dem, was man heute Theosophie nennt, vielfach enthalten – aber nur die elementarsten. Erst nach und nach ist es möglich, die Menschen tiefer hineinschauen zu lassen in die Weisheit, die seit dem Ende des 14. Jahrhunderts in jenen Rosen-kreuzerschulen in Europa gepflegt worden ist.

Zunächst wollen wir uns klarmachen, daß es nicht nur eine Art von Erkenntnispfad gibt, sondern es kommen drei Arten in Betracht. Das ist jedoch nicht so aufzufassen, als ob es drei Wahrheiten gäbe. Die Wahrheit ist eine einzige, so wie sich allen, die auf dem Gipfel eines Berges stehen, die gleiche Aussicht eröffnet. Aber es gibt verschiedene Wege, um auf den Gipfel des Berges zu gelangen. Während des Aufstiegs hat man von jedem Punkt aus einen anderen Ausblick. Erst wenn man oben ist – und man kann den Gipfel von verschiedenen Seiten aus ersteigen -, hat man den freien vollen Ausblick nach der eigenen Perspektive. So ist es auch mit den drei Erkenntnispfaden. Der eine ist der orientalische Yogaweg, der zweite der christlich-gnostische Weg, der dritte der christlich-rosenkreuzerische Weg. Diese drei Wege führen zu der einzigen Wahrheit.

Es gibt drei verschiedene Pfade, weil auf unserem Erdenrund die Menschennaturen verschieden sind. Man hat drei Typen von menschlichen Naturen zu unterscheiden. Wie es nicht richtig wäre, wenn jemand, um auf den Bergesgipfel zu kommen, nicht den nächsten, sondern einen von ihm weit abliegenden Fußpfad wählen würde, so wäre es auch nicht gut, wenn ein Mensch einen anderen als den ihm angemessenen geistigen Pfad einschlagen wollte. Darüber herrschen heute auch innerhalb der theosophischen Bewegung, die sich erst noch aus ihrem Anfangs Stadium herausentwickeln muß, vielfach recht verworrene Vorstellungen. Man denkt vielfach, daß es nur einen einzigen Erkenntnispfad gäbe, und meint, dies sei der Yogaweg. Nun ist aber der orientalische Yogaweg weder der einzige Erkenntnispfad, noch ist er für Menschen, die innerhalb des europäischen Kulturgebietes leben, auch nur der günstige. Wer die Sache nur von außen betrachtet, kann freilich kaum die Einsicht haben, worum es sich hier handelt, weil die menschliche Natur doch im Grunde genommen bei den verschiedenen Rassen nicht so verschieden erscheint. Wenn man aber mit okkulten Kräften die große Verschiedenheit der Menschentypen betrachtet, kommt man darauf, daß etwas, das für die Orientalen, vielleicht auch für ganz einzelne Menschen in unserer Kultur gut sein mag, durchaus nicht für alle richtig ist. Es gibt auch Menschen, aber nur wenige innerhalb der europäischen Verhältnisse, die den orientalischen Yogaweg gehen können. Für die allermeisten Europäer ist er aber ungangbar. Er bringt Illusionen und auch seelische Zerstörung mit sich. Mögen sie auch äußerlich, selbst in den Augen des heutigen Wissenschafters, nicht so verschieden erscheinen – die östliche und die abendländische Natur sind total verschieden. Ein morgenländisches Gehirn, eine morgenländische Phantasie und ein morgenländisches Herz, sie wirken ganz anders als die Organe des Abendländers. Was man einem Menschen zumuten kann, der unter östlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, darf man nie und nimmer einem Abendländer zumuten. Nur wer glaubt, daß Klima, Religion und soziales Leben keinen Einfluß auf den menschlichen Geist hätten, könnte meinen, es sei einerlei, unter welchen äußeren Verhältnissen jemand eine okkulte Schulung durchmacht. Weiß man aber, welchen tiefgehenden geistigen Einfluß alle diese äußeren Umstände auf die menschliche Natur haben, so versteht man, daß sich der Jogaweg nur für wenige Europäer und eigentlich nur für solche eignet, die sich gründlich und radikal aus den europäischen Verhältnissen herausreißen, daß er aber für Menschen unmöglich ist, welche innerhalb der europäischen Kultur stehenbleiben.

Menschen, die heute noch innerlich aufrichtige und ehrliche Christen sind, die noch von gewissen Hauptsätzen des Christentums durchdrungen sind, mögen den christlich-gnostischen Weg wählen, der nicht sehr verschieden von dem kabbalistischen Weg ist. Für die Europäer ist aber im allgemeinen der rosenkreuzerische Weg der einzig richtige Pfad. Heute soll dieser europäische Rosenkreuzerweg besprochen werden, und zwar die verschiedenen Verrichtungen, die dieser Weg den Menschen vorschreibt, und auch das, was dem Menschen als Frucht winkt, wenn er diesen Erkenntnispfad geht. Niemand soll glauben, daß dies nur ein Weg für wissenschaftlich gebildete Menschen oder gar für Gelehrte sei. Der einfachste Mensch kann ihn beschreiten. Wenn man aber diesen Weg geht, wird man sehr bald in der Lage sein, jedem Einwand der europäischen Wissenschaft gegen den Okkultismus zu begegnen. Das war eine der Hauptaufgaben der rosenkreuzerischen Meister: diejenigen, die den Erkenntnispfad gehen, so auszurüsten, daß sie das okkulte Wissen verteidigen und diesen Pfad auch der Welt gegenüber durchführen können. Der einfache Mensch, der nur ein paar populäre Vorstellungen aus der modernen Wissenschaft oder auch gar nichts davon besitzt, aber einen ehrlichen Wahrheitsdrang in sich hat, wird den Rosenkreuzerweg ebenso gehen können wie der Gebildetste und Gelehrte.

