…Und die Menschen, welche jetzt am aller-meisten schimpfen über Reinkarnation und Karma…

WIEDERVERKÖRPERUNG UND KARMA
Rudolf Steiner:

…Und die Menschen, welche jetzt am aller-meisten schimpfen über Reinkarnation und Karma, sie werden sich geradezu winden unter der Qual des nächsten Lebens, weil sie sich nicht erklären können, wie das Leben so hat werden können. Nicht um sich eine gewisse Rücksehnsucht nach dem vorhergehenden Leben anzueignen, wird jetzt Anthroposophie getrieben von den Menschen, sondern um Verständnis zu haben für das, was für die gesamte Menschheit einmal auftreten wird, wenn die Menschen, die heute leben, wieder da sein werden. Die Menschen, die heute Anthroposophen sind, werden die Anlage mit den anderen teilen, daß sie sich wieder erinnern wollen; aber sie werden Verständnis haben und dadurch innere Harmonie in bezug auf ihr Seelenleben.

REINKARNATION und KARMA – Teil 5
Der erste Schritt – Ausklang erster Vortrag –

GA 135 (17-23) „Wenn der Mensch solche Dinge verfolgt, daß er auf der einen Seite sagt: Ich will einmal recht sehr wünschen und wollen, was ich doch gegen meinen Willen geworden bin und wofür ich am wenigsten
Veranlagung habe – dann kann er wissen: Es werden sich mir die Vorstellungen, die ich da gewinne, zusammenformen zu dem Bilde meiner vorhergehenden Inkarnation. – Dieses Bild der vorhergehenden Inkarnation wird sich mit einer großen Bestimmtheit schon ergeben, wenn man Ernst macht mit denjenigen Dingen, die jetzt einmal etwas genauer charakterisiert worden sind. Man wird nämlich tatsächlich merken, daß man an der ganzen Art und Weise, wie sich einem die Vorstellungen, die man so gewonnen hat, zusammenfügen, empfinden wird: Dieses Bild ist mir eigentlich ziemlich nahe; es ist gar nicht weit von mir. Oder man wird fühlen: Es ist ein Bild weit, weit weg von mir. Wenn man nämlich durch die Ausarbeitung der Vorstellungen, die heute geschildert worden sind, ein solches Bild seiner vorhergehenden Inkarnation sich vor die Seele gemalt hat, dann wird man in der Regel abschätzen können, wie stark verblaßt dieses Bild ist. Man wird das Gefühl haben wie aus einer Empfindung heraus: Du stehst hier; dein Vater, dein Großvater, dein Urgroßvater können nicht das Bild sein, das da vor dir steht. – Wenn man aber das Bild auf sich wirken läßt, dann bekommt man in der Tat durch Gefühl und Empfindung die Meinung: So und so viele Personen stehen zwischen dir und diesem Bilde! – Nehmen wir einmal an, man bekommt dieses Gefühl – und ein solches stellt sich heraus -, zwischen einem selbst und diesem Bilde stünden zwölf Personen, und ein anderer bekäme das Gefühl, zwischen ihm selbst und dem Bilde stünden sieben Personen. Ein solches Gefühl aber bekommt man, und dieses Gefühl ist außerordentlich wichtig. Denn wenn zum Beispiel zwölf Personen zwischen einem selbst und diesem Bilde stehen, so braucht man nur durch drei zu dividieren und würde dann vier herausbekommen. Das sind dann in der Regel die Jahrhunderte, die einen von der vorhergehenden Inkarnation trennen. Also ein Mensch, der das Gefühl haben würde, daß er von dem Bilde, das ich seiner Entstehung nach geschildert habe, um zwölf Menschen entfernt ist, daß es um zwölf Personen über ihm ist, er müßte sich sagen: Meine vorhergehende Inkarnation fallt vier Jahrhunderte vor die jetzige. – Das ist nur als ein Beispiel angeführt; es wird in den wenigsten Fällen so sein, aber man kommt dadurch zu einer Schätzung. Die meisten werden finden, daß sie auf diese Weise richtig abschätzen können, wann sie vorher dagewesen sind. Nur sind die Voraussetzungen dazu natürlich etwas schwierig.

