Zusammengetragene „Schnippsel“ zur Erkenntnistheorie von R. Steiner

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Aktualisiert 7.4.19:

GA 254 S.175-176. BEWACHEN SIE IHR DENKEN. …
„Wir leben jetzt in der Entwickelung der Bewußtseinsseele, wie Sie wissen, u n d gehen entgegen der Entwickelung des Geistselbst. Solch eine Entwickelung bereitet sich lange vor. Wenn sich dieses Geistselbst einmal vollständig entwickelt haben wird in der sechsten nachatlantischen Kulturperiode, dann wird das menschliche Seelenleben in vieler Beziehung ein anderes sein als jetzt. E s wird der menschliche Intellekt eine viel objektivere Macht haben, als er sie jetzt hat. Er wird viel objektiver leben. Die Menschen gehen schon [jetzt] diesem viel objektiveren Leben des Intellekts entgegen. Man kann das überall sehen. Ich habe das an verschiedenen Stellen meiner Vorträge immer wieder und wieder charakterisiert. Die Menschen gehen einem Seelenleben entgegen, von dem man sagen kann, daß der Intellekt sich w i e eine Art öffentlicher Macht unter den Menschen ausbreitet; wirklich wie eine Art öffentlicher Macht, der sich die Menschen fügen sollen, wie eine Art objektiver, außer den Menschenseelen wirkender Macht.
Wir leben jetzt noch in einer Zeit, in der eine ganze Anzahl von Menschen sich durch eine gewisse starke Ausprägung ihrer Individualität vor dieser objektiven Macht schützen. Aber das wird immer weniger und weniger möglich sein, je mehr wir dem sechsten nachatlantischen Zeiträume entgegengehen. Es wird wirklich eine Zeit kommen, in der Erscheinungen, die jetzt erst im Anfange sind, viel, viel stärker auftreten werden. Jetzt schon kann man, wenn man in der Lage ist, die „Welterlebnisse“ in der richtigen Weise zu taxieren in bezug auf diesen Punkt, sich einige richtige Urteile bilden. Man kann zum Beispiel jetzt schon beobachten, wie da oder dort dieses oder jenes geschrieben wird. Man weiß ganz genau, daß die Schreiber gewisser Journale eigentlich weit entfernt davon sind, nur das zu sagen, was aus ihrer Seele entspringt. Sie vertreten die Intelligenz gewisser Kreise, die Intelligenz, die so objektiv wuchert und deren Sprachrohr sie nur sind. Es ist außerordentlich bedeutsam, daß man das ins Auge faßt, denn das ist eine Erscheinung, die immer mehr überhandnehmen wird.
Nun aber besteht eine ganz bestimmte Perspektive. W e n n sich die Intelligenz einiger Menschen objektiviert – und sie objektiviert sich schon, seitdem es eine öffentliche Literatur gibt -, d a n n bekommt Ahriman immer mehr und mehr die Möglichkeit, sich der Intelligenz der Menschen zu bemächtigen. Das ist eine Perspektive, die uns die Geisteswissenschaft vor die Seele stellen muß, denn Ahriman hat immer das intensivste Bestreben, die Menschen um ihren individuellen Verstand zu bringen und ihn sich selbst anzueignen, so daß der menschliche Verstand nach der Meinung Ahrimans in ahrimanische Gewalt übergehen sollte. Ahriman hat eigentlich – wie ich Ihnen das gesagt habe bei seinen Dienern, deren höhere Intelligenzkräfte mit den niederen Menschenkräften eine geheimnisvolle Verbindung haben – immer das Bestreben, den Menschenverstand sich anzueignen und den Menschen nicht darauf kommen zu lassen, was alles sein Verstand kann. …
Darin liegt ein tiefes Geheimnis, das derjenige, der sich für die Geisteswissenschaft interessiert, erkennen soll. Die Menschen müssen sich bestreben, gegen die Zukunft hin ihren Verstand individuell, richtig individuell handhaben zu lernen, ihren Verstand nicht unbewacht zu lassen; ja, ja niemals ihren Verstand unbewacht zu lassen. Das ist sehr notwendig, und es ist gut, wenn man weiß, in wie schönen, starken, vollen Worten Ahriman an die Menschen herantritt und versucht, wenn es auch der Mensch sich nicht gefallen lassen will, aber wie doch Ahriman versucht, den Menschen den Verstand – verzeihen Sie den Ausdruck – wie die Würmer aus der Nase herauszuziehen.
Immer mehr werden die Menschen es nötig haben, auf solche Momente zu achten. Denn gerade solche Momente benutzt Ahriman zu seinem Handwerk, wo der Mensch bei vollem Tagwachen in eine Art von Schwindelzustand kommt, in eine Art von bewußtem Dämmerungszustand, wo er sich nicht recht heimisch fühlt in der physischen Welt, wo er beginnt, sich dem Zirkeltanz des Universums zu überlassen, wo er nicht mehr gehörig als Individualität auf seinen Beinen und Füßen stehen will. Das sind die Momente, wo man sich hüten muß, denn da bekommt Ahriman leicht Oberwasser in unserer Umgebung.
Wir schützen uns am besten dadurch, wenn wir uns immer mehr und mehr bestreben, ein klares und genaues Denken zu entfalten, so genau wie möglich zu denken, nicht einfach so hinzuhuschen im Denken über die Dinge, wie das heute gerade gesellschaftlicher Usus ist. Nicht hinwegspringen über die Dinge, sondern klar denken.
Man sollte sogar noch weiter gehen: Man sollte versuchen, sich immer mehr und mehr zu hüten, gangbare Redensarten und Worte zu gebrauchen. Denn in dem Augenblick, wo man gangbare Worte gebraucht, die man nicht aus dem Gedanken, sondern aus der Sprachgewohnheit heraus hat, wird man, wenn auch nur für einen kurzen Moment, gedankenlos. Und das sind ganz besonders gefährliche Momente, weil man nicht darauf achtet. Man sollte darauf achten, daß man es vermeidet, solche Worte, bei denen man nicht genügend nachdenkt, zu gebrauchen. Eine solche Selbsterziehung sollte derjenige, der es mit den Aufgaben der Zeit ernst nimmt, gerade in solchen Intimitäten in ganz hervorragendem Maße in Angriff nehmen, und Sie werden das dazu Nötige leicht zu sammendenken können nach dem, was ich in diesen Tagen zum Ausdruck gebracht habe.“ Rudolf Steiner. 25.10.1915.
Aus GA 254 S.175-176.
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und ihre Beziehung zur Weltkultur

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Des Menschen Äußerung durch Ton und Wort – Teil 1 von 2
„In den Auseinandersetzungen, die wir in der letzten Zeit gepflogen haben, habe ich darauf hinweisen können, wie Verrichtungen des menschlichen Wesens, die in der ersten Kindheit auftreten, Umwandelungen sind von Verrichtungen, die der Mensch vollzieht zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, die er also vollzieht im vorirdischen Dasein. Wir sehen ja, wie das Kind, nachdem es nach der Geburt noch nicht voll angepasst ist der Erdenschwere, dem Erdengleichgewicht, nach und nach dazu übergeht, diesem Gleichgewicht wirklich angepasst zu sein, wie es das Stehen, das Gehen lernt. Dieses Anpassen des Körpers an die Gleichgewichtslage des Erdendaseins ist etwas, was sich der Mensch erst während des Erdendaseins erwirbt. Wir wissen ja, dass der physische Leib des Menschen in seiner Form das Ergebnis ist einer großartigen geistigen Betätigung, die der Mensch im Vereine mit Wesen der höheren Welten ausführt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Aber was da der Mensch gestaltet, und was gewissermaßen eben der Geistkeim seines künftigen physischen Erdenorganismus ist, das ist nicht so gestaltet, dass es schon in sich die Fähigkeit des aufrechten Ganges enthält. Die wird dem Menschen erst dadurch eingegliedert, dass er, nachdem er geboren ist, sich in die Gleichgewichtsverhältnisse, in die Kraftverhältnisse des irdischen Daseins hineinfügt. Denn im vorirdischen Dasein bedeutet die Orientierung nicht das, was sie hier auf der Erde im Gehen und Stehen bedeutet, sondern da bedeutet die Orientierung das Verhältnis, das man hat zu den Wesen der Angeloi, Archangeloi, also zu den Wesenheiten der höheren Hierarchien, je nachdem man sich von dem einen Wesen mehr, von dem anderen weniger angezogen fühlt. Das ist die Gleichgewichtslage in den geistigen Welten. Das verliert gewissermaßen der Mensch, indem er auf die Erde heruntersteigt. Er ist im Leibe der Mutter eigentlich weder in den Gleichgewichtsverhältnissen seines Geistlebens, noch schon in den Gleichgewichtsverhältnissen seines Erdenlebens. Er hat die ersteren verlassen und ist in die zweiten noch nicht eingetreten.
Ähnlich ist es mit der Sprache. Die Sprache, die wir hier auf Erden reden, ist ja durchaus den irdischen Verhältnissen angepasst. Denn diese Sprache ist ein Ausdruck unserer irdischen Gedanken. Diese irdischen Gedanken enthalten irdische Kenntnisse, irdisches Wissen. Dem wird die Sprache während des Erdendaseins angepasst. In dem vorirdischen Dasein hat der Mensch – wie ich schon ausgeführt habe – eine Sprache, die nicht eigentlich von innen nach außen geht, die nicht vorzugsweise dem Ausatmen folgt, sondern die dem geistigen Einatmen, dem Inspirieren folgt, dem, was wir im vorirdischen Dasein als dem Einatmen entsprechend bezeichnen können. Da ist es ein Leben mit dem Weltenlogos. Da ist es ein Leben in dem Weltenworte, in der Weltensprache, aus der heraus die Dinge gemacht sind.
Dieses Leben in der Weltensprache, das verlieren wir wiederum, indem wir heruntersteigen auf die Erde, und eignen uns hier dasjenige an, was zunächst zum Ausdruck unserer Gedanken dient, der irdischen Gedanken, und zum menschlichen Verstande, das heißt zum Verstande unter Menschen, die alle auf der Erde leben. Und ebenso ist es ja mit den Gedanken, die wir hier haben, mit dem Denken. Das Denken wird angepasst den irdischen Verhältnissen. Im vorirdischen Dasein ist es ein Leben in den webenden Weltengedanken.
Wenn wir zunächst das mittlere Glied ins Auge fassen, das Sprechen des Menschen, so können wir ja sagen: In dem Sprechen liegt ein Wesentliches der Erdenkultur, der Erdenzivilisation. Durch das Sprechen finden sich die Menschen zusammen hier auf der Erde, findet der eine die Brücke zu dem anderen hinüber. Seele mit Seele verbindet sich. Wir fühlen, dass wir im Sprechen ein Wesentliches hier auf Erden haben, und es ist ja auch der irdische Abglanz des Lebens in dem Logos, in dem Weltenworte. Daher ist auch ein Erfassen des Zusammenhanges dessen, was sich hier auf Erden der Mensch als seine Sprache erkämpft, mit der Metamorphose, die diese Sprache drüben im vorirdischen Dasein hat, ganz besonders interessant. Und man wird, wenn man dieses Verhältnis betrachtet, geführt auf die innere Organisation des Menschen aus dem Lautlichen, aus dem Tonlichen heraus.
Und in diesem Augenblick fügt es sich ja schon, dass unserer kosmologischen Betrachtung, die wir jetzt schon seit Wochen haben, ich heute das Kapitel von der Äußerung des Menschen durch Ton und Wort einfügen darf. Haben wir ja in diesen Tagen eben die große Freude, eine so hervorragende Tonleistung, Gesangesleistung hier in unserem Goetheanum zu vernehmen. Und lassen Sie mich daher heute, ich möchte sagen, wie einen Ausdruck der inneren Befriedigung über dieses für uns so erfreuliche künstlerische Ereignis einiges sprechen gerade über den Zusammenhang der tonlichen und lautlichen Äußerung des Menschen hier auf Erden, mit dem Leben des Menschen in dem, was Ton und Laut drüben im Geistigen entspricht.
Wenn wir die menschliche Organisation, wie sie hier auf Erden vor uns steht, betrachten, so ist sie ja durch und durch ein Abbild des Geistigen. Alles ist hier, nicht nur was der Mensch an sich trägt, sondern auch was ihn in der äußeren Natur umgibt, ein Abbild des Geistigen. Indem der Mensch sich sprachlich äußert, indem der Mensch sich gesanglich äußert, drückt er ja als eine Offenbarung seinen ganzen Organismus nach Leib, Seele und Geist nach außen hin, und auch nach sich selbst zu, nach innen hin, aus. Der Mensch ist gewissermaßen in dem, was er lautlich und tonlich offenbart, ganz darinnen enthalten. Wie sehr er darinnen enthalten ist, das zeigt sich erst, wenn man im genaueren, in den Einzelheiten auffasst, was der Mensch ist, indem er spricht oder indem er singt.
Gehen wir von der Sprache aus. Im Laufe der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit ist ja eigentlich die Sprache aus einem ursprünglichen Gesanglichen hervorgegangen. Je weiter wir zurückgehen in vorhistorische Zeiten, desto ähnlicher wird das Sprechen dem Rezitativ und zuletzt dem Singen. Und in sehr alten Zeiten der irdischen Menschenentwickelung unterschied sich die lautlich-tonliche Offenbarung des Menschen nicht nach Gesang und Sprache, sondern beides war eines. Und was man von der menschlichen Ursprache oftmals mitteilt, das ist eigentlich so, dass man auch sagen könnte: diese menschliche Ursprache ist ein Urgesang. Wenn wir die Sprache in ihrem heutigen Zustande betrachten, wo sie sich schon sehr stark von dem rein Gesanglichen entfernt hat und untergetaucht ist in das Prosa-Element und in das intellektualistische Element, dann haben wir in der Sprache wesentlich zwei Elemente: das konsonantische und das vokalische Element. Alles, was wir in der Sprache zur Geltung bringen, setzt sich ja zusammen aus einem konsonantischen Elemente und aus einem vokalischen Elemente. Das konsonantische Element beruht eigentlich ganz auf unserer feineren Körperplastik. Wenn wir ein B oder ein P oder ein L oder ein M sprechen, so beruht das darauf, dass irgendetwas in unserem Körper eine bestimmte Form hat. Es ist nicht immer so, dass man, wenn man von diesen Formen spricht, nur von dem Sprach- oder Gesangsapparat zu sprechen hat. Die sind nur die höchste Gipfelung. Denn wenn der Mensch einen Ton oder einen Laut hervorbringt, so ist eigentlich sein ganzer Organismus daran beteiligt, und was da in den Gesangs- oder in den Sprachorganen vor sich geht, das ist nur die letzte Gipfelung dessen, was im ganzen Menschen vor sich geht. So dass unser menschlicher Organismus eigentlich auch so aufgefasst werden könnte in seiner Form, dass man sagt: Alle Konsonanten, die eine Sprache hat, sind ja eigentlich immer Varianten von zwölf Urkonsonanten. Sie finden zum Beispiel im Finnischen diese zwölf Urkonsonanten wesentlich noch fast rein erhalten: elf sind ganz deutlich, nur der zwölfte ist etwas undeutlich geworden, aber er ist auch noch deutlich vorhanden in… [Lücke im Text]. Diese zwölf Urkonsonanten, wenn man sie richtig erfasst – man kann jeden zugleich durch eine Form darstellen – sie stellen, wenn man sie zusammenstellt, eigentlich die ganze Plastik des menschlichen Organismus vor. So dass man dann, ganz ohne dass man im Bilde spricht, sagen kann: Der menschliche Organismus ist plastisch ausgedrückt durch die zwölf Urkonsonanten.
Was ist denn dann eigentlich dieser menschliche Organismus? Dieser menschliche Organismus ist eigentlich von diesem Gesichtspunkte aus, von dem Gesichtspunkte des Musischen aus, ein Musikinstrument. Ja, auch die äußeren Musikinstrumente können Sie im Grunde genommen dadurch begreifen, dass Sie sie in ihren Formungen, ob Sie schließlich die Violine oder ein anderes Instrument nehmen, irgendwie konsonantisch durchschauen, sie gewissermaßen als aus den Konsonanten heraus gebaut anschauen. Wenn man vom Konsonantischen spricht, hat man eigentlich im Gefühl immer etwas, was an Musikinstrumente erinnert. Und die Gesamtheit, die Harmonie alles Konsonantischen stellt eigentlich die Plastik des menschlichen Organismus dar.
Und das Vokalische – das ist die Seele, die auf diesem Musikinstrument spielt. Die gibt das Vokalische. So dass Sie eigentlich, wenn Sie in der Sprache das Konsonantische und das Vokalische verfolgen, in jeder sprachlichen und tonlichen Äußerung eine Selbstäußerung des Menschen haben. Die Seele des Menschen spielt vokalisch auf dem Konsonantismus des menschlichen Körperinstrumentes.
Wenn wir unsere, der heutigen Zivilisation und Kultur angehörige Sprache betrachten, dann bedient sich unsere Seele, indem sie vokalisiert, sehr stark des Gehirn-, des Kopf-Nerven-Organismus. Das war in früheren Zeiten der Menschheitsentwickelung nicht in demselben Maße vorhanden. Lassen Sie mich das, was da geschieht, ein wenig schematisch Ihnen an die Tafel schreiben. Es ist ganz schematisch.
Nehmen wir an, wir hätten in dieser Weise den Kopf-Nerven-Organismus gebaut (rechts, rot). Die roten Striche würden also die Kräfte, die längs der Nervenstränge des Kopfes gehen, darstellen. Das ist aber nur sehr einseitig die Sache angesehen. In diese Tätigkeit, die da die Nervenstränge entwickeln, geht eine andere Tätigkeit hinein. Die kommt dadurch zustande, dass wir die Luft einatmen. Diese Luft, die wir einatmen – es ist wieder schematisch gezeichnet – die geht durch den Rückenmarkskanal (gelb) direkt hier hinein, und der Stoß der Atmung klingt zusammen mit den Bewegungen, die längs der Nervenstränge ausgeführt werden. So dass in Ihrem Haupte fortwährend der Atemstrom, der durch den Rückenmarkskanal nach dem Kopfe hindrängt, sich begegnet mit dem, was da die Nerven tun. Wir haben nicht eine abgesonderte Nerventätigkeit und eine abgesonderte Atmungstätigkeit, sondern wir haben im Kopfe ein Ineinanderklingen von Atmungstätigkeit und Nerventätigkeit. Der heutige, im gewöhnlichen Leben prosaisch gewordene Mensch, der legt mehr Wert auf die roten Kräfte hier (siehe Zeichnung); er bedient sich mehr seines Nervensystems, wenn er spricht. Er «innerviert» – wie man sagen könnte – er innerviert das Instrument, das die vokalischen Strömungen konsonantisch gestaltet. Das war in früheren Zeiten der Menschheitsentwickelung nicht der Fall. Da lebte der Mensch nicht so sehr in seinem Nervensystem, da lebte er in dem Atmungssystem; daher war die Ursprache mehr Gesang.
Wenn heute gesungen wird, so nimmt der Mensch das, was er beim Sprechen eigentlich ausführt mit Hilfe der Innervation des Nervensystems, zurück in die Atmungsströmung, und er bringt bewusst diese zweite Strömung, die Atmungsströmung, in Tätigkeit. Es ist die Fortsetzung der Atmung in das Haupt, welche direkt in Tätigkeit gesetzt wird, wenn zu der Erzeugung des Tones auch noch, wie im Singen, das Vokalisieren kommt; aber es ist nicht ein Herausgehen aus dem Atem. Es ist also ein Wiederzurücknehmen der prosaisch gewordenen Sprache in das Poetische, in das Künstlerische des rhythmischen Atmungsprozesses.
Der Dichter bemüht sich noch, den Rhythmus der Atmung zu haben in der Art und Weise, wie er die Sprache seiner Gedichte gestaltet. Derjenige, der für Gesang komponiert, nimmt wieder alles in die Atmung, also auch in die Kopfatmung zurück. So dass wir sagen können: Das was gerade der Mensch hier durchmachen muss auf der Erde, indem er sich mit seiner Sprache anpasst an die irdischen Verhältnisse, das wird in einer gewissen Weise rückgängig gemacht, wenn wir von der Sprache zum Gesang übergehen. Der Gesang ist in der Tat eine reale Rückerinnerung mit irdischen Mitteln an dasjenige, was im vorirdischen Dasein erlebt worden ist. Denn wir stehen mit unserem rhythmischen System viel näher der geistigen Welt als mit unserem Denksystem. Und das Denksystem beeinflusst ja die prosaisch gewordene Sprache.“
Rudolf Steiner in der GA 283 („Das Wesen des Musikalischen und das Tonerlebnis im Menschen“), S. 101 ff.
Bildquelle: GA K58/18

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„Heute möchte ich noch von einer gewissen andern Seite her die Zusammenhänge betrachten, die da bestehen zwischen dem Menschen als einem mikrokosmischen Wesen und dem ganzen Makrokosmos der Welt, zu der der Mensch gehört, von der er gewissermaßen ein Glied, ein Organ ist.
Man kann diese Dinge von den allerverschiedensten Gesichtspunkten aus betrachten, und dabei werden die mannigfaltigsten Verhältnisse zur Anschauung kommen, die sich manchmal scheinbar widersprechen; allein die Widersprüche bestehen darinnen, dass eben die Sache immer von verschiedenen Seiten angesehen werden muss.