(S.140) Zwischen den drei Erkenntnis wegen bestehen große Unterschiede.
Der erste betrifft das Verhältnis des Schülers zu dem okkulten Lehrer, der allmählich der Guru wird oder das Verhältnis zum Guru vermittelt. Die Eigentümlichkeit des orientalischen Jogaweges bringt es mit sich, daß dieses Verhältnis das denkbar strengste ist. Der Guru ist unbedingte Autorität für den Schüler. Wenn das nicht der Fall wäre, könnte diese Schulung nicht den richtigen Erfolg haben. Eine orientalische Yogaschulung ist ohne eine strenge Unterwerfung unter die Autorität des Guru gar nicht möglich. Bei dem christlich-gnostischen und bei dem kabbaistischen Weg wird schon ein etwas loseres Verhältnis zu dem Guru auf dem physischen Plan vorausgesetzt. Der Guru führt den Schüler zu dem Christus Jesus hin, er ist der Vermittler. Und bei dem Rosenkreuzerweg wird der Guru immer mehr der Freund, dessen Autorität auf innerer Zustimmung beruht. Ein anderes Verhältnis als ein streng persönliches Vertrauensverhältnis ist hier nicht möglich. Würde auch nur ein klein wenig Mißtrauen zwischen Schüler und Lehrer entstehen, so würde das Band, das zwischen beiden bestehen muß, zerrissen werden und jene Kräfte, die zwischen Lehrer und Schüler spielen, würden nicht mehr wirken. Über die Rolle seines Lehrers wird sich der Schüler mitunter falsche Vorstellungen machen. Leicht wird es ihm vorkommen, als ob er da oder dort den Lehrer unbedingt sprechen, als ob er oft mit ihm physisch zusammen sein müßte. Zwar ist es manchmal eine dringende Notwendigkeit, daß der Lehrer an den Schüler physisch herantritt, aber das ist nicht so oft der Fall, wie der Schüler glauben mag. Die Wirkung, die der Lehrer auf den Schüler ausübt, kann dieser anfangs nicht in der richtigen Weise beurteilen. Der Lehrer hat Mittel, die sich erst allmählich dem Schüler enthüllen. Manches Wort, von dem der Schüler glaubt, es sei zufällig gesprochen, ist von großer Bedeutung. Es wirkt unbewußt in der Seele des Schülers wie eine Richtkraft fort, die ihn lenkt und leitet. Übt der Lehrer die okkulten Einflüsse richtig aus, dann ist auch das reale Band zwischen ihm und dem Schüler da. Dazu kommen dann die auf liebevoller Teilnahme beruhenden Wirkungen in die Ferne, die dem Lehrer immer zur Verfügung stehen und die sich dem Schüler erst später immer mehr enthüllen, wenn er Eingang in die höheren Welten findet. Aber unbedingt notwendig ist das absoluteste Vertrauen, sonst ist es besser, das Band zwischen Lehrer und Schüler zu lösen.

(S. 142) Nun sollen die Regeln, welche innerhalb der rosenkreuzerischen Schulung eine gewisse Rolle spielen, kurz Erwähnung finden. Die Dinge brauchen nicht genau so aufzutreten, wie sie hier aufgezählt werden. Je nach der Individualität, dem Beruf, dem Lebensalter des Schülers wird der Lehrer aus den verschiedenen Gebieten dies oder jenes herauszunehmen und es in dieser oder jener Weise anzuordnen haben. Nur eine Übersicht soll hier zur Kenntnisnahme gegeben werden. Was bei der Rosenkreuzerschulung in hohem Grade notwendig ist, wird gewöhnlich bei aller okkulten Schulung nicht genügend beachtet. Es ist ein klares und logisches Denken – oder wenigstens das Streben danach. Zunächst soll alles verworrene oder vorurteilsvolle Denken ausgemerzt werden. Der Mensch hat sich daran zu gewöhnen, die Zusammenhänge in der Welt nach großen, selbstlosen Gesichtspunkten zu denken. Dazu ist der beste Weg, wenn man als schlichter Mensch diesen Rosenkreuzerpfad durchmachen will, das Studium der elementaren Lehren der Geisteswissenschaft. Es ist kein berechtigter Einwand, zu sagen: Was nützt es mir, die Lehren über die höheren Welten, über die Menschenrassen und Kulturen, über Karma und Reinkarnation zu studieren, da ich das alles doch nicht selbst sehen und wahrnehmen kann. – Es ist dies kein richtiger Einwand, denn gerade das Beschäftigen mit diesen Wahrheiten reinigt das Denken und diszipliniert es so, daß der Mensch reif für die anderen Maßnahmen wird, die zum okkulten Pfad führen. Der Mensch denkt im gewöhnlichen Leben meistens sehr ungeordnet. Die Richtlinien und Abschnitte der menschlichen Entwicklung und der planetarischen Evolution, die großen Gesichtspunkte, die von den Wissenden erschlossen werden, bringen das Denken in geordnete Formen. Alles dies ist ein Teil der rosenkreuzerischen Schulung. Man nennt dies das Studium. Daher wird der Lehrer dem Schüler anheimgeben, sich in die elementaren Lehren über Reinkarnation und Karma, über die drei Welten, die Akasha-Chronik, die Evolution der Erde und die Menschenrassen hineinzudenken. Der Umfang der elementaren
Geisteswissenschaft, wie sie heute verbreitet wird, ist für den schlichten Menschen die beste Vorbereitung.

