ÜBER DAS KOMISCHE UND SEINEN ZUSAMMENHANG MIT KUNST UND LEBEN. Rudolf Steiner

Aus: GA 271

ÜBER DAS KOMISCHE UND SEINEN ZUSAMMENHANG MIT KUNST UND LEBEN – R.Steiner
um 1890/91

Inhaltsübersicht:
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Dem Inhalte nach hat es die Kunst mit dem Sinnlichen, der Form nach mit dem Ideellen zu tun. Stellt die Wissenschaft die Idee nach Inhalt und Form dar, die Natur ebenso das Sinnliche nach Form und Inhalt, so tritt mit der Kunst ein neues Reich auf, das Reich des Sinnlichen im Gewände des Göttlichen…
Das Reich des unideellen Sinnlichen ist die Wirklichkeit, das Reich des unsinnlichen Ideellen ist die Wissenschaft, jenes des Sinnlich-Ideellen ist die Kunst. Das erste Reich treffen wir, wenn wir mit gesunden Sinnen unsere Umgebung betrachten, das zweite, wenn wir uns in das Gebiet unseres Denkens versenken, das dritte finden wir nirgends als fertig vor; wir müssen es selbst schaffen…
Der ästhetische Schein ist das durch den schaffenden Menschengeist durchgöttlichte Sinnliche…
Immer weniger dem zu unterliegen, was die Natur fordert, und immer mehr dem zu folgen, was der Geist als Idee erkannt hat, das befreit den Geist…
Ich folge nicht um meiner Individualität willen, sondern wegen des erkannten Objektes. Ein solches Handeln ist, obgleich es wahrhaftig erst aus dem Seihst entspringt, vollkommen selbstlos…
Das erste, was uns in der Welt entgegentritt, ist die unendliche Mannigfaltigkeit der sinnlichen Dinge, die doch in Wahrheit der letzte Ausfluß des Urprinzipes sind. Die Sinne erfassen diese Mannigfaltigkeit, der Verstand ordnet, vergleicht sie und bildet dadurch Begriffe, die Vernunft erschaut dann die innere Einheit in dieser Vielheit. Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft sind aber die drei Vermögen, durch die wir das Weltall erfassen. Die Sinnlichkeit bringt uns die geistentblößte Natur, der Verstand die Vielheit der Begriffe, die Vernunft die über allem thronende göttliche Idee…
…der Verstand von den einzelnen Dingen entwirft, ist überhaupt das Unwirklichste, was es in der Welt gibt. Denn in der Weltenordnung gibt es kein Einzelnes für sich; alles ist im Zusammenhange und Flusse der Dinge notwendig begründet. Wer nicht das große Ganze im Auge hat und nur das Einzelne daran mißt, der kann nie die Wahrheit erkennen
Das «Was» ist die Sinnlichkeit, das «Wie» der Verstand mit seinem nicht in der Natur des Ganzen begründeten Inhalte…
Wer kein Verständnis für den Widerspruch hat, der hat es auch nicht für die Komik. Dabei kann freilich der Fall eintreten, daß uns die Wahrnehmung eines solchen Widerspruches sogar in eine trübe Stimmung versetzt. Dann aber betrachten wir die Sache auch anders. Wir blicken nicht mehr auf das verstandesmäßig Widerspruchsvolle, sondern auf die Disharmonie…
Der Melancholiker hat wohl das Bedürfnis für den tiefen Einklang, aber er hat nicht die geistige Kraft, ihn zu erfassen. Daher fehlt ihm auch der Sinn, um über die Verkehrtheiten zu lachen. Was er ernst nehmen sollte, das fehlt ihm; daher nimmt er dasjenige ernst, was nicht als solches gelten kann. Der Humorist kann ohne Sorge über die Verkehrtheit lachen, denn er weiß, daß diese nicht auf dem Grunde, sondern an der Oberfläche liegt…
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ÜBER DAS KOMISCHE UND SEINEN ZUSAMMENHANG MIT KUNST UND LEBEN – R.Steiner

Wenige der ästhetischen Grund-Ideen haben unter den irrtümlichen Voraussetzungen der deutschen Schönheitswissenschaft mehr gelitten als die des «Komischen». Wenn man, wie die deutschen Ästhetiker tun, die Schönheit dadurch erklärt, daß die Idee (das Göttliche) in einem sinnenfälligen Bilde erscheint, so bieten sich der Begriffsbestimmung des Komischen unübersteigliche Schwierigkeiten.

Denn unter dieser Voraussetzung haben wir im Kunstprodukte (in dem schönen Gegenstande) zweierlei zu unterscheiden: erstens das sinnenfällige Bild, das stoffliche Produkt aus Marmor, Farbe, Ton, Wort und so weiter, und zweitens die Idee, die durch dieses Bild zur Anschauung gebracht wird. Da können nun drei Fälle eintreten.

I. Es können sich die Idee und das anschauliche Bild vollkommen decken, so daß die Idee nicht zu hoch, zu geistig, zu überragend ist, um durch dieses Bild dargestellt zu werden, und das Bild kann in gleicher Hinsicht würdig, bedeutend, der Idee angemessen sein. In diesem Falle ist eine vollkommene Harmonie zwischen Idee und Anschauung vorhanden, keine überragt die andere, eine jede ist der andern gewachsen. Wir verspüren nirgends ein Hinausgehen, nirgends ein Zurückbleiben. Die deutschen Ästhetiker glauben nun, wenn dieses eintritt, so haben wir es mit dem «einfach Schönen», mit dem «Schönen an sich» zu tun.

II. Kann es eintreten, daß die Idee bedeutender, größer erscheint als die Anschauung, daß sie dieselbe überragt, über sie hinausgeht, so daß die Anschauung zu unbedeutend, klein, mangelhaft erscheint, um das Göttliche (die Idee) in ihrem vollen Umfange zu fassen. Das Gefäß ist dann nicht groß genug, um den Inhalt (die Idee) in sich aufzunehmen. Während wir dem «einfach Schönen» gegenüber die Befriedigung über die Harmonie zwischen Göttlichem (Ideellem) und Irdischem (Reellem) empfinden, müssen wir hier bewundernd der Größe der Idee gegenüberstehen, die so ungeheuer erscheint, daß wir kein ihr angemessenes Bild finden können. Wir haben es in diesem Falle mit dem Erhabenen zu tun.

III. Nun ist nur noch der entgegengesetzte Fall möglich; nämlich, daß das Bild (die Anschauung) größer, bedeutender, gewaltiger erscheint als die Idee. Während im zweiten Falle die Idee durch ihre Große die Harmonie stört, fällt hier die Disharmonie auf Rechnung des Überwiegens des sinnenfälligen Bildes. Das letztere drängt sich vor, bäumt sich wider die Idee auf, empört sich gegen das Göttliche. Hierinnen kann man konsequenterweise nur das Häßliche finden. Wenn man nun noch bedenkt, daß das Tragische nur ein spezieller Fall des Erhabenen ist, so hat man mit den vier Begriffen: schön, erhaben, tragisch, häßlich das Inventar der Ästhetik erschöpft, und für das Komische ist kein Platz. Denn es ist leicht einzusehen, daß außer den angeführten drei Fällen ein vierter nicht mehr möglich ist.

Ganz anders stellt sich die Sache mit Zugrundelegung der von mir («Goethe als Vater einer neuen Ästhetik») aufgestellten Idee des Schönen.

Die Kunst kann nie und nimmer die Aufgabe haben, die Idee selbst darzustellen. Denn dieses ist die Aufgabe der Wissenschaft. Wären die Grundgedanken der deutschen Ästhetik richtig, dann gäbe es dem Inhalte nach eigentlich gar keinen Unterschied zwischen Wissenschaft und Kunst. Die letztere hätte nur das in anschaulicher Form darzustellen, was die erstere durch das Wort (den Gedanken) ausspricht.

Diese einfache Überlegung beweist, daß die Kunst eine ganz andere Aufgabe haben muß. Und diese ist die gerade entgegengesetzte wie jene der Wissenschaft. Hat diese das Göttliche in Form des unmittelbaren Denkens darzustellen, so wie es über dem Sinnlichen schwebt, in reiner ideeller Form, so hat die Kunst das Sinnliche, Anschauliche, Bildliche hinaufzuheben in die Sphäre des Göttlichen. Wenn wir der Natur, dem Wirklichen unmittelbar gegenüberstehen, finden wir dieselben weder göttlich noch ungöttlich, weder ideenerfüllt noch ideenleer, sondern einfach gegen die Göttlichkeit, gegen die Idee gleichgültig. Der Denker blickt durch diese gleichgültige Hülle hindurch und schaut die Idee in der Form des Gedankens. Aber er muß zu diesem Zwecke die unmittelbare Wirklichkeit überspringen, muß durch sie hindurch und über sie hinausblicken.

Wer bei der bloßen Wirklichkeit stehenbleibt, kann nicht zur Idee kommen. In anderer Weise tritt der Künstler an die Wirklichkeit heran. Er überschreitet die Wirklichkeit nicht, er nimmt sie liebevoll auf, ja, er lebt und webt im Sinnlichen, Stofflichen, Wirklichen. Was er darstellt, sind Gegenstände der unmittelbaren Natur, des realen Daseins. Wir treffen in den Schöpfungen der Kunst dem Inhalte (dem «Was») nach nichts, was wir nicht auch in der Natur antreffen können. Der Künstler ändert nur die Form (das «Wie»). Er stellt Gegenstände der Wirklichkeit dar, aber anders, als wie wir sie in der wirklichen Welt finden. Er stellt sie dar, als wenn sie so notwendig, so gesetzerfüllt, so göttlich wären wie die Idee.

Dem Inhalte nach hat es die Kunst mit dem Sinnlichen, der Form nach mit dem Ideellen zu tun. Stellt die Wissenschaft die Idee nach Inhalt und Form dar, die Natur ebenso das Sinnliche nach Form und Inhalt, so tritt mit der Kunst ein neues Reich auf, das Reich des Sinnlichen im Gewände des Göttlichen.

Wollte nun jemand behaupten, es sei auch möglich, daß jemand das Göttliche im Gewände des Sinnlichen darstelle, so widerlegt sich das damit, daß niemand an einer solchen Aufgabe ein Interesse haben kann. Denn man kann mal das Bedürfnis haben, das Tieferstehende, weniger Wertvolle in das Gebiet des Höherstehenden, Wertvolleren hinaufzuheben, nicht aber jenes an dem Gegenteil. Gerade aus der Unbefriedigung an dem Wirklichen in seiner ureigenen Gestalt geht die Sehnsucht hervor, es zu vergöttlichen. Warum sollte man aber das Göttliche, das an sich schon die höchste Befriedigung gewährt, in eine andere Form bringen wollen?

Das Reich des unideellen Sinnlichen ist die Wirklichkeit, das Reich des unsinnlichen Ideellen ist die Wissenschaft, jenes des Sinnlich-Ideellen ist die Kunst. Das erste Reich treffen wir, wenn wir mit gesunden Sinnen unsere Umgebung betrachten, das zweite, wenn wir uns in das Gebiet unseres Denkens versenken, das dritte finden wir nirgends als fertig vor; wir müssen es selbst schaffen. Hat das Reich der Natur sinnenfällige Wirklichkeit, jenes der Wissenschaft eine rein geistige, so hat das Reich der Kunst überhaupt keine Wirklichkeit. Man nennt daher die Sphäre der Kunstprodukte jene des ästhetischen Scheines. Der ästhetische Schein ist das durch den schaffenden Menschengeist durchgöttlichte Sinnliche.

Nun müssen wir ins subjektive Gebiet abschweifen und untersuchen, aus welcher Grundstimmung der Persönlichkeit die Sehnsucht nach der Kunst und nach dem Kunstgenüsse hervorgeht.

Alles höhere Streben des Menschen ist ein Streben nach Freiheit. Frei über den Trieben der Natur, frei über den Gesetzen der Sinnlichkeit, frei über Leidenschaften und Menschensatzungen zu walten, das ist des bessern Menschen Weg und Ziel. Immer weniger dem zu unterliegen, was die Natur fordert, und immer mehr dem zu folgen, was der Geist als Idee erkannt hat, das befreit den Geist. Freiheit ist Herrschaft des Geistes über die Natur, der Idee über die Wirklichkeit. Was ich den Gesetzen der Natur gemäß vollbringe, das muß ich tun, ebenso wie der Regentropfen nach einem unabänderlichen Gesetze zur Erde fallen muß. Handle ich nur aus solchen natürlichen Antrieben, so bin ich kein wahres Selbst, keine freie Persönlichkeit, denn ich treibe mich nicht selbst, ich werde getrieben, ich will nicht, ich muß.

Je mehr ich aber das Licht des Geistes in mir entzünde, desto freier werde ich. Jetzt erst kann ich sagen: ich bin es, der da handelt, der etwas vollbringt. Zugleich tritt der Umstand hinzu, daß ich weiß, welchem Lichte ich folge, daß ich das Objekt, auf das mein Handeln abzielt, in reiner, durchsichtiger Form im Geiste vor mir habe. Ich folge nicht um meiner Individualität willen, sondern wegen des erkannten Objektes.

Ein solches Handeln ist, obgleich es wahrhaftig erst aus dem Selbst entspringt, vollkommen selbstlos. Denn es wird von dem Selbst nicht um des Selbstes willen vollbracht. Eine solche Handlung ist eine Handlung aus Liebe, das ist eine aus voller Hingabe des Selbstes an das Objekt hervorgegangene. Im tiefsten Grunde erfaßt sind also wirklich freie Taten nur die Taten aus Liebe.

Die Schöpfungen des Künstlers sind nun (neben anderen) solche Taten aus Liebe. Denn er sucht die sinnliche Wirklichkeit zu überwinden, indem er sie vergeistigt. Er will ein solches Werk vor unsere Sinne zaubern, welches bei aller Sinnenfälligkeit nicht von Naturgesetzen, sondern von Geistesgesetzen durchzogen ist. Was an dem Objekte nur natürlich ist, soll abgestreift, überwunden und so hingestellt werden, als wenn es ein Göttliches wäre.
Die Kunst ist ein fortdauernder Befreiungsprozeß des menschlichen Geistes und zugleich die Erzieherin der Menschheit zu dem Handeln aus Liebe. Wer es vermag, in die volle Tiefe eines wahrhaft großen Kunstwerkes hineinzuschauen, der wird ihn verspüren, jenen hehren Zug nach oben, der nur für die Dauer der Betrachtung wirklich Raum und Zeit und die eigene Persönlichkeit vergessen und uns vollständig in das angeschaute Objekt verlieren läßt. Nur wer die volle, reine und ungetrübte Liebe kennt, wird auch dieses selbstvergessende Schauen völlig verstehen. Wer die wahre Liebe nicht kennt, wird wohl auch der wahren Kunst stets fremd gegenüberstehen.

Wenn wir nun annehmen müssen, daß im Kunstwerke der menschliche Geist den Stoff durchgöttlicht, so wird es von dem geistigen Vermögen, das er dabei betätigt, abhängen, zu welcher Gattung das Kunstwerk gehört.

Wir müssen uns dabei gegenwärtig halten, daß dasjenige, wozu unser Geist zu allerletzt kommt, in der Welt das erste und oberste ist. Die ideelle Einheit, das Urprinzip der Dinge geht gewiß allen Dingen der Welt voran. Wir in unserem geistigen Streben kommen aber zuletzt zu diesem Urprinzipe.
Das erste, was uns in der Welt entgegentritt, ist die unendliche Mannigfaltigkeit der sinnlichen Dinge, die doch in Wahrheit der letzte Ausfluß des Urprinzipes sind. Die Sinne erfassen diese Mannigfaltigkeit, der Verstand ordnet, vergleicht sie und bildet dadurch Begriffe, die Vernunft erschaut dann die innere Einheit in dieser Vielheit.

Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft sind aber die drei Vermögen, durch die wir das Weltall erfassen. Die Sinnlichkeit bringt uns die geistentblößte Natur, der Verstand die Vielheit der Begriffe, die Vernunft die über allem thronende göttliche Idee.

Gehen wir nun auf Grund unserer Erklärung des Schönen einen Schritt weiter, so müssen wir uns fragen, inwieferne kann unter Voraussetzung der obigen drei Vermögen der sinnenfällige Stoff von dem Künstler umgearbeitet werden?

Vor allem steht fest, daß die Sinne überhaupt keine Umarbeitung vornehmen können, denn es ist ihre Aufgabe, die Wirklichkeit so treu, so unverwandelt wie möglich zu erfassen. Der Verstand, der von den einzelnen Dingen Begriffe bildet, hat es schon mit Geistigem zu tun, er hat zwar noch eine Vielheit, aber schon eine aus der Sinnlichkeit herausgehobene. Dem Verstände ist es somit schon möglich, die Natur zu vergeistigen. Von der Vernunft braucht das kaum gesagt zu werden, denn sie erfaßt ja den Inbegriff alles Geistigen.

Daraus folgt unmittelbar: Der Künstler kann den Stoff der unmittelbaren Wirklichkeit so umwandeln, daß er in der Form erscheint, als wenn er entweder vom Verstände oder von der Vernunft selbst durchzogen wäre. Die Kunst hat es also mit Werken zu tun:
1. die dem Inhalte nach dem Leben der Wirklichkeit, der Form nach der verständigen Ordnung der Dinge entsprechen;
2. solche, die dem Inhalte nach diesem wirklichen Leben, der Form nach aber der vernünftigen Ordnung und Einheit der Welt entsprechen.
Wenn der Künstler dem Zuge der Vernunft folgend die Wirklichkeit umgestaltet, so erfüllen uns seine Werke deshalb mit solch hoher Befriedigung, weil er dadurch die Dinge, die aus seiner Hand stammen, so hinstellt, als wenn sie unmittelbar aus dem Urprinzipe selbst ausflössen. Der Künstler bringt uns durch das von der göttlichen Einheit durchglühte Werk dem Geiste der Welt näher. Deshalb brach Goethe beim Anblick der griechischen Kunstwerke in den bewundernden Satz aus: «Da ist Notwendigkeit, da ist Gott; es ist, als ob diese ewigen Dinge von der schaffenden Natur selbst hervorgezaubert wären.»

Wir erblicken also in dem ästhetischen Schein, den uns das Kunstwerk liefert, keinen Widerspruch mit den Tiefen der Wirklichkeit, sondern nur mit deren Oberfläche. Es ist eben eine höhere Wirklichkeit, die die Kunst vor uns darstellt.

Wie verhält sich aber das, wenn der Künstler nicht die Vernunft, sondern den Verstand beim Umformen der Wirklichkeit in sich walten läßt?
Der Verstand ist ein Mittelding zwischen Sinnlichkeit und Vernunft. Er entfernt sich von der ersteren und kommt nicht bis zu der letzteren. Er hat nicht mehr die oberflächliche Wahrheit, die in der einfachen Kopie der sinnlichen Wirklichkeit liegt, aber auch noch nicht jene, die in der Tiefe der Vernunftanschauung liegt.

Der Begriff, den der Verstand von den einzelnen Dingen entwirft, ist überhaupt das Unwirklichste, was es in der Welt gibt. Denn in der Weltenordnung gibt es kein Einzelnes für sich; alles ist im Zusammenhange und Flusse der Dinge notwendig begründet. Wer nicht das große Ganze im Auge hat und nur das Einzelne daran mißt, der kann nie die Wahrheit erkennen. Ich kann mir in verständiger Weise einen Begriff von einem einzelnen Dinge machen: Wahrheit ist nicht in diesem Begriffe, solange das Licht der Vernunft ihn nicht beleuchtet. Wenn ich mir zwei Begriffe bilde, so können diese in den Tiefen der Weltordnung in einer innern Einheit sein, der Verstand hat aber nur die einzelnen Begriffe, die in dieser Getrenntheit gar nicht zusammenstimmen müssen, sondern nebeneinander hergehen.

Die sinnenfälligen Dinge nun, die der menschliche Geist so umbildet, als wenn sie vom Verstände durchzogen wären, werden somit in krassem Widerspruche mit jeglicher Wirklichkeit stehen. Im Verstände selbst fällt das Unzusammengehörige seiner Begriffe natürlich nicht auf, weil er sie als getrennte stehen läßt. Wenn sie aber in diesem ihrem inneren Widerspruche nebeneinander an einem Gegenstände erscheinen, dann tritt derselbe unmittelbar vor das Auge. Ich kann mir verstandesmäßig einen Begriff bilden von dem Geiste eines Menschen. Ich stelle mir denselben zum Beispiel erhaben, groß vor. Daneben bilde ich mir auch einen Begriff von seiner äußeren Erscheinung. Diese sei klein, unauffällig, linkisch, vielleicht täppisch. Nebeneinander denken kann ich diese beiden Begriffe ganz gut. Wenn sie mir aber leibhaftig auf der Bühne in einer Person vereinigt entgegentreten, dann gewahre ich den Widerspruch mit dem, was naturgesetzlich möglich ist.
Wie groß ich mir den Kopf eines Menschen vorstelle, ist vollständig gleichgültig, solange ich über den Kopf nicht hinausgehe. Wenn ich aber einen großen Kopf mit einem kleinen Körper zusammenstelle und dieses Beisammensein in einem wirklichen Bilde darstelle, so gewahre ich den Widerspruch gegen das Seinsmögliche.

Das Gewahrwerden eines solchen Widerspruches zwischen einem geschaffenen Gegenstande und seiner inneren Möglichkeit bewirkt in uns die Empfindung des Komischen.
Das Komische ist also ein sinnenfällig Wirkliches in der Form des verstandesmäßigen Widerspruches. Das «Was» ist die Sinnlichkeit, das «Wie» der Verstand mit seinem nicht in der Natur des Ganzen begründeten Inhalte.
Wo immer man ein Komisches untersucht: man wird finden, daß das, was der schaffende Mensch aus seinem Stoffe gemacht hat, der tieferen, innern Natur, der Grundgesetzlichkeit des Seins widerspricht. Und wer immer diesen Widerspruch zu durchschauen vermag, der empfindet ihn als Komisches.
Die befreiende Wirkung, die in dem Lachen über einen komischen Gegenstand liegt, ist darinnen begründet, daß der Mensch, der den Widerspruch einsieht, sich über seinem Gegenstande fühlt; er glaubt die Sache besser zu verstehen, als sie hier in der Darstellung vor ihm auftritt. Wer den Widerspruch nicht durchschaut, der kommt auch um die Wirkung des Komischen.

Daher kann ein und derselbe Gegenstand auf den einen komisch wirken, auf den andern nicht. Wer kein Verständnis für den Widerspruch hat, der hat es auch nicht für die Komik. Dabei kann freilich der Fall eintreten, daß uns die Wahrnehmung eines solchen Widerspruches sogar in eine trübe Stimmung versetzt. Dann aber betrachten wir die Sache auch anders. Wir blicken nicht mehr auf das verstandesmäßig Widerspruchsvolle, sondern auf die Disharmonie, in der ein Einzelnes mit dem Ganzen steht. Das aber hat schon seinen Grund in einer Vernunftanschauung. Und hier hört die Komik auf. Das ist namentlich der Fall, wenn wir ein Unzusammenhängendes in der Natur selbst wahrnehmen, zum Beispiel ein Mißgestaltetes, Verkrüppeltes. Hier fassen wir die einzelnen Teile nicht mehr verstandesmäßig auf, sondern wir erblicken den Gegensatz zwischen dem, was geworden ist, und dem, was hätte werden sollen und können, und dies führt uns tiefer als bis zu einem bloßen Anschauen des Verstandesmäßigen.

Daher rührt es, daß es eigentlich wenig unmittelbar Komisches in der Natur selbst gibt. Das Komische ist zumeist Menschenschöpfung.
Der Mensch kann bei der Darstellung des Komischen sogar ganz unmittelbar die Absicht haben, durch das Bildliche, das Anschauliche, das zu erreichen, was durch die Vorführung der bloßen, sich widersprechenden Begriffe eben nicht erzielt werden kann: zur Erkenntnis des Widerspruches zuführen. Was in Gedanken nicht den notwendigen Eindruck macht, das tut die anschaubare Darstellung. Diese Absicht hat die Ironie, die komische Satire. Auch die Parodie und Travestie wollen nichts anderes, als das Paradoxe des einen durch Danebenstellen des Gegensatzes lächerlich machen.

Es liegt in der Natur des Komischen, daß es einen weit größeren Kreis von Genießern findet als die übrigen Kunstformen. Denn der Mensch braucht nur die widerspruchsvollen Einzelheiten mit dem Verstände zu erfassen; die Anschauung des Widerspruches selbst liefert ihm das Bild, die Darstellung. Zur Vernunftanschauung sich zu erheben, ist hier gar nicht notwendig.

Es liegt ferner ebenso im Wesen des Komischen, daß es vorzüglich dazu dient, um die menschliche Torheit vorzuführen. Die Torheit besteht ja doch darinnen, daß man Verkehrtes, Sich-Widerspre-chendes für ein Wirkliches hält. Würde man die Wahngebilde des Toren ihm äußerlich vorführen in sinnenfälliger Darstellung, er würde vielleicht von seiner Torheit leichter überzeugt werden als auf andere Weise.
Der ernste Künstler, der nicht aus dem Ganzen, Vollen schafft, sondern sein Werk aus Einzelheiten zusammenstoppelt, kann leicht dadurch unwillkürlich ein Komisches schaffen. Ebenso führen wir mit unserer eigenen Person unseren Nebenmenschen ein komisches Objekt vor, wenn wir Handlungen begehen, in denen für die Zuschauer nichts anderes als der dargelebte Widerspruch grell zutage tritt.
Die Wirkung des Komischen hängt dabei natürlich immer davon ab, wie hoch der Beurteiler über dem komischen Objekte steht, das heißt mit andern Worten, inwieferne er fähig ist, den Widerspruch in seiner vollen Tiefe zu erfassen. Dem Weisen wird es zum Beispiel einen komischen Eindruck machen, wenn er so viele Menschen sich im Leben um eine Sache bemühen, sie schätzen und anbeten sieht, die ihm so gar nicht schätzens- oder anbetungswert erscheint.

Aus dem Früheren geht hervor, daß er beim Eindrucke des Komischen nur so lange bleiben kann, solange er bei der Erfassung des Widerspruches mit dem Verstände stehen bleibt. Dringt er tiefer und bedenkt die Mühe, die die Menschheit an die leere Nichtigkeit wendet, dann muß er die Sache freilich ernster ansehen.
Dem Toren hinwiederum wird manches einen komischen Eindruck machen, worüber der Weise durchaus nicht lachen kann. Wenn jener ein Ding nur seiner Außenseite nach betrachtet und dessen Tiefe nicht einsieht, so mag er über das Widerspruchsvolle dieser Oberfläche wohl lachen. Gerade, was besser angelegte Naturen tun, wird so oft belacht, weil es nicht verstanden, wohl aber der Widerspruch gesehen wird, in dem diese Handlungen mit dem stehen, was im Leben das Gewöhnliche ist.

Wer einen Sinn hat für das Auffinden des Widersprechenden im Leben und für das Verknüpfen des sich Widersprechenden, nur vom Verstände künstlich Zusammenzubringenden, der wird sich zur Darstellung des Komischen besonders eignen. Der Witz ist nichts anderes als das Spiel des Verstandes, der in ganz ferne Liegendem Ähnliches aufsucht und durch die folgende Zusammenstellung einen offenbaren Widerspruch darbietet.
Die Wirkung des Komischen hängt ferner davon ab, in welchem Grade der Widerspruch den immer ja doch vorhandenen, wenn auch geringen Einklang überwiegt. Ganz und gar Fremdes ist ja auch aus dem Reiche des Komischen ausgeschlossen. Wir können sagen: Das Komische entspricht dem Verstände, aber es widerspricht der Sinnlichkeit sowohl wie der Vernunft.

Wer den Widerspruch wahrnimmt, aber den Verstand für die Vernunft nimmt, und statt zu lachen, über die Disharmonie betrübt ist, der hat keinen Sinn für das Komische. Er wird überall nur Widersprüche sehen und diese für das «Eins und alles» der Welt halten. Dies führt zur Gemütsstimmung des Melancholikers. Wer hingegen davon überzeugt ist, daß hinter dem Verstände die Vernunft, hinter dem Widerspruch die innere, höhere Einheit waltet, der kann über die Disharmonie ruhig lachen.

Ja, er kann sogar bis zu der Ansicht fortschreiten: wo Widerspruch ist, da ist nur der Verstand im Spiele; vernünftig, tiefer betrachtet kommt man immer zur Harmonie. Ein solcher Mensch lebt in dem Glauben, daß der Widerspruch immer oberflächlich, nie tief ist; er nimmt ihn daher immer leicht; als etwas, was das Leben von der Einförmigkeit und Einerleiheit befreit, welches aber sofort verschwindet, wenn man tiefer dringt. Dieser Mensch lacht über das sich Widersprechende und wird ernst gegenüber dem göttlichen Einklänge der Dinge. In ihm finden wir die Grundstimmung des Humors.

Es ist noch ein dritter Fall möglich. Man kann wohl ein Organ für die Wahrnehmung des Widerspruches haben, dabei aber keines für die Einheit und Idealität. Ein solcher Mensch kann wohl das Verkehrte, Kleinliche, Unvernünftige verstehen, aber dieses Verständnis ist nicht getragen von dem Sinne für die Tiefe. Dieser Mensch kann wohl lachen, nicht aber wahrhaft ernst und fromm sein. Das ist die Grundstimmung der Frivolität. Der Melancholiker hat wohl das Bedürfnis für den tiefen Einklang, aber er hat nicht die geistige Kraft, ihn zu erfassen. Daher fehlt ihm auch der Sinn, um über die Verkehrtheiten zu lachen. Was er ernst nehmen sollte, das fehlt ihm; daher nimmt er dasjenige ernst, was nicht als solches gelten kann. Der Humorist kann ohne Sorge über die Verkehrtheit lachen, denn er weiß, daß diese nicht auf dem Grunde, sondern an der Oberfläche liegt, und er hat einen Sinn für die Dinge auf dem Grunde des Weltendaseins.
Der Frivole hat nur Sinn für das Oberflächliche, aber auch nur das Bedürfnis darnach. Er kennt die Tiefe nicht und will sie nicht kennen. Er lebt an der Oberfläche.
Damit hätten wir den Kreis beschlossen, den wir durchwandern wollten. Wir haben die Idee des Komischen als einer Form des ästhetischen Scheines aufgezeigt und auch die Stellung, welche diese Idee dem Leben gegenüber hat, charakterisiert. Das Komische ist eben nicht bloß eine willkürliche Schöpfung des Menschen, es ist die Art, wie man allein die in vieler Beziehung widerspruchsvolle Außenseite des Lebens anschauen und darstellen soll.

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