Damit haben wir eigentlich Dinge berührt, welche dem
Gegenwartsbewußtsein ja so ferne wie möglich liegen. Und es ist ganz und gar nicht zu bezweifeln, daß, wenn irgend jemand diese Dinge Leuten erzählte, die dafür unvorbereitet sind, sie dann finden werden, daß das ja wirklich unverantwortliche Phantastereien sind. Nun ist es schon einmal das Schicksal der anthroposophischen Weltanschauung, daß sie von allen bisherigen Weltanschauungen am allerallermeisten in einer gewissen Weise sich entgegenstellen muß dem, was das Hergebrachte ist. Denn das Hergebrachte ist im weitesten Umfange, wie es einem entgegentritt, der krasseste, der ödeste Materialismus.
Und gerade da, wo uns gewisse Weltanschauungen so entgegentreten, als ob sie am allerfestesten auf dem Boden wissenschaftlicher Weltanschauung ständen, da sind sie tatsächlich so, daß sie am ödesten aus einer gewissen materialistischen Grundanschauung herauswachsen. Da nun die Anthroposophie dazu verurteilt ist, in einer gewissen Weise selber für die große Welt der Weltanschauungen das zu sein, was heute verlangt worden ist für den Menschen, der eine Vorstellung bekommen soll von seiner vorhergehenden Inkarnation, so kann es begreiflich erscheinen, daß es dem gegenwärtigen Menschen sehr ferne liegen muß, anthroposophische Anschauungen ernst zu nehmen. Denn die Menschen werden ebenso abgeneigt sein, zu wünschen und zu wollen, was sie ihr Leben lang nicht gewünscht und gewollt haben, wie ihren Denkgewohnheiten ferne liegen die spirituellen Wahrheiten.

Nun könnte man die Frage auf werfen: Warum tritt denn gerade jetzt die spirituelle Wahrheit unter die Menschen? Warum läßt sie nicht den Menschen Zeit, sich zu entwickeln, bis sie reifer sind?

Das rührt davon her, daß auch wieder kaum ein größerer
Unterschied gedacht werden kann zwischen zwei aufeinanderfolgenden Menschheitsepochen, als er sein wird zwischen der Epoche, in der die gegenwärtige Menschheit lebt, und derjenigen, in welche die Menschheit hineinwachsen wird, wenn die jetzt lebenden Menschen wiedergeboren sein werden in der nächsten Inkarnation. Denn es hängt nicht von den Menschen ab, wie sich gewisse geistige Fähigkeiten herausbilden; das hängt ab von dem ganzen Sinn und der ganzen Bedeutung und dem ganzen Wesen der Erdentwickelung. Die Menschen sind jetzt nämlich am weitesten davon entfernt, an Reinkarnation und Karma zu glauben. Nicht die Anthroposophen — aber Anthroposophen sind ja nur wenige in der Welt -, nicht die, welche noch alten Religionsformen angehören, sondern die, welche heute die Träger des äußeren Kulturlebens sind, die sind heute am allermeisten davon entfernt, an Reinkarnation und Karma zu glauben. Nun wird merkwürdigerweise gerade diese Tatsache, daß die Menschen heute am allerwenigsten geneigt sind, an Reinkarnation und Karma zu glauben, verbunden mit dem, was die Menschen heute treiben und lernen, nämlich treiben und lernen, insofern dies in bezug auf intellektuelle Fähigkeiten eine Bedeutung hat – diese Tatsachen werden bewirken, daß bei diesen Menschen der Gegenwart in der nächsten Inkarnation das Gegenteil eintreten wird. Diese Menschen der Gegenwart werden in der nächsten Inkarnation – gleichgültig, ob sie spirituell oder materialistisch streben – starke Anlage haben, ihre vorhergehende Inkarnation zu empfinden. Ganz gleichgültig, was die Menschen der Gegenwart treiben: dadurch, daß sie Menschen der Jetztzeit sind, werden sie wiedergeboren werden mit einer starken Anlage und einer starken Sehnsucht, von der vorhergehenden Inkarnation etwas zu erfahren, etwas zu wissen. Wir stehen gerade an einer solchen Zeitenwende, welche die Menschen führt von einer solchen Inkarnation, in der sie am allerwenigsten wissen wollen von Reinkarnation und Karma, zu einer Inkarnation, in der in ihnen die lebendigste Empfindung sein wird: Das ganze Leben, das ich jetzt führe, steht für mich in der Luft, wenn ich nicht irgend etwas wissen kann über meine vorher-gehende Inkarnation. – Und die Menschen, welche jetzt am aller-meisten schimpfen über Reinkarnation und Karma, sie werden sich geradezu winden unter der Qual des nächsten Lebens, weil sie sich nicht erklären können, wie das Leben so hat werden können. Nicht um sich eine gewisse Rücksehnsucht nach dem vorhergehenden Leben anzueignen, wird jetzt Anthroposophie getrieben von den Menschen, sondern um Verständnis zu haben für das, was für die gesamte Menschheit einmal auftreten wird, wenn die Menschen, die heute leben, wieder da sein werden. Die Menschen, die heute Anthroposophen sind, werden die Anlage mit den anderen teilen, daß sie sich wieder erinnern wollen; aber sie werden Verständnis haben und dadurch innere Harmonie in bezug auf ihr Seelenleben. Die, welche heute die Anthroposophie zurückweisen, sie werden davon wissen wollen, und sie werden so etwas empfinden wie eine innere Qual nach etwas, was eben ihre vorhergehende Inkarnation wäre im nächsten Leben; sie werden aber nichts verstehen von dem, was sie am allermeisten drückt und quält; sie werden ratlos sein, werden innerlich disharmonisch sein. Und es wird ihnen gesagt werden müssen in der nächsten Inkarnation: Du lernst erst erkennen, was dir Qualen verursacht, wenn du dir vorstellst, daß du eigentlich im Ernste diese Qual gewollt haben könntest. – Natürlich werden alle Menschen diese Qual nicht wollen. Aber die Menschen, die heute Materialisten sind, werden dann in der nächsten Inkarnation anfangen, ihre innere Zerknirschtheit, ihre innere Öde und Qual zu begreifen, wenn sie befolgen werden die Anforderungen, den Rat derer, die dann werden wissen können und ihnen sagen: Stellt euch einmal vor, dieses Leben, wie ihr es fliehen möchtet, das hättet ihr gewollt. – Wenn sie anfangen werden, diesen Rat zu befolgen, nachzudenken darüber: Wodurch kann ich dieses Leben gewollt haben? – dann werden sie sich sagen:
Ach ja, da habe ich vielleicht gelebt in einer Inkarnation, in welcher ich gesagt habe: Was, ein anderes, nächstes Leben oder Inkarnation soll auf dieses Leben folgen? Unsinn! Dummheit! Wie kann man so etwas glauben! Dieses Leben erfüllt sich in sich selber, ist in sich abgeschlossen; das sendet keine Kräfte in ein späteres hinüber! Ja, weil ich dazumal die Empfindung gehabt habe, ein folgendes Leben ist nichtig, ist unsinnig, dadurch ist es nichtig und unsinnig geworden! Ich habe gerade den Gedanken in mich hineingepflanzt als Kraft, der mir jetzt das Leben so öde und leer macht!

Das wird ein richtiger Gedanke sein. So wird sich sozusagen
karmisch der Materialismus ausleben. Sinnvoll wird die nächste Inkarnation bei denjenigen Menschen sein, welche sich die Überzeugung verschafft haben, daß ihr Leben, wie es jetzt ist, eben nicht nur in sich erfüllt ist, sondern Ursachen enthält für das nächste. Unsinnig, leer und öde wird das Leben derer sein, die durch den Gedanken der Unsinnigkeit der Reinkarnation sich selber das Leben öde und nichtig gemacht haben.

So sehen wir, daß die Gedanken, die wir hegen, nicht etwa in einer gesteigerten Form in das nächste Leben hinübergehen, sondern umgewandelt als Kräfte im nächsten Leben auftreten. In der geistigen Welt haben eben Gedanken, so wie sie jetzt sind im Leben zwischen Geburt und Tod, keine Bedeutung, sondern sie haben nur eine Bedeutung in einer umgewandelten Form. Wenn jemand zum Beispiel einen großen Gedanken hat, so kann dieser Gedanke noch so groß sein: wenn der Mensch durch die Pforte des Todes geht, ist der Gedanke als Gedanke fort. Aber der Enthusiasmus und die Empfindung und das Gefühl, das aufgelebt hat unter dem Einfluß des Gedankens, das geht durch die Pforte des Todes. Von der Anthroposophie selber nimmt der Mensch nicht die Gedanken mit, wohl aber das, was er an den Gedanken erlebt hat – bis in die Einzelheiten, nicht nur die allgemeine Grundempfindung. Das ist das, was wir insbesondere festhalten wollen: daß Gedanken als solche für den physischen Plan das eigentlich Bedeutungsvolle sind, und daß wir, wenn wir von der Wirkung des Gedankens für die höheren Welten sprechen, zugleich sprechen müssen von einer Umwandlung dieser Gedanken nach den höheren Welten hinauf. Gedanken, welche also eine Wiederverkörperung leugnen, wandeln sich um in dem wiederverkörperten Leben in innere Nichtigkeit, in innere Leerheit des Lebens, und innere Nichtigkeit, innere Leerheit des Lebens wird als Qual, als Disharmonie empfunden. –
Sie können sogar durch einen Vergleich eine Vorstellung bekommen, wie eine solche innere Nichtigkeit und Leerheit verlaufen muß, wenn Sie sich denken, daß Sie etwas recht gerne haben und es immer dann gern sehen, wenn Sie an einen bestimmten Ort kommen. Sie haben sich zum Beispiel gewöhnt, eine bestimmte Blume in einem Garten an einem bestimmten Ort blühen zu sehen. Wenn dann die Blume von ruchloser Hand abgeschnitten wird, werden Sie Schmerz empfinden. Wenn Sie etwas, was Sie lieben, nicht haben, wenn Ihnen das fehlt, dann empfinden Sie Schmerz. So ist es mit der Gesamtorganisation des Menschen. Wodurch empfindet der Mensch Schmerz? Wenn der Ätherleib und der Astralleib eines Organs immer an eine bestimmte Stelle des physischen Leibes eingeschaltet sind, und wenn dieses Organ einen Schnitt bekommt und verletzt wird, so können der Ätherleib und der Astralleib nicht gut eingreifen. Es ist das gerade so, wie wenn Ihnen durch den Schnitt von ruchloser Hand die Rose im Garten an der bestimmten Stelle abgeschnitten wird. Der Ätherleib und der Astralleib finden dann nicht, wenn ein Organ verletzt wird, was sie suchen; das wird dann als leiblicher Schmerz empfunden. – So werden also die Gedanken, die sich der Mensch gemacht hat als fortwirkend in die Zukunft, ihm in der
Zukunft entgegentreten. Dagegen werden sie ihm fehlen, und er wird nichts finden, wo er sie suchen wird an einem bestimmten Ort, wenn er nichts hinübersendet von Glauben und Erkenntniskräften in die nächste Inkarnation, und dann wird er dieses Fehlen von etwas an einem Orte als Schmerz und Qual empfinden.

Dies sind Angaben, die uns von einer gewissen Seite den karmischen Verlauf gewisser Dinge klarlegen werden. Sie mußten gemacht werden, weil wir noch tiefer hineinsehen wollen in die Art und Weise, wie der Mensch noch weiter Veranstaltungen machen kann, um seinen eigentlichen geistig-seelischen Wesenskern zu erkennen.“ (23)

GA 135 WIEDERVERKÖRPERUNG UND KARMA
Erster Vortrag in Berlin, 23.1.1912, Seite 9-23.

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Die Logik der Reinkarnationen. Rudolf Steiner
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