Denen aber, welche schärfer in das Denken hineingehen mögen, um sich noch intensiver auf das eigentliche Grundgerüst der menschlichen Seele einzulassen, seien zum Studium solche Bücher empfohlen, die gerade dazu geschrieben worden sind, um das Denken in disziplinierte Bahnen zu bringen. Die Bücher, die zu diesem Zwecke geschrieben worden sind – wenn auch in ihnen nicht das Wort Theosophie steht -, sind meine beiden Bücher «Wahrheit und Wissenschaft» und «Die Philosophie der Freiheit». Man schreibt ja solche Bücher, damit sie einen Zweck erfüllen. Diejenigen, welche auf Grund einer energischen Schulung des logischen Denkens an das weitere Studium herankommen wollen, werden gut daran tun, ihren Geist einmal dem «seelischen und geistigen Turnen » zu unterwerfen, wel-ches diese Bücher erfordern. Das gibt ihnen den Grund, auf welchem das Rosenkreuzerstudium aufgebaut ist.

Wenn man den physischen Plan beobachtet, nimmt man gewisse Sinneseindrücke wahr, Farben und Licht, Wärme und Kälte, Geruch und Geschmack, Druck- und Tastempfindungen und die Gehörseindrücke. Man verbindet mit alledem die Gedanken- und Verstandestätigkeit. Der Verstand, der Gedanke gehört noch zum physischen Plan. Das alles können Sie auf dem physischen Plan wahrnehmen. Anders sind die Wahrnehmungen auf dem Astralplan, sie sehen ganz anders aus. Und wieder anders sind die Wahrnehmungen auf dem Devachanplan, geschweige in den noch höheren Geistgebieten. Der Mensch, der noch nicht einen Einblick in die höheren Welten erlangt hat, kann sich jedoch eine bildliche Vorstellung davon machen. Durch Bilder eine Anschauung von diesen Welten zu geben, wird auch in der mir geläufigen Darstellungsweise versucht. Wer dann in die höhe-ren Gebiete aufsteigt, sieht selber, wie sie auf ihn wirken. Auf jedem Plan macht der Mensch neue Erfahrungen. Aber eines gibt es, das durch alle Welten hindurch bis hinauf zum Devachan dasselbe bleibt, das sich nicht ändert: Das ist das logisch geschulte Denken. Erst auf dem Buddhiplan hat das Denken nicht mehr die gleiche Geltung wie auf dem physischen Plan. Da muß ein anderes Denken eintreten. Aber für die drei Welten unterhalb des Buddhiplanes, für den physischen, astralen und devachanischen Plan, gilt überall das gleiche Denken. Wer sich also durch das Studium in der physischen Welt ordentlich im Denken schult, wird in den höheren Welten in diesem Denken einen guten Führer haben und nicht so leicht straucheln wie der, welcher mit verworrenem Denken in die Geistgebiete aufsteigen will. Daher lehrt die Rosenkreuzerschulung die Menschen, sich in den höheren Welten frei zu bewegen, indem sie dieselben dazu anhält, ihr Denken zu disziplinieren. Wer in diese Welten hinaufgelangt, lernt zwar Wahrnehmungsweisen kennen, die es auf dem physischen Plan nicht gibt, aber er wird sie mit seinem Denken beherrschen können.

(S.144) Das zweite, das der Schüler auf dem rosenkreuzerischen Erkenntnispfade lernt, ist die Imagination. Sie wird dadurch vorbereitet, daß der Schüler selbst allmählich lernt, in solche bildlichen Vorstellungen einzudringen, die im Sinne des Goetheschen Wortes «Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis» die höheren Welten darstellen. So wie der Mensch gewöhnlich durch die physische Welt geht, nimmt er die Dinge auf, wie sie sich seinen Sinnen darstellen, aber nicht das, was dahinter ist. Er wird wie mit einem Bleigewicht in die physische Welt hinabgezogen. Der Mensch wird von dieser physischen Welt erst frei, wenn er lernt, die Dinge um sich herum als Sinnbilder zu nehmen. Deshalb muß er ein moralisches Verhältnis zu ihnen zu gewinnen suchen. Der Lehrer wird ihm auch dafür manche Anleitungen geben, um äußere Erscheinungen als Symbole für Geistiges zu betrachten, aber der Schüler kann auch selbst viel dazu tun. Zum Beispiel kann er eine Herbstzeitlose und ein Veilchen betrachten. Wenn ich in der Herbstzeitlose das Symbol für ein melancholisches Gemüt sehe, habe ich sie nicht nur so aufgefaßt, wie sie mir äußerlich entgegentritt, sondern als Sinnbild für eine Eigenschaft. Im Veilchen mag man dagegen das Sinnbild für ein stilles, frommes Gemüt erblicken. So gehen Sie von Gegenstand zu Gegenstand, von Pflanze zu Pflanze, von Tier zu Tier und betrachten sie als Sinnbilder für Geistiges. Dadurch machen Sie Ihr Vorstellungsvermögen flüssig und lösen es von den scharfen Konturen des sinnlichen Wahrnehmens los.
Man kommt etwa dazu, in jeder Tiergattung das Sinnbild für eine Eigenschaft zu erblicken. Man nimmt das eine Tier als Symbol der Stärke, ein anderes als Symbol der Schlauheit. Nicht flüchtig, sondern ernst und auf Schritt und Tritt müssen wir solche Dinge zu verfolgen suchen.

Im Grunde spricht die ganze menschliche Sprache in Symbolen. Die Sprache ist nichts anderes als ein Sprechen in Symbolen. Jedes Wort ist ein Symbolum. Auch die Wissenschaft, die den Glauben hat, einen jeden Gegenstand nur objektiv zu bezeichnen, muß sich der Sprache bedienen, und ihre Worte wirken sinnbildlich. Wenn Sie von Lungenflügeln sprechen, so wissen Sie, daß das keine Flügel sind, aber Sie pflegen sie doch so zu bezeichnen. Für den, der auf dem physischen Plan bleiben will, wird es gut sein, sich nicht zu stark in dieser Symbolik zu verlieren, aber der fortgeschrittene Schüler wird sich auch nicht darin verlieren. Wenn man nachforscht, empfindet man, welche Tiefe ursprünglich in der menschlichen Sprache liegt. Solche tiefe Naturen wie Paracelsus und Jakob Böhme verdanken ihre Entwickelung mit dem Umstände, daß sie sich nicht scheuten, im Gespräch mit Bauern und Landstreichern die imaginative Bedeutung der Sprache zu studieren. Da wirkten die Worte Natur, Geist, Seele noch ganz anders. Sie wirkten stärker. Wenn draußen auf dem Lande die Bauersfrau der Gans eine Feder ausrupfte, nannte sie das Innere die Seele der Feder. Solche Symbole in der Sprache muß der Schüler selbst finden. Dadurch löst er sich von der physischen Welt los und lernt es, sich zur Imagination zu erheben. Es hat eine starke Wirkung, wenn so die Welt dem Menschen zum Gleichnis wird. Wenn der Schüler das lange genug übt, wird er entsprechende Wirkungen bemerken. Beim Anschauen einer Blume wird sich zum Beispiel nach und nach etwas von der Blume loslösen. Die Farbe, die zuerst nur an der Oberfläche der Blume haftete, steigt wie eine kleine Flamme auf und schwebt frei im Räume. So gestaltet sich die imaginative Erkenntnis heraus. Es ist dann bei allen Dingen so, als ob sich ihre Oberfläche loslöste. Der ganze Raum erfüllt sich mit der Farbe, die flammenartig im Räume verschwebt. Auf diese Weise scheint sich die ganze Lichtwelt aus der physischen Wirklichkeit herauszuziehen. Wenn sich ein solches Farbenbild herauszieht und frei im Räume schwebt, fängt es bald an, an etwas zu haften. Es drängt zu etwas hin, es bleibt nicht beliebig irgendwo stehen; es faßt eine Wesenheit ein, die nun selbst als geistige Wesenheit in der Farbe erscheint. Was der Schüler aus den Dingen der physischen Welt als Farbe herausgezogen hat, umkleidet die geistigen Wesenheiten des astralen Raumes.

Hier ist der Punkt, wo der Rat des okkulten Lehrers eingreifen muß, weil der Schüler sonst leicht den Boden verlieren kann. Dies könnte aus zwei Gründen geschehen. Der eine ist der folgende: Durch eine bestimmte Erfahrung muß jeder Schüler hindurchgehen. Die Vorstellungen, die sich aus den physischen Dingen herausschälen -es sind nicht nur Farben, sondern auch Geruchs- und Gehörvorstellungen -, zeigen sich in merkwürdigen häßlichen, vielleicht auch schönen Gestalten, Tiergesichtern, Formen von Pflanzen, auch häßlichen Menschenantlitzen. Dieses erste Erlebnis stellt ein Spiegelbild der eigenen Seele dar. Die eigenen Leidenschaften und Triebe, das noch in der Seele ruhende Böse tritt vor den vorgeschrittenen Schüler wie in einem Spiegel im Astralraum auf. Da braucht er den Rat des okkulten Lehrers, der ihm sagt, daß das nichts Objektives ist, sondern ein Spiegelbild seiner eigenen inneren Wesenheit.

Daß er auf diesen Rat des Lehrers angewiesen ist, werden Sie begreifen, wenn noch etwas über die Art, wie solche Bilder auftreten, gesagt wird. Oft ist betont worden, daß im Astralraum alles umgekehrt ist, daß alles in Spiegelbildern auftritt. Der Schüler kann daher leicht durch Gaukelbilder irregeführt werden, namentlich wenn es sich um Spiegelungen seines eigenen Wesens handelt. Das Spiegelbild einer Leidenschaft tritt nicht nur so auf, daß es wie ein Tier ausschaut, das auf ihn zukommt – das wäre noch das geringste -, sondern man muß hier noch mit anderem rechnen. Nehmen wir an, in dem Menschen wäre eine verborgene recht böse Leidenschaft. Als Spiegelung erscheint ein solcher Trieb oder eine Begierde sehr häufig in verlockender Gestalt, während sich gerade gute Eigenschaften manchmal gar nicht verlockend ausnehmen. Wieder liegt hier etwas vor, was die Sage wunderbar dargestellt hat. Sie finden ein Bild dafür in der Herkulesmythe. Als Herkules seinen Weg antritt, stehen die bösen und die guten Eigenschaften vor ihm. Das Laster kleidet sich in die verführerische Gestalt der Schönheit, die Tugend aber in das Gewand der Anspruchslosigkeit.

Es kommt nun noch etwas anderes hinzu. Selbst wenn der Schüler bereits in der Lage ist, die Dinge objektiv zu sehen, so ist noch immer die andere Möglichkeit vorhanden, daß sich seine innere Willkür wie eine Kraft äußert, welche die Erscheinungen lenkt und leitet. Er muß es dahin bringen, daß er dies durchschaut und versteht, denn der Wunsch hat einen starken Einfluß auf dem astralen Plan. Alles, was als dirigierende Kraft hier in der physischen Welt wirkt, ist nicht vorhanden, wenn man in die imaginative Welt kommt. Wenn Sie sich auf dem physischen Plan einbilden, Sie hätten etwas getan, was Sie in Wahrheit nicht getan haben, dann werden Sie sich bald davon überzeugen, daß es sich nicht so verhält, indem Ihnen die Tatsachen auf dem physischen Plan entgegentreten. So ist es aber nicht im Astralraum. Da gaukeln Ihnen die eigenen Wünsche Bilder vor, da müssen Sie von einem Wissenden Anleitung haben, wie diese imaginativen Bilder zusammenzusetzen sind, um ihre wahre Bedeutung zu erkennen.

(S.147) Das dritte in der Rosenkreuzerschulung ist das Lernen der okkulten Schrift. Was ist diese okkulte Schrift? Es gibt gewisse Bilder, Symbole, die durch einfache Linien hergestellt oder durch Farben aneinander gefügt werden. Solche Symbole stellen eine ganz bestimmte okkulte Zeichensprache dar. Um ein Beispiel zu erwähnen, sei das Folgende gesagt. Es gibt in der höheren Welt einen Vorgang, der sich auch in die physische Welt hinein auswirkt: das Drehen des Wirbels. Sie können das Drehen des Wirbels beobachten, wenn Sie einen Sternnebel, beispielsweise den Orionnebel, ansehen. Da sehen Sie eine Spirale. Nur ist das auf dem physischen Plan. Aber Sie können das auch auf allen Planen betrachten. Es stellt sich so dar, daß sich ein Wirbel in einen anderen hineinschwingt. Das (a) ist eine Figur, die auf dem Astralplan bei allen möglichen Bildungen vorkommt. Wenn Sie diese Figur verstehen, begreifen Sie durch sie auch, wie eine Menschenrasse sich in eine andere verwandelt. Beim Entstehen der ersten Unterrasse unserer gegenwärtigen Hauptrasse stand die Sonne gerade im Zeichen des Krebses. Damals schlang sich also eine Rasse in die andere hinein; deshalb hat man für den Krebs das okkulte Zeichen (b). So sind die Tierkreiszeichen alle okkulte Zeichen. Man muß nur ihre Bedeutung kennenlernen und verstehen.

Ein solches Zeichen ist auch das Pentagramm (c). Der Schüler lernt, mit diesem Zeichen besondere Empfindungen und Gefühle zu verbinden. Sie sind das Gegenbild von astralen Vorgängen. Diese Zeichensprache, die als okkulte Schrift gelernt wird, ist nichts anderes als die Wiedergabe der Gesetze höherer Welten. So ist das Pentagramm ein Zeichen, das Verschiedenes ausdrückt. Wie der Buchstabe B bei den verschiedensten Worten verwendet wird, so können auch die Zeichen der okkulten Schrift mannigfache Bedeutungen haben. Das Pentagramm, das Hexagramm, der Winkel und andere Figuren lassen sich zu einer okkulten Schrift zusammensetzen, und diese ist wieder ein Wegweiser in den höheren Welten. Das Pentagramm ist das Zeichen für den fünfgliedrigen Menschen, ferner das Zeichen der Verschwiegenheit, aber auch das Zeichen, das der Gattungsseele der Rose zugrunde liegt. Wenn Sie die Blütenblätter der Rose im Bilde verbinden, bekommen Sie das Pentagramm heraus. Wie das B in den Worten Band und Beben jeweils etwas anderes besagt, so bedeuten also auch die Zeichen in der okkulten Schrift Unterschiedliches. Man lernt sie in der richtigen Weise anordnen. Das sind die Wegweiser auf den astralen Plan. Geradeso wie sich ein Analphabet zu einem Leser auf dem physischen Plan verhält, verhält sich jemand, der nur die Bilder als solche sieht, zu einem solchen, der die okkulte Schrift gelernt hat. Auf dem physischen Plan sind die Schriftzeichen vielfach willkürlich, ursprünglich waren sie aber Abbilder der astralen Zeichensprache. Nehmen Sie ein uraltes astrales Symbol, den Hermesstab mit der Schlange. Das ist in unserer Schrift zum Zeichen E geworden. Oder nehmen Sie das Zeichen W, welches die Wellenbewegung des Wassers bezeichnet. Es ist das Seelenzeichen des Menschen, zugleich das Zeichen für das Wort. Das M ist nichts anderes als die nachgebildete Oberlippe. Im Laufe der Entwickelung ist das alles mehr willkürlich geworden. Auf den okkulten Planen herrscht dagegen Notwendigkeit. Da kann man diese Dinge leben.

(S.149) Das vierte ist der sogenannte Lebensrhythmus. Einen solchen Rhythmus kennen die Menschen im profanen Leben sehr wenig. Sie leben egoistisch darauf los. Höchstens für die Kinder in der Schule bedeutet der Stundenplan noch einen gewissen Lebensrhythmus, denn da wiederholt sich der Ablauf der täglichen Schulstunden von Woche zu Woche. Aber wer tut das im gewöhnlichen Leben? Dennoch steigt man zu einer höheren Entwickelung nur dadurch auf, daß man Rhythmus, Wiederholung in sein Leben hineinbringt. In der ganzen Natur herrscht Rhythmus. Im Gang der Planeten um die Sonne, im jährlichen Erscheinen und Verblühen der Pflanzen, bis ins Tierreich, bis ins sexuelle Leben der Tiere hinein ist alles rhythmisch geregelt. Erst dem Menschen ist es gestattet, damit er frei handeln kann, auch ohne Rhythmus zu leben. Aber er muß aus freien Stücken wieder Rhythmus in das Chaos hineinbringen. Ein guter Rhythmus besteht darin, täglich zu bestimmten Zeiten okkulte Verrichtungen vorzunehmen. Deshalb muß der Schüler seine Meditations- und Konzentrationsübungen zur selben Stunde vollziehen, so wie die Sonne zur selben Zeit im Frühling ihre Kräfte zur Erde hinuntersendet. Das ist ein solches Rhythmisieren des Lebens. Ein anderes ist das, was nach Anweisung des okkulten Lehrers als Rhythmisierung des Atmungsprozesses auftritt. Das Einatmen, Atemhalten und Ausatmen muß für eine kurze Zeit des Tages in einen Rhythmus gebracht werden, der von den Erfahrungen der okkulten Lehrer bestimmt ist. So wird durch den Menschen ein neuer Rhythmus an die Stelle des alten gesetzt. Eine solche Rhythmisierung des Lebens gehört zu den Vorbedingungen für ein Aufsteigen zu den höheren Welten. Aber niemand kann das ohne die Anleitung eines Lehrers tun. Es sollte hier nur zur Kenntnis gebracht werden, worum es sich grundsätzlich handelt.

(S.150) Das fünfte ist dasjenige, was man das Lernen der Entsprechung zwischen dem Mikrokosmos und Mikrokosmos nennt. Es besteht darin, daß der Lehrer dem Schüler Anleitung gibt, seine Gedanken auf bestimmte Körperteile zu konzentrieren. Diejenigen, welche den Vortrag über die Beziehung der Sinne zu den höheren Welten gehört haben, werden sich erinnern, daß die ganze Welt an dem Zustandekommen des physischen Leibes beteiligt ist. Das Auge ist vom Licht geschaffen, von den Geistern, die im Lichte wirken. Jeder Punkt des physischen Leibes steht im Zusammenhang mit einer bestimmten Kraft im Kosmos. Betrachten wir den Punkt an der Nasenwurzel. Es gab eine Zeit, da der ätherische Kopf über den physischen Leib weit herausragte. Noch bei den Atlantiern war an der Stirn ein Punkt, wo der ätherische Kopf über den physischen herausstand, wie es noch jetzt beim Pferde und anderen Tieren der Fall ist. Beim Pferde ragt auch heute der Ätherkopf weit heraus. Beim heutigen Menschen ist der genannte Punkt im Ätherkopf und im physischen Kopf zur Deckung gebracht, und das gibt ihm die Fähigkeit, solche Teile des physischen Gehirns zu entwickeln, welche es ihm ermöglichen, zu sich Ich zu sagen. Das Organ, welches den Menschen dazu befähigt, zu sich Ich zu sagen, hängt mit einem ganz bestimmten Vorgang während der atlantischen Erdenentwickelung zusammen. Nun weist der okkulte Lehrer seinen Schüler an: Lenke deine Gedanken und konzentriere sie auf diesen Punkt! Dann gibt er ihm ein Mantram. Dadurch wird in diesem Teile des Kopfes eine Kraft geweckt, die einem bestimmten Vorgang im Makrokosmos entspricht. Auf solche Weise wird eine Korrespondenz zwischen dem Mikrokosmos und dem Makrokosmos hervorgerufen. Durch eine entsprechende Konzentration auf das Auge wird auch die Erkenntnis der Sonne erlangt. Man findet so die ganze Organisation des Makrokosmos geistig in seinen eigenen Organen. Wenn der Schüler das genügend lange geübt hat, darf er dazu übergehen, sich in die Dinge, die er so aufgefunden hat, hineinzuversenken. Zum Beispiel kann er in der Akasha-Chronik jenen Zeitpunkt in der atlantischen Epoche aufsuchen, in welchem an der Nasenwurzel der Punkt zustande gekommen ist, auf den er sich konzentriert hat. Oder er findet die Sonne, indem er sich auf das Auge konzentriert. Diese sechste Stufe, das Versenken in den Makrokosmos, nennt man die Kontemplation. Das gibt dem Schüler die Welterkenntnis, und dadurch erweitert er seine Selbsterkenntnis über die Persönlichkeit hinaus. Das ist etwas anderes als jenes beliebte Schwatzen von Selbsterkenntnis. Man findet das Selbst nicht, wenn man in sich hineinschaut, sondern wenn man aus sich hinausschaut. Es ist dies das gleiche Selbst, welches das Auge geschaffen hat, das die Sonne her
vorgebracht hat. Wenn Sie den Teil des Selbst, welcher dem Auge entspricht, suchen wollen, so haben Sie ihn in der Sonne zu suchen. Was draußen außer Ihnen ist, müssen Sie als Ihr Selbst wahrnehmen lernen. Das Hineinschauen nur in sich führt zur Verhärtung in sich selbst, zu einem höheren Egoismus. Wenn die Menschen sagen: Ich brauche nur mein Selbst sprechen zu lassen -, so haben sie keine Ahnung von der Gefahr, die darin liegt. Selbsterkenntnis darf nur geübt werden, wenn der Schüler des weißen Pfades sie mit Selbstentäußerung verbindet. Wenn er zu jedem Dinge sagen lernt: Das bin ich – dann ist er reif zur Selbsterkenntnis, wie es Goethe in den Worten Fausts ausspricht:

«Du führst die Reihe der Lebendigen
Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder
Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.»

Überall sind draußen die Teile unseres Selbst. Das ist zum Beispiel auch in der Dionysos-Mythe dargestellt. Daher legt die Rosenkreuzerschulung auch so viel Wert auf eine objektive und ruhige Betrachtung der äußeren Welt: Willst du dich selbst erkennen, dann schau dich im Spiegel der äußeren Welt und Wesen an! Viel deutlicher wird dir aus dem Auge des Mitmenschen sprechen, was in deiner Seele ist, als wenn du dich in dir selbst verhärtest und in die eigene Seele versenkst! – Das ist eine wichtige und wesentliche Wahrheit, die keiner, der den weißen Pfad beschreiten will, außer acht lassen darf. Es gibt in der Gegenwart viele Menschen, die ihren gewöhnlichen Egoismus in einen raffinierten Egoismus verwandelt haben. Sie nennen es theosophische Entwickelung, wenn sie ihr gewöhnliches, alltägliches Selbst so hoch wie möglich steigern. Sie möchten das Persönliche ja recht hervorholen. Die wirkliche okkulte Erkenntnis zeigt dem Menschen dagegen, wie sich sein Inneres aufschließt, wenn er sein höheres Selbst in der Welt erkennen lernt.

(S.152) Wenn der Mensch in der Kontemplation diese Gesinnung herangebildet hat, wenn sein Selbst über alle Dinge ausfließt, wenn er die Blume, die ihm entgegenwächst, so fühlt wie den Finger, den er sich selbst entgegenbewegt, wenn er weiß, daß die ganze Erde und die ganze Welt sein Leib ist, dann lernt er sein höheres Selbst erkennen. Dann spricht er zur Blume wie zu einem Glied seines eigenen Körpers : Du gehörst zu mir, du bist ein Teil meines Selbst. – Allmählich empfindet er das, was man den siebenten Grad der Rosenkreuzerschulung nennt: die Gottseligkeit. Sie stellt sich als das notwendige Gefühlselement ein, das den Menschen in die höheren Welten hinaufgeleitet, wo er über die höheren Welten nicht bloß denken darf, sondern in diesen Welten fühlen lernt. Dann zeigen sich ihm die Früchte, wenn er so bestrebt ist, unter der fortdauernden Anleitung seines Lehrers zu lernen, und er braucht nicht zu fürchten, daß sein okkulter Weg in einen Abgrund führen könnte. Alle Dinge, die als Gefahren der okkulten Entwickelung geschildert werden, kommen nicht in Frage, wenn diese in die richtigen Wege gelenkt wird. Geschieht das, so wird der okkulte Pfadsucher ein wirklicher Helfer der Menschheit.

(S. 153) Während der Imagination stellt sich die Möglichkeit ein, daß der Mensch einen gewissen Teil der Nacht in bewußtem Zustande durchmacht. Sein physischer Leib schläft wie sonst, aber ein Teil seines Schlafzustandes wird von sinnvollen, inhaltsvollen Träumen belebt. Diese sind die erste Ankündigung seines Eintrittes in die höheren Welten. Allmählich führt er seine Erlebnisse in das gewöhnliche Bewußtsein hinüber. Er sieht dann in seiner ganzen Umwelt, auch hier im Saal zwischen den Stühlen oder draußen in Wald und Flur, die astralen Wesenheiten.

Drei Stufen erreicht der Mensch während der imaginativen Erkenntnis. Auf der ersten Stufe erkennt er die Wesenheiten, die hinter den physischen Sinneseindrücken stehen. Hinter der roten oder blauen Farbe steht eine Wesenheit, hinter jeder Rose; hinter jedem Tier steht die Gattungs- oder Gruppenseele. Er wird taghellsehend. Wenn er nun noch eine Weile wartet und seine Imagination ruhig übt, sich auch in die okkulte Schrift vertieft, so wird er auch taghellhörend. Das dritte ist dann, daß er alle die Dinge kennenlernt, die man in der astralen Welt findet, die den Menschen herunterziehen und zum Bösen verleiten, die eigentlich nun dazu bestimmt sind, ihn hinaufzuführen. Er lernt Kamaloka kennen.

Durch dasjenige, was den vierten, fünften und sechsten Teil der Rosenkreuzerschulung bildet, den Lebensrhythmus, die Beziehung des Mikrokosmos zum Makrokosmos, die Kontemplation des Makrokosmos, erreicht der Mensch drei weitere Stufen. Auf der ersten Stufe gelangt er zum Erkennen der Verhältnisse des Lebens zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Das tritt ihm in Devachan entgegen. Das nächste ist die Möglichkeit, zu sehen, wie die Formen sich ineinander umwandeln, die Transmutation, die Metamorphose der Formen. Der Mensch hatte zum Beispiel nicht immer seine heutige Lunge: er besitzt sie erst seit der lemurischen Zeit. In der vorangegangenen hyperboräischen Zeit hatte er wieder eine andere Form, davor hatte er eine andere Form, weil er sich im Astralzustand befand, und eine andere vorher, weil er in Devachan war. Man sagt auch: der Mensch lernt auf dieser Stufe die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Globen kennen, das heißt, er erfährt, wie ein Globus oder Formzustand in den anderen übergeht. Als letztes, bevor er in noch höhere Welten übergeht, erschaut er die Metamorphose der Lebenszustände. Er erkennt, wie die verschiedenen Wesenheiten durch die verschiedenen Reiche oder Runden hindurchgehen, wie ein Reich ins andere übergeht. Dann muß er zu noch höheren Stufen aufsteigen, die aber heute keine Besprechung mehr erfahren können.

Was hier ausgeführt worden ist, wird Ihnen einstweilen zum Verarbeiten genug Material geben. Diese Dinge müssen wirklich erarbeitet werden. Es ist dies der erste Schritt, um in die Höhe zu kommen. Daher ist es gut, einmal in geordneter Weise den Pfad vorgezeichnet zu bekommen. Es mag sein, daß man auf dem physischen Plan, auch ohne eine Landkarte zu haben, reisen kann. Auf dem Astralplan ist es aber notwendig, sich eine solche Landkarte geben zu lassen. Betrachten Sie diese Mitteilungen als eine Art von Landkarte, und sie wird Ihnen nützlich sein, nicht nur in diesem Leben, sondern auch wenn Sie die Pforte zu den höheren Welten durchschreiten. Wer diese Dinge durch die Geisteswissenschaft aufnimmt, wird nach dem Tode gute Dienste von dieser Landkarte haben. Der Okkultist weiß, wie kläglich es den Menschen oft ergeht, wenn sie drüben auf der anderen Seite ankommen und keine Ahnung davon haben, wo sie eigentlich leben und was das ist, was sie da erleben.
[a.a.O.: sie denken, sie träumen…] Diejenigen, die durch die geisteswissenschaftlichen Lehren hindurchgegangen sind, kennen sich aus und wissen die Dinge selbst zu charakterisieren. Wenn der Mensch nicht zurückschrecken würde, den Erkenntnispfad zu betreten, so würde ihm dies in der anderen Welt großen Nutzen bringen.“
GA 96 S.138-155 RUDOLF STEINER – GA 96 –
Ursprungsimpulse der Geisteswissenschaft Christliche Esoterik im Lichte neuer
Geist-Erkenntnis
Zusammenfassende Hörer-Aufzeichnungen von zwanzig Vorträgen, gehalten zwischen dem 29. Januar 1906 und 12. Juni 1907 in Berlin
1989 RUDOLF STEINER VERLAG DORNACH/SCHWEIZ

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Rosenkreuzer – Hintergrundinfo
Rosenkreuzer nennt man die Mitglieder einer Ordensgemeinschaft, deren Anfänge im 17. Jahrhundert liegen… hier weiter

s. dazu auch:

Nebenübungen für die Charakterschulung / Rudolf Steiner
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DAS WESEN DES GEBETES – Rudolf Steiner
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Auszug aus einer E. S. in München am 23.08.1911 durch Rudolf Steiner. Aus der Erinnerung niedergeschrieben von Günther Wagner.

…Heute wollen wir nur einiges Allgemeine geben; am nächsten Sonnabend Spezielleres. Heute soll betrachtet werden das, was man als den allein rechten und wahren Anfang des Hellsehens ansehen darf.

Das Hauptgewicht bei aller Esoterik, bei aller inneren Entwicklung ist darauf zu legen, Windstille, innere Ruhe herzustellen und zu bewahren nach der eigentlichen Meditation. Nachdem wir die Formeln oder anderen Verrichtungen, die uns die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen für unsere Schulung gegeben haben, in unserer Meditation vorgenommen haben, sollen wir noch eine Weile in absoluter Ruhe verharren.

Nichts von unserem alltäglichen Leben, keine Erinnerung daran, nicht einmal ein Gefühl unseres Körpers soll da hinein dringen. Körperlos müssen wir uns fühlen, wie leer; auch die Gedanken an unser eigenes Dasein müssen wir fallenlassen, nur den Tatbestand des eigenen Daseins sollen wir gelten lassen. Dabei aber nicht einschlafen, nicht in einen Traum- oder Schlafzustand verfallen.

Dann tritt der Zustand ein, in dem Hellsichtigkeit beginnen kann. Was in solchen Augenblicken vor unserem inneren Blick auftaucht, kommt aus der geistigen Welt. Es gibt Merkmale dafür, ob diese da auftauchenden Bilder rein geistig oder ob es Truggebilde sind.

Was wird geschehen, wenn der Ätherleib den physischen Leib verließe, auch nur für einen Augenblick? Der physische Leib würde sich zusammenziehen, er würde zusammenschrumpfen, runzelig werden; er hat die Tendenz, auf den kleinsten Raum sich zusammenzuziehen und sich schließlich in ein Nichts aufzulösen. Die Tendenz des Ätherleibes ist, sich auszubreiten in die Raumesweiten; er fühlt sich dann verbunden mit allen Kräften draußen im Raum. Er erfüllt den physischen Leib und breitet ihn aus, so weit eben, wie dieser ist.

Durch diese Tendenz des physischen Leibes, zusammenzuschrumpfen, bekommen wir im Alter Runzeln. Der physische Leib schrumpft zusammen, weil der Ätherleib darin nicht mehr ebenso wirkt wie in der Jugend.

Etwas Ähnliches tritt mit unserem Ätherleib ein in unseren Meditationen. Der Ätherleib strömt und breitet sich aus im Raum und fühlt sich in allem darinnen. Dasselbe ist auch im Tode, wenn der physische Leib den Ätherleib entlässt, der Fall im ersten Augenblick; das kann auch Tage dauern.

Ein seliges Gefühl ist es, wenn sich der Ätherleib wie aufgelöst im Raume fühlt. Und wäre der Astralleib nicht da, dann würde es so bleiben bis zur Neugeburt. Der Astralleib aber zieht den Ätherleib wieder zusammen durch seine Begierden, Triebe und Leidenschaften, und dadurch tritt der Mensch in Kamaloka ein.

In der Meditation nun soll dahin gestrebt werden – und das wird nach jahrelangen Mühen auch dahin gebracht -, dass das Innere des Menschen sich durchleuchtet fühlt. Er selbst wird zum Licht, zum Leuchter, der die Gegenstände in der geistigen Welt beleuchtet, die an ihn herantreten. Die Erscheinungen, die wir in solchen Momenten tiefster Seelenruhe haben, sind dann nicht wie solche des physischen Lebens, so dass wir sie von außen ansehen, etwa wie wenn wir am Horizont morgens die Sonne aufgehen sehen, sondern – um das Beispiel der Sonne beizubehalten – wir werden uns dann selbst in der Sonne, die da am Horizont unseres hellseherischen Bewusstseins aufsteigt, darinnenfühlen. Aufgeteilt im Raume fühlen wir uns da.“

GA 266b, S. 180 ff.

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Innere Entwicklung durch Anthroposophie
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