„…ungefähr im Jahre 2200 wird eine Unterdrückung des Denkens in größtem Maßstabe auf der Welt losgehen“. / Rudolf Steiner

Es wird bei diesem Thema dringend empfohlen, sich erst mit den Grundlagen der Anthroposophie zu beschäftigen:
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Aus:
GA 167

RUDOLF STEINER
Gegenwärtiges und Vergangenes im Menschengeiste

Zwölf Vorträge, gehalten in Berlin vom 13. Februar bis 30. März 1916

VIERTER VORTRAG Berlin, 4. April 1916
Inhaltsübersicht:
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Wir haben ja zunächst gesehen, daß doch immerhin bedeutsam für das menschliche Leben angesehen werden können gewisse okkulte Strömungen, die sich in okkulten Verbrüderungen zum Ausdruck bringen…
Es ist im Grunde genommen dasjenige, was da als okkulte Brüderschaften gemeint ist, eine recht komplizierte Sache…
…Ordenszusammenhängen einer Freimaurerei, in der ja Goethe war, die vielleicht weniger bedeutenden Leuten als Goethe auch weniger gegeben hat, die aber Goethe außerordentlich viel hat geben können…
Die Menschen, die heute ganz klug, ganz gescheit sind — und das sind ja, nicht wahr, fast alle! — die denken sich: Nun ja, das wird ja nicht so sehr verschieden sein, was man in der Menschenseele erleben kann seit dem fünfzehnten Jahrhundert, von dem, was die Menschenseele erlebt hat in den vorhergehenden zwei Jahrtausenden…
…vom achten vorchristlichen Jahrhundert also bis zum vierzehnten nachchristlichen Jahrhundert, da waren die Menschen so geartet, daß ihr Ätherleib viel, viel empfänglicher war, als in der Zeit seit dem vierzehnten Jahrhundert…
Wenn die Leute in diesen Jahrhunderten noch sprachen von Kobolden oder gnomenhaften Wesen, die sie in Gebirgen wahrnahmen, die ihnen aus den Klüften der Bergwerke entgegenkamen, so sagt der heutige Mensch: Nun ja, das sind dichterische Darstellungen…
Aber nun wissen wir ja, daß der Verführer Luzifer war. Luzifer ist kein Wesen, das man mit heutigen physischen Augen sehen kann, sondern Luzifer muß man sehen mit dem erweckten ätherischen Leibe, mit dem erweckten Hellsehen…
In dieser Zeit, in dem vierten nachatlantischen Zeitraum, sind nun jene Symbole entstanden, welche die Grundlagen bilden für die betreffenden okkulten Brüderschaften…
Aber die kompliziertere Gebärdensprache in «Zeichen, Griff und Wort», wie sie verbreitet ist innerhalb der geheimen Verbrüderungen, die konnte man seit dem vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert nicht mehr den Menschen so beibringen, daß sie noch etwas von der Realität spürten…
Jetzt begann die Bewußtseinsseele den Menschen zu ergreifen, das heißt der Mensch begann, auf seinen an das physische Gehirn gebundenen Verstand angewiesen zu sein. Dasjenige, was man nennen kann: Sensitivität des Ätherleibes, trat zurück. Was aber tritt jetzt auf? Ich bitte Sie ganz genau sich anzuhören, was jetzt auftreten muß…
Dieser Inhalt der Geisteswissenschaft muß zuerst begriffen werden. An den muß man zuerst sich heranmachen. Man muß also zuerst irgendwie drinnenstehen in der geisteswissenschaftlichen Bewegung, und erst nach einiger Zeit, nachdem man in der geisteswissenschaftlichen Bewegung drinnengestanden hat, kann man dazu geführt werden, Zeichen, Griff und Wort zu empfangen…
In den okkulten Verbrüderungen werden die Leute einfach, ohne vorher irgendwie Geisteswissenschaft oder Okkultismus gelernt zu haben, aufgenommen in den ersten Grad…
Sie können dann solche Brüderschaften gleichzeitig irgendwie dazu verwenden, irgendwelche politischen Ziele zu verfolgen, oder Sie können das Dogma aufstellen…
…schwachen Menschen einträufeln dasjenige in die Seele, was in Papus‘ Büchern steht, das heißt, sie dazu präparieren, ihren Verstand zu einem vollständigen Schläfer zu machen und sie zu allem zu gebrauchen, wozu man sie gebrauchen will…
Es wird gar nicht lange dauern, wenn man das Jahr 2200 geschrieben haben wird, da wird nicht ein direktes, aber eine Art von Verbot für alles Denken von Amerika ausgehen, ein Gesetz, welches den Zweck haben wird, alles individuelle Denken zu unterdrücken…
Auf der einen Seite ist ein Anfang dazu gegeben in dem, was heute die rein materialistische Medizin macht, wo ja auch nicht mehr die Seele wirken darf, wo nur auf Grundlage des äußeren Experiments der Mensch wie eine Maschine behandelt wird…
Wir haben ja heute schon Maschinen zum Addieren, Subtrahieren: nicht wahr, das ist sehr bequem, da braucht man nicht mehr zu rechnen. Und so wird man es auch machen mit allem…
…dann braucht man nicht mehr zu denken, nicht mehr zu überlegen, sondern man schiebt. Zum Beispiel da steht: «330 Ballen Baumwolle Liverpool», so überlegt man heute sich da noch etwas, nicht wahr? Aber dann schiebt man bloß, und die Geschichte ist ausgemacht (könnte der Vorgang auf dem Bildschirm sein:man schiebt/zieht eine Datei -z.b. Buchungsvorgang, admin)…
…ungefähr im Jahre 2200 und einigen Jahren wird eine Unterdrückung des Denkens in größtem Maßstabe auf der Welt losgehen, in weitestem Umfange. Und in diese Perspektive hinein muß gearbeitet werden durch Geisteswissenschaft…
Ebenso wie man die Freimaurer zu rechnen hat zu dem weltlich-christlichen Charakter der symbolischen Verbrüderungen, hat man die Jesuiten zu rechnen zu der kirchlich-symbolischen Verbindung…
Die Jesuiten bekämpfen selbstverständlich aufs wütendste die freimaurerischen Gemeinden, die freimaurerischen Gemeinden bekämpfen aufs wütendste die Jesuiten-Gemeinden; aber Obere der Freimaurer und Obere der Jesuiten-Gemeinde gehören den höheren Graden einer besonderen Bruderschaft an, bilden einen Staat im Staat, der die anderen umfaßt
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VIERTER VORTRAG Berlin, 4. April 1916

Zeichen, Griff und Wort

Ich möchte heute etwas mehr auf die okkulten Seiten derjenigen Betrachtungen übergehen, die wir heute vor acht Tagen hier gepflogen haben. Wir haben ja zunächst gesehen, daß doch immerhin bedeutsam für das menschliche Leben angesehen werden können gewisse okkulte Strömungen, die sich in okkulten Verbrüderungen zum Ausdruck bringen. Und Sie werden aus den mehr äußerlich gehaltenen Auseinandersetzungen der letzten Stunde ersehen haben, daß in einer ganz bestimmten Färbung im Westen Europas, namentlich in britischen Ländern, solche okkulten Brüderschaften gebraucht werden, um gewisse äußere Ziele zu erreichen. Es ist nun schon einmal notwendig, daß derjenige, der gewissermaßen nicht blind sich hineinstellt in eine geisteswissenschaftliche Bewegung der Gegenwart, solche Dinge mit einer gewissen Objektivität und mit einem gewissen Überblick über die Sachlage zu beurteilen vermag. Daher möchte ich heute davon sprechen, wie zunächst das Wirken solcher okkulten Brüderschaften überhaupt zu denken ist, damit wir daraus sehen können, in welcher Weise sie für gewisse andere Zwecke und Ziele ein Instrument werden können.

Es ist im Grunde genommen dasjenige, was da als okkulte Brüderschaften gemeint ist, eine recht komplizierte Sache. Aber diese komplizierte Sache baut sich überall auf einem Unterbau auf, der Menschen heranzieht in einer gewissen Richtung dadurch, daß er sie in einer Art von Kultus vereinigt, daß er ihnen gewisse Symbole überliefert, daß er sie gewissermaßen in einem Dienst vereinigt, der in gewissen Symbolen zum Ausdruck kommt. Es gibt heute sehr viele Menschen, welche von vornherein aus einem leichtgeschürzten, man könnte sogar sagen vermeintlichen Wissen und aus einer vermeintlichen höheren Weltanschauung heraus über alle solche Verbrüderungen lachen und höhnen, die auf einer gewissen Symbolik sich aufbauen.
Die Kurzsichtigkeit in allen Dingen dieser Art ist ja in unserer Gegenwart eine außerordentlich große, und man könnte denjenigen, die leichtherzig absprechen über die Bedeutung von gewissen Zeremonien und symbolischen Dingen, die mit gewissen okkulten Brüderschaften verbunden sind, einfach erwidern, daß Leute, die ja schließlich vielleicht auch nicht gerade unbedeutender waren, als sie selbst es sind, diese Monisten und sonstigen sehr aufgeklärten Lacher und Kritiker, Leute wie zum Beispiel Goethe sehr viel gegeben haben auf ein gewisses Darinnengelebthaben in solchen zeremoniellen symbolischen Zusammenhängen.