Sie haben aus bestimmten Betrachtungen, die wir in diesen Tagen angestellt haben, ersehen, dass eigentlich der Mensch, so wie er sich zur Welt ringsherum stellt, in die Weltbetrachtung etwas von sich einmischt, dass er die Sinneswelt eigentlich nicht so nimmt, wie sie ist; dass er, wie ich es versuchte drastisch zum Ausdruck zu bringen, in seine Weltbetrachtung etwas einmischt, was von innen aufsteigt, was von innen heraus gebildet ist und was eigentlich eine Art Umwandlung des Geruchssinnes ist. Es ist dasjenige, was der Mensch sich über die Welt in der mannigfaltigsten Weise kombiniert, was herauskommt, wenn er seinen gewöhnlichen, durch seinen Leib ihm zukommenden Scharfsinn, wie man das nennt, anwendet; Spürsinn könnte man es ja auch nennen. Was anderes wäre dann dem Menschen gegeben, wenn er überhaupt leicht den Versuch machen könnte – er kann es gar nicht einmal leicht, denn er kann seinen Spürsinn nicht leicht ausschalten -, wenn der Mensch die Sinneswelt einfach so nehmen würde, wie sie sich ihm darbietet, ohne seinen Verstand, seinen kombinierenden Verstand in alles Mögliche gleich einzumischen.

Hier berührt man ein Thema, das ja vielleicht dem Verständnis einige Schwierigkeiten macht. Allein, Sie können sich eine Vorstellung machen von dem, was eigentlich gemeint ist, wenn Sie bedenken, wie Ihnen die Natur, die Wesenheit namentlich eines Sinnes entgegentritt. Bei den andern Sinnen ist es zwar ebenso, aber die Sache tritt für die äußere Beobachtung nicht mit derselben Schärfe zutage, nicht so scharf, wie wenn man das, was eigentlich hier gemeint ist, für den Sinn des Gesichts, für das Auge in Betracht zieht. Bedenken Sie, dieses Auge als ein physikalischer Apparat liegt ja eigentlich als ein ziemlich selbständiges Organ im menschlichen Schädel drinnen und ist eigentlich nur durch die Anhänge, die Anhänge der Blutadern, die Anhänge der Nerven, nach rückwärts in den menschlichen Leib hinein verlängert. Man kann sagen: Dieses ist das menschliche Auge, hier ist die Verlängerung (siehe Zeichnung 1); aber als Auge liegt es hier in der knöcherigen Schädelhöhle mit einer großen Selbständigkeit drinnen, insoweit es physikalischer Apparat ist, hier die Linse, der Einfall der Lichtstrahlen, der Glaskörper, also alles das, was physikalischer Apparat ist, ist eigentlich sehr selbständig. Nur durch den Sehnerv, die Aderhaut, die sich hinein nach dem Leibe verlängert, verlängert sich eben das Auge selbst nach dem Leibe, so dass man sagen kann, dieses Auge als physikalischer Apparat, also insofern es aufnimmt die äußere Sinneswelt in ihrer Sichtbarkeit, ist ein selbständiger Organismus, bis zu einem gewissen Grade wenigstens.

So ist es eigentlich für jeden Sinn, nur für die andern Sinne ist die Sache nicht so scharf ins Auge fallend. Jeder Sinn als Sinn ist im Grunde genommen etwas Selbständiges, so dass man schon sprechen kann von einer Sinneszone. Man wundert sich eigentlich, dass das Studium der Sinne nicht hinreicht, um die betreffenden Gelehrten zu einiger Spiritualität zu treiben. Denn gerade diese Selbständigkeit der Sinne könnte die Gelehrten zu einiger Spiritualität treiben. Warum? Sehen Sie, dasjenige, was miterlebt wird durch den Sehnerv, durch die Aderhaut, das würde – und man könnte das schon mit der gewöhnlichen Wissenschaft leicht nachweisen -, das würde nicht hinreichen, um dem Menschen zum Bewusstsein zu bringen dasjenige, was er in seinen Sinnen erlebt. Das Merkwürdige bei den Sinnen ist nämlich das, dass in diesen rein physikalischen Apparat, und er ist ein rein physikalischer Apparat, hineinragt der Ätherleib. Wir haben es bei allen Sinnen zu tun mit etwas, das vom Organismus ausgespart ist, und das nur durchlebt wird vom Ätherleib. Sie würden nicht das, was in Ihrem Auge durch das Hereinfallen des Lichtes bewirkt wird, mit Ihrem Bewusstsein vereinigen können, wenn Sie nicht den Sinn des Auges, und so auch die andern Sinne, durchziehen würden mit Ihrem Ätherleib.

Ein Lichtstrahl fällt in das Auge. Dieser Lichtstrahl wirkt im Auge genau ebenso physikalisch, wie der Lichtstrahl wirkt in einer Camera obscura, in einem photographischen Apparat. Und nur dadurch kommt Ihnen das zum Bewusstsein, was da vorgeht in dieser Naturkamera des Auges, dass Ihr Ätherleib auskleidet das Auge und auffängt das, was im bloßen physikalischen Apparat nicht aufgefangen wird durch einen Ätherleib. Im bloßen physikalischen Apparat, im bloßen photographischen Apparat geht eben nur der physische Vorgang vor sich; so dass der Mensch in der Gesamtheit seiner Sinne wirklich eine Art Fortsetzung hat der Außenwelt. Als physikalische Apparate sind die aufnehmenden Sinne, wenigstens die größte Zahl der aufnehmenden Sinne, mehr zur Außenwelt gehörig als zum Menschen. Ihr Auge gehört viel mehr der Außenwelt an als Ihrem eigenen Leibe.

Beim Tiere gehört das Auge viel mehr dem Leibe an als beim Menschen. Dadurch ist der Mensch über das Tier als Sinneswesen erhaben, dass er Sinne hat, die weniger mit dem Leibe in Verbindung stehen als die Sinne der Tiere. Bei gewissen niederen Tieren kann das schon anatomisch nachgewiesen werden. Da finden sich allerlei organische Fortsätze; zum Beispiel der Fächer ist dadrinnen bei niederen Tieren. Das sind sehr komplizierte Ausgestaltungen zum Teil des Nervs, zum Teil der Blutkörper, die die niederen Tiere vollkommener haben als die höheren Tiere und vor allem als der Mensch.

Dass beim Menschen der physische Leib so wenig Anteil nimmt an seinen Sinnen und den Anteil sehr stark dem Ätherleib überlässt, das ist dasjenige, was beim Menschen macht, dass er ein verhältnismäßig so vollkommenes Wesen ist. So dass wir sagen können: Der Mensch ist erstens dieser innere leibliche Mensch, physisch betrachtet, und ihm sind überall die Sinne eingefügt, die aber eigentlich – wie ich einmal in einem öffentlichen Vortrage in Zürich gesagt habe – wie Golfe sind, die von der Außenwelt hereinragen. Man würde viel richtiger schematisch so zeichnen. Statt dass man zeichnete: Da ist ein Sinn, und da ist ein Sinn, und da ist ein Sinn (siehe Zeichnung 2), würde man viel richtiger so zeichnen: Da ist der menschliche Leib, und da baut sich die menschliche Welt, zum Beispiel das Auge oder das Geruchsorgan, ihre Fortsetzung in die Außenwelt hinein, baut sich ihre Golfe durch die Sinnesorgane. Die Außenwelt ragt durch Sinne, Auge und so weiter herein, und von innen kommen wir nur mit dem Ätherleib entgegen und durchziehen das, was uns die Außenwelt hineinschickt, mit unserem Ätherleib. Er nimmt dadurch Teil an der Außenwelt. Dadurch sind wir darauf angewiesen, dasjenige, was die Außenwelt uns hereinschickt, mit unserem Ätherleib innerlich gewissermaßen zu übergreifen. […]

So ragt also aus der Außenwelt in uns, ich möchte sagen, der vorderste Posten dieser Außenwelt herein. Zeichnen wir das noch einmal schematisch. Nehmen wir einmal an, hier würden wir den menschlichen Leib zeichnen (siehe Zeichnung 3), so ragt der vorderste Posten der Außenwelt in unseren Leib herein; wir übergreifen das mit unserem Ätherleib (rot und blau).

Sie wissen, wir haben in Wirklichkeit zwölf Sinne; diese zwölf Sinne sind also zwölf verschiedene Arten des Hereinragens der Außenwelt in unseren Leib. Was ragt da eigentlich herein? Das ist die große Frage. Was ragt in unseren Leib eigentlich herein?

Wir sehen eigentlich von dem, was hereinragt, nur die eine Seite; wir können uns ohne Hellsehen nicht wenden und von der andern Seite schauen. Der Mensch empfängt mit seinem Ätherleib den hereinfallenden Lichtstrahl oder die hereinfallende Tonschwingung. Aber er läuft nicht von außen dem Tone nach ins Ohr hinein; er läuft nicht dem Lichtstrahle nach von außen ins Auge hinein. Würde er das tun, würde der Mensch mit der Tonwelle, mit dem Lichtstrahl, mit der Wärmeevolution von außen in seine Sinnesapparate hineinlaufen, so weit, als die Sinne von außen hineinragen, so würde der Mensch bei diesem Laufen in einem bestimmten Gebiete sein. Und dieses Gebiet ist das Gebiet der Exusiai, der Geister der Form.

Also wenn Sie sich so wenden könnten, dass Sie mit dem, was hier hineinragt in den Sinnen, mitlaufen könnten (Pfeile), so würden Sie im Gebiete der Exusiai, der Geister der Form sein. Sie sehen das innige Ineinandergreifen der Weltenwesen. Wir schreiten hin als Menschen durch die Welt, öffnen unsere Sinne und tragen eigentlich in uns die Exusiai, die Geister der Form, die sich uns offenbaren, indem wir unsere Sinne der Außenwelt erschließen. Diese Welt der Exusiai, die geistige Welt, verbirgt sich also hinter dem Schleier der Sinneswelt. Aber diese Welt der Exusiai, die sich hinter dem Schleier der Sinneswelt verbirgt, die sich in den Menschen hineinoffenbarende Welt, sie hat, indem sie den Kosmos durchdringt, auch ihre universelle kosmische Seite. Dasjenige, was in unsere Sinne eindringt, das vibriert, das wellt in dem ganzen Kosmos. So dass wir sagen können, dieses Gebiet, das da in unsere Sinne hineinragt, das ist nicht nur da bei den Sinnen, sondern das hat auch seine Ausgestaltung draußen in der Welt. Was ist es denn da? Da sind es die Planeten, die zu unserem Sonnensystem gehören.

Wahrhaftig, der Zusammenhang der Planeten unseres Sonnensystems bildet einen Körper, der zu einem Geistwesen gehört, und dieses Geistwesen schließt die Exusiai ein, die sich eben in den Offenbarungen unserer Sinne kundgeben und die ihre objektive Seite draußen im Universum haben, in den Planeten. Und eingebettet in alles das, was so nun ist, eingebettet also gleichsam in diesen ganzen Strom des Exusiai-Wirkens sind andere Wesen. Die liegen hinter diesen Exusiai. Ich möchte sagen, nicht so weit, wie die Exusiai vordringen, dringen andere Wesen vor. Die sind da draußen in demselben Gebiete, aber sie kommen nicht an uns heran: das sind die Wesen der Hierarchie der Archai, der Archangeloi, der Angeloi.

Die sind schon alle auch in dem drinnen, was sich in unseren Sinnen offenbart, aber der Mensch kann das nicht in sein Bewusstsein aufnehmen. Es wirkt auf ihn, aber er kann es nicht in sein Bewusstsein aufnehmen. So dass Sie sagen können: Wir stoßen durch unsere Sinne an eine Welt – das Gebiet der Exusiai mit dem Planetensystem (rot, blau, orange, siehe Zeichnung 3), und in dieses ganze Gebiet ist auch eingebettet die Hierarchie der Archai, der Archangeloi, der Angeloi. Diese sind gewissermaßen die Diener der Exusiai. Aber der Mensch nimmt von alledem nur die Außenseite wahr; er nimmt eben nur den vor ihm ausgebreiteten Sinnesteppich wahr.

So ist es mit dem, was außer uns ist. Wiederum anders ist es mit dem, was in uns ist, jetzt auch leiblich in uns ist. Sie können ja, nachdem Sie jetzt gehört haben, was da angrenzt an unsere Sinne, hingehen und können fragen: Was ist unmittelbar hinter unseren Sinnen nach innen zu gelegen? – Wir haben gesehen: Es setzt sich fort das Auge im Sehnerv nach innen. Alle Sinne setzen sich fort in ihrem entsprechenden Nerv nach innen. Wenn sich so die Sinne nach innen fortsetzen, so bekommen Sie von den zwölf Sinnen nach innen einen wunderbaren Bau. Es ist sehr kompliziert. Man könnte es sich vereinfachen, indem man sagte: zwölferlei Stränge nach dem Innern, zwölferlei Sinnessphären; also außen die Sinneszone, daran anschließend dasjenige, was die Sinne nun nach innen schicken.

Das ist ein sehr komplizierter Bau. Woher rührt der, wenn wir den Menschen als makrokosmisches Wesen betrachten? Das, was da hinter den Sinnen nach innen liegt, das kommt von den Dynamis, von den Geistern der Bewegung. So dass weiter nach innen gehend hier sich an die Sinne anschließen die Taten der Dynamis, der Geister der Bewegung (siehe Zeichnung 3). Sie könnten nicht denken, wenn die Geister der Bewegung nicht an den Denkapparaten, welche die Fortsetzung der Sinnesapparate sind, arbeiten würden. Wenn Sie nach außen sehen, sehen Sie die Exusiai die Naturordnung machen. Sie sehen diese Exusiai an den Menschen herankommen mit ihren Dienern, den Archai, den Archangeloi, den Angeloi. Aber wenn Sie an Ihr Inneres denken, dann müssen Sie denken, dass Sie dieses Innere verdanken den Geistern der Bewegung, die Ihnen den Denkapparat als Fortsetzung Ihres Sinnesapparates nach innen zubereiten; nicht den Kombinierungsapparat, der ein bloß umgestalteter Geruchsapparat ist, sondern den Denkapparat, den der Mensch im gewöhnlichen physischen Leben gar nicht gebraucht. Denn der Mensch gebraucht den Geruchsapparat, den bloß umgewandelten Geruchsapparat. Er hat sich schon abgewöhnt, die Sinnessphäre zu benützen; er würde ganz anders denken, wenn er die zwölf nach innen gehenden Fortsetzungen der Sinnessphäre wirklich benützen könnte.

Im Gehirn liegt zum Beispiel hinter der Vorderhirnsphäre, die im Wesentlichen umgearbeitetes Geruchsorgan ist, die Sehsphäre. Die benützt der Mensch kaum, denkt nur gewöhnlich durch die Geruchssphäre. Umgearbeitet benützt er sie, indem er kombiniert. Würde er sie unmittelbar benützen, würde er sein Vorderhirn ausschalten, dieses nur für die äußere sinnliche Welt zubereitete Vorderhirn ausschalten und denken mit der unmittelbaren, mit der Vierhügelpartie, mit der Sehpartie, da wo sie einmündet in das Gehirn, dann würde er Imaginationen haben.

So ist es auch mit den andern Sinnen. Der Mensch hat schon Imaginationen auch in der physischen Welt, weil immer eine Welt in die andere hineinragt. Aber diese Imaginationen, die der Mensch in der physischen Welt hat, die erkennt er nicht als wirkliche Imaginationen an: es sind nämlich die Geruchsimaginationen. Was der Mensch riecht, das ist eigentlich für das gewöhnliche sinnliche Leben das einzige imaginative Gebiet. Aber ein viel edleres imaginatives Gebiet würde zum Beispiel aus der Sehsphäre stammen können und aus andern Sinnessphären.

Nach innen zu gesehen sind die Geister der Bewegung da. Und weiter nach innen zu kommen wir zu den Gebieten, die nun nicht das Denken beherrschen, sondern das Fühlen nach innen zu beherrschen, die Organe des Fühlens, was zumeist drüsige Organe sind in Wirklichkeit. Diese Organe sind die Taten der Geister, die wir nennen die Kyriotetes, die Geister der Weisheit. Fühlende Wesen sind wir als Menschen dadurch, dass die Geister der Weisheit an uns arbeiten. Wollende Wesen sind wir dadurch, dass die Geister des Willens, die Throne an uns arbeiten. Noch weiter nach innen gelegen, arbeiten die Throne, die Geister des Willens an den Organen unseres Wollens (siehe Zeichnung 3).