Goethe hat wohl gewußt und es immer wieder und wiederum auf die eine oder andere Art zum Ausdrucke gebracht, was ihm geworden ist dadurch, daß er im Laufe seines Lebens nicht eine Schulerziehung, sondern eine spätere Erziehung hat durchmachen können, welche verbunden war mit gewissen Ordenszusammenhängen, zunächst mit den Ordenszusammenhängen einer Freimaurerei, in der ja Goethe war, die vielleicht weniger bedeutenden Leuten als Goethe auch weniger gegeben hat, die aber Goethe außerordentlich viel hat geben können. Also solche Sachen könnte man immerhin denjenigen einwenden, die aus einem leichtgeschürzten sogenannten monistischen Welterkennen heraus lachen und höhnen über derlei Dinge. Aber man muß, will man das Wesen von diesen Dingen einsehen, tiefer in sie hineinblicken können.

Wir wissen ja, daß wir heute im fünften nachatlantischen Zeitraum leben. Seit dem Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts leben wir im fünften nachatlantischen Zeitraum. Ihm ging der vierte nachatlantische Zeitraum voran, der etwa um das Jahr 747 vor Christi Geburt beginnt, und der im Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts eigentlich erst endet. Die Menschen, die heute ganz klug, ganz gescheit sind — und das sind ja, nicht wahr, fast alle! — die denken sich:

Nun ja, das wird ja nicht so sehr verschieden sein, was man in der Menschenseele erleben kann seit dem fünfzehnten Jahrhundert, von dem, was die Menschenseele erlebt hat in den vorhergehenden zwei Jahrtausenden bis zurück zum Jahr 747 vor Christi Geburt. Aber an ganz äußeren Dingen kann man schon, wenn man will, zeigen, wie grundverschieden die Entwicklung der Menschenseele in dem vierten nachatlantischen Zeitraum, also jenem dem unsrigen vorangegangenen nachatlantischen Zeitraum, war. In diesem Zeitraum — natürlich nach und nach recht stark abnehmend gegen das fünfzehnte nachchristliche Jahrhundert zu —, vom achten vorchristlichen Jahrhundert also bis zum vierzehnten nachchristlichen Jahrhundert, da waren die Menschen so geartet, daß ihr Ätherleib viel, viel empfänglicher war, als in der Zeit seit dem vierzehnten Jahrhundert. Er konnte viel mehr das wahrnehmen, was um ihn herum ist.

Und wenn der Ätherleib wahrnimmt, dann nimmt er die elementarische Welt wahr, dann nimmt er nicht nur so wahr, wie der physische Leib Mineralien, Pflanzen, Tiere, Wasser, Luft und so weiter wahrnimmt, sondern dann nimmt er wirklich dasjenige wahr, was als elementarisches Wesen in Pflanzen, Tieren, in Mineralien lebt. Wenn die Leute in diesen Jahrhunderten noch sprachen von Kobolden oder gnomenhaften Wesen, die sie in Gebirgen wahrnahmen, die ihnen aus den Klüften der Bergwerke entgegenkamen, so sagt der heutige Mensch: Nun ja, das sind dichterische Darstellungen. — Für die Leute in den angedeuteten Jahrhunderten waren das nicht dichterische Darstellungen. Diese Leute hatten richtig noch etwas gewußt von dem Vorhandensein einer elementarischen Welt hinter der physischen Welt.

Ich möchte, weil das vielleicht nicht alle, die hier sitzen, gehört haben, doch noch einmal aufmerksam darauf machen, daß man heute sogar durch äußerliche Dokumente beweisen kann, daß die Leute bis vor verhältnismäßig recht kurzer Zeit von der elementarischen Welt etwas gewußt haben. Das kann man durch äußerliche Dokumente beweisen, und ich will dieses eine Dokument — ich glaube, ich habe es auch hier schon erwähnt, aber ich will es noch einmal kurz erwähnen — noch einmal vorbringen, das Sie im Hamburger Museum finden können, ein Bild im Hamburger Museum. Das Bild stellt dar den Sündenfall, also jenes Ereignis, von dem wir im Beginne des Alten Testaments lesen. Wenn heute ein Maler den Sündenfall darstellt, nun, nicht wahr, er stellt ihn so dar, daß er den Baum des Paradieses aufgerichtet zeigt, links und rechts Adam und Eva, mehr oder weniger schön, oder meistens ja scheußlich, nicht wahr, und in der Mitte die Schlange, eine richtige Schlange. Aber ist das in Wirklichkeit realistisch, meine lieben Freunde? Kann man das realistisch nennen? Nicht wahr, wenn auch selbstverständlich Eva noch nicht so gescheit und so klug war, wie die heutigen Frauen es sind, so kann man aber selbst der Eva nicht etwa zumuten, daß sie sich von einer richtigen Schlange, die am Boden kriecht, hat verführen lassen zu dem Ungeheuren, zu dem sie sich hat verführen lassen. Also realistisch kann das nicht gerade sein.
Aber nun wissen wir ja, daß der Verführer Luzifer war. Luzifer ist kein Wesen, das man mit heutigen physischen Augen sehen kann, sondern Luzifer muß man sehen mit dem erweckten ätherischen Leibe, mit dem erweckten Hellsehen. Da stellt er sich dann dar als dasjenige Wesen, das während der Mondenentwickeiung zurückgeblieben ist. Von der Mondenentwickeiung haben wir empfangen im wesentlichen schon unseren physischen Leib, so wie wir ihn heute haben, nur war er dazumal noch nicht physisch sichtbar, sondern ätherisch. Der heutige Mensch ist in bezug auf den Kopf ein Abdruck dessen, was auf dem Monde auch schon als Kopf vorhanden war. Aber der übrige Leib des Menschen, der daran hängt, war noch nicht in der heutigen Gestalt, sondern nur in schlangen förmiger Fortsetzung vorhanden: in dem, was wir heute als Rückenmark haben. So daß, wenn man Luzifer darstellen würde, wie er von der Mondenentwickeiung zurückgeblieben ist, man ihn darstellen müßte mit einem menschlichen Kopf und mit daran hängendem Rückenmark, also in Schlangenform.

Genau so hat der Maler, der Meister Bertram, aus dem dreizehnten, vierzehnten Jahrhundert, auf dem Bilde in Hamburg den Luzifer dargestellt; nicht so, wie es der heutige Maler macht, sondern so, wie es sein muß im richtigen Sinne der Geisteswissenschaft. Sie können es im Hamburger Museum im Bilde sehen und können sich überzeugen, daß im dreizehnten, vierzehnten Jahrhundert ein Maler noch so gemalt hat, wie die Dinge wirklich sind. Nur sind die Leute heute zu gescheit dazu, um das Sprechende dieser Dokumente wirklich einsehen zu können. Aber dies ist ein Dokument, welches uns zeigt, daß die Menschen wirklich das Elementarische noch gekannt haben bis in die Zeit herein, von der wir immer sprechen und die sich da erweist als diejenige, in der die Menschen noch in die elementarische Welt haben hineinsehen können.

In dieser Zeit, in dem vierten nachatlantischen Zeitraum, sind nun jene Symbole entstanden, welche die Grundlagen bilden für die betreffenden okkulten Brüderschaften. Die Grundlage bilden gewisse Symbole deshalb, weil sie etwas waren für den vierten nachatlantischen Zeitraum, das man lebendig empfunden hat, das man lebendig an sich selber hat wissen können. Ich will Ihnen in der Goethe-schen Übertragung den Gedanken der Symbolik etwas klarer machen.
Goethe versuchte in seiner Art, die Symbolik für das äußere Leben fruchtbar zu machen, indem er sich sagte: Man kann dadurch, daß man in die Symbolik sich einlebt, viel haben, man kann wirklich dadurch seinen inneren Menschen weiterbringen. — Daher will er — Sie können das in seinem «Wilhelm Meister» nachlesen —, daß die Erziehung so geleitet werde, daß der Mensch in einer gewissen Symbolik aufwachse. Goethe will, daß der Mensch etwas lerne, was eigentlich alle Menschen lernen sollten statt manchen Firlefanzes, den sie in den heutigen Gymnasien lernen, er will, daß die Menschen in einer gewissen Symbolik aufwachsen. Er will, daß sie da vor allen Dingen in den Symbolen das lernen, was er nennt die «vier Ehrfurchten» des Menschen: die Ehrfurcht vor der geistigen Welt; die Ehrfurcht vor der physischen Welt; die Ehrfurcht vor jeglicher Seele; und die Ehrfurcht, die dann erst sich aufbauen kann auf diesen drei Ehrfurchten: vor sich selber. Die letztere würden ja die meisten heutigen aufgeklärten Menschen zur Not gleich von Anfang an verstehen, nicht wahr; aber nach Goethes Anschauung soll diese Ehrfurcht, welche diejenige ist, die, ich möchte sagen, mit den größten Gefahren verknüpft ist, erst auf Grundlage der drei anderen Ehrfurchten sich aufbauen.

Wie will Goethe, daß zunächst die Ehrfurcht vor dem Geistigen, das oben ist, in den Menschen sich einwächst ? Er will, daß die Menschen eine gewisse Gebärde lernen: gekreuzte Arme über der Brust, den Blick nach oben gewendet. Und in dieser Stellung sollen sie sich aneignen Ehrfurcht vor dem, was als Geistiges auf den Menschen Einfluß haben könne. In einem gewissen noch sehr jugendlichen Lebensalter soll man, so meint Goethe, diese Gebärde verbinden mit dem Aneignen des Gefühles, der Ehrfurcht vor dem, was oben ist. Warum hat das eine gewisse Bedeutung ? Das hat eine gewisse Bedeutung, weil, wenn der Mensch wirklich Ehrfurcht vor dem Geistigen empfindet, er gar nicht anders kann, als dieses Gefühl der Ehrfurcht vor dem Geistigen bekunden. Und wenn er selbst seine Hände hinten auf dem Rücken zusammenlegte als physische Hände, es würden die Ätherhände sich vorne kreuzen, und sein Blick, wenn er ihn auch noch so sehr nach abwärts wendete als physischen Bl ick, sein Blick würde sich mit den Ätheraugen nach oben wenden.
Dies ist die natürliche Gebärde für Ätheraugen: nach oben gewendet, und für Ätherhände: nach vorne sich kreuzend, die der Ätherleib wirklich ausführt, wenn diese Ehrfurcht vor dem Geistigen vorhanden ist; es geht gar nicht anders, das ist eine Selbstverständlichkeit, daß der Ätherleib diese Gebärde annimmt. Im vierten nachatlantischen Zeitraum wußten dies die Leute, weil sie die Bewegungen des Ätherleibes an sich verspürten, und wenn man ihnen sagte, sie sollten das machen, dann sagte man ihnen nichts anderes, als: sie sollen rege machen in sich ein wenig die physische Gebärde, damit sie fühlen, wahrnehmen können die Äthergebärde.

So wollte Goethe ein Hineinwachsen in das geistige Leben. Er wußte, daß das eine Bedeutung hat: Diejenigen Gebärden, die mit den unmittelbaren Äußerungen der Seele verbunden sind, wirklich durchzuleben. Ebenso wollte er, daß der Mensch, wenn er die Ehrfurcht vor dem Leiblichen, vor allem Irdischen sich aneignet, die Hände hinten am Rücken kreuzt und den Blick nach unten wendet. Das sollte er sich an zweiter Stelle aneignen. Zum dritten verhält sich die Sache so: Die ausgebreiteten Hände mit dem nach links und rechts gewendeten Blicke sollten ihm die Ehrfurcht vor jeder gleichgearteten Seele beibringen. Und dann kann er sich dasjenige aneignen, was Ehrfurcht vor der eigenen Seele sein kann.

Dieses unmittelbare Wissen davon, daß diese Gebärden, wenn sie richtig sind, nicht etwas Willkürliches sind, sondern daß sie zusammenhängen mit der geistigen Organisation des Menschen, ist seit dem vierzehnten Jahrhundert den Menschen weitgehend verloren gegangen. Was folgt daraus? Daraus folgt, daß man vorher den Menschen, denen man derartige und auch kompliziertere Gebärden beibrachte, nur das beibrachte, was sie leicht zu innerem Leben erwecken konnten. Nachher, also in unserer fünften nachatlantischen Zeit, handelt es sich darum, daß man solche einfachen Gebärden, wie sie Goethe will, gerade jugendlicheren Personen sehr gut bei bringen könnte, wenn man den entsprechenden Unterricht gibt. Und das will auch Goethe.

Aber die kompliziertere Gebärdensprache in «Zeichen, Griff und Wort», wie sie verbreitet ist innerhalb der geheimen Verbrüderungen, die konnte man seit dem vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert nicht mehr den Menschen so beibringen, daß sie noch etwas von der Realität spürten.

Also es entwickeln sich fort die Verbrüderungen, wie sie in der vierten nachatlantischen Zeit bestanden haben, in denen man in drei aufeinanderfolgenden Graden unter anderen symbolischen Dingen den Leuten Zeichen, Griff und Wort beibrachte. Die setzten sich fort. Aber sie setzten sich fort unter anders gearteten Seelen in den letzten Jahrhunderten. Man brachte auch da _ bleiben wir bei diesem Elementarsten stehen — Zeichen, Griff und Wort bei. Aber die Leute konnten nichts mehr verbinden mit Zeichen, Griff und Wort, weil sie nicht mehr sich vergegenwärtigen konnten das Entsprechende im Ätherleib, das der Seele des Menschen angemessen ist.
Es war etwas Äußerliches; denn in dem vierten nachatlantischen Zeitraum war im wesentlichen im Menschen entwickelt die Gemüts- oder Verstandesseele. Jetzt begann die Bewußtseinsseele den Menschen zu ergreifen, das heißt der Mensch begann, auf seinen an das physische Gehirn gebundenen Verstand angewiesen zu sein. Dasjenige, was man nennen kann: Sensitivität des Ätherleibes, trat zurück. Was aber tritt jetzt auf? Ich bitte Sie ganz genau sich anzuhören, was jetzt auftreten muß.

Denken Sie sich also: Es wird fortgesetzt die okkulte Verbrüderung in diesen fünften nachatlantischen Zeitraum herein. Man begründet weiter oder setzt fort okkulte Verbrüderungen, in die man Menschen aufnimmt, die man bekannt macht mit den entsprechenden Symbolen. Diese Menschen lernen also gewisse Zeichen dadurch, daß sie ihren Leib in eine gewisse Stellung bringen, was ein Zeichen bedeutet. Sie lernen gewisse Griffe dadurch, daß sie die Hand des anderen in einer gewissen Weise ergreifen, die nicht die gewöhnliche ist. Sie lernen gewisse Worte aussprechen, welche eine ganz bestimmte Regsamkeit des Ätherleibes bedeuten, und anderes.
Ich will nur dieses Elementare erwähnen. Also Menschen lernen Zeichen, Griff und Wort seit dem fünfzehnten, sechzehnten Jahrhundert. Sie sind jetzt so geartet, daß ihre Bewußtseinsseele wirkt. In die wirkt aber Zeichen, Griff und Wort nicht herein, für die bleibt es ein äußerliches Zeichen, etwas ganz Äußerliches.

Aber glauben Sie nun nicht, daß die Dinge, die Zeichen, Griff und Wort sind, wenn sie dem Menschen überliefert werden, nicht wirken auf den Ätherleib des Menschen! Sie wirken. Der Mensch nimmt auf mit Zeichen, Griff und Wort dasjenige, was einmal mit Zeichen, Griff und Wort verbunden ist. Man unterrichtet also eine Anzahl von Menschen in Zeichen, Griff und Wort, bringt ihrem Unterbewußten dadurch etwas bei, was sie nicht im Bewußtsein haben. Das dürfte man selbstverständlich überhaupt nicht machen, was ich jetzt beschrieben habe, sondern man müßte auf dem Wege vorgehen, der geboten ist durch die Entwickelung des Menschen. Und der besteht darin, daß man durch den Verstand des Menschen geht, so daß man also dasjenige, was der Verstand begreifen kann, was der Verstand erlernen kann, zuerst an den Menschen heranbringt: und das ist der Inhalt der Geisteswissenschaft.
Dieser Inhalt der Geisteswissenschaft muß zuerst begriffen werden. An den muß man zuerst sich heranmachen.

Man muß also zuerst irgendwie drinnenstehen in der geisteswissenschaftlichen Bewegung, und erst nach einiger Zeit, nachdem man in der geisteswissenschaftlichen Bewegung drinnengestanden hat, kann man dazu geführt werden, Zeichen, Griff und Wort zu empfangen. Denn man ist dann vorbereitet, etwas Bekanntes darin zu sehen, was man wenigstens verstanden hat. Das wird in den okkulten Verbrüderungen in der Regel nicht gemacht. In den okkulten Verbrüderungen werden die Leute einfach, ohne vorher irgendwie Geisteswissenschaft oder Okkultismus gelernt zu haben, aufgenommen in den ersten Grad. Es wird ihnen Zeichen, Griff und Wort und noch manches andere an Symbolen überliefert, und man wirkt, weil sie vorher nicht etwas gelernt haben von der geistigen Welt, auf ihr Unterbewußtes, auf dasjenige, was nicht mit ihrem Bewußtsein zusammenhängt.

Was ist die Folge davon? Die Folge davon ist, daß man, wenn man will, die Leute zu gefügigen Werkzeugen für allerlei Pläne machen kann, ganz selbstverständlich. Denn wenn Sie den Ätherleib bearbeiten, ohne daß der Mensch es weiß, so schalten Sie dieselben Kräfte, die er sonst in seinem Verstände hätte, aus, wenn Sie nicht dann dem Verstände etwas geben, was heute Geisteswissenschaft sein muß. Die schalten Sie aus, und Sie machen dann solche Brüderschaften zu einem Werkzeug für diejenigen, die ihre Pläne, ihre Ziele verfolgen wollen. Sie können dann solche Brüderschaften gleichzeitig irgendwie dazu verwenden, irgendwelche politischen Ziele zu verfolgen, oder Sie können das Dogma aufstellen, «Alcyone» sei der äußere physische Träger des Christus Jesus. Und diejenigen, die also präpariert sind, werden sich zu Instrumenten machen, um das in die Welt hinauszutragen.

Man braucht dann nur in der entsprechenden Weise unehrlich und unrechtschaffen zu sein, dann kann man alles mögliche auf diesem Wege erreichen dadurch, daß man sich zunächst Instrumente schafft.
Und nun — nicht wahr, die Dinge folgen ja alle aus der wirklichen Erkenntnis —, wer das weiß, wie sich der fünfte nachatlantische Zeitraum vom vierten nachatlantischen Zeitraum unterscheidet — und das wird bei uns immer wieder und wiederum gesagt —, der weiß eben, warum es so sein muß, daß zuerst Bekanntschaft mit der Geisteswissenschaft vorhanden sein muß und dann erst Einführung in die Symbolik gegeben werden kann.
Da, wo es wirklich ehrlich gemeint wird mit einer geisteswissenschaftlichen Bewegung, wird selbstverständlich dieser Gang eingehalten. Denn derjenige, der auch nur dasjenige kennen gelernt hat, was zum Beispiel in meiner «Theosophie» oder in der «Geheimwissenschaft» steht und versucht hat, es zu begreifen, der wird niemals einen Schaden durch irgendwelche Überlieferung von Symbolen nehmen können.

Nun sehen wir aber gerade in ausgesprochenstem Maße, daß in britischen Ländern der Symbolik gar nicht ein Unterricht vorangeht, der sie in irgendeiner Weise erklären würde. Erklären heißt nicht, daß man sagt: Dieses Symbol bedeutet das, und dieses Symbol bedeutet das, denn da kann man jedem jedes Zeug vormachen, sondern der Unterricht müßte so geartet sein, daß man zunächst aus dem Gang der Erden- und Menschheitsentwickelung die Geheimnisse enthüllt und dann daraus die Symbolik entstehen läßt. So ist das dort nicht, sondern da werden die Symbole einfach geboten, ja, sie werden nicht nur einfach geboten auf diese Weise, sondern es werden sogar die Symbole noch auf andere Weise geboten, indem man in der Literatur auch nicht so vorgeht, wie unsere Geisteswissenschaft zum Beispiel vorgeht, sondern indem man in der Literatur so vorgeht, daß man eigentlich alles symbolisch gibt.

In vieler Beziehung ist schon der ungeheuerste Unfug mit dieser okkulten Literatur geschehen in Frankreich durch Eliphas hev’t, dessen Bücher «Dogma und Ritual der höheren Magie», dessen «Schlüssel der höheren Magie» ja gewiß große Wahrheiten neben sehr gefährlichen Irrtümern enthalten, die aber so geartet sind, daß alles nicht mit dem Verstände so zu verfolgen ist, wie bei unserer Geisteswissenschaft, sondern in einer symbolischen Art aufgenommen werden muß. Lesen Sie Eliphas Levi! Jetzt können Sie ihn lesen ganz ohne Gefahr, selbstverständlich, weil Sie genügend vorbereitet sind. Lesen Sie von Eliphas Levi «Dogma und Ritual der höheren Magie», dann werden Sie sehen, wie dort die ganze Methode der Symbolik anders ist. Ja, meine lieben Freunde, wenn man so wie Eliphas Levi in seinem «Dogma und Ritual der höheren Magie» die Menschen unterrichtet in lauter Symbolen, dann hat man sie im Grunde genommen, wenn man das will, zu allem, wozu man sie braucht, wozu man sie brauchen will.

Noch schlimmer ist die Sache nach Eliphas Levi geworden durch den Dr. Encausse, durch Papus, der einen so verheerenden, verhängnisvollen Einfluß gewonnen hat auf den Petersburger Hof, wo er sich immer wieder und wieder aufgehalten hat, um dort seit Jahrzehnten eine sehr verhängnisvolle politische Rolle zu spielen.
Da finden Sie bei Papus — so nennt er sich — geradezu in einer verhängnisvoll gefährlichen Art gewisse okkulte Geheimnisse an die Menschheit herangebracht, so daß diejenigen, die Papus auf sich wirken lassen, mit einem eisernen Fanatismus, sobald sie einmal über die Elemente hinausgekommen sind, festhalten an dem, was ihnen Papus gibt. Es handelt sich nicht darum, Papus zu widerlegen, denn, ich möchte sagen, so paradox es klingt: das ist das Schlimmste, daß sehr viele, sehr richtige Dinge gerade in Papus stehen. Aber die Art und Weise, wie sie den Menschen gegeben werden, das ist das ungeheuer Gefährliche: schwachen Menschen einträufeln dasjenige in die Seele, was in Papus‘ Büchern steht, das heißt, sie dazu präparieren, ihren Verstand zu einem vollständigen Schläfer zu machen und sie zu allem zu gebrauchen, wozu man sie gebrauchen will. Solche Menschen haben aber in der Gegenwart einen gewissen Einfluß.

Wer mehr herumgekommen ist und Gelegenheit hat, solche Dinge zu kennen, der weiß, daß Papus überall einen großen Einfluß hat. Ich konnte diesen Einfluß verfolgen durch Böhmen hindurch, durch Österreich hindurch. In Deutschland ist sein Einfluß ein viel geringerer, aber sein Einfluß war auch bis zu einem gewissen Zeitpunkte durchaus vorhanden. Aber insbesondere hat er einen ungeheuren Einfluß in Rußland. Es wird noch dazu dieser Einfluß von Papus erreicht durch eine gewisse Unehrlichkeit, die mit der ganzen Sache verbunden ist.

Sehen Sie, die Lehre des Jakob Böhme, von der wir ja oftmals gesprochen haben, wurde im achtzehnten Jahrhundert durch den sogenannten «Unbekannten Philosophen», durch Samt-Martin, nach Frankreich verpflanzt, und dort von Saint-Martin in einer sehr, sehr anmutenden Sprache wiedergegeben, so daß, als rückübersetzt wurden ins Deutsche die Werke von Saint-Martin, diese selbstverständlich viel lesbarer waren für die Menschen, als die Werke von Jakob Böhme, die ja bekanntlich sehr schwer lesbar sind.

Für mich knüpft sich noch eine ganz niedliche Erinnerung gerade an die Übersetzung der Werke von Saint-Martin, dem «Unbekannten Philosophen», an. Das Buch von Saint-Martin, «Des erreurs et de la verite», dieses Buch über Irrtum und Wahrheit, das ist sehr
schön ins Deutsche übersetzt von einem liebenswürdigen deutschen Dichter, der allgemein bekannt ist. Und insofern ist mir das gerade nicht uninteressant, denn es wird demnächst eine kleine Broschüre erscheinen von mir: «Die Aufgabe der Geisteswissenschaft und deren Bau in Dornach», wo ich versuche, gewisse landläufige Irrtümer, die über die Geisteswissenschaft verbreitet sind, einmal kurz und populär zu widerlegen. Der Aufsatz, der in nächster Zeit erscheinen wird, ist hervorgegangen aus einem Vortrage, den ich in der Schweiz gehalten habe, weil dort, in Dornach selber, ein besonders gescheiter evangelischer Pfarrer alles mögliche vorgebracht hat. Doch wollte ich schließlich nicht einzig und allein mit einem solchen Pfarrer mich beschäftigen.
Aber dieses, was er vorgebracht hat, das ist gewissermaßen typisch. Die Leute bringen alle möglichen Dinge vor, und da konnte ich, ohne daß ich auf den Pfarrer gerade hingewiesen habe, diese landläufigen Irrtümer über unsere Geisteswissenschaft widerlegen, namentlich auch über den Dornacher Bau.

In einem Vortrage, den dieser Pfarrer gehalten hat, hat er auch angeführt ein Gedicht — ich habe schon einmal hier davon gesprochen — von Matthias Claudius. Dieses Gedicht führte er an, offenbar mit starkem Pathos, indem er eine Strophe daraus zitierte, um zu zeigen, wie wenig die Menschen eigentlich von so etwas sprechen sollten, wie einer geheimen Wissenschaft, denn nicht einmal den Mond könnte man begreifen. Man braucht aber in diesem selben Gedicht von Matthias Claudius nur fortzulesen, so ist es die nächste Strophe, die beweist, daß das genaue Gegenteil von dem, was der Pfarrer da meint, von Matthias Claudius gemeint wird.
Aber das Interessante ist, daß der Übersetzer von Saint-Martins Buch «Irrtum und Wahrheit» gerade der Matthias Claudius ist, daß der gerade den Saint-Martin übersetzte. Also, Sie können sich denken aus solchen Dingen, meine lieben Freunde, mit welchen Leuten man es zu tun hat, die einem heute entgegentreten angeblich mit dem, was sie «gute Gründe» nennen, und mit welchen Gründen man es da eigentlich zu tun hat. Das Kapitel, mit welchen Leuten man es zu tun hat heute, das könnte ja in sehr ausführlicher Weise dargestellt werden. Es ist eigentlich bedauerlich, wenn man Zeit verlieren muß, um diejenigen Menschen, die in einer solchen Art der Sache entgegentreten, zu widerlegen.

Aber da erfährt man ja manchmal noch viel Kurioseres. Eines möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, das mir, seit wir uns das letzte Mal hier gesprochen haben, entgegengetreten ist, weil es doch allzu interessant ist. Sie wissen ja alle — ich habe es ja das letzte Mal auch wiederum erwähnt —, daß ich nicht mitmachen konnte und durfte, aus reinem Wahrheitssinn heraus, dasjenige, was Mrs. Besant, die Präsidentin der Theosophical Society, mit ihren Leuten machte, von denen sie sich einen großen Teil auf die Weise zubereitet hatte, wie ich es Ihnen geschildert habe. Da konnte ich nicht mitgehen.
Ich mußte wirklich im Namen der Wahrheit gegen diese frivole Christus-Auffassung mit dem Alcyone-Knaben mich wenden, mußte mich um so mehr dagegen wenden, als ich sah, wie selbst gelehrte Leute überall gerade auf das Büchelchen, das von Alcyone herrühren soll — ich glaube «Zu den Füßen des Meisters» heißt es —, hereingefallen sind und das als eine der größten Erscheinungen der Gegenwart hingestellt haben.
Aber es wurde ja in jenen Kreisen sogar etwas davon gefühlt, daß es sich bei mir darum handelte, etwas zu unternehmen im Dienste der Wahrheit. Es wurde gefühlt. Aber man sagte sich auf jener anderen Seite: Ja, Wahrheit, — ist denn Wahrheit wirklich so, daß man Mrs. Besant entgegentreten soll, weil sie flunkert? Und sehen Sie, da finde ich in einer Broschüre von unserem Mitglied E. von Gumppenberg, die auch in der nächsten Zeit erscheinen wird, einen Ausspruch, ein Urteil über mich angeführt.

Es ist wörtlich angeführt, dieses Urteil über mich. Frau von Gumppenberg knüpft an einen anderen Ausspruch an, und sagt dann: Es erinnert dieser andere Ausspruch an ein anderes Urteil über Dr. Steiner, das einmal von einer Engländerin abgegeben wurde. Es heißt da: Der gute Dr. Steiner, er ist eben ein Philosoph. Und das mag der Grund sein, warum er es mit der Wahrheit so genau nimmt. Was macht es denn, wenn Frau Besant flunkert ? Flunkern wir denn nicht alle? Sehen Sie, das ist ja doch nicht anders möglich. Wie kämen wir durchs Leben mit strikter Wahrheit? Wir können doch nicht lauter Philosophen sein. Lassen wir also die anderen flunkern! Wir machen uns nur böses Blut, wenn wir uns dagegen stellen.

Meine lieben Freunde! Ich kann nicht anders, als denjenigen, der ein Straßenräuber ist, für einen anständigeren Menschen zu halten, als denjenigen, der ein solches Urteil über die Wahrheit fällt. Das ist meine ganz aufrichtige Meinung und Empfindung, wenn auch derjenige, der ein solches Urteil über die Wahrheit fällt, in noch so schönen seidenen Kleidern daherrauscht — und die wird die betreffende Dame schon angehabt haben! Aber man sieht aus solchen Dingen, wie gefährlich es heute ist, es mit der Wahrheit nicht genau zu nehmen, insbesondere dann, wenn es sich um Dinge handelt, die der unmittelbar sinnlichen Wahrnehmung entzogen sind.

Nun sagte ich: eine Heuchelei geschieht auch mit der Verbreitung der Geistesströmung, die von Encausse, von Papus, ausgeht; denn die Leute nennen sich «Martinisten». Man muß den ehrlichen «Unbekannten Philosophen» wahrhaftig in Schutz nehmen mit seinem ehrlichen Wahrheitstreben und mit demjenigen, was er versuchte, im Dienste des achtzehnten Jahrhunderts so zu tun, wie es notwendig war im Dienste des achtzehnten Jahrhunderts, gegen die Inanspruchnahme seines Namens durch die Papusianer von heute.

Nun ist es sehr wichtig, zu wissen, daß auf der Grundlage von drei Graden sich jede okkulte Verbrüderung aufbaut. Im ersten Grade kommen, wenn die Symbolik in der richtigen Weise gebraucht wird, und unter richtig verstehe ich selbstverständlich dasjenige, was ich eben angedeutet habe für unseren fünften nachatlantischen Zeitraum, die Seelen so weit, daß sie ein genaues inneres Erlebnis davon haben, daß es ein Wissen gibt in Unabhängigkeit von dem gewöhnlichen physisch-sinnlichen Wissen. Und sie müssen im ersten Grade eine gewisse Summe von solchem, vom physischen unabhängigen Wissen haben. Ungefähr dasjenige müßte jeder wissen, der im ersten Grade ist heute innerhalb des fünften nachatlantischen Zeitraumes, was ungefähr in meiner «Geheimwissenschaft» steht. Wissen müßte jeder — das heißt innerlich lebendig wissen —, der im zweiten Grade ist, dasjenige, was in dem Buche steht: «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» Und wer in dem
dritten Grade ist und die bedeutungsvollen Symbole: Zeichen, Griff und Wort schon des dritten Grades empfängt, der weiß, was es heißt: außerhalb seines Leibes leben. — Das wäre die Regel, das wäre dasjenige, was erreicht werden soll.

Das ist tatsächlich bis ins achte, neunte Jahrhundert in gewissen Gegenden Europas innerhalb dieser Grade erreicht worden. So zum Beispiel ist in Irland im hohen Grade bis ins achte, neunte, zehnte Jahrhundert von einzelnen Persönlichkeiten, von einer größeren Anzahl von Persönlichkeiten dies, was ich eben beschrieben habe, voll erreicht worden, aber auch in anderen Gegenden Europas, nur nicht in so großer Anzahl wie gerade bei manchen Menschen in Irland.
Man hat nun gewisse Dinge vermieden, einfach aus Unvermögen, das ist: hinzuarbeiten auf eine wirkliche Geisteswissenschaft. Diese wirkliche Geisteswissenschaft tritt uns ja eigentlich aus vielen Gründen erst jetzt entgegen. Aber okkulte Verbrüderungen, wie gesagt, hat es immer gegeben, und sie arbeiten aus der bloßen Symbolik heraus. Besonders bedeutungsvoll ist das, wenn aus der bloßen Symbolik heraus gearbeitet wird in einer Volksgemeinschaft, die in der Tat noch nicht bis zu ihrer vollen Reife gediehen ist.
Daher traten diese Ubelstände sogleich auf, als unter der Kaiserin Katharina, nachdem der Voltairianismus etwas von einem Schlag erfahren hatte, und unter ihrem Nachfolger in Rußland, Paul, und Späteren, der Versuch gemacht wurde, gewisse geheime Verbrüderungen vom Westen nach Rußland hinein zu verpflanzen. Dieser Versuch wurde aber in ausgiebigstem Maße gemacht. Und das, was dazumal geschehen ist unter dem Einflüsse der vom Westen nach Rußland verpflanzten okkulten Verbrüderungen, das hat einen großen Einfluß gewonnen auf die ganze geistige Entwicklung Rußlands seither, einen viel größeren Einfluß, als man irgendwie glauben kann.
Selbstverständlich, solcher Einfluß gruppiert sich nach der verschiedensten Richtung hin: der Literat verarbeitet diesen Einfluß in Romanen, der politische Schriftsteller in Politik. Aber durch gewisse Kanäle, die immer vorhanden sind, wird solcher Einfluß immer bedeutsam für die nachfolgende Entwickelung. Und alles eigentlich, was bedeutend ist im geistigen Leben Rußlands bis zu Tolstoi, führt im
Grunde genommen zurück auf dasjenige, was in der Zeit, von der ich eben gesprochen habe, durch Verpflanzung von gewissen okkulten Verbrüderungen nach Rußland hinein vom Westen Europas aus geschehen ist.

Nun sagte ich Ihnen: es ist ein gewisser Unterbau vorhanden. Der Unterbau ist eben der, der die okkulten Verbrüderungen durch diese drei Grade heraufleitet. Gewiß. Dann aber gibt es Leute, die kommen zu sogenannten Hochgraden, zu höheren Graden.

Nun, das ist freilich ein Gebiet, wo ungeheuer viel Eitelkeit unterläuft, denn es gibt Verbrüderungen, in denen man es bis zu neunzig oder über neunzig Graden bringen kann. Nun denken Sie sich einmal, was das heißt: man trägt einen so hohen Ordensgrad an sich! Dreiunddreißig Grade hat ja, einfach durch einen Fehler, der aus einer grotesken Unkenntnis entspringt, das sogenannte schottische Hochgradsystem, das sich aufbaut auf den drei Graden, die in solcher Weise verlaufen, wie ich es geschildert habe. Also da hat man die drei Grade, die ja, wie Sie sehen, ihre tiefe Bedeutung haben.
Aber nach diesen drei Graden folgen noch dreißig andere. Nun können Sie sich denken, wenn man schon im dritten Grade die Fähigkeit erlangt, außer seinem Leibe sich zu erleben, was man für ein hohes Wesen ist, wenn man noch dreißig Grade danach durchmacht. Aber es beruht auf einem grotesken Erkenntnisfehler. Es wird nämlich in okkulten Wissenschaften anders als im Dezimalsystem gelesen: es wird so gelesen, daß man nicht nach dem Dezimalsystem, sondern nach dem betreffenden System der Zahlen rechnet, die gerade in Betracht kommen. Also wenn man schreibt: 33. Grad, so bedeutet das in Wirklichkeit nach dem System der Zahlen, die in Betracht kommen: 3 mal 3 = 9. Das hat eine große Rolle gespielt bei der Blavatsky. Sie finden in Blavatskys «Geheimlehre» eine lange Debatte über die Zahl 777. Da haben die Leute alles mögliche phantasiert, was diese Zahl 777 bedeutet. In Wirklichkeit ist es 343, nämlich 7 mal 7 mal 7. Man schreibt im Okkultismus so, daß man die Zahlen, die da stehen, miteinander multiplizieren muß. Wenn man also die wirkliche Zahl haben will, muß man 777 folgendermaßen lesen: 7 mal 7 = 49 mal 7 = 343. Dementsprechend ist 33 = 9 = 3 mal 3. Nur weil die Leute nicht lesen können, lesen sie 33 statt 9-

Nun ja, aber wir wollen von diesen Eitelkeiten absehen. Es sind ja noch immer sechs Grade, die sich auf diesen drei Graden aufbauen, als berechtigte Grade zu zählen. Und die geben dann, wenn sie durchgemacht werden, schon sehr Bedeutsames. Aber sie können im Grunde genommen in der Gegenwart gar nicht voll durchgemacht werden. Es ist rein unmöglich. Sie können gar nicht voll durchgemacht werden, weil die Menschheit im fünften nachatlantischen Zeitraum noch nicht so weit ist, daß all das wirklich durchgemacht werden kann, was da durchzumachen ist. Denn es ist noch nicht so viel von den geistigen Welten an — ich will nicht sagen Erkenntnis, aber an Betätigung der Erkenntnis — herausgekommen. Das wird erst herauskommen. Es kommt ja nach und nach erst heraus.

Denken Sie, wir stehen jetzt seit dem Jahre 1413 etwa im fünften nachatlantischen Zeitraum. Der wird lang sein, ungefähr 2160 Jahre. Er ist also abgelaufen im Jahre 3573. Also wir stehen ja erst im Anfange. Im Laufe dieses fünften nachatlantischen Zeitraums wird viel, viel geschehen. Und im Sinne dessen, was da geschieht, muß das auch vor sich gehen, was durch die Entwickelung der Geisteswissenschaft geschieht. Das kann aber nur nach und nach alles sich offenbaren. Gewiß, die großen Linien können wir heute ziehen. Über viele Einzelheiten wissen wir auch zu berichten. Aber vieles, vieles wird erst kommen, wenn an dem Widerstände es sich stärken, kräftigen muß. Und dieser Widerstand wird immer größer und größer werden.

Wir leben ja heute — Sie können das aus Dingen, die ich in diesen Vorträgen erzählt habe, ersehen, und werden es aus manchen anderen Dingen noch ersehen, die ich Ihnen ja auch anführen kann -, wir leben heute noch in verhältnismäßig idealistischen, in spirituellen Zeiten gegenüber dem, was da kommen wird. Wir leben am Ende des zweiten nachchristlichen Jahrtausends. Es wird nicht lange dauern nach dem Jahre 2000, da wird die Menschheit Sonderbares zu erleben haben, Dinge, die sich heute nur langsam vorbereiten. Die Dinge gehen ja so, daß gewissermaßen die zwei Pole, die der künftigen Entwickelung entgegeneilen, von Osten und von Westen her sich vorbereiten.
Immer mehr und mehr wird sich in den mehr östlichen Gegenden ausbilden — aber aus dem Volkstume heraus, selbstverständlich nicht aus jenen Kreisen heraus, die heute das mißleitete osteuropäische Volk führen —, wovon man sagen muß:
Es wird eine ganz andere Art von Denken geben über die Menschen. Man wird dazu kommen in verhältnismäßig gar nicht zu ferner Zeit. Man wird dazu kommen, den aufwachsenden Menschen ganz anders anzusehen, als man ihn heute geneigt ist anzusehen. Man wird versuchen, wenn ein Kind geboren wird, zu sagen: Was könnte in diesem Kinde zutage treten ? Man hat es mit einem verborgenen Geistwesen zu tun, das in diesem Kinde sich nach und nach entwickelt. Man wird das Kind enträtseln wollen. Man wird zunächst eine Art von Kultus verbinden mit dem Aufwachsen eines Kindes. Das bereitet sich im Osten vor. Es wird selbstverständlich übergreifen nach Europa herein. Die Folge davon wird sein, daß eine ungeheure Hochachtung sich entwickeln wird vor dem, was man Genialität nennt, ein Suchen nach der Genialität. Daß dann alle die pädagogischen Zöpfe ausgestorben sein müssen, wenn ein Zeitalter nach dieser Richtung anrückt, jene pädagogischen Zöpfe, die heute die tonangebenden sind, das ist ja selbstverständlich, nicht wahr? Dieses Zeitalter kommt von jener Seite her. Aber es wird der geringere Teil der Menschheit sein.

Der größere Teil der Menschheit wird seinen Einfluß von Amerika, von dem Westen herüber haben, und der geht einer anderen Entwickelung entgegen. Der geht jener Entwickelung entgegen, die heute sich erst in den idealistischen Spuren, gegenüber dem, was da kommt, in sympathischen Anfängen zeigt. Man kann sagen: Die Gegenwart hat es noch recht gut gegenüber dem, was da kommen wird, wenn die westliche Entwickelung immer mehr und mehr ihre Blüten treibt.

Es wird gar nicht lange dauern, wenn man das Jahr 2000 geschrieben haben wird, da wird nicht ein direktes, aber eine Art von Verbot für alles Denken von Amerika ausgehen, ein Gesetz, welches den Zweck haben wird, alles individuelle Denken zu unterdrücken. Auf der einen Seite ist ein Anfang dazu gegeben in dem, was heute die rein materialistische Medizin macht, wo ja auch nicht mehr die Seele wirken darf, wo nur auf Grundlage des äußeren Experiments der Mensch wie eine Maschine behandelt wird.

Aber, meine lieben Freunde, man darf mich ja nicht mißverstehen, denn auf diesem Gebiet wird ungeheuer viel gesündigt gerade heute noch von sogenannter spiritueller Seite her. Man kann es zum Beispiel erleben, daß Leute zu einem kommen, die sagen:
Ja, ich habe nun alles mögliche durchgemacht in der Medizin, ich bin nicht geheilt worden. Da bin ich zu einem gegangen, der hat mich ganz spirituell behandelt. — Nun, was hat denn der mit Ihnen gemacht ? — Er hat mir gesagt, in meinem Leib sind böse Geister, und ich müsse diese bösen Geister zunächst herausbeten. — Ich mußte sagen, weil es ja eigentlich der Grund war, warum der Betreffende zu mir gekommen ist: Und hat Ihnen das geholfen ? — Nein, es ist viel schlechter geworden, viel, viel schlechter. — Nun, sagte ich, ich bitte Sie, nun denken Sie sich einmal, in welche Lage Sie da gebracht worden sind. Glauben Sie nicht, daß Ihnen der Mann etwas Unrichtiges gesagt hat. Es ist ganz richtig, daß in Ihnen irgend welche geistige Wesen waren, die das verursacht haben, was in Ihnen ist. Aber gerade weil Ihnen der Mann etwas Richtiges gesagt hat, etwas, was Sie gerade als etwas Richtiges anerkennen mußten, gerade deshalb mußte Ihnen der Mann so schaden. Denn denken Sie sich einmal: Ein nichtsnutziger Schusterbub richtet eine Maschine zu Grunde. Dieser Schusterbub ist die wirkliche Ursache, daß die Maschine nicht geht. Das ist die reale Ursache. Na, wie werde ich die Maschine wiederum zum Gehen bringen? Nach der Methode Ihres spirituellen Arztes müßte ich nun den Schusterbuben nehmen, ordentlich durchhauen und dann meinen, wenn der jetzt davonläuft, so wird die Sache in Ordnung sein. Selbstverständlich: denn er hat Ihnen ja gesagt, sobald die bösen Geister weg sind, ist Ihre Maschine in Ordnung. Aber gerade so wenig, wie die Maschine dadurch in Ordnung ist, daß der Bub davonläuft, sondern wie die jetzt kuriert werden muß mit ganz anderen Mitteln, die mit dem Maschinellen zusammenhängen, so ist es auch bei Ihnen.

Ob Sie die Geister wegbringen oder nicht, das ist schließlich für Ihr Gesundwerden von so geringer Bedeutung, als wenn ich nun den Schusterbuben durchhaue, so daß er nun davonläuft, oder als ob ich ihn sogar zuschauen lasse. Ich könnte ihn sogar zuschauen lassen — ich würde doch die Maschine wieder in Ordnung bringen.
Also es wird schon von der andern Seite sehr viel gesündigt, denn sehr gut denken kann man heute nicht. … sondern darum, daß man die Dinge wirklich einsieht. Man muß eben wissen, daß in allem Materiellen Geistiges ist und daß durch die Erkenntnis des Geistes auch nur allein das Materielle geheilt werden kann. Aber das soll ausgeschaltet werden, das Geistige, von der ganzen Welt. Das ist einer der Anfänge.

Einer der anderen Anfänge: Wir haben ja heute schon Maschinen zum Addieren, Subtrahieren: nicht wahr, das ist sehr bequem, da braucht man nicht mehr zu rechnen. Und so wird man es auch machen mit allem. Das wird nicht lange dauern, ein paar Jahrhunderte — dann ist alles fertig; dann braucht man nicht mehr zu denken, nicht mehr zu überlegen, sondern man schiebt. Zum Beispiel da steht: «330 Ballen Baumwolle Liverpool», so überlegt man heute sich da noch etwas, nicht wahr? Aber dann schiebt man bloß, und die Geschichte ist ausgemacht (könnte der Vorgang auf dem Bildschirm sein: man schiebt/zieht eine Datei -z.b. Buchungsvorgang, admin).

Und damit nicht gestört wird das feste Gefüge des sozialen Zusammenhangs der Zukunft, werden Gesetze erlassen werden, auf denen nicht direkt stehen wird: Das Denken ist verboten, aber die die Wirkung haben werden, daß alles individuelle Denken ausgeschaltet wird. Das ist der andere Pol, dem wir entgegen arbeiten. Dagegen ist das Leben heute immerhin nicht gar so unangenehm. Denn wenn man nicht über eine gewisse Grenze hinausgeht, so darf man ja heute noch denken, nicht wahr? Allerdings eine gewisse Grenze überschreiten darf man ja nicht, aber immerhin, innerhalb gewisser Grenzen darf man noch denken. Aber das, was ich geschildert habe, das steckt in der Entwickelung des Westens, und das wird kommen durch die Entwickelung des Westens.

Also in diese ganze Entwickelung muß sich auch die geisteswissenschaftliche Entwickelung hineinstellen. Das muß sie klar und objektiv durchschauen. Sie muß sich klar sein, daß das, was heute wie ein Paradoxon erscheint, geschehen wird: ungefähr im Jahre 2200 und einigen Jahren wird eine Unterdrückung des Denkens in größtem Maßstabe auf der Welt losgehen, in weitestem Umfange. Und in diese Perspektive hinein muß gearbeitet werden durch Geisteswissenschaft. Es muß soviel gefunden werden — und es wird gefunden werden —, daß ein entsprechendes Gegengewicht gegen diese Tendenzen da sein kann in der Weltenentwickelung.

Also wir sind da, sagte ich, erst im Anfange, und es wird immer mehr und mehr kommen. Gewiß, bis zu einem gewissen Grade aber nur, können heute die sechs höheren Grade eben wirklich durchgearbeitet werden. Nun, statt dessen aber kann man ein ganz anderes Spiel treiben.

Statt dessen kann man das Spiel treiben, daß man Leute die drei ersten Grade bloß symbolisch durchmachen läßt. Und es gibt ja heute in der Tat Bruderschaften, in denen nicht mehr gegeben wird als Symbole. Ja, die Leute sind sogar stolz darauf, daß nicht mehr gegeben wird als Symbole. Sie werden aufgenommen in den ersten Grad, befördert in den zweiten Grad, in den dritten Grad, und sie lernen eigentiich nur die Symbolik, ohne irgend etwas Geisteswissenschaftliches in sich aufzunehmen. Und oftmals, wenn man Leute fragt, ob sie denn nun wirklich so zufrieden sind damit, daß sie gewisse Zeremonien und Handgriffe lernen, Zeichen lernen, daß sie sehen, daß gewisse symbolische Handlungen um sie herum im Tempelraum vollbracht werden, dann sagen sogar viele:
Ach ja, wir sind gerade damit zufrieden, dann braucht man sich nichts Besonderes bei den Sachen zu denken, dann kann jeder die Auslegung haben, welche er will. — Aber der astralische Leib, er wirkt in den Ätherleib hinein ein wirkliches Wissen, und sie erzeugen also Leute auf diese Weise, die in ihrem Ätherleib ein umfassendes Wissen haben. Und gehen Sie heute die — verzeihen Sie den Ausdruck, aber man muß ja manchmal treffende Ausdrücke gebrauchen — borniertesten Freimaureronkels durch, dann werden Sie sehen, daß diese in ihrem Ätherleib — nicht in ihrem physischen Leib, in ihrem bewußten Wissen, sondern in ihrem Ätherleib — ein ungeheures Wissen haben, besonders wenn sie es bis zum dritten Grad gebracht haben. Ein ungeheures unterbewußtes Wissen haben sie.

Dieses Wissen, das durch Symbolik eben überliefert werden kann, das kann nun verwendet werden in der angedeuteten Weise redlich und unredlich.

Und sehen Sie, nun gibt es ja die verschiedensten okkulten Verbindungen, wiederum, ich möchte sagen, in zwei Polen. Der eine Pol, der trägt einen weltlich-christlichen Charakter, der andere Pol trägt einen kirchlich-christlichen Charakter. Ebenso wie man die Freimaurer zu rechnen hat zu dem weltlich-christlichen Charakter der symbolischen Verbrüderungen, hat man die Jesuiten zu rechnen zu der kirchlich-symbolischen Verbindung. Denn der Jesuit wird ebenso durch drei Grade durchgeführt, ebenso mit einer Symbolik versehen, und er lernt gerade durch diese Symbolik jenes ungeheuer Wirksame in seiner Sprache.
Daher sind jesuitische Kanzelredner so ungeheuer wirksam, weil sie wissen, wie man eine Rede aufbaut, damit man wirken kann gerade auf die ungebildete Masse, wie man hintereinander gewisse Steigerungen macht. Es ist manchmal so, daß es dem gebildeten Menschen ungemein trivial vorkommt, aber es ist ungeheuer wirksam.

So zum Beispiel wollte ich einmal sehen, okkult ansehen die Wirkung, die sich zuträgt bei einer wirksamen Jesuiten-Predigt. Ich hörte mir an — es ist jetzt schon viele Jahre her — den Pater Klinkowström, einen der wirksamsten Jesuiten-Prediger, der vor einer versammelten Menge — selbstverständlich lauter ungebildeten Menschen – die Notwendigkeit der österlichen Beichte darlegen wollte. Nun, sehen Sie, ungefähr in der folgenden Weise legte er die Notwendigkeit der österlichen Beichte dar. Er wollte diesen ungebildeten Menschen klar beweisen, so daß man es wußte — sie verstehen es nicht, aber sie sehen es ein als etwas Selbstverständliches —, daß nicht der Papst durch seine Willkür die österliche Beichte eingesetzt hat, sondern daß sie von höheren, göttlichen Mächten eingesetzt wurde. Und da sagte er:

„Meine lieben Christen! Denkt euch einmal, ihr seht eine Kanone. An der Kanone einen Kanonier — der hält die Zündschnur — und denjenigen, der befiehlt. Also es soll geschossen werden. Denkt euch, liebe Christen, es soll geschossen werden! Was geschieht, wenn geschossen werden soll? Erwartungsvoll steht der Kanonier vor seiner Kanone. Auf was wartet er? Auf das: Feuer! Er wartet auf das Kommando: Feuer! In seiner Seele lebt das. Er weiß ganz genau: Das muß kommen. Und dann wird es kommen: Feuer! Er schießt los. Die Kanone donnert hinaus. Stellt euch diese Dinge, liebe Christen, ganz genau vor. Denkt euch die Kanone als die Vereinigung der Gebräuche über die österliche Beichte. Einmal waren die Gesetze, die Gebote über diese österliche Beichte nicht gegeben. Aber die Kanone stand da. Sie sollten gegeben werden. Der Papst stand da als der Kanonier mit der Zündschnur. Vom Himmel aus, geliebte Christen, kommandierte man: Feuer! Der Papst hörte es — Zündschnur! Die Kanone wurde losgeschossen! Die österliche Beichte war da! – Ist nicht ein vollständiger Vergleich zu ziehen zwischen dieser Kanone und dem Geben des Gebotes über die österliche Beichte? Und da gibt es Ungläubige! Ungläubige gibt es, geliebte Christen, welche behaupten, der Papst habe die österliche Beichte erfunden! Ihr braucht euch nur zu erinnern an die Kanone. Auf das Kommando: Feuer! wird sie losgeschossen. Werdet Ihr jemals sagen, dieser Kanonier, der auf das Kommando «Feuer» die Kanone losschießt, habe das Pulver erfunden ? Ebensowenig, geliebte Christen, könnt ihr sagen, der Papst habe die österliche Beichte erfunden. Nicht der Papst hat die österliche Beichte erfunden, nicht der Kanonier hat das Pulver erfunden!“

Alle waren überzeugt. Die ganze Kirche war überzeugt. Das ist ungeheuer geschickt gemacht, ungeheuer geschickt gemacht in Bildern. Diese Leute gehen auch ihre drei Grade durch in ihrer Art. Und nun gibt es auch wiederum von dieser Sorte natürlich die verschiedensten Schattierungen, so wie auf der anderen Seite nicht alle okkulten Verbrüderungen maurerische Verbrüderungen sind. Es gibt ja sogar in Deutschland hier die Iliuminaten und dergleichen.

Aber nun gehen sowohl auf der einen wie auf der anderen Seite über die drei unteren Grade die drei anderen hinaus. Es sind die drei oberen. Die die höheren Grade haben, und diejenigen, die die Inhaber der besonders hohen Grade sind bei gewissen Bruderschaften — selbstverständlich nicht bei allen, nur bei gewissen Bruderschaften —, die bilden eine Art Gemeinschaft, so daß es zum Beispiel durchaus möglich ist, daß ein Oberer einer Jesuitengemeinde zu einer solchen Gesellschaft dazugehört.
Die Jesuiten bekämpfen selbstverständlich aufs wütendste die freimaurerischen Gemeinden, die freimaurerischen Gemeinden bekämpfen aufs wütendste die Jesuiten-Gemeinden; aber Obere der Freimaurer und Obere der Jesuiten-Gemeinde gehören den höheren Graden einer besonderen Bruderschaft an, bilden einen Staat im Staat, der die anderen umfaßt.

Denken Sie sich, was man in der Welt wirken kann, wenn man so wirken kann, daß man auf der einen Seite zum Beispiel der Obere einer freimaurerischen Gemeinde ist, die also als Instrument dient, um zu wirken, und man sich verständigen kann mit dem Oberen einer Jesuiten-Gemeinschaft, um eine einheitliche Handlung vorzunehmen, die nur vorgenommen werden kann, wenn man einen solchen Apparat zur Verfügung hat:

Auf der einen Seite läßt man los die Brüder Freimaurer, die durch alle Kanäle irgend etwas furchtbar stark vertreten. Das muß vertreten werden. Wenn man aber nur auf der einen Seite die Stiere losläßt, dann, nicht wahr, wird es nichts. Man muß auf der anderen Seite die Sache bekämpfen lassen mit demselben Feuer, mit demselben Enthusiasmus. Denken Sie, was man wirken kann, wenn man einen solchen Apparat zur Verfügung hat! In einer besonders wirksamen Weise zum Beispiel ist gewirkt worden mit einem solchen Apparat, der zu gleicher Zeit Jesuiten und Freimaurerisches in Bewegung setzte, ohne daß man auf der Jesuitenseite und ohne daß man auf der freimaurerischen Seite etwas wußte davon, in einem gewissen Lande, das ja so etwa im Nordwesten von Europa liegt, zwischen Holland und Frankreich. Da waren besonders starke Wirkungen ausgegangen — nicht in der allerletzten Zeit, aber lange Zeit hindurch —, die sich sowohl der einen wie der anderen Strömung bedienten und die gar mancherlei wirken konnten.

Die Zeit ist vorgerückt. Ich werde heute über acht Tage Sie in noch konkretere Gebiete auf diesem Feld hinunterführen, meine lieben Freunde. Ich mußte heute auch die abstrakteren Seiten der Sache ins Auge fassen. Den ganzen Aufbau mußten wir haben, weil man ja doch dann nur verstehen kann, was in der äußeren Welt auf diesem Gebiete in dieser Weise wirken kann.

s. dazu auch:
„…die heutige Naturwissenschaft arbeitet von der einen Seite her, und die Geisteswissenschaft arbeitet von der anderen Seite, und sie müssen sich in der Mitte treffen zur Gesamtwahrheit / R.Steiner

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„Wesenheiten, welche immer mehr in die menschliche Entwickelung eingreifen werden…“ Rudolf Steiner
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„Also wird von solchen Brüderschaften eine Klientel geschaffen von Totenseelen, die im Bereiche der Erde verbleiben. Diese Totenseelen, die haben in sich Kräfte, die in der verschiedensten Weise gelenkt werden können“
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weiter Kurztexte sowie einzelne Vorträge von R.Steiner:
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NEUSPRECH und GEORGE ORWELL – 1984, mehr als ein zeitaktueller Roman/Film – das Anti-Snowden-Gesetz und das Umerziehungsprogramm
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…dazu:
1984 – Ganzer Film Auf Deutsch
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Die kollektive Geisteserkrankung und die Frage:< „Wer bist du wirklich?“
„Keine Zeit mehr, „Mein Haus, mein Auto und mein Boot“!

und: greif´ soviel ab wie möglich und tue dafür so wenig wie möglich“:

mehr Hintergrundvids von Jasinna: hier weiter

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