So wie nun makrokosmisch die Exusiai, die Geister der Form, in den Planeten ihren Leib haben, der gewissermaßen die äußere sichtbare Seite uns zuwendet für das gewöhnliche Bewusstsein, so haben die Geister der Bewegung – sonderbarerweise, aber es ist so – ihre Außenseite in den Fixsternen. Ihre Innenseite sieht nur der Tote zwischen dem Tod und einer neuen Geburt; das ist die geistige Seite, von der andern Seite gesehen. Dagegen die Geister der Weisheit und die Throne haben äußere Sichtbarkeit überhaupt nicht mehr; sie sind geistiger Natur. Man kann vergleichsweise sagen, sie liegen hinter den Planeten und hinter den Fixsternen. Und indem der Tote herunterschaut auf dasjenige, was am Menschen wirkt im menschlichen Fühlen und im menschlichen Wollen, schaut der Tote fortwährend hin auf die Kyriotetes, auf die Throne. Was ich Ihnen gesagt habe, dass der Tote mit den Menschen, mit denen er karmisch verbunden ist, einen Zusammenhang hat, das wird ihm vermittelt durch die Kyriotetes und durch die Throne. Der Tote schaut herein in die Sphäre, die auf unsichtbare Weise draußen in der objektiven Welt wirkt und eigentlich sichtbar nur wird in ihrem Geschöpf, in dem menschlichen Fühlen und in dem menschlichen Wollen. Zu dem Toten glänzt hinauf dasjenige, was hier die Menschen fühlen und wollen, und der Tote sagt: Im Leibe der Dynamis, im Leibe der Kyriotetes, im Leibe der Throne erglänzt Denken, Fühlen und Wollen der Menschen. – Wie wir hinaufsehen zu den Sternen, sieht der Tote in die Erdensphäre herunter, in die Menschensphäre. Nur, wir blicken das Mineralische an den Sternen an, das äußere Physische; der Tote sieht nicht das äußere Physische der Drüsen, der Bewegungsorgane, also auch des Blutes, sondern der Tote sieht dafür die geistige Seite, die Kyriotetes, die Throne. Wie wir zum Himmel aufblicken, seinen sichtbaren Sinn von außen schauen, schaut der Tote nieder, um das Firmament der Menschheit zu schauen. Das Geistige dieses Firmaments erscheint ihm hinauf. Das ist des Toten Geheimnis.“

Rudolf Steiner am 30. Dezember in der GA 180 („Mysterienwahrheiten und Weihnachtsimpulse“), S. 90 ff.
Bildquelle: Ebenda

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…Wir nennen im Sinne der christlichen Esoterik dasjenige Reich, das an das menschliche Reich unmittelbar angrenzt, das Reich der Engel oder Angeloi; man nennt sie auch die Geister des Zwielichts. Dann ein zweites, höheres Reich über den Engeln ist das Reich der Erzengel oder Archangeloi oder auch der Feuergeister; und endlich ein noch höheres Reich, das der Urkräfte, Urbeginne oder Archai, auch die Geister der Persönlichkeit genannt. Das sind also drei Reiche über dem Menschen, und nun wollen wir uns über das Leben dieser Reiche einiges klarmachen.
„Aber wir können noch weitergehen. Wir haben die vier Reiche gefunden: Mineral-, Pflanzen-, Tier- und Menschenreich. Aber damit ist es nicht zu Ende. Das sind nur diejenigen Reiche, welche der Mensch in seiner normalen Entwickelung sehen kann. Wir haben schon früher darauf aufmerksam gemacht, daß der Mensch zum Beispiel in der atlantischen Zeit Genosse von solchen Wesenheiten war, die nur einen Ätherleib als dichtestes Gebilde hatten. Das, was als Erinnerung geblieben ist in den Sagen der Völker, die Gestalten eines Zeus, eines Apollo, sie waren wirkliche Gestalten für die alten Atlantier; während des Schlafzustandes haben sie mit ihnen zusammen gelebt. Solche Wesen gibt es durchaus, die nicht bis zur fleischlichen Verkörperung heruntergestiegen sind. Und so können wir vom Menschen hinaufblicken zu höheren Reichen, und da sind es zunächst drei Reiche, die uns interessieren. Wir nennen im Sinne der christlichen Esoterik dasjenige Reich, das an das menschliche Reich unmittelbar angrenzt, das Reich der Engel oder Angeloi; man nennt sie auch die Geister des Zwielichts. Dann ein zweites, höheres Reich über den Engeln ist das Reich der Erzengel oder Archangeloi oder auch der Feuergeister; und endlich ein noch höheres Reich, das der Urkräfte, Urbeginne oder Archai, auch die Geister der Persönlichkeit genannt. Das sind also drei Reiche über dem Menschen, und nun wollen wir uns über das Leben dieser Reiche einiges klarmachen. (3. Hierarchie)
Sie spielen in unser Leben durchaus hinein: wie der Mensch in das Leben der Pflanzen hineinspielt, wenn er die Erde bebaut, so spielen diese höheren Reiche herein in das Menschenreich. Wir werden uns das am besten klarmachen können, wenn wir folgendes betrachten: Gegenwärtig hat der Mensch ein Ich, einen Astralleib, einen Ätherleib und einen physischen Leib. Wie geschieht nun die Weiterentwickelung? Dadurch, daß der Mensch an sich selbst mehr und mehr arbeitet. Heute ist das Ich des Menschen in vieler Beziehung noch ohnmächtig gegenüber den anderen Gliedern seiner Wesenheit. Denken Sie nur daran, wie der heutige Mensch vielfach nicht imstande ist, seine Leidenschaften zu beherrschen und von ihnen, also von seinem astralischen Leib, beherrscht wird. Es ist ein großer Unterschied unter den Menschen in dieser Beziehung. Der eine ist ganz hingegeben seinen astralischen Kräften, seinen Leidenschaften. Betrachten …. heutigen europäischen Kulturmenschen; und dann betrachten Sie einen hohen Idealen nachstrebenden Menschen, wie Schiller oder Franz von Assisi. Sie sehen, es ist eine Fortentwickelung, die darin besteht, daß die Menschen immer mehr und mehr lernen, ihren Astralleib vom Ich aus zu beherrschen.
Und es wird eine Zeit kommen, wo das Ich den Astralleib ganz beherrscht, ihn durchglüht und durchzieht. Dann wird der Mensch ein höheres Glied ausgebildet haben, das wir Manas oder Geistselbst nennen. Es ist nichts anderes als der durch das Ich umgewandelte Astralleib. Wenn wir den heutigen Menschen betrachten, so müssen wir sagen, sein Astralleib besteht eigentlich aus zwei Teilen, aus dem, was er schon umgewandelt hat, was unter der Herrschaft des Ich steht, und dem, was sein Ich noch nicht beherrschen kann.
Dieser Teil ist noch von anderen, niederen Kräften und Trieben erfüllt, und wenn das Ich diese hinaustreibt, fügt es dem astralischen Leibe allerlei Kräfte hinzu. Damit aber der Astralleib überhaupt erhalten bleibe, damit er nicht durch das Niedere zerstört werde, muß er immer noch durchdrungen, durchsetzt sein von höheren Wesenheiten, die ihn heute so beherrschen können, wie einst der Mensch es tun wird, wenn er am Ziele seiner Entwicklung angelangt sein wird. Diese Wesen, die die Aufgabe haben, den vom Menschen unbeherrschten Teil seines Astralleibes zu beherrschen, stehen eine Stufe höher als der Mensch, es sind die Engel oder Geister des Zwielichts. In der Tat wacht sozusagen über jedem Menschen ein solch höherer Geist, der über seinen Astralleib Macht hat, und es ist nicht bloß eine kindliche Vorstellung, sondern eine tiefe Weisheit, wenn man von Schutzengeln spricht. Sie haben eine große Aufgabe, diese Schutzengel.
Betrachten wir den Gang eines Menschenlebens über die Erde in seiner Gesamtheit. Wir wissen, es geht durch viele Verkörperungen hindurch. Einmal, in einem gewissen Punkte der Erdentwickelung, beginnt der Mensch als Seelen-Ich in seiner ersten Inkarnation auf der Erde zu leben. Dann stirbt er, es kommt eine Zwischenzeit, dann eine neue Verkörperung, und so geht es fort von Inkarnation zu Inkarnation, und das wird erst in einem fernen Punkte der menschlichen Entwickelung sein Ende haben. Dann wird der Mensch durch alle Inkarnationen hindurchgegangen sein, und dann wird er auch die Fähigkeit erlangt haben, seinen astralischen Leib vollkommen zu beherrschen. Das kann er nicht früher, als bis er durch alle Inkarnationen hindurchgegangen ist, wenigstens nicht in normaler Entwickelung. Da verfolgt nun ein solcher höherer Geist das Innerste der Menschennatur, was sich von Inkarnation zu Inkarnation zieht, und leitet den Menschen von Inkarnation zu Inkarnation, so daß er seine Erdenmission wirklich erfüllen kann. Es ist in der Tat so, wie wenn der Mensch seit dem Beginn seiner Erdenwanderung hinaufsehen könnte nach einem erhabenen Geist, der sein Vorbild ist, der ganz seinen astralischen Leib beherrschen kann, der ihm sagt: So mußt du sein, wenn du einst aus dieser Erdentwickelung heraustrittst. – Das ist die Aufgabe der sogenannten Geister des Engelreiches, die Inkarnationen der Menschen zu leiten. Und ob man sagt, der Mensch blickt auf zu seinem höheren Selbst, dem er immer ähnlicher werden soll, oder ob man sagt, er schaue zu seinem Engel als zu seinem großen Vorbilde hinauf, das ist im Grunde genommen geistig ganz dasselbe.“
RUDOLF STEINER. /GA 105 S.59-61
Welt, Erde und Mensch deren Wesen und Entwickelung sowie ihre Spiegelung in dem Zusammenhang zwischen ägyptischem Mythos und gegenwärtiger Kultur

dazu passend:
Warum Engel höhere Menschen sind: was sie uns voraus haben und was wir ihnen – Gibt es Engel? Teil 1:

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„Man kann nicht sagen, dass die Gegenwart keine Ideale hätte. Im Gegenteil, sie hat sehr, sehr viele Ideale. Aber diese Ideale sind nicht wirksam. Warum sind sie nicht wirksam? Denken Sie sich einmal – verzeihen Sie das etwas merkwürdige Bild, aber es entspricht doch der Sache -, denken Sie sich einmal, ein Huhn wäre bereit, ein Ei auszubrüten, man würde dieses Ei aber nehmen und durch Wärme ausbrüten lassen, das Kückelchen aus dem Ei herauskommen lassen. All das wäre ja denkbar, aber wenn man das zum Beispiel unter dem Rezipienten einer Luftpumpe machen würde, im luftleeren Raume, meinen Sie, dass das Huhn, das aus dem Ei ausschlüpft, gedeihen würde? Da sind gewissermaßen alle in der Evolution gegebenen Entwickelungsmomente da, aber eines ist nicht da: wo hinein man das betreffende Kückelchen setzen soll, damit es seine Lebensbedingungen habe.
So ungefähr geht es mit all den schönen Idealen, von denen man in der Gegenwart so sehr häufig spricht. Sie klingen nicht nur schön, sie sind in der Tat wertvolle Ideale. Aber die Gegenwart lässt sich nicht angelegen sein, die wirklichen, die realen Bedingungen der Evolution kennenzulernen, so wie man sie einmal nach den Bedingungen der Gegenwart erkennen muss. Und so kommt es, dass man in den merkwürdigsten Gesellschaften alle möglichen Ideale prägen, vertreten, fordern kann, und es kommt nichts dabei heraus. Denn schließlich, Gesellschaften mit Idealen hat es wahrhaftig im Beginne des 20. Jahrhunderts genügend gegeben. Dass aber die letzten drei Jahre just eine Erfüllung dieser Ideale waren, das kann man nicht sagen. Nur müßte man aus einer solchen Tatsache etwas lernen, wie
es ja gerade in diesen Betrachtungen öfter erwähnt worden ist.
Ich habe Ihnen nun vorigen Sonntag hier mit einigen Strichen ein Bild gegeben der geistigen Entwickelung der letzten Jahrzehnte. Ich habe Sie gebeten, darauf Rücksicht zu nehmen, dass dasjenige, was auf dem physischen Plane geschieht, längere Zeit vorbereitet ist in der geistigen Welt. Ich habe da auf ganz Konkretes hingewiesen. Ich habe darauf hingewiesen, wie in den vierziger Jahren in der unmittelbar an die unsrige nach oben angrenzenden geistigen Welt ein Kampf begonnen hat, eine Metamorphose jener Kämpfe, die man mit dem alten Symbolum bezeichnet als den Kampf des heiligen Michael mit dem Drachen. Und ich habe Ihnen angeführt, wie dieser Kampf in der geistigen Welt sich bis zum November 1879 abgespielt hat, wie man es also da in der geistigen Welt mit einem Kampf zu tun hatte, mit einem Kampf Michaels mit dem Drachen – wir wissen ja, was unter diesem Bilde zu verstehen ist -, wie dann nach dem November 1879 in der geistigen Welt der Sieg erfochten worden ist von Seiten Michaels, und der Drache, das heißt die ahrimanischen Gewalten, heruntergestoßen worden sind in die Sphäre der Menschen. Wo sind sie jetzt?
Also bedenken wir wohl: Diejenigen Mächte von der Schule Ahrimans, die vom Jahre 1841 bis 1879 einen entscheidungsvollen Kampf ausgeführt haben in der geistigen Welt, sie sind 1879 gestürzt worden aus der geistigen Welt herunter in das Reich des Menschen. Und seit jener Zeit haben sie ihre Festung, haben sie das Feld ihres Wirkens – und zwar speziell in derjenigen Epoche, in der wir jetzt leben – in dem Denken, in dem Empfinden, in den Willensimpulsen der Menschen.
Vergegenwärtigen Sie sich daraus, wie unendlich viel in dem, was die Menschen denken, in dem, was die Menschen wollen und empfinden, in dieser unserer Zeit von ahrimanischen Mächten durchsetzt ist. Solche Ereignisse im Zusammenhange zwischen der geistigen und der physischen Welt liegen im Plane unserer ganzen Weltenordnung, und man muss mit diesen konkreten Tatsachen rechnen. Was nützt es, wenn man immerfort im Abstrakten steckenbleibt und als ein richtiger Abstraktling sagt: Der Mensch muss Ahriman bekämpfen. – Es kommt ja nichts dabei heraus bei einer solchen abstrakten Formel. Die Menschen der Gegenwart ahnen zuweilen gar nicht, in welcher Geisteratmosphäre sie eigentlich stehen. Man muss diese Tatsache in ihrer ganzen schwerwiegenden Bedeutung ins Auge fassen.
Nehmen Sie nur einmal dieses: dass Sie als Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft berufen sind, von diesen Dingen zu hören, sich in Ihren Gedanken, in Ihren Empfindungen mit diesen Dingen zu beschäftigen. Dann wird Ihnen der ganze Ernst der Sache vor die Seele treten, dann wird Ihnen schon vor die Seele treten, dass Sie mit dem Besten, was Sie fühlen und empfinden können, eine Aufgabe haben, je nach dem Platz, an dem Sie stehen in dieser so rätselvollen, so fragwürdigen, so verworrenen Gegenwart. Nehmen Sie etwa das folgende an: Irgendwo wären nur ein paar Menschen, die sich auf eine naturgemäße Weise zusammengetan hätten zu einer Art freundschaftlichem Verkehr, und dieser Kreis von Menschen, der wüsste von solchen und ähnlichen geistigen Zusammenhängen, wie ich sie Ihnen eben geschildert habe, und große Mengen von Menschen wüssten nichts davon. Seien Sie überzeugt, wenn dieser Kreis von Menschen, den ich jetzt hypothetisch vor Ihre Seele hingestellt habe, den Entschluss fassen würde, aus irgendwelchen Untergründen heraus, dasjenige, was er an Kraft gewinnen kann durch solches Wissen, in irgendeinen Dienst zu stellen, dann ist dieser geringe Kreis mit der Anhängerschaft, die er sich macht, oftmals ohne dass es dieser Anhängerschaft bewusst wird, sehr mächtig und am mächtigsten den Ahnungslosen gegenüber, die nichts wissen wollen von diesen Dingen.
Es war schon im 18. Jahrhundert ein gewisser Kreis von Menschen da, der ganz von dieser Art war. Der hat heute auch seine Fortsetzung. Ein gewisser Kreis von Menschen wusste von solchen Tatsachen, von denen ich Ihnen gesprochen habe, wusste davon, dass solches im 19. und bis ins 20. Jahrhundert hinein geschehen werde, wie ich es Ihnen geschildert habe. Dieser Kreis von Menschen nahm sich aber vor – schon im 18. Jahrhundert -, gewisse, man kann sagen für diesen Kreis selbstsüchtige Absichten zu vollziehen, gewisse Impulse anzustreben. Dazu hat er dann ganz systematisch gearbeitet.
Die Menschen leben ja heute in großen Massen wie schlafend, gedankenlos dahin, achten auch gar nicht darauf, was manchmal in ganz großen Kreisen, die neben ihnen leben, eigentlich vorgeht. In dieser Beziehung gibt man sich ja gerade heute vielen Illusionen hin. Denken Sie nur einmal, dass natürlich die Menschen heute sagen: Ach, wie wirkt doch unser Verkehr, wie bringt er die Menschen zueinander! Wie erfährt jeder vom andern! Wie ist das doch ganz anders als in früheren Zeiten! – Erinnern Sie sich an alles das, was nach dieser Richtung gesagt wird. Man braucht nur einzelne Tatsachen sinngemäß und vernunftgemäß zu betrachten, dann findet man, dass in dieser Beziehung die Gegenwart ganz merkwürdige Dinge aufweist. Wer glaubt zum Beispiel – ich will das alles nur zum Exempel, nur zum Beleg anführen -, dass literarische Erscheinungen heute nicht durch die Presse, die alles versteht und über alles sich ergeht, in weitesten Kreisen bekannt werden kann? Wer glaubt im Ernst, dass heute bedeutungsvolle, tief eingreifende, epochemachende literarische Erscheinungen unbekannt bleiben können? Man muss doch auf irgendeine Weise etwas davon erfahren. Das Merkwürdige ist, dass dasjenige, was man heute mit Respekt zu vermelden die Presse nennt, seinen Aufschwung erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts begonnen hat; einen Ansatz dazu hat die Presse ja schon vorher gemacht, wenn sie auch noch nicht so war wie heute. Und trotzdem [die Presse nichts darüber geschrieben hat], konnte damals über ganz Mitteleuropa hin eine literarische Erscheinung epochemachend sein, epochemachender als all die bekannten Schriftsteiler wie Spielhagen, Gustav Freytag, Paul Heyse und was ich noch für Leute mit vielen, vielen Auflagen nennen könnte, eine literarische Erscheinung, die weiter verbreitet war und viel stärker gewirkt hat als all das, wovon man etwas weiß: Denn kein Werk hat eigentlich einen so breiten Leserkreis gehabt in diesem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wie «Dreizehnlinden » von Wilhelm Weber. Nun frage ich Sie: Wie viele Menschen werden hier sitzen, die nicht einmal wissen, dass es ein «Dreizehnlinden» von Weber gibt? – So leben die Menschen heute nebeneinander, trotz der Presse. In diesen «Dreizehnlinden» sind, in einer schönen dichterischen Sprache, Ideen verkörpert, die tief einschneidend waren. Ja, die leben heute in Tausenden und Abertausenden von Gemütern.
Ich habe das angeführt, um zu exemplifizieren, dass es tatsächlich möglich ist, dass die Masse der Menschen nichts weiß von Dingen, die immerhin einschneidend sind und sich neben ihnen abspielen. Ja, Sie können sicher sein, wenn sich hier jemand finden sollte, der das Buch «Dreizehnlinden» nicht gelesen hat – und ich vermute, dass es solche unter den Freunden gibt -, Sie können ganz sicher sein: Sie waren schon in Ihrem Leben mit drei, vier Menschen zusammen, die «Dreizehnlinden» gelesen haben. Es sind eben solche Scheidewände zwischen den Menschen, dass oftmals über die wichtigsten Sachen zwischen Nahestehenden überhaupt nicht gesprochen wird. Man spricht sich nicht aus. Selbst Nahestehende sprechen sich über die wichtigsten Sachen nicht aus. Und so wie es in einer solchen Kleinigkeit ist – denn selbstverständlich ist das, was ich hier angeführt habe, für die weltgeschichtliche Entwickelung eine Kleinigkeit-, ist es ja dann im Großen. Es gehen eben in der Welt Dinge vor, die sich ein großer Teil der Menschheit nicht klarmacht. […]
Wie erhaben sind diese Menschen heute, die so recht den Geist und die Gesinnung des naturwissenschaftlichen Denkens aufgenommen haben, wie schauen sie herab auf die alten Mythen, auf die Märchen: kindliches Zeitalter der Menschheit, wo sich die Menschen Träume hingestellt haben! Wie weit sind wir dagegen gediehen: wir wissen heute, wie alles von einem gewissen Kausalgesetz beherrscht wird, wir haben es eben herrlich weit gebracht. – Aber alle, die so urteilen, wissen eines nicht: dass diese ganze Wissenschaft von heute nicht da wäre, gerade da, wo sie berechtigt ist, wenn das mythische Denken nicht vorangegangen wäre. Ja, die heutige Wissenschaft, ohne dass die Mythe vorangegangen ist, ohne dass sie aus
der Mythe herausgewachsen ist, können Sie geradeso haben, wie Sie eine Pflanze haben können, die nur Stengel, Blätter und Blüten hat und da drunten keine Wurzel, die braucht man nicht. Wer von der heutigen Wissenschaft als einem in sich selbst absolut Ruhenden spricht, der redet eben so, als wenn er die Pflanze bloß ihrem oberen Teile nach gedeihen lassen wollte. Alles, was heutige Wissenschaft ist, ist aus der Mythe herausgewachsen, die Mythe ist
die Wurzel. Und es verursacht eben bei gewissen Elementargeistern, die solche Dinge von den andern Welten aus beobachten, ein wahres Hohngelächter der Hölle, wenn die ganz gescheiten Professorengemüter von heute heruntersehen auf die alten Mythologien, auf die alten Mythen, auf alle die Mittel des alten Aberglaubens, und keine Ahnung haben, dass sie mit all ihrer Gescheitheit herausgewachsen sind aus diesen Mythen, dass sie keinen einzigen berechtigten Gedanken der Gegenwart haben könnten, ohne dass diese Mythen dagewesen wären. Und ein anderes verursacht bei denselben Elementargeistern ein wahres Hohngelächter der Hölle – hier kann man sogar im eigentlichen Sinne sagen ein Hohngelächter der Hölle, denn den ahrimanischen Mächten ist das gerade recht, dass ihnen Gelegenheit zu einem solchen Hohngelächter gegeben wird -, nämlich wenn diese Leute glauben, nun haben sie die kopernikanische Theorie, nun haben sie den Galileismus, nun haben sie dieses gloriose Gesetz von der Erhaltung der Kraft. Das wird sich nie ändern, das wird nun in alle Zeiten hinein bleiben. – […]
Natürlich, wir sprechen das hier so aus, dass wir uns der entsprechenden Ausdrücke bedienen – ahrimanische Mächte -, weil wir diese Dinge ernst nehmen. Sie wissen, so können Sie nicht sprechen, wenn Sie draußen zu den Menschen sprechen, die heute ganz unvorbereitet sind. Denn da ist eben eine der Scheidewände. Da kommt man nicht heran an die Menschen; aber man kann natürlich Mittel und Wege finden, um zu den andern Menschen so zu sprechen, dass dasjenige, was einmal Wahrheit ist, einfließt. Dahingegen, wenn es gar keine Stätte gäbe, wo die Wahrheit gesagt werden könnte, dann würde man ja auch keine Möglichkeit haben, sie einfließen zu lassen in die äußere, profane Wissenschaft. Es muss ja mindestens einzelne
Stätten geben, wo die Wahrheit in einer ursprünglichen, echten Form ausgesprochen werden kann. Nur müssen wir niemals vergessen, dass es den heutigen Menschen oftmals unüberwindliche Schwierigkeiten macht, wenn sie selbst auch schon wirklich den Anschluss finden an die spirituelle Wissenschaft, die Brücke zu schlagen hinüber ins Reich der ahrimanischen Wissenschaft. Ich habe manche Menschen gefunden, die sehr gut Bescheid wussten auf diesem oder jenem Gebiet der ahrimanischen Wissenschaft, die entweder gute Naturwissenschafter oder gute Orientalisten waren und so weiter, die dann auch den Anschluss gefunden haben an unsere spirituelle Forschung. Oh, ich habe mir viele Mühe gegeben, um solche Menschen zu veranlassen, nun die Brücke zu schlagen. Was wäre geschehen, wenn ein Physiologe, ein Biologe mit all dem Spezialwissen, das man auf diesen Gebieten heute gewinnen kann, die Physiologie, die Biologie spirituell durchgearbeitet hätte, so dass man nicht gerade unsere Ausdrücke gebraucht hätte, aber in unserem Geist diese einzelnen Wissenschaften bearbeitet hätte! Ich habe es bei Orientalisten versucht. Gewiss, die Menschen können auf der einen Seite gute Anhänger der Anthroposophie sein, auf der andern Seite sind sie Orientalisten und machen die Sache so, wie es Orientalisten machen. Aber die Brücke von dem einen zu dem andern wollen sie nicht schlagen. Das ist es aber gerade, was die Gegenwart so notwendig braucht, was so intensiv notwendig ist, denn, wie gesagt, da befinden sich die ahrimanischen Mächte sehr wohl, wenn man Naturwissenschaft so betreibt, als ob das ein Abbild der äußeren Welt wäre. Aber wenn man mit spiritueller Wissenschaft und mit der Gesinnung kommt, die aus der spirituellen Wissenschaft fließt, da befinden sich die ahrimanischen Mächte weniger gut. Diese spirituelle Wissenschaft ergreift ja den ganzen Menschen. Man wird ein anderer Mensch dadurch, man lernt anders fühlen und anders wollen, man lernt, sich anders in die Welt hineinzustellen.
Es ist wahr, was immer von Eingeweihten gesagt wurde: Wenn das den Menschen durchströmt, was von spiritueller Weisheit kommt, dann ist es für die ahrimanischen Mächte ein großer Schrecken der Finsternis und ein verzehrend Feuer. Wohl ist es den ahrimanischen Engeln, in den Köpfen zu wohnen, die heute mit ahrimanischer Wissenschaft erfüllt sind; aber wie verzehrend Feuer, wie ein großer Schrecken der Finsternis werden diejenigen Köpfe von den ahrimanischen Engeln empfunden, die mit spiritueller Weisheit durchsetzt sind. Nehmen wir solch eine Sache in ihrem vollen Ernste, fühlen wir das: Wenn wir uns mit spiritueller Weisheit durchsetzen, dann gehen wir so durch die Welt, dass wir ein rechtes Verhältnis begründen zu den ahrimanischen Mächten, dass wir selber durch das, was wir tun, das aufrichten, was da sein muss, dass wir zum Heile der Welt aufrichten die Stätte des verzehrenden Opferfeuers, die Stätte, wo der Schrecken der Finsternis strahlt über das schädliche Ahrimanische.
Durchdringen Sie sich mit solchen Ideen, durchdringen Sie sich mit solchen Empfindungen! Dann werden Sie wach und schauen die Dinge an, die draußen in der Welt vorgehen, schauen an, was draußen in der Welt geschieht. Im 18. Jahrhundert sind eigentlich die letzten Reste der alten atavistischen Wissenschaft erstorben. Die Anhänger des «unbekannten Philosophen» Saint-Martin, des Schülers von Jakob Böhme, hatten manches von der alten atavistischen
Weisheit, sie hatten dafür aber auch vieles von einem Vorauswissen dessen, was kommen werde, was in unserer Zeit aber schon gekommen ist. Und oftmals wurde in diesen Kreisen davon gesprochen, dass von dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Wissen ausstrahlen werde, das da wurzelt in denselben Quellen, in demselben Boden, wo bestimmte menschliche Krankheiten wurzeln – ich habe letzten Sonntag davon gesprochen -, wo Anschauungen herrschen werden, die da wurzeln in der Lüge, wo Empfindungen herrschen werden, die da wurzeln in der Selbstsucht.
Verfolgen Sie mit sehendem Auge, mit dem Auge, das sehend wird durch die Empfindungen, von denen wir heute gesprochen haben, was durch die Gegenwart wallt und west! Vielleicht wird von manchem, was Sie erfahren, Ihr Herz wund werden. Das aber schadet nichts, denn klare Erkenntnis, auch wenn sie schmerzt, wird heute gute Früchte tragen von der Art, wie sie gebraucht werden, um herauszukommen aus dem Chaos, in das sich die Menschheit hineinbegeben hat.“
Rudolf Steiner in der GA 177 („Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt – Der Sturz der Geister der Finsternis“), S. 174 ff.

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Engelwesen:
„Heute wollen wir uns eingehender beschäftigen mit der Wesenheit derjenigen Glieder der höheren Hierarchien, die unmittelbar über dem Menschen stehen. Es ist gut, wenn wir, um das zu studieren, einmal vom Menschen ausgehen. Denn nur dadurch, dass wir uns vollständig klarmachen, was wir wiederholt über das Wesen des Menschen und seine Entwickelung gesagt haben, können wir aufsteigen zum Wesen der Glieder höherer Hierarchien.
Wir wissen, dass der Mensch, so wie er zunächst die Erde betreten hat und sich auf der Erde entwickelt, im Wesentlichen aus vier Gliedern besteht. Diese vier Glieder sind also der physische Leib, der Ätherleib, der astralische Leib und das Ich. Wir wollen heute schematisch einmal hinzeichnen, so wie wir es gerade brauchen, diese vier Glieder der menschlichen Wesenheit. Wir zeichnen zunächst des Menschen physischen Körper als einen Kreis, ebenso den Ätherleib, den astralischen Leib und endlich das Ich als einen kleinen Kreis. Sie wissen nun, wie des Menschen Entwickelung vor sich geht. Der Mensch beginnt im Laufe seiner Erdenentwickelung vom Ich aus den Astralleib zu bearbeiten. Und wir können im Allgemeinen sagen: So viel der Mensch von seinem Ich aus am astralischen Leib verarbeitet hat, so dass dieser verarbeitete Teil des Astralleibes unter die Herrschaft des Ich gekommen ist, so viel nennt man Manas oder Geistselbst; so dass also eigentlich Manas oder Geistselbst, wie oft betont worden ist, nicht wie irgendetwas neu Angeflogenes anzusehen ist, sondern einfach ein umgewandeltes Produkt des Astralleibes des Menschen ist. Wohlgemerkt, alle diese Dinge, die jetzt hier gesagt werden, gelten für den Menschen. Es ist wichtig, dass wir uns das nicht verallgemeinern, sondern uns klarwerden, dass die Wesen der Welt sehr, sehr verschieden voneinander sind.
Nun zeichnen wir als ein fünftes Glied den umgewandelten Astralleib, also Manas als einen besonderen Kreis – eigentlich müßte es ja in den Astralleib hineingezeichnet werden. Ebenso müssen wir hier darüber zeichnen den umgewandelten Ätherleib, denn so viel von dem Ätherleib umgewandelt ist, bezeichnen wir als Budhi oder Lebensgeist, und wenn er ganz umgewandelt ist, so ist er eben ganz Budhi. Ebenso ist der physische Körper zu Atma umgewandelt, wenn wir den Menschen in der Vollkommenheit betrachten, die er erlangen kann in der Entwickelung durch Jupiter, Venus und Vulkan. Wenn der Mensch also im Vulkanzustand seine höchste Vollkommenheit erreicht haben wird, so können wir ihn schematisch in der folgenden Art zeichnen: Wir müssten sagen, wir haben sein Atma, Budhi, Manas, das Ich, den astralischen Leib, den Ätherleib, den physischen Leib. Und wir würden dann in diesem Schema als das Charakteristische anzusehen haben, dass der Mensch mit seinen sieben Prinzipien ein Ganzes ist, dass diese sieben Prinzipien alle ineinander sind. Das ist das Wesentliche.
Denn wenn wir jetzt gehen zu den Gliedern der nächsten Hierarchie, zu den Engeln, so ist das bei ihnen nicht der Fall. Wir können dieses Schema auf den Menschen anwenden, aber nicht auf irgendein Engelwesen. Da müssen wir sagen: Dieser Engel hat physischen Leib, 1, Ätherleib, 2, und Astralleib, 3, entwickelt, so dass diese in gewisser Beziehung ein Ganzes geben. Aber nun müssen wir das Ich, 4, davon getrennt zeichnen, Manas, 5, Budhi, 6, und Atma, 7. Wenn Sie sich die Natur eines Engels klarmachen wollen, so müssen Sie sich denken, dass die höheren Glieder, die er hat und zu denen er sich ja entwickeln kann – in Wirklichkeit hat er ja erst das Manas vollständig ausgebildet, die anderen zwei wird er erst später entwickeln -, dass diese höheren Glieder sozusagen in einer geistigen Welt über demjenigen schweben, was von ihm im Physischen vorhanden ist. Wenn man also die Natur eines Engels studieren wollte, so würde man sich sagen müssen: Der Engel hat nicht ein solches auf der Erde in einem Körper unmittelbar herumwandelndes Ich wie der Mensch. Er entwickelt auch nicht sein Manas auf der jetzigen Stufe seiner Entwickelung auf der Erde. Daher schaut auch das, was von ihm auf der Erde ist, gar nicht so aus, als wenn es zu einem geistigen Wesen gehören würde. Wenn Sie einem Menschen begegnen, so sehen Sie ihm an: Der hat seine Prinzipien in sich, der hat daher alles organisch gegliedert. Wenn Sie einen Engel aufsuchen wollen, dann müssen Sie berücksichtigen, dass sein Physisches hier unten nur etwas ist wie ein Spiegelbild seiner geistigen Prinzipien, die auch nur im Geistigen zu schauen sind. Im fließenden und rieselnden Wasser, in dem sich in Dunst auflösenden Wasser, ferner in den Winden der Luft und in den durch die Luft zuckenden Blitzen und dergleichen, da haben Sie den physischen Körper der Engelwesen zu suchen. Und die Schwierigkeit besteht zunächst für den Menschen darin, dass er glaubt, ein Körper müsse ringsherum bestimmt begrenzt sein. Dem Menschen wird es schwer, sich zu sagen: Ich stehe vor einem aufsteigenden oder herabfallenden Nebel, ich stehe vor einer sich zerstäubenden Quelle, ich stehe im dahinbrausenden Wind, ich sehe den Blitz aus den Wolken schießen und weiß, dass das die Offenbarungen der Engel sind; und ich habe zu sehen hinter diesem physischen Leib, der eben nicht so begrenzt ist wie der menschliche, ein Geistiges.
Der Mensch soll alle seine Prinzipien in sich abgeschlossen entwickeln; damit hängt es zusammen, dass er sich nicht vorstellen kann, dass ein physischer Leib verschwimmend, verschwebend sein kann, dass er gar nicht einmal richtig abgeteilt zu sein braucht. Sie müssen sich durchaus denken, dass achtzig Engel zusammengehören, die in einer einzigen Partie dieser oder jener Wasserfläche den dichtesten Teil ihres physischen Leibes haben. Es braucht auch gar nicht dieser physische Leib der Engel so aufgefasst zu werden, dass er überhaupt begrenzt sein müßte, es kann hier ein Stück Wasser dazu gehören, weit weg ein anderes Stück. Kurz, wir sehen, dass wir uns alles, was uns umgibt als Wasser, Luft und Feuer der Erde, dass wir uns das vorzustellen haben als in sich enthaltend die Körper der nächsten über dem Menschen stehenden Hierarchie. Und es muss mit hellseherischem Blick hineingeschaut werden in die astralische Welt, um das Engel-Ich und Engel-Manas zu erblicken – das schaut uns aus der höheren Welt an. Und das Gebiet in dem Sonnensystem, wo wir zu forschen haben, wenn wir nach den Engelwesen suchen, das geht bis zu der Marke des Mondes. Bei diesen Engeln ist die Sache nun noch verhältnismäßig einfach, denn da liegt sie so, dass wenn wir zum Beispiel da unten den physischen Leib eines Engels in einer Wassermasse oder dergleichen haben und wir hellseherisch dieses Wassergebiet oder einen Wind betrachten, dass wir darin einen Ätherleib und einen astralischen Leib finden. Daher sind diese drei Dinge auch hier zusammengezeichnet worden. Natürlich ist das, was im Wind dahinsaust, was im Wasser dahinfließt oder zerstiebt, nicht nur das materielle Abbild, das der grobe Verstand sieht, es lebt eben in der mannigfaltigsten Weise in Wasser, Luft und Feuer Ätherisches und Astralisches der Engel, der nächsten Hierarchie über dem Menschen. Wollen Sie dafür die geistig-seelische Wesenheit dieser Engel suchen, dann müssen Sie im astralischen Gebiet suchen, dann müssen Sie dort hinein hellseherisch schauen.
Wollen wir aber gleich die nächste Stufe, die der Erzengel, zeichnen, da liegt die Sache noch anders. Die Erzengel haben überhaupt dasjenige, was wir hier als den astralischen Leib gezeichnet haben, gar nicht verbunden mit physischem Leib und Ätherleib; und was wir von ihnen suchen können als ihr unterstes Glied, das müssen wir so zeichnen: physischer Leib, Ätherleib, 1, 2, das haben sie sozusagen getrennt, und alle die höheren Prinzipien sind jetzt in einer höheren Welt da droben. So dass wir von den Erzengeln das vollständige Bild nur haben, wenn wir an zwei Orten suchen, wenn wir uns sagen: Da ist nicht, wie beim Menschen, alles in einer einzigen Wesenheit vereinigt; da ist gleichsam oben das Geistige und unten spiegelt sich das Geistige. – Es können sich ein physischer Leib und ein Ätherleib für sich nur vereinigen, wenn dieser physische Leib nur in Luft und Feuer ist. Also die Erzengel könnten Sie zum Beispiel nicht in irgendeiner Wassermasse daherbrausen fühlen ihrem physischen Leibe nach, sondern Sie könnten sie nur in Wind und Feuer wahrnehmen, und zu diesem dahinbrausenden Wind und zu diesem Feuer müssen Sie also hellseherisch in der geistigen Welt das geistige Gegenstück suchen. Das ist nicht mit seinem physischen Leib, auch nicht einmal mit seinem Ätherleib vereint.
Und endlich kommen wir zu denjenigen Wesenheiten, die wir als Archai, Urbeginne, Urkräfte, Geister der Persönlichkeit bezeichnen. Da können wir unten überhaupt nur den physischen Leib zeichnen, alles andere ist oben in der geistigen Welt. Solch ein physischer Leib, der kann nur im Feuer leben. Nur in Feuerflammen können Sie den physischen Leib der Urkräfte wahrnehmen. Wenn Sie das dahinzüngelnde Feuer des Blitzes sehen, so können Sie sich jedes Mal sagen: Da drinnen ist etwas vom Leib der Urkräfte, aber oben in der geistigen Welt, hellseherisch, werde ich das geistige Gegenbild finden, das getrennt ist in diesem Falle von seinem physischen Leibe. Gerade bei diesen Archai, bei den Urbeginnen oder Geistern der Persönlichkeit kann sich das hellseherische Vermögen die Sache verhältnismäßig einfach machen. Denken Sie sich, dass diese Geister der Persönlichkeit in dem Bereiche sind, der bis zum astronomischen Merkur, das ist bis zur Venus im Sinne der Mysterien, reicht. Nehmen wir an, dass es jemand dahin gebracht hat, das, was da droben auf dem Merkur sich entwickelt, beobachten zu können: Da kann er diese hoch entwickelten Wesenheiten wahrnehmen, diese Geister der Persönlichkeit. Wenn er hellseherisch den Blick hinaufrichtet zur Venus, um da droben die Versammlung der Geister der Persönlichkeit zu beobachten, und dann den Blitzstrahl durch die Wolken zucken sieht, da sieht er in diesem Blitzstrahl sich spiegeln die Geister der Persönlichkeit, denn da drinnen haben sie ihren Leib.
Wir kommen dann zu den höheren geistigen Wesenheiten hinauf, die bis zur Sonnenmarke reichen. Sie interessieren uns heute weniger, diese Gewalten, Exusiai. Nur das sei hervorgehoben, dass ihre ausführenden Organe die Venuswesen und die Merkurwesen sind – die Venuswesen, welche im Feuer, die Merkurwesen, welche im Feuer und Wind ihren physischen Leib haben. Übersetzen Sie sich das so, dass Sie sagen: Diejenigen Wesenheiten, die in der Sonne leben, machen zu ihren untergeordneten Organen die Venusgeister in Feuerflammen und die Merkurgeister im Windesbrausen. «Und der Gott macht Feuerflammen zu seinen Dienern und die Winde zu seinen Boten» [heißt es in der Bibel: Psalm 104, Vers. 4]. Lesen Sie das, diese Dinge in den religiösen Urkunden sind absolut herausgeholt aus den geistigen Tatsachen und entsprechen den Beobachtungen des hellseherischen Vermögens.
Also wir haben gesehen, dass mit unserem eigenen Dasein verknüpft sind zunächst diese drei über uns stehenden Hierarchien. Der Mensch ist dieses Wesen, was er ist, dadurch, dass er etwas abbekommen hat vom Festen, von der Erde. Das macht ihn so getrennt von allen anderen Wesen, das macht ihn zu einem zusammengehörigen, aus einzelnen Gliedern bestehenden Wesen. Der Mensch war auf dem Monde auch noch ein solches Wesen wie die anderen, da hat er Verwandlungen durchgemacht, wie eben Wassermassen, die einen immerfort sich wandelnden Leib bilden. Erst auf der Erde ist der Mensch sozusagen eingefangen worden in seine Haut und bildet nun ein abgeschlossenes Wesen, so dass wir sagen können: Der Mensch besteht aus physischem Leib, Ätherleib, astralischem Leib und Ich. – Diese Abgeschlossenheit ist im Grunde genommen noch gar nicht so lange her. Wenn wir zurückgehen in die alte atlantische Zeit, dann treffen wir noch in der ersten Epoche der atlantischen Zeit einen Menschen, der noch nicht das Ich vollständig in sich fühlte, der gewissermaßen noch darauf wartete, das Ich vollständig zu empfangen. Und würden wir weiter zurückgehen in der Erdenentwickelung, dann müssten wir sagen: Was wir da unten vom Menschen haben auf der Erde, das besteht doch erst aus physischem Leib, Ätherleib und astralischem Leib. Und gehen Sie zurück in die lemurische Zeit, so finden Sie einen Menschen unten auf der Erde, der in seiner Art unten nicht mehr physischen Leib, Ätherleib und astralischen Leib hat, als auch die Engel unten haben. Mit dem Ich-Werden der Menschen, von diesem Zeitpunkt an durch die atlantische Zeit hindurch, kommt die Vereinigung. Also es wandeln in der lemurischen Zeit auf der Erde herum Menschen, die nur physischen Leib, Ätherleib und Astralleib haben; aber das sind keine Menschen, die im heutigen Sinne denken, die sich im heutigen Sinne menschlich entwickeln können.
Und jetzt geschieht auf unserer Erde etwas höchst Merkwürdiges. Diese Menschen, die da in der lemurischen Zeit herumwandeln und nur den physischen Leib, den Ätherleib und den Astralleib haben, die können sich selber nicht helfen; sie kennen sich nicht aus auf der Erde, wissen nicht, was sie tun sollen auf der Erde. Zu diesen Wesenheiten steigen nun herunter aus dem Gebiete des Himmels zunächst die Bewohner der Venus, die, weil sie sozusagen zu einem physischen Leibe eine Beziehung haben, gerade dadurch den physischen Leib der ersten Erdenbewohner durchstrahlen und beseelen können. So haben wir also einzelne unter diesen lemurischen Menschen, die wandeln unter der ganzen Masse der Menschen auf ganz eigentümliche Art herum, sie haben einen anderen physischen Leib als die anderen. Ein solcher besonders begnadeter Mensch hatte nicht einen gewöhnlichen physischen Leib, sondern einen solchen, der von einem der Venusgeister, der Geister der Persönlichkeit, beseelt, durchseelt war. Dadurch aber, dass dieser Mensch der alten lemurischen Zeit mit einem Venusgeist in seinem physischen Leibe herumwandelte, hatte er einen gewaltigen Einfluss auf seine ganze Umgebung. Solche Lemurier unterschieden sich äußerlich gar nicht besonders von ihren Genossen; aber weil in ihrem physischen Leibe stellvertretend ein Geist der Persönlichkeit war, wirkten diese auserlesenen Individuen suggestiv im höchsten Sinne des Wortes auf ihre Umgebung. Die Achtung und Ehrfurcht, der Gehorsam, den man ihnen entgegenbrachte – demgegenüber gibt es heute gar nichts Gleiches. Alle Wanderzüge auf der Erde, die unternommen wurden, um die einzelnen Gebiete der Erde zu bevölkern, wurden geführt von solchen Wesenheiten, in die hineingefahren waren Geister der Persönlichkeit. Da bedurfte es keiner Sprache, die gab es damals nicht, es bedurfte auch keiner Zeichen, sondern dass eine solche Persönlichkeit da war, das genügte. Und wenn sie es für notwendig hielt, große Menschenmassen von einem Ort zum anderen zu geleiten, dann folgten diese Menschenmassen, ohne irgendwie darüber nachzudenken. Nachdenken gab es damals auch noch nicht, das entwickelte sich erst später.
So stiegen herunter die Geister der Persönlichkeit als Venusgeister in der alten lemurischen Zeit. Und wir können daher sagen, dass diese Venusgeister, die auf der Erde Menschenantlitz trugen, so eben wie dieses Menschenantlitz damals sein konnte, im ganzen Weltenzusammenhang etwas ganz anderes bedeuteten. Nimmt man ihre kosmische Bedeutung, so reichte sie bis hinauf zur Venus, und ihre Handlungen bedeuteten etwas im ganzen Zusammenhange des kosmischen Systems. Sie konnten die Menschen von einem Ort zum anderen führen, weil sie das wussten aus dem Zusammenhang, der eingesehen werden kann, wenn man die Nachbarschaft der Erde kennt und nicht nur die Erde.“
Rudolf Steiner in der GA 110 („Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt“), S. 110 ff.

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„Das bedeutsamste der Symbole und Sinnbilder, das wir überhaupt haben und das als solches von allen Okkultisten aller Zeiten anerkannt worden ist, das ist der Mensch selbst. Der Mensch wurde und wird immer genannt ein Mikrokosmos, eine kleine Welt. Und das mit Recht, denn wer den Menschen genau und intim kennenlernt, wird sich immer mehr darüber klar, dass in ihm in einer, man könnte sagen, Verkleinerung alles, alles enthalten ist, was in der übrigen Natur draußen ausgebreitet ist. Das ist zunächst vielleicht schwer zu verstehen, aber wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie begreifen, was damit gemeint ist: Es finden sich im Menschen, als eine Art Extrakt, Auszug aus der übrigen Natur, alle Stoffe und Kräfte. Wenn Sie irgendeine Pflanze hinsichtlich ihrer Wesenheit studieren und nur genügend tief forschen können, werden Sie finden, dass im Menschenorganismus etwas von dieser selben Wesenheit enthalten ist, wenn auch in noch so kleinem Maße. Und wenn Sie ein Tier draußen nehmen: immer werden Sie im menschlichen Organismus etwas nachweisen können, was sich seiner Wesenheit nach ausnimmt wie etwas, das in einer gewissen Art in den menschlichen Organismus hereingenommen ist.
Es ist freilich notwendig, die Entwickelung der Welt vom okkulten Standpunkt aus zu betrachten, um das recht zu verstehen. So zum Beispiel weiß der Okkultist, dass der Mensch kein so geartetes Herz hätte, wie er es heute hat, wenn es nicht draußen in der Natur einen Löwen gäbe. Wir wollen uns einmal in eine frühere Zeit versetzen, wo es noch keine Löwen gab. Menschen gab es damals schon, denn der Mensch ist das älteste Wesen, aber sie hatten damals ein ganz anders gestaltetes Herz. Nun gibt es in der Natur überall Zusammenhänge, die allerdings nicht immer auf der Hand liegen. Als der Mensch einst in urfernen Zeiten sein Herz heraufentwickelt hat zu der heutigen Gestalt, ist damals der Löwe entstanden: dieselben Kräfte haben beides geformt. Es ist, als ob Sie die Wesenheit des Löwen extrahieren würden und mit göttlicher Kunstfertigkeit das menschliche Herz daraus formten. Vielleicht meinen Sie, dass das Menschenherz nichts Löwenartiges habe, aber für den Okkultisten ist das doch der Fall. Sie dürfen nicht vergessen, dass, wenn ein Ding in einen Zusammenhang, in einen Organismus hineingestellt wird, es ganz anders wirkt, als wenn es frei ist. Man kann auch umgekehrt sagen: Wenn Sie die Essenz des Herzens herausziehen könnten und nun ein Wesen gestalten wollten, das diesem Herzen entspräche, wenn es nicht von den Kräften des Organismus bestimmt würde, dann hätten Sie den Löwen. Alle Eigenschaften des Mutes, der Kühnheit oder, wie der Okkultist sagt, die «königlichen» Eigenschaften des Menschen rühren von dem Zusammenhange mit dem Löwen her, und Plato, der ein Eingeweihter war, hat die königliche Seele in das Herz verlegt.
Für diesen Zusammenhang des Menschen mit der Natur hat Paracelsus einen sehr schönen Vergleich gebraucht. Er sagt: Es ist, als ob die einzelnen Wesen in der Natur die Buchstaben wären, der Mensch aber das Wort, das aus diesen Buchstaben zusammengesetzt ist. Draußen die große Welt: der Makrokosmos, in uns die kleine Welt: der Mikrokosmos. Draußen existiert jedes für sich, im Menschen ist es durch die Harmonie bestimmt, in die es hineingestellt ist mit den anderen Organen. Und gerade deshalb können wir im Menschen die Entwickelung unseres ganzen Weltalls, sofern es zu uns gehört, veranschaulichen.
Ein Bild dieser Entwickelung des Menschen im Zusammenhange mit der Welt, der er zu gehört, haben Sie in den Siegeln, welche während der Kongresstage in München im Festsaale aufgehängt waren. Sehen wir, was sie darstellen!
Das erste zeigt einen Menschen mit weißen Kleidern angetan, seine Füße wie Metall, wie Erzfluss; aus seinem Munde ragt ein feuriges Schwert hervor; seine Rechte ist umgeben von den Zeichen unseres Planeten: Saturn, Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus. Wer die Apokalypse des Johannes kennt, wird sich erinnern, dass dort eine ziemlich übereinstimmende Beschreibung dieses Bildes zu finden ist, denn Johannes war ein Eingeweihter. Dieses Siegel stellt nämlich, man könnte sagen, die Idee der ganzen Menschheit dar. Wir werden das begreifen, wenn wir an einige Vorstellungen erinnern, die den Älteren hier schon bekannt sind.
Wenn wir in der Menschenentwickelung zurückgehen, gelangen wir in eine Zeit, wo sich der Mensch noch auf einer sehr unvollkommenen Stufe befand. So zum Beispiel hatte er noch nicht das, was Sie heute auf Ihren Schultern tragen: den Kopf. Es würde recht grotesk klingen, wenn man den damaligen Menschen beschreiben würde. Der Kopf hat sich nämlich erst nach und nach entwickelt und wird sich immer weiter entwickeln. Es gibt heute im Menschen Organe, die sozusagen an ihrem Abschluss angelangt sind; sie werden später nicht mehr im Menschenleib sein. Andere gibt es, die werden sich umbilden, so unser Kehlkopf, der eine gewaltige Zukunft hat, freilich im Zusammenhange mit unserem Herzen. Heute ist der Kehlkopf des Menschen erst im Beginne seiner Entwickelung, er wird dereinst das in das Geistige umgewandelte Fortpflanzungsorgan sein. Sie werden eine Vorstellung von diesem Mysterium bekommen, wenn Sie sich klarmachen, was heute der Mensch mit seinem Kehlkopf bewirkt. Indem ich hier spreche, hören Sie meine Worte: Dadurch, dass dieser Saal von Luft erfüllt ist und in dieser Luft gewisse Schwingungen hervorgerufen werden, werden Ihnen meine Worte zu Ihrem Ohr, zu Ihrer Seele übertragen. Wenn ich ein Wort ausspreche, zum Beispiel «Welt», schwingen Wellen der Luft – das sind Verkörperungen meiner Worte. Das, was der Mensch heute so hervorbringt, nennt man das Hervorbringen im mineralischen Reiche. Die Bewegungen der Luft sind mineralische Bewegungen; durch den Kehlkopf wirkt der Mensch mineralisch auf seine Umgebung. Aber der Mensch wird aufsteigen und einst pflanzlich wirken; nicht nur mineralische, sondern auch pflanzliche Schwingungen wird er alsdann hervorrufen. Er wird Pflanzen sprechen. Die nächste Stufe wird dann sein, dass er empfindende Wesen spricht; und auf der höchsten Stufe der Entwickelung wird er durch seinen Kehlkopf seinesgleichen hervorrufen. Wie er jetzt nur den Inhalt seiner Seele durch das Wort aussprechen kann, wird er dann sich selbst aussprechen. Und wie der Mensch in der Zukunft Wesen sprechen wird, so waren die Vorgänger der Menschheit, die Götter, mit einem Organ begabt, mit dem sie alle Dinge aussprachen, die heute da sind. Sie haben alle Menschen, alle Tiere und alles andere ausgesprochen. Sie alle sind ausgesprochene Götterworte im wörtlichen Sinne.
«Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und ein Gott war das Wort!» Das ist nicht ein philosophisches Wort im spekulativen Sinne – eine Urtatsache hat Johannes hingestellt, die ganz wörtlich zu nehmen ist.
Und am Ende wird das Wort sein, und die Schöpfung ist eine Verwirklichung des Wortes; und was der Mensch in der Zukunft hervorbringen wird, wird eine Verwirklichung dessen sein, was heute Wort ist. Dann aber wird der Mensch nicht mehr solche physische Gestalt haben wie heute; er wird bis zu jener Gestalt vorgeschritten sein, die auf dem Saturn war, bis zur Feuermaterie. So verbindet sich die schöpferische Kraft im Anfang der Weltentwickelung mit unserer eigenen Schöpferkraft am Ende der Weltentwickelung.
Diejenige Wesenheit, welche alles hinausgesprochen hat in die Welt, was heute darinnen ist, sie ist das große Vorbild der Menschen. Sie hat hinausgesprochen in die Welt den Saturn, die Sonne, den Mond, die Erde – in ihren beiden Hälften Mars-Merkur -, den Jupiter, die Venus. Das deuten die sieben Sterne an; sie sind ein Zeichen dafür, bis zu welcher Höhe der Mensch sich entwickeln kann. In der Feuermaterie wird der Planet am Ende wieder sein; und der Mensch wird in dieser Feuermaterie schöpferisch sprechen können: das ist das feurige Schwert, das aus seinem Munde ragt. Alles wird feurig sein, daher die Füße von flüssigem Erz.
Wenn Sie den heutigen Menschen mit dem Tiere vergleichen, dann stellt sich der Unterschied so dar, dass man sagen muss: der Mensch hat als Einzelner in sich, was das einzelne Tier nicht in sich hat. Der Mensch hat eine Individualseele, das Tier eine Gruppenseele. Der einzelne Mensch ist für sich eine ganze Tiergattung. Alle Löwen zum Beispiel haben zusammen nur eine Seele. Diese Gruppen-Iche sind gerade so wie das Menschen-Ich, nur sind sie nicht hinabgestiegen bis in die physische Welt; sie sind nur in der astralischen Welt zu finden. Hier auf der Erde sehen Sie physische Menschen, von denen jeder sein Ich trägt. In der astralischen Welt begegnen Sie in Astralmaterie ebensolchen Wesen, wie Sie selber sind, nur nicht in physischer, sondern in astralischer Hülle. Sie können mit ihnen reden wie mit Ihresgleichen – das sind die tierischen Gruppenseelen.
Auch der Mensch hatte in früheren Zeiten eine Gruppenseele, nach und nach erst hat er sich zu seiner heutigen Selbständigkeit entwickelt. Diese Gruppenseelen waren ursprünglich in der astralischen Welt und sind dann heruntergestiegen, um im Fleische zu wohnen. Wenn man nun in der astralischen Welt die ursprünglichen Gruppenseelen des Menschen untersucht, so findet man vier Gattungen, von denen der Mensch ausgegangen ist. Wollte man diese vier Arten vergleichen mit den Gruppenseelen, die zu den heutigen Tiergattungen gehören, dann müßte man sagen: eine von diesen vier Arten lässt sich mit dem Löwen vergleichen, eine andere mit dem Adler, eine dritte mit dem Rinde und die vierte mit dem Menschen der Vorzeit, bevor sein Ich heruntergestiegen ist. So wird uns in dem zweiten Bilde in den apokalyptischen Tieren, dem Löwen, dem Adler, der Kuh und dem Menschen, ein früherer Entwickelungszustand der Menschheit dargestellt. Dann aber gibt es und wird es geben, solange die Erde sein wird, eine Gruppenseele für die höhere Offenbarung des Menschen, die durch das Lamm dargestellt wird, durch das mystische Lamm, das Zeichen für den Erlöser. Diese Gruppierung der fünf Gruppenseelen: die vier des Menschen um die große Gruppenseele, die noch allen Menschen gemeinschaftlich gehört – das stellt das zweite Bild dar.
Wenn wir die Menschenentwickelung weit, weit zurückverfolgen, so dass wir viele Millionen von Jahren zu Hilfe rufen müssen, dann tritt uns noch ein anderes entgegen. Jetzt ist der Mensch physisch auf der Erde; aber es gab eine Zeit, wo das, was hier auf Erden umherwandelte, noch nicht eine menschliche Seele hätte aufnehmen können. Da war diese Seele auf dem astralischen Plan. Und weiter zurück kommen wir zu einer Zeit, wo sie auf dem geistigen Plane, im Devachan war. Sie wird in der Zukunft wieder hinaufsteigen auf diese hohe Stufe, wenn sie sich auf der Erde gereinigt haben wird. Vom Geiste durch das Astralische, das Physische und wieder hinauf zum Geiste: das ist eine lange Entwickelung des Menschen. Und doch erscheint sie wie eine kurze Frist, wenn wir sie vergleichen mit der Entwickelungszeit, die der Mensch auf dem Saturn und den anderen Planeten durchgemacht hat. Da ging der Mensch nicht nur durch physische Verwandlungen hindurch, sondern durch geistige, astralische und physische. Und will man diese verfolgen, dann muss man bis in die geistigen Welten hinaufgehen. Dort vernimmt man die Sphärenmusik, Töne, die in dieser geistigen Welt durch den Raum fluten. Und wenn der Mensch sich wieder hineinleben wird in diese geistige Welt, dann wird ihm diese Sphärenharmonie entgegenklingen. Man nennt sie im Okkulten die Posaunentöne der Engel. Daher auf dem dritten Bilde die Posaunen. Aus der geistigen Welt kommen die Offenbarungen, die sich ihm aber erst enthüllen, wenn der Mensch immer weiter vorschreitet. Dann wird ihm geoffenbart werden jenes Buch mit den sieben Siegeln. Diese Siegel sind gerade das, was wir hier betrachten; diese werden sich enträtseln. Daher das Buch in der Mitte und unten vier Phasen der Menschheit; denn die vier Pferde sind nichts anderes, als Entwickelungsstadien der Menschheit durch die Zeiten hindurch.“
Rudolf Steiner in der GA 284 („Bilder okkulter Siegel und Säulen“), S. 73 ff.
Die Apokalyptischen Siegel – 1 von 2
Vortrag am 16.09.1907 in Stuttgart

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GA 266C vom 23.11.1913 /S.211-217
Meditation. Ahriman und Luzifer
ESOTERISCHE STUNDE
Stuttgart, 23. November 1913

Aufzeichnung Α

Woran liegt es, daß der Esoteriker, auch wenn er sich jahrelang in Konzentration und Meditation geübt hat, noch immer nicht zu einem Sehen in den höheren Welten gelangt ist? Um diese Frage deutlich zu beantworten, wollen wir uns einmal vorstellen, was eigentlich meditieren ist. Wenn wir meditieren wollen,haben wir den Willen, uns von den äußeren Dingen abzuwenden, wir wünschen, daß sie keinen Einfluß mehr auf unsere Gedanken ausüben sollen, sie sollen uns nicht stören in unserer Hingabe an das Geistige. Doch fortwährend schieben sich die äußeren Ereignisse und die Gedanken darüber vor unsere meditierende Seele, sie wollen uns von unserer Meditation abwenden, sie wehren sich gegen unsere Hingabe, so daß wir mit unserer äußersten Willenskraft dagegen kämpfen müssen. Wollen wir untersuchen, wer nun eigentlich gegen unseren besseren Willen sich wehrt, kann das folgende Beispiel uns vielleicht einige Klarheit geben. Nehmen wir an, daß ein Fremder sich uns näherte und zu uns sagen würde: «Sie sind ein flatterhafter Mensch.» In neunundneunzig von hundert Fällen würden wir darüber sehr verstört sein, denn wir hatten bis jetzt gemeint, ein sehr guter Esoteriker zu sein, der sein eigenes Innere, was seine Fehler anbelangt, ernsthaft durchsucht hat, und nun kommt ein Fremder und behauptet das Gegenteil.

Genauso, wie der Fremde sich vor uns stellt, so tritt in all den Gedanken, die sich zwischen unsere Meditation schieben, auch etwas vor uns hin, von dem wir meinen, es nicht zu kennen und doch ist es unser eigenes Selbst, das sich in all diesen Gedanken offenbart und das uns zeigt, wie flatterhaft wir eigentlich sind und wie wenig wir uns losmachen können von unseren täglichen Besorgnis und Begierden. Denn was da immer in uns eindringt während unserer Meditation, wo wir (S.211) doch den Wunsch haben, uns von den äußerlichen Dingen abzusondern und uns mit dem Geistigen zu verbinden, ist unser strömendes Begierdenleben. In den Bildern unseres täglichen Lebens strömt es unaufhörlich in unser Denken ein und wehrt sich, wenn wir uns mit dem geistigen Gebiet in Verbindung setzen wollen.

Daß dies der Fall ist, kann zu unserm Wohl sein, da wir uns in all diesen Bildern und Gedanken selbst kennenlernen in unserm fortwährend einfließenden Begierdeleben; es muß uns zur Selbsterkenntnis bringen, die wir bis jetzt sehr flüchtig geübt haben. Aber meistens werden wir noch nach allerlei Entschuldigungen suchen, denn wir wollen uns selber nicht anklagen, und das ist der Grund, warum der Blick in die geistige Welt noch immer uns verschlossen bleibt; unser Begierden-Ich zieht einen Schleier davor. Würden wir unsere Aufmerksamkeit mehr von den Ereignissen und Erfahrungen unseres Begierdelebens abwenden, würden wir unser Ich zum Geistigen wenden und unsere ganze Andacht darauf richten, dann würden wir schon längst Erfolg gehabt haben. Würden wir, um ein triviales Beispiel zu verwenden, nur so viel Aufmerksamkeit auf unsere Meditation wenden, wie man sie für Gespräche allerlei Art, die man in Gesellschaften führt, oder auch für Neuigkeiten über seine lieben Mitmenschen verwendet, so würden wir schnell vorwärts gehen in unserer Kenntnis der höheren Welten, wir würden dann unser sich wehrendes Ich zurückstoßen.

Was sind unsere Gedanken anderes als Erinnerungen von früheren Ereignissen, und diese Ereignisse sind nichts anderes als unsere Begierden, die wir empfunden haben. Wären sie uns nicht zum Genuß geworden, dann würden wir sie nicht in unserer Erinnerung aufbewahrt haben. Man untersuche nur sein Gedächtnis, und man wird finden, daß alles, was man am meisten als Genuß empfunden hat, in ihm eingegraben ist. Alles, was uns gleichgültig geblieben ist, was uns nicht besonders interessiert hat, wovon wir sozusagen nichts genossen haben, ist aus unserem Gedächtnis verschwunden, genauso, wie das zur Schule
gehende Kind sich in späteren Jahren nicht mehr an die kleinen Besonderheiten seines Unterrichtsstoffes erinnert, weil wir uns in unsern Schuljahren meistens nicht so sehr für den Unterrichtsstoff interessieren, und darum drückt er sich nicht so tief in das Gedächtnis ein.

Was wir auch notwendig für unsere esoterische Entwicklung anwenden müssen, ist Hingabe. Nicht die Methode muß es sein, die wir in der Meditation anwenden, auch nicht der Wunsch soll uns leiten, nun recht viel zu meditieren, damit wir viele Erlebnisse in der geistigen Welt haben werden; das alles soll uns nicht berühren, wir würden damit nur unsere eigenen Wünsche sehen, denn hier würde Luzifer die Herrschaft über uns erlangen. Wir kommen nicht so bequem von dieser Welt Luzifers und Ahrimans ab. Wenn wir glauben, gründliche Selbsterkenntnis geübt zu haben, dabei aber noch nach Entschuldigungen suchen, dann ist das Ahriman, der neben uns steht. Ebensosehr ist es Ahriman, wenn wir nach Entschuldigungen suchen, wenn jemand uns sagt: dies oder jenes hast du schlecht gemacht. Wir haben Ahriman und Luzifer zu lieb, sie begleiten uns durch unser ganzes Leben, gerade weil wir sie so sehr lieb haben. Und warum haben wir sie so lieb?

An einem Beispiel soll versucht werden, dies deutlich zu machen. Wodurch beruhigt eine Mutter ihr weinendes Kind? Dadurch, daß sie es liebkost und sein Gesichtchen streichelt, was auf jeden Fall ein angenehmes körperliches Gewahrwerden bei dem Kinde hervorruft. Nun müssen wir wissen, wodurch Ahriman und Luzifer sich dem Menschen offenbaren und beliebt machen, nämlich weil sie uns mit den Dingen der Welt um uns herum in Berührung bringen, der Welt, in der wir unseren Genuß suchen und dessen Befriedigung uns so angenehm ist. Durch die Lichtstrahlen, die sie auf die Objekte fallen lassen und die dann wiederum von den Dingen auf uns zurückstrahlen, durch diese Strahlberührung fühlen wir einen eben angenehmen Reiz, so wie das weinende Kind gefühlt hat bei der liebkosenden Berührung der Mutter. Luzifer und Ahriman streicheln uns durch das Zaubern der Lichtstrahlen über die Dinge der Welt und unsere Augen werden durch die Berührung mit den Strahlen die Dinge gewahr.

Vor allem bringen sich diese Mächte zur Geltung auch in der gegenwärtigen Wissenschaft und in der Philosophie, wie z. Β. in einem Gespräch eines Schülers von Schopenhauer mit Nietzsche. (Paul) Deussen (1845-1919; Sanskritist, Professor in Kiel, Freund von Nietzsche) behauptet gegenüber Nietzsche, daß die Willensverneinung das Leben bedingt, während Nietzsche sagte, daß Lebensveredelung zum Leben führt. Wenn man nun den ersten Ausspruch genau ins Auge fassen und darüber nachdenken würde, würde man sagen müssen, daß sie (die Willensverneinung) nicht zum Leben führt, sondern zum Tode, denn ein Säufer, ein Vagabund, der die Willensverneinung des Lebens auslebt in seinen Begierden und sie nicht im Zaum hält, der jeden Genuß bejaht, der ihm im Leben geboten wird, der wird das Leben nicht erlangen, sondern er wird einen vorzeitigen Tod finden, während der Mensch, der nach Willensveredlung strebt, die Kräfte eines gesundmachenden Keimes, mit dem sich seine Strahlen verbinden, ausstrahlt; er wird dem Leben zustimmen in Gesundheit. Mit diesem philosophischen Ausspruch von Paul Deussen haben Gelehrte gemeint, durch eine scharfe Brille geschaut zu haben, während sie doch nur durch eine Brille mit hölzernen Gläsern gesehen haben. Wir sehen auch hier, daß sich Ahriman wieder vor den Menschen stellt, denn wir selber lassen ihn nicht los in allen Angelegenheiten des Lebens, so lieb haben wir ihn. Es ist nötig, uns dies alles deutlich zu machen, denn wir müssen mit offenen Augen Luzifer und Ahriman in all unserm Tun und Lassen erkennen, und namentlich dort, wo diese beiden Mächte sich vor unsere Meditation stellen wollen, um uns den Blick in die geistige Welt zu verwehren, denn der Augenblick ist angebrochen, daß wir danach streben müssen, uns zur geistigen Erkenntnis zu entwickeln durch das Formen von geistigen Organen des Hellsehens in uns, damit diese Organe nicht vertrocknen und sich verzehren. Langsam und allmählich müssen wir im Geistigen wachsen, aus dem wir geboren sind:
Ex Deo nascimur.

Im Beginne unseres Lebens, das seinen Ursprung in der Gottheit hat, waren wir noch durchdrungen von den göttlich-geistigen Kräften; sie wirken noch am Kinde bis zum Zahnwechsel, in den Milchzähnen wirken sie noch. Mit dem siebenten Jahr ist der Zahnwechsel abgelaufen, und die neuen für dieses Leben bestimmten Zähne treten hervor. So erneuert sich alles beim Menschen, das Alte wird durch das Neue abgestoßen, die Haare fallen aus und neue kommen an ihre Stelle, die Nägel werden abgeschnitten, und sie wachsen wieder. Mit dem Ausfall der ersten bzw. der Milchzähne beim Kind haben die geistigen Kräfte, die an dem Aufbau, an dem Wachstum des Kindes gewirkt haben, ihr Ende erreicht und nun beginnen andere Kräfte oder Wesen an dem Aufbau für die gegenwärtige Inkarnation zu arbeiten, aber mit dem Aufbau beginnt auch sofort der Zerfall, das Absterben der Organe. Sie gehen allmählich dem Tode entgegen, denn sogar jeder Gedanke, den der Mensch denkt, verursacht Vernichtung in den Gehirnzellen beziehungsweise das Stoffliche ist einem langsamen Absterben geweiht:
In Christo morimur.

Langsam wachsen wir zum Geistigen hin. Unsere Haare werden weiß, all unsere Organe gehen langsam in das Geistige über, unser ganzer Körper strebt nach Vergeistigung, er wird im Geiste wieder erstehen:
Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

Aufzeichnung Β

(S.215) Der Okkultist muß sich immer mehr klar darüber werden, daß die Welt kompliziert ist. Wenn der Mensch den physischen Plan betritt, so spielt sich in seinem ersten Lebensjahr etwas ab, das wir vergleichen können mit dem Kampf, den vor dem Saturn geführt haben Wesenheiten, damit der Saturn entstehen konnte, nämlich dem Kampf, den geführt haben die Geister der Persönlichkeit, die von innen wirkten, mit den Geistern des Willens, die von außen wirkten.

Im ersten Jahre seines Lebens auf dem physischen Plan muß der Mensch im Kampfe stehen und überwinden dasjenige, was er Vererbtes an sich hat, er muß also im Kampfe stehen mit den Geistern des Willens und mit seiner Persönlichkeit.

Dieser Kampf spielt sich um den Menschen herum ab in seinem ersten Lebensjahr. Betrachten wir das Kind, so wird es den Ahnen erst ähnlich in spätere Zeit, und zwar so viel ähnlich als Sieger wird das Vererbte, also dasjenige, was von den Geistern des Willens kommt, über das Individuelle, über das, was die Geister der Persönlichkeit repräsentieren.

Das Streicheln, das Sich-selbst-Genießen, das ist das, was wir lieben. Ahriman streichelt uns, wie wir ein Kind streicheln, das tut dem Kinde wohl. Ahriman ist es, der Entschuldigung hat für dasjenige, was wir tun, er flüstert: Das hast du eben nicht anders gekonnt, da kannst du nichts dafür usw. Luzifer, er stärkt unseren Egoismus. Da ist ein Dritter, der zu uns tritt, der Unbekannte, der zu uns tritt und uns sagt: «Du bist ein flatterhafter Mensch», das ärgert uns.

Das, was wir in der Meditation als störende Gedanken erleben, das ist eben der Unbekannte, der uns das sagt und zwar sind wir es selbst. Aber es ist uns unbequem, die Entdeckung, wie wir sind! –

Die Menschen gehen in die Kirchen und beten zu den Wesenheiten, die sie lieben. Wir tragen oftmals auf den Lippen den Namen des Christus, aber wir meinen Ahriman.

Die ersten Zähne und die zweiten Zähne: Nur durch die ersten Zähne sind wir unsterblich. Das Nachschieben, das Sich-Nachschieben dem göttlichen Menschen bringt die zweiten Zähne.
Alle Erinnerung ist flüssig gewordener Egoismus. Wir erinnern uns an das, was unsere Begierde einst erregt hat. Je stärker die Begierde war, je besser ist die Erinnerung.
In der Meditation erregt nichts unsere Begierde, darum revoltiert die Begierdennatur, die gestreichelt sein will und es in der Meditation nicht wird. – Das Kind lernt in der Schule viel, was seine Begierde nicht erregt, darum vergißt es bald das Gelernte.

Alles von den Geheimnissen unseres Daseins liegt in dem Rosenkreuzerspruch:

Aus dem Göttlichen sind wir geboren
In dem Christus sterben wir
In dem Heiligen Geiste werden wir auferstehen

E.D.N.: veranlagt den göttlichen Menschen
I.C.M.: damit das Göttliche geboren werden kann
P.S.S.R.: die Kraft, die es aufwärts trägt.

GA 266C /23.11.1913 /S.211-217 /Meditation. Ahriman und Luzifer

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„Makrokosmos und Mikrokosmos – Die große und die kleine Welt..“
„Was würde mit dem Menschen geschehen, der unvorbereitet hinabtauchen wollte in sein Inneres, der also beim Aufwachen nicht eine äußere Welt sehen wollte, sondern der eindringen wollte in seine eigene innere Welt, in dasjenige, was geistig unserem Äther- oder Lebensleib und unserem physischen Leib zugrunde liegt? Nun, ein solcher Mensch würde in seiner Seele ein Gefühl mit ungeheurer Stärke erleben, das man im gewöhnlichen Leben nur in ganz geringer Abschwächung kennt. Ein Gefühl, das man im gewöhnlichen Leben nur schwach kennt, das würde den Menschen überkommen, wenn er mit voller Aufmerksamkeit beim Aufwachen in sein Inneres hineinsteigen könnte. Durch eine Art Vergleich werden Sie zunächst – und es soll wieder nichts bewiesen werden, sondern es sollen nur Begriffe gewonnen werden – den Begriff erhalten können von diesem Gefühl.
Es gibt im Menschen dasjenige, was man Schamgefühl nennt. Dieses Schamgefühl besteht ja darin, dass der Mensch, wenn er sich in seiner Seele irgendeiner Sache schämt, die Aufmerksamkeit der anderen ablenken will von dem betreffenden Dinge oder der betreffenden Eigenschaft, deren er sich schämt. Dieses Schamgefühl für etwas, was im Menschen ist und was er nicht zur Offenbarung bringen will, ist eine schwache Andeutung von jenem Gefühl, das zu ungeheuerster Stärke wachsen würde, wenn der Mensch beim Aufwachen bewusst in sein eigenes Innere hineinsehen könnte. Es würde dieses Gefühl sich mit einer solchen Gewalt der menschlichen Seele bemächtigen, dass der Mensch es über alles, was ihm entgegentritt, ausgegossen empfinden würde. Er würde ein Erlebnis haben, das sich vergleichen lässt mit dem Gefühl, wie wenn er in Feuer zugrunde gehen würde. Wie eine Art Verbrennen würde dieses Schamgefühl auf ihn wirken. Warum würde es so auf den Menschen wirken? Dieses Schamgefühl würde so auf den Menschen wirken, weil der Mensch in diesem Augenblick empfinden würde, wie eigentlich sein physischer Leib und sein Äther- oder Lebensleib vollkommen sind im Verhältnis zu demjenigen, was er als Seelenwesen ist. Davon, wie der physische Leib und der Äther- oder Lebensleib im Verhältnis zu demjenigen, was der Mensch als Seelenwesen ist, vollkommen sind, kann man sich auch durch gewöhnliche Logik schon einen Begriff machen. Wer rein äußerlich durch die physische Wissenschaft durchdringt den Wunderbau, sagen wir, des menschlichen Herzens oder des menschlichen Gehirns in allen Einzelheiten, ja, wer meinetwillen nur durchdringt ein Stück des menschlichen Knochensystems mit seinem wunderbaren Bau, der wird schon fühlen können, wie unendlich weise und vollkommen dieser menschliche Leib eingerichtet ist. Wenn man nur ein einzelnes Stück Knochen nimmt, zum Beispiel den Oberschenkelknochen, und beobachtet, wie unendlich weise und vollkommen in feinem Netzwerk die Balken so gefügt sind, dass mit dem geringsten Aufwand an Materie die größte Kraft und Tragfähigkeit erzeugt wird, die den Oberleib des Menschen trägt, oder wenn man den wunderbaren Bau des menschlichen Herzens und Gehirns betrachtet, dann kann man schon eine Ahnung erhalten von dem, was man erleben würde, wenn man das Ganze von innen durchschaute, wie es aus Weisheitsurgründen hervorgequollen ist. Vergleicht man damit, was der Mensch als Seelenwesen ist, was er ist in Bezug auf seine Genüsse, Leidenschaften und Begierden, so sieht man, wie der Mensch eigentlich darauf aus ist, zu ruinieren den wunderbaren Bau des physischen Leibes. Er entfaltet sein ganzes Leben lang seine Begierden, Triebe und Leidenschaften und geht im Grunde genommen darauf aus, den Wunderbau des physischen Herzens und Gehirns zu ruinieren. Was man im gewöhnlichen Leben beobachten kann, wie der Mensch dadurch, dass er sich dem Genusse dieser oder jener Genussmittel hingibt, sein Herz und sein Gehirn zugrunde richtet, das sind ja sozusagen nur die trivialen Anfänge einer Zerstörungstätigkeit an dem Wunderbau des Menschenleibes. Das alles würde vor der menschlichen Seele lebendig stehen, wenn sie bewusst hinabsteigen würde in ihren Äther- oder Lebensleib und in ihren physischen Leib. Und es würde etwas ungeheuer Niederschmetterndes, etwas Auslöschendes für den Menschen haben, wenn er vergleichen könnte die Unvollkommenheit der menschlichen Seele mit dem Wunderbau des Leibes, wenn er sehen könnte, was in seiner Seele ist, und das vergleichen damit, wie die weise Weltenführung seinen physischen und seinen Ätherleib gemacht hat, in die er jeden Morgen bei dem Aufwachen hinuntertaucht. Darum wird er davor behütet, in bewusster Weise hinunterzusteigen in sein eigenes Inneres, er wird abgelenkt auf das, was sich als äußerer Sinnesteppich vor seinen Sinnen den ganzen Tag über ausbreitet. Er kann nicht hineinschauen in sein Inneres.
Der Vergleich zwischen der menschlichen Seele und demjenigen, was geistig zugrunde liegt dem physischen und Äther- oder Lebensleib, würde Schamgefühl hervorrufen, und diesem Gefühl wird vorgearbeitet durch alle jene Seelenerlebnisse, die der Mystiker durchmacht, bevor er würdig wird, hinunterzusteigen in sein Inneres. Es sind namentlich die Erlebnisse des Mystikers, die in seiner Seele hervorrufen den denkbar stärksten Vorsatz, seine Seele selber als unbedeutend, als schwach zu empfinden, als so zu empfinden, dass sie einen unendlich weiten Weg der Vervollkommnung vor sich hat. Daher muss der Mystiker namentlich die Empfindungen der Demut und der Vervollkommnungssehnsucht in seiner Seele erwecken, damit sie ihn vorbereiten, den Vergleich dadurch auszuhalten, sonst müßte er vor Scham wie im Feuer verbrennen. Der Mystiker macht sich reif dazu durch folgende Gedanken: Gewiss, wenn ich das anschaue, was ich bin, und es vergleiche mit dem, was die weise Weltenlenkung an mir gemacht hat, muss ich einsehen, wie klein, wie schlecht, wie niedrig ich noch bin. – Und das Schamgefühl, das ja äußerlich Schamröte erzeugt, würde sich so auswachsen, dass es wirklich ein versengendes, brennendes Feuer werden könnte, wenn nicht der Mystiker sich sagen könnte: Ja, jetzt fühle ich mich so gering als möglich gegenüber demjenigen, was ich werden kann, aber ich will versuchen, die starken Kräfte in mir zu entwickeln, die mich fähig machen, auch geistig dem zu entsprechen, was die weise Weltenlenkung in meine Leiblichkeit hineingebaut hat. – Dem Mystiker, der in sein Inneres hineinsteigen will, wird begreiflich gemacht von dem geistigen Lehrer, dass er zunächst fühlen muss ein Gefühl der Demut, das sozusagen bis ins Unendliche geht. Dieses Gefühl lässt sich etwa so schildern. Man kann demjenigen, der angehender Mystiker ist, sagen: Sieh dir einmal die Pflanze an. Die Pflanze wurzelt in dem Boden. Der Boden bietet ihr ein Reich dar, das niedriger ist als das Pflanzenreich. Die Pflanze kann aber nicht leben ohne dieses Reich, das zunächst für ein niedrigeres genommen werden muss. Wenn die Pflanze sich hinunterneigt zu dem mineralischen Reich, dann kann sie sagen: Diesem niedrigeren Reich, aus dem ich hervorgewachsen bin, dem verdanke ich mein Dasein. Sie müßte sich in Demut zu dem niedrigeren Reich neigen und sagen: Dir verdanke ich, dass ich bin. Ebenso verdankt das Tier dem Pflanzenreich das Dasein. Es müßte, wenn es seiner Stellung im Weltenbau sich bewusst werden würde, in Demut sich zum niedrigeren Reiche neigen. Und der Mensch, der sich umschaut in der Welt, er müßte sagen: Eigentlich könnte ich diese Stufe nicht erreicht haben, wenn nicht alles dasjenige, was unter mir ist, sich in der entsprechenden Weise entwickelt hätte. – Wenn der Mensch solche Gefühle in seiner Seele entwickelt, dann kommt in sie die Stimmung, dass er eigentlich nicht nur Grund hat, in Dankbarkeit aufzublicken zu dem, was über ihm ist, sondern auch mit Dank zu schauen auf dasjenige, was unter ihm ist. Wenn das so recht in der Seele sich verbreitet, was man die Erziehung zur Demut nennen kann, dann wird die Seele durchflossen und durchdrungen von diesem Demutsgefühl, von dieser Demutsempfindung, dass man noch einen unendlich weiten Weg vor sich hat, um vollkommen zu werden.
Alles, was jetzt gesagt worden ist, kann nicht erschöpft werden mit Begriffen und Ideen. Wenn man das könnte, dann wäre der Mystiker bald fertig. Aber es lässt sich nicht erschöpfen mit Begriffen und Ideen, sondern es lässt sich nur erleben. Nur derjenige, der immer wieder und wiederum solche Gefühle erlebt, der verbreitet über seine Seele die Grundstimmung, die notwendig ist für den Mystiker.
Wenn der Mensch reif werden will, hinunterzusteigen in sein Inneres, dann muss er jenes Gefühl entwickeln, welches ihn befähigt, dasjenige, was sich ihm in den Weg stellen kann, wenn er vollkommener und immer vollkommener werden will, zu ertragen. Ergebenheitsgefühl muss er dem gegenüber entwickeln, was er ertragen soll, um sich einer gewissen Stufe der Vollkommenheit zu nähern. Es muss durch lange, lange Zeiten hindurch der Mystiker in sich das Gefühl ausbilden, dass man nur durch Überwindung von Leid die starken Kräfte entwickelt, die man braucht, um die Seele aus jenem Zustand herauszubringen, in dem sie sich schwach fühlen muss gegenüber demjenigen, was sich ihr in den Weg stellt. Da muss die Seele auf sich wirken lassen jene Empfindung, durch die sie sich immer wiederum sagt: Wenn auch noch so viel Schmerzen mich treffen werden, ich will aufrecht stehen ihnen gegenüber, ich will nicht wanken; denn wenn ich nur das genießen würde, was mir das Leben an Glück bringt, dann würde ich niemals die starke Kraft entwickeln können, die die menschliche Seele braucht. Kräfte werden durch Widerstand, in der Überwindung von Hindernissen erlangt, nicht dadurch, dass man einen Zustand einfach hinnimmt. Nur dadurch werden die Kräfte gestählt, dass man sie anspannt in der Überwindung von Hindernissen, dass der Mensch bereit ist, Leid und Schmerz mit Ergebung zu ertragen. Das ist etwas, was der Mystiker in seiner Seele entwickelt, wenn er sich bereit machen will, hinunterzusteigen in das eigene Innere, ohne in Schamgefühl zu verbrennen.
Das alles, was da durchzumachen ist, muss selbstverständlich der Mensch im normalen Leben nicht durchmachen, und niemand darf glauben, dass an den gewöhnlichen Menschen das Ansinnen gestellt wird durch irgendeine Geisteswissenschaft, dass er solche Übungen durchmacht. Was hier geschildert wird, ist nicht etwas, was Forderungen aufstellt, sondern es geschieht, um zu erzählen, was diejenigen, die freiwillig eine Summe von solchen Erlebnissen auf sich nehmen, aus ihrer Seele machen können, und was der Mystiker erstrebt; er macht seine Seele fähig, hinunterzusteigen in dieses menschliche Innere. Im normalen Verlauf des Lebens stellt sich aber zwischen das, was man als Mystiker erleben kann im Innern, und das, was man in der äußeren Welt erlebt, der Empfindungsleib des Menschen hinein und behütet den Menschen davor, dass er unvorbereitet in sein Inneres hineinsteigt und sozusagen vor Schamgefühl verbrennen würde. Was es ist, das den Menschen davor behütet, unvorbereitet in sein Inneres hineinzusteigen, kann er natürlich im normalen Verlauf des Lebens nicht erfahren, denn da dringt er schon an die Grenze der geistigen Welt. Diese Grenze muss der Geistesforscher, der das menschliche Innere erforschen will, allerdings überschreiten. Der Geistesforscher muss also hindurchschreiten durch den Strom, der das gewöhnliche, normale menschliche Bewusstsein ablenkt von dem Inneren auf das Äußere. Dieses gewöhnliche, normale menschliche Bewusstsein wird behütet, in einem unreifen Zustand hineinzugelangen in das menschliche Innere, wird behütet davor, im Feuer der eigenen Scham zu verbrennen. Die Macht, welche da den Menschen jeden Morgen beim Aufwachen behütet, hineinzusteigen in das eigene Innere, kann der Mensch nicht sehen. Es ist die erste geistige Wesenheit, welcher der echte, wirkliche Geistesforscher auf dem Wege, der in sein Inneres führt, begegnet. Er muss vorbeikommen an jener Wesenheit, welche im normalen Bewusstsein ihn behütet vor dem innerlichen Verbrennen, vor dem innerlichen Brande. Er muss vorbeikommen an derjenigen Wesenheit, die ablenkt sein Nach-innen-Schauen auf die Außenwelt, auf den äußeren Sinnesteppich. Die Wirkung dieser Wesenheit verspürt das normale Bewusstsein. Sehen kann der Mensch sie nicht, denn es ist schon die erste geistige Wesenheit, an der wir vorbeikommen müssen, wenn wir in die geistige Welt eindringen wollen. Und diese geistige Wesenheit, welche jeden Morgen beim Menschen steht und ihn davor behütet, in unreifem Zustand sein eigenes Innere geistig zu schauen, nennen wir in der Geisteswissenschaft den kleinen Hüter der Schwelle. An diesem kleinen Hüter der Schwelle vorbei führt der Weg in die geistige Welt hinein.
So haben wir zunächst an ganz naheliegenden Erlebnissen des Tages unser Bewusstsein hingeführt bis zu der Grenze, wo wir ahnen können, was der Geistesforscher sieht als den kleinen Hüter der Schwelle. Beschreiben wollen wir diesen kleinen Hüter der Schwelle später, denn wir wollen ausgehen von Bekanntem und allmählich dem Unbekannten uns nähern. Damit also ist auch schon angedeutet, dass wir unser wahres Wesen eigentlich im Tagesbewußtsein, im Wachzustand gar nicht sehen. Und wenn wir unser eigenes Wesen im Sinne der beiden letzten Vorträge den Mikrokosmos nennen, die kleine Welt, dann können wir sagen: Wir sehen den Mikrokosmos eigentlich niemals in seiner wahren geistigen Gestalt, sondern wir sehen nur das, was sich im normalen Zustande von ihm zeigt, nur das Äußere. Es ist also wirklich etwas, was sich vergleichen lässt mit einer Art von Spiegelbild. So wie wir, wenn wir in den Spiegel sehen, unser Bild sehen und nicht uns selber, so sehen wir den Mikrokosmos, das eigentliche Wesen des Menschen, wenn wir im Tagesbewußtsein sind, nicht selber, sondern wir sehen nur sein Spiegelbild; wir sehen den Mikrokosmos im Spiegelbild.“
Rudolf Steiner in der GA 119 („Makrokosmos und Mikrokosmos – Die große und die kleine Welt. Seelenfragen, Lebensfragen, Geistesfragen“), S. 88 ff.

dazu – auch als Meditation möglich:

Die Fußwaschung

Ich danke dir, du stummer Stein,
und neige mich zu dir hernieder:
Ich schulde dir mein Pflanzensein.

Ich danke euch, ihr Grund und Flor,
und bücke mich zu euch hernieder:
Ihr halft zum Tiere mir empor.

Ich danke euch. Stein, Kraut und Tier,
und beuge mich zu euch hernieder:
Ihr halft mir alle drei zu Mir.

Wir danken dir, du Menschenkind,
und lassen fromm uns vor dir nieder:
weil dadurch, dass du bist, wir sind.

Es dankt aus aller Gottheit Ein-
und aller Gottheit Vielfalt wieder.
In Dank verschlingt sich alles Sein.

Dies hat Morgenstern inspiriert.

Der Hüter der Schwelle

Jede neue Stufe ins Helle
ist neuer Währung Wert.
Vor ihr mit flammendem Schwert
steht der Hüter der Schwelle.
Vor jeder Stufe wache und bete.
Daß deine Seele rein
den neuen Tempel betrete,
muß sie selber ein Tempel sein.
Bis einst in heiliger Helle
zu ihres Ursprungs klarer Quelle
sich klärt
des Willens wandernde Welle –
hüte mit flammendem Schwert,
hüte uns, Hüter der Schwelle . . .

Manfred Kyber

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ÜBER das WESEN der SERAPHIM
Die Seraphim stehen an der Spitze der Hierarchien und ihr Wesen umfasst die ganze Welt und das bestimmt auch die besondere Art ihres Bewusstseins:
„Man würde die Seraphim charakterisiert haben als Wesenheiten, bei denen es nicht Subjekt und Objekt gibt, sondern bei denen Subjekt und Objekt zusammenfällt, die nicht sagen würden: Außer mir sind Gegenstände -, sondern: Die Welt ist, und ich bin die Welt, und die Welt ist Ich -; die eben nur von sich wissen, und zwar so, daß diese Wesenheiten, diese Seraphim, von sich wissen durch ein Erlebnis, von dem der Mensch einen schwachen Nachglanz hat, wenn er, nun, sagen wir, die Erfahrung macht, die ihn in eine glühende Begeisterung versetzt.“ (GA 233a Mysterienstätten des Mittelalters (1924), S.13)

„Die ersten Wesenheiten, die um die Gottheit sozusagen selber sind, die, wie man es schön ausgedrückt hat in der christlichen abendländischen Esoterik, «unmittelbar den Anblick Gottes genießen», das sind die Seraphim, Cherubim, Throne. Die nehmen nun die Pläne eines neuen Weltensystems entgegen von der göttlichen Dreieinigkeit, der sie entspringen. Es ist das natürlich, Sie verstehen, meine lieben Freunde, mehr bildlich gesprochen als wirklich, denn wir müssen mit menschlichen Worten solch erhabene Tätigkeiten ausdrücken, für die menschliche Worte wahrhaftig nicht geschaffen sind. Menschliche Worte sind nicht da, um solch hohe Tätigkeit auszudrücken, durch die zum Beispiel am Beginn unseres Sonnensystems die Seraphim entgegennahmen die höchsten Pläne der göttlichen Dreieinigkeit, die da enthalten, wie sich unser Sonnensystem durch Saturn, Sonne, Mond, Erde, Jupiter, Venus und Vulkan hindurchentwickeln soll. Seraphim ist ein Name, der von all denen, die ihn richtig im Sinne der alten hebräischen Esoterik selbst verstanden haben, immer so gedeutet worden ist, daß die S e r a p h i m die Aufgabe haben, die höchsten Ideen, die Ziele eines Weltensystems entgegenzunehmen aus der Trinität.
Die C h e r u b i m, die nächstniedrige Stufe der Hierarchie, haben die Aufgabe, in Weisheit nunmehr auszubauen die Ziele, die Ideen, die von den höchsten Göttern entgegengenommen werden. Die Cherubim sind also Geister höchster Weisheit, die in ausführbare Pläne dasjenige umzusetzen verstehen, was ihnen angegeben wird von den Seraphim. Und die T h r o n e hinwiederum, der dritte Grad der Hierarchie von oben, der hat die Aufgabe, nunmehr, natürlich sehr bildlich gesprochen, Hand anzulegen, damit das, was in Weisheit ausgedacht ist, damit diese hehren Weltengedanken, die die Seraphim von den Göttern empfangen, die die Cherubim durchgedacht haben, in Wirklichkeit umgesetzt werden.“ (GA 110, Geistige Hierarchien… (1909), S.81)

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Alles, was der Mensch erleben lernt dadurch, dass er seine Empfindungsfähigkeit steigert, wie es jetzt geschildert worden ist, das entzieht sich als das Geistige des Weltenraumes dem gewöhnlichen Tagesanblicke. Es wird auch dem nächtlichen Anblick verdeckt…
Denn was sieht der Mensch in der Nacht mit seinen gewöhnlichen Fähigkeiten, wenn er hinaufsieht in den Himmelsraum? Davon sieht er im Grunde genommen ebenso nur die Außenseite, wie von seinem eigenen Inneren, so dass dasjenige, was wir am Sternenhimmel sehen, der Leib ist eines Geistigen, das ihm zugrunde liegt. Wie wir, wenn wir auf unseren Leib mit unseren Augen sehen, den äußeren Ausdruck des Geistigen in uns sehen, so sieht der Mensch, wenn er des Nachts den gestirnten Himmel sieht, allerdings einen wunderbaren Bau, aber dieser ist der materielle Leib des kosmischen Geistes, der sich durch diesen Leib ausspricht in allen seinen Bewegungen, die uns äußerlich entgegentreten. Und wieder ist es so, dass für das gewöhnliche menschliche Bewusstsein sozusagen ein Schleier vorgezogen wird, ein Schleier sich ausbreitet vor alles das, was der Mensch sehen würde, wenn er geistig durchschauen würde, wie es jetzt geschildert worden ist, was sich ihm im Raume darbietet. Wie wir behütet werden vor unserem eigenen Innern, so werden wir im gewöhnlichen Leben behütet vor dem Schauen des Geistigen, das der äußeren materiellen Welt zugrunde liegt. Wenn wir im gewöhnlichen Leben stehen, so breitet sich das, was wir den Sinnesschleier nennen, aus vor dem, was geistig zugrunde liegt.

Warum geschieht dies? Es gibt ein Gefühl, das sofort auftreten würde, wenn die Menschen das Geistige so ohne weiteres sehen würden. Wenn der Mensch das Geistige sofort sehen würde, ohne die Vorbereitung und Reife, die er durch das Miterleben der Naturvorgänge erwirbt, so würde er ein Gefühl erleben, das man nur ausdrücken könnte mit dem Wort: verwirrender Schreck, oder schreckenvollste Verwirrung. Denn die Erscheinungen sind so großartig und gewaltig, dass die menschlichen Begriffe, die wir uns im gewöhnlichen Leben aneignen, wenn wir noch so viel erlernen, wahrhaftig nicht hinreichen, um diesen verwirrenden Anblick zu ertragen; der Mensch würde von einem Gefühle schreckvoller Verwirrung ergriffen werden, von einer ungeheuren Steigerung des Angst- und Furchtgefühles. So wie der Mensch von Scham verbrennen würde, wenn er in sein eigenes Innere hinuntersteigen würde ohne Vorbereitung, so würde er, wenn er in das Geistige der Außenwelt hineinsehen würde ohne Vorbereitung, förmlich erstarren vor Furcht, weil er sich wie in ein Labyrinth geführt empfinden würde. Nur dann, wenn die Seele sich vorbereitet durch solche Begriffe und Vorstellungen, welche sie über das gewöhnliche Erleben hinausführen, dann kann sie nach und nach sich gewöhnen, hinter die Sinneswelt zu schauen. Heute ist es ja durch das intellektuelle Leben nicht möglich – das wurde schon angedeutet -, dass der Mensch das durchmacht, was die Menschen damals in den nordischen Mysterien erlebten. Durch sein intellektuelles Leben kann der Mensch nicht mehr diese Steigerung der Frühlings- und Herbstempfindungen erleben. Heute denken die Menschen ganz, ganz anders als damals. Das Denken war dazumal noch nicht so ausgebildet. Die Intellektualität entwickelte sich erst nach und nach. Und mit der Entwickelung der Intellektualität ging für den Menschen auch die Möglichkeit verloren, solches durchzumachen. Aber der Mensch kann es in einer gewissen Beziehung im Spiegelbilde durchmachen auf eine indirekte Weise, dadurch, dass er diese Empfindungen nicht an den äußeren Naturvorgängen selbst erlebt, sondern an den Schilderungen und Beschreibungen, welche ihm aus geistigem Schauen heraus über die geistige Welt und ihre Zusammenhänge gegeben werden.

Deshalb müssen heute in unserer Gegenwart allmählich solche Beschreibungen für die Menschen geliefert werden, wie sie zum Beispiel – ich sage das nicht aus Unbescheidenheit, sondern weil es gefordert ist – gegeben werden in meinem eben erschienenen Buch «Die Geheimwissenschaft». Da wird etwas von der Welt geschildert, was man äußerlich nicht wahrnehmen kann, und zwar aus einer Grundlage heraus – wir werden das noch sehen -, aus der so etwas geschildert werden kann; es wird geschildert, was der Welt geistig zugrunde liegt, und was derjenige sehen kann, der sich auf jene Weise vorbereitet hat, welche eben dargestellt worden ist. Ein solches Buch darf nicht gelesen werden wie ein anderes Buch – dazu ist es nicht da -, sondern es soll so gelesen werden, dass die Begriffe und Ideen, die darin enthalten sind, Gefühle auslösen, dass man wirklich in der vollen Stärke das in der Seele empfindet, was da in Begriffen und Ideen gegeben ist. Wenn man das so liest, dass man die stärksten Empfindungserlebnisse durchmacht in der Seele, dann sind diese Empfindungserlebnisse ähnlich, wie diejenigen waren, welche in jenen nordischen Mysterien Europas erlebt worden sind.

Wir finden in diesem Buche eine Schilderung all der früheren Verkörperungen unserer Erde, finden geschildert einen Saturn-, einen Sonnen- und einen Mondzustand. Wenn Sie das, was als Schilderungen sich da findet, nicht lesen, wie man etwas Theoretisches liest, sondern, wenn Sie mitgehen mit dem, was da geschildert ist, wenn Sie achtgeben, wie da geschildert ist, so finden Sie da einen Unterschied des Stiles bei der Schilderung des alten Saturnzustandes und bei der Schilderung des Sonnenzustandes und bei der des Mondzustandes. Wenn Sie das, was über den Saturn gesagt wird, auf sich wirken lassen, dann können Sie etwas wiederfinden von der Frühlingsstimmung des nordischen Mysterienschülers, und in der Schilderung der Sonne haben Sie etwas, was dem Gefühl ähnlich ist, das den Mysterienschüler ergriff beim Aufjauchzen in der Johannisnacht. Es ist nicht umsonst, dass das Buch so lange hat auf sich warten lassen, denn es ist Wert darauf gelegt, dass die Schilderungen dazu angetan sind, in uns Gefühle wachzurufen, welche ähnlich sind den Stimmungen der Schüler in den nordischen Mysterien. Und wenn wir zu der Schilderung der Erdenentwickelung kommen und alles das beachten, wie dort der ganze Stil geformt ist, dann werden wir eine Stimmung haben, wie sie sein soll, wenn es gegen den Winter zu geht, gegen den 21. Dezember, die Wintersonnenwende. Sie erweckt Todeswehmut, und das geht dann über in die Weihnachtsstimmung. Das kann heute gegeben werden anstelle dessen, was der Mensch heute nicht mehr durchmachen kann, weil er eben von einem Leben in der Empfindung sich erhoben hat zur Intellektualität, zum Denken. Daher muss heute durch den Spiegel des Denkens Gefühl und Empfindung wiederum angeregt werden, die sich ursprünglich an der Natur selber entzündet haben. So müssen heute die geisteswissenschaftlichen Schriften abgefasst sein, sie müssen abgelesen sein in Bezug auf ihre Stimmung dem Jahresgang des Weltenwerdens. Wenn man nur theoretisch schildert, dann ist das ganz sinnlos, dann führt das zu nichts anderem, als dass man die geistigen Dinge sich aneignet wie die Dinge eines Kochbuches. Der Unterschied zwischen geisteswissenschaftlichen und anderen Büchern liegt nicht darin, dass man andere Dinge schildert, sondern hauptsächlich in dem Wie, in demjenigen, wie die Dinge gegeben werden. Daraus werden Sie ersehen, was geisteswissenschaftlichen Büchern zugrunde liegen muss,
dass aus gewissen Tiefen heraus die Dinge geholt sind; dass, wie es die Aufgabe unserer Zeit ist, das darin sein muss, was auf dem Umwege durch die Gedanken wiederum die Gefühle entzünden kann.

Was müssen wir nun beachten, um auch heute eine Möglichkeit zu haben, etwas zu finden, das uns aus der Verwirrung wiederum herausbringt, in die die menschliche Seele gerät, wenn sie sich in das Labyrinth der geistigen kosmischen Ereignisse begibt? Nun, wenn der Mensch sich in dieses Labyrinth begibt, so braucht er einen Führer. Das ist etwas, auf das uns prophetisch schon das griechische Volk hingewiesen hat, das zuerst vorbereitet hat das Denken. In der nördlichen elementaren, ursprünglichen Bevölkerung waren noch lange die Fähigkeiten vorhanden, die große Schrift der Natur zu lesen, zu einer Zeit, als die Griechen sich schon zu einem höheren Standpunkt der Intellektualität entwickelt hatten. Und die Griechen mussten dasjenige vorbereiten, was wir heute in höherem Maße ausbilden müssen. Es hätte eine solche «Geheimwissenschaft» zwar in Griechenland noch nicht geschrieben werden können, aber es ist in anderer Weise demjenigen, der sich hineinwagte in das Labyrinth der geistigen kosmischen Welt, durch die Griechen ein Bild gegeben worden für die Möglichkeit, einen Faden zu haben, durch den er sich aus der Verwirrung des Labyrinths wiederum zurückfinden kann. Das wird uns in der Legende von Theseus angedeutet, der sich mit dem Faden der Ariadne in das Labyrinth begibt. Für die heutige Zeit ist dieser Ariadnefaden nichts anderes als ein Bild für die Begriffe, die wir in der Seele über die übersinnliche Welt ausbilden sollen. Es ist das geistige Wissen, das uns geboten wird durch die Geisteswissenschaft, damit wir mit Sicherheit hineingehen können in dieses Labyrinth der geistigen Welt des Makrokosmos. So soll dasjenige, was uns heute in der Geisteswissenschaft gegeben wird, was zunächst nur zur Vernunft spricht, ein Ariadnefaden sein, welcher uns über alle Verwirrung hinweghilft, in die wir kommen könnten, wenn wir unvorbereitet hineinkommen in die geistige Welt des Makrokosmos.

So sehen wir, dass in der Tat der Mensch, wenn er den Geist in der Außenwelt finden will, ein Gebiet durchschreiten muss, das er im normalen Leben unbewusst durchschreitet; er muss jenen Strom, der ihm das Bewusstsein nimmt, bewusst durchschreiten. Wenn dann der Mensch auf sich wirken lässt entweder das, was wir gezeigt haben als Empfindungen, die aus dem Werden der Natur selber heraus entzündet werden, oder durch Begriffe und Ideen, die wir eben charakterisiert haben, wenn der Mensch sich so entwickelt, dann erlangt er allmählich die Fähigkeit, furchtlos an jene geistige Macht heranzutreten, welche ihm sonst Furcht und Schrecken einflößen müsste. Es ist der große Hüter der Schwelle, der vor der großen geistigen Welt steht, unwahrnehmbar für das gewöhnliche Bewusstsein. Er wird nur wahrnehmbar für den, der sich in der gehörigen Weise vorbereitet. So dass derjenige, der sich vorbereitet hat, hinauszuschreiten in die große geistige Welt, in den geistigen Makrokosmos,
furchtlos vor einer jeglichen Verwirrung, die ihn treffen könnte, vorüberkommt an dem großen Hüter der Schwelle, der uns auch zeigt, wie unbedeutend wir noch sind und wie wir neue Organe entwickeln müssen, wenn wir in diese große Welt, in den geistigen Makrokosmos hineinwachsen wollen. Mutlos und verzagt würde der Mensch dastehen, wenn er unvorbereitet an diesen großen Hüter der Schwelle herankäme.

Nun haben wir geschildert, wie der Mensch sozusagen eingeschlossen ist in zwei Grenzen. Aufmerksam gemacht darauf haben wir schon im letzten Vortrage; heute haben wir genauer geschildert, wie der Mensch eingeschlossen ist zwischen jene zwei Tore. Vor dem einen steht der kleine Hüter der Schwelle und an dem anderen der große Hüter der Schwelle. Das eine Tor führt in das menschliche Innere, in den Geist des Mikrokosmos, das andere in den Geist des Makrokosmos. Nun müssen wir uns aber auch klar darüber sein, dass aus diesem selben Makrokosmos, in den wir also hineingeführt werden, die Kräfte kommen, welche uns selber aufbauen. Woher ist denn das Material genommen für unseren physischen Leib und für unseren Äther- oder Lebensleib? Dasjenige, was unseren physischen Leib aufbaut, was unseren Ätherleib aufbaut, alle die Kräfte, die da zusammenströmen, um dasjenige, was so weisheitsvoll ist, aufzubauen, all das tritt uns wirklich ausgebreitet in der großen Welt entgegen. Da tritt uns, wenn wir vorbeigegangen sind an dem großen Hüter der Schwelle, nicht nur Erkenntnis über den Makrokosmos entgegen. Erkenntnisse kann man sich erwerben. Wenn man aber die Erkenntnisse der großen Welt erworben hat, dann hat man noch nicht seinen Eingang gefunden in die Welt der Wirkungen und Kräfte. Denn aus den Erkenntnissen heraus könnte unser Leib nicht aufgebaut werden; er muss aus Kräften aufgebaut werden. Wir kommen also, wenn wir an dem großen Hüter der Schwelle vorbeigekommen sind, an diesem merkwürdigen geheimnisvollen geistigen Wesen, in eine Welt unbekannter Wirkungen und Kräfte hinein. Von dieser Welt muss man sagen, dass der Mensch zunächst nichts davon weiß, weil sich der Schleier der Sinneswelt davor ausbreitet. Das sind aber die Kräfte, die in uns hineinfließen, aus denen zusammengeronnen sind unser physischer und unser Äther- oder Lebensleib.

Dieses ganze Zusammenspiel, die Wechselwirkungen zwischen der großen Welt und der kleinen Welt, von Wirkungen zwischen dem, was da drinnen ist, und dem, was da draußen ist und sich durch den Sinnesschleier verbirgt, sind enthalten in dem verwirrenden Labyrinth. Da treten wir in ein lebendiges Leben hinein. Dieses lebendige Leben ist das, was wir zunächst auch schildern müssen, und wir wollen morgen damit beginnen, dass wir den ersten Einblick erhalten in das, was der Mensch zwar nicht wahrnehmen kann, was sich aber in ihm doch als Wirkungen zeigt, wie wir gesehen haben, wenn er durch das eine oder durch das andere Tor schreitet, wenn er vorbeikommt an dem kleinen Hüter der Schwelle und an dem großen Hüter der Schwelle.“

Rudolf Steiner in der GA 119 („Makrokosmos und Mikrokosmos“), S. 100 ff.

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Wir ziehen nach uns durch das ganze Erdenleben, wie der Komet seinen Schweif durch das Weltall nach sich zieht, dasjenige, was wir gleichsam an Geistes-Aura ausdünsten…
„Aber noch manches andere verbirgt sich hinter dem sinnlichen Dasein für den Menschen. Der Mensch richtet seinen Blick auf die Pflanzenwelt; er sieht, wie das Licht der Sonne die Pflanzen hervorzaubert aus den Erdengründen. Die Wissenschaft lehrt uns, daß das Licht zum Wachstum der Pflanzen notwendig ist. Ja, meine lieben Freunde, das ist aber nur die eine Hälfte der Wahrheit. Derjenige, der mit hellsichtigem Blick die Pflanzen ansieht, der sieht aus den Pflanzen aufsteigen lebendige Geistes-Elemente. Das Licht taucht nämlich in die Pflanzen unter und steigt wiederum auf als lebendiges Geistes-Element. Das Licht steigt in die Pflanzen hinein, um sich in ihnen zu verwandeln, um in ihnen wiedergeboren zu werden als lebendiges Geistes-Element. In die Tiere steigt der chemische Äther hinein, den der Mensch nicht wahrnehmen kann; er würde geistig tönen, wenn der Mensch ihn wahrnehmen könnte. Und die Tiere verwandeln diesen Äther in Wassergeister. Die Pflanzen verwandeln das Licht in Luftgeister, die Tiere verwandeln den Geist, der im chemischen Äther wirkt, in Wassergeister. Der Mensch aber verwandelt dasjenige, was im komischen Äther, im Lebensäther liegt, dasjenige, was macht, daß er überhaupt leben kann, und von dem verhindert worden ist, daß er es töten könne in sich, das verwandelt er in Erdgeister. Ja, in Erdgeister verwandelt er es.

Fortwährend erzeugt sich im Menschen auch etwas Geistiges. Dasjenige, was als Leben im Menschen lebt, das geht gleichsam fortwährend in die Welt hinaus. Der Mensch verbreitet eine Aura um sich, eine Strahlungs-Aura, wodurch er das erdgeistige Element der Erde fortwährend bereichert. In diesem Erdgeist-Element der Erde, da ist aber enthalten, … all dasjenige, was der Mensch an moralischen und an sonstigen erworbenen, im Leben erworbenen menschlichen Qualitäten in sich trägt. Wahr ist es, durchaus wahr: Für den hellsichtigen Blick zeigt es sich, wie der Mensch fortwährend in die Welt hinausschickt seine moralische und intellektuelle und ästhetische Aura, und wie diese Aura als Erdengeist in der Erdengeistigkeit weiterlebt. Wir ziehen nach uns durch das ganze Erdenleben, wie der Komet seinen Schweif durch das Weltall nach sich zieht, dasjenige, was wir gleichsam an Geistes-Aura ausdünsten, was sich während unseres Lebens zusammenfügt, phantomhaft, aber zugleich unser moralisches und intellektuelles Seelengut in die Welt hinausstrahlt. …
Das Leben ist kompliziert, und auch dieses ist eine Erscheinung des Lebens.“ (GA 155 SEITE 201-202)

RUDOLF STEINER / GA 155
Christus und die menschliche Seele
Über den Sinn des Lebens Theosophische
Moral Anthroposophie und Christentum
10 Vorträge, gehalten in Kopenhagen und Norrköping vom 23. bis 30. Mai 1912 und 12. bis 16. Juli 1914
1994 RUDOLF STEINER VERLAG DORNACH/SCHWEIZ

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Thema Sprache… aus nachtodlicher Perspektive:
Sprache

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„…Und steigt der Mensch, entweder als Seher oder in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, in dieses Gebiet hinauf, dann entnimmt er diesem Gebiete alles dasjenige, was man nennen möchte den Himmelsfunken, den der Mensch in diese Welt hineinbringt. Es ist das, was ihm als Göttliches, als höheres Geistiges erscheint, als das eigentlich Idealistische, was aus der höheren Welt hereindringt und nur durch ihn hereinkommen kann in die physische Welt als höhere Moral, höhere Religiosität und feinere geistige Wissenschaft. Alle Weisheit, aller höhere Glanz des Daseins, den der Mensch, gleichsam als Bote Gottes, hereinbringt in diese physische Welt, entnimmt er aus diesen drei höheren Gebieten des Devachan.“
„Wir stehen an einem wichtigen Punkte in der Entwickelung des geistigen Menschen zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, in dem der Mensch übergeht von dem sogenannten Seelenland in das Geistes- oder Geisterland. Der Mensch ist, wie wir das letzte Mal bereits gehört haben, frei geworden an diesem Punkte von allem, was ihn bindet, was ihn haften macht an das physisch-materielle Dasein. Alle die Wünsche, Begierden und Leidenschaften, die hinneigen zu dem physischen, zum materiellen Dasein, sind von dem Geistesmenschen abgefallen. Sie beirren ihn nicht mehr in seiner weiteren Entwickelung, und dieser geistige Mensch macht dann jene lange Zeit durch, die man mit einem deutschen Ausdruck als das Geisterland bezeichnen könnte, und die gewöhnlich in der theosophischen Literatur genannt wird Devachan. Deva heißt ein göttliches Wesen, ein Wesen, das nur in diesem Gebiete des Daseins seine Wirklichkeit hat; das nicht einen physischen Körper hat, sondern einen Körper, der nur aus Substanzen dieses Geisterlandes besteht. Der Mensch ist gleichsam ein Genosse dieser Wesenheiten in einer höheren Region gewesen.

Wir müssen uns – und das möchte ich immer wieder betonen – nicht vorstellen, als ob dieses Devachan irgendwo anders im Raume zu suchen wäre. Dieses Geisterland ist rings um uns, es erfüllt unsere Welt ungefähr so, wie die Luft die physische Welt allüberall erfüllt. Es kann nur nicht wahrgenommen werden von denjenigen Menschen, die sich bloß ihrer physischen Sinne zu bedienen vermögen. Ist der physische Sinn geschlossen und das geistige Auge geöffnet, dann erstrahlt die Welt ringsherum in einem neuen Glanze. Sie nimmt neue Eigenschaften an. Der Mensch sieht dann Dinge, die er vorher nicht gesehen hat. So wie das, was ich vor acht Tagen als astrale, als seelische Welt beschrieben habe, nur für die entsprechenden seelischen Organe vorhanden ist, so ist für das geistige Auge das Geisterland vorhanden.

Es ist schwer, ein Bild zu entwerfen von diesem Gebiete der Wirklichkeit. Sie können sich ja vorstellen, dass dieses schwer ist, denn unsere Sprache ist nicht gemacht für diese höheren Gebiete des Daseins. Unsere Worte sind allein angemessen für dasjenige, was es in dem Alltagsleben gibt. Jedes Wort ist einem Sinnendinge zugeteilt. Dieser Worte müssen wir uns aber bedienen, wenn wir die ganz andersgearteten Welten beschreiben wollen, zu denen wir aufsteigen. Es kann daher nur ein vergleichsweises Sprechen sein, eine mehr sinnbildliche Sprache, derer ich mich bedienen muss, um Ihnen das zu beschreiben. Dieses Land ist immerfort um uns, und dem geöffneten Auge des Sehers liegt es vor. Es erstrahlt um ihn herum, wie es dem Menschen erstrahlt, wenn nicht nur der physische Körper, sondern auch alle diejenigen astralen Eigenschaften, wie Begierden, Triebe, Leidenschaften, die ihn an das physische Dasein ketten, von ihm abgeschmolzen sind, wie der Schnee abschmilzt von einem Felsblock, wenn die Sonne diesen Block bescheint.

Das einzige, was der Mensch während seines physischen Daseins von diesem Geisterlande kennt, das ist sein Gedanke. Der Gedanke ist aber nur ein schwaches Abbild, ein Schattenbild dieses Geisterlandes. Gewöhnlich sagen auch Menschen, die am Physischen hängen, der Gedanke sei keine Wirklichkeit. Man hört auch sagen, irgendetwas sei «nur ein Gedanke». Für denjenigen aber, der sich einzuleben weiß in die Welt der Gedanken, der die Bedeutung des Gedankenlebens kennt, der in dem Gedankenleben zu leben weiß wie der gewöhnliche Mensch in unserer Welt, für den bekommt das Gedankenleben eine ganz andere Bedeutung. Auf keine andere Weise als durch den Gedanken kann sich das Geisterland dem Menschen mitteilen. Das Gedankenleben entspricht dieser höheren geistigen Wirklichkeit. Und derjenige, der in diese geistige Wirklichkeit hineinzuschauen vermag, lernt darin unterscheiden. Für ihn trennen sich die Gebiete für diese höhere Wirklichkeit, wie sich hier auf unserer Erde für das physische Auge die verschiedenen Partien derselben trennen. Es ist bildlich gesprochen, was ich sage, aber es entspricht dem Tatbestand. So wie wir auf unserer Erde die feste Erdkruste haben, die aus Felsen, Gestein und aus dem besteht, was wir das feste Land nennen, so entspricht dem auch ein ganz bestimmtes Gebiet im Geisterlande. Und dann entspricht dem, was wir die Ozeane, die Gewässer der Erde nennen, ein anderes bestimmtes Gebiet; und dem Luftkreis der Erde entspricht eine Art von Luftkreis im Devachan. Aber diese drei Gebiete des Devachan stehen in einer ganz bestimmten Beziehung zu den Erlebnissen auf unserer Erde. Alles das, was Sie im Physischen erleben können, was Sie erleben können als die physischen Gegenstände, die um Sie herum sind, alles das, was Sie mit den Augen sehen, mit den Sinnen wahrnehmen können, das bildet sozusagen die feste Kruste, das Festland im Devachan. Da sehen Sie alles dasjenige in seinen Urbildern auf geistige Art, was Sie hier mit den physischen Augen wahrnehmen.

Aber ganz anders nimmt sich dieses urbildliche Land aus. Wenn Sie einen physischen Menschen anschauen, dann ist ein gewisser Teil des Raumes mit seiner physischen Organisation ausgefüllt. Ringsherum sehen Sie nichts mehr von dem Menschen. Für den Seher aber gliedert sich die sogenannte Aura an, wie wir sie das letzte Mal beschrieben haben. Im Geisterlande oder im Devachan ist das ganz anders. Es verhält sich dasjenige, was man da sieht, zu dem physischen Bilde des Menschen so, wie das Bild auf der photographischen Platte zu der Wirklichkeit sich verhält, welche durch die photographische Platte aufgenommen wird. Es ist alles, was mit der physischen Materie ausgefüllt ist, im Geisterlande ein Hohlraum, sozusagen ausgespart. Und wenn der Mensch wieder heruntersteigt in das Physische, dann füllt sich der Hohlraum wieder mit physischer Materie an. Und da, wo in der physischen Welt nichts ist, ist strahlendes Dasein, strahlende Organisation. Daher glänzt es in manchem durch, was dann die ersten christlichen Eingeweihten das höhere Äonenlicht nannten. Das ist dasjenige, was den Menschen organisiert und was ihn in Zusammenhang bringt mit der geistigen Welt. So ist im Geisterlande der Mensch da nicht vorhanden, wo er im Physischen vorhanden ist. Er ist gerade außer sich vorhanden, außer dem physischen Raum, den er erfüllt.

Wenn der Seher eintritt in die geistige Welt, sieht er alles dasjenige mit einer höheren Wirklichkeit erfüllt, was dem physischen Auge leer erscheint um die Dinge herum. Das ist
dann ausgefüllt mit einem glänzenden und strahlenden Licht. Dieses Licht ist ein ganz anderes Licht als dasjenige, das die seelische Aura zusammensetzt. Der Mensch ist ja nicht nur diese seelische Aura. Diese Aura wiederum ist durchzogen von einer höheren Aura. Während die seelische Aura in einem Glimmerlicht, in einem matten Licht leuchtet, ist diese höhere geistige Aura, die auch noch sichtbar bleibt, wenn der physische Körper des Menschen abgefallen ist, in einem Licht erglänzend, nicht bloß glimmend; sie ist also nicht bloß etwas Glimmendes, sondern etwas Flammendes. Sie hat auch eine ganz besondere Eigenschaft, durch die sie sich unterscheidet von der astralen Aura. Das ist die, dass man durch die geistige Aura durchsehen kann, während man durch die astrale Aura nicht durchsehen kann. Jedes geistige Gebiet ist vollständig durchsichtig für dasjenige, was im Geisterlande ist.

Das ist der unterste Teil dieses Geisterlandes, den ich jetzt beschrieben habe. Erhebt sich der Seher zu noch höheren Regionen, dann erlebt er dasjenige, was man das all-eine Leben nennt. Dieses all-eine Leben durchfließt alle Gebilde. Es ist das flüssige Element des Geisterlandes. So wie das Meer oder ein Fluss mit seinen eigentümlichen Farben uns erscheint, wenn wir einen Fluss oder den Ozean betrachten, so erscheint uns das all-eine Leben als Ozean oder Fluss des Geisterlandes. Es erstrahlt in Farben, die sich nur vergleichen lassen mit den Farben der frischen Pfirsichblüte. In diesem all-einen Leben finden Sie nicht etwa so unregelmäßige Gestaltungen an Flüssen und Ozeanen wie hier auf der Erde, sondern ganz regelmäßig gestaltete, so dass der Vergleich viel besser wäre mit dem Herzen und seinen Blutadern.

Das dritte, was erlebt werden kann, ist das, was ich den Luftkreis dieses Landes nennen möchte. Dieser Luftkreis aber setzt sich zusammen aus dem, was wir hier auf der Erde die Empfindungen nennen können. Es ist sozusagen die luftförmige, vollständig den Raum des Geisterlandes durchdringende Empfindungswelt, was hier wahrgenommen wird also der Luftkreis; das nimmt sich so aus, dass man da das alleine Empfinden der ganzen Erde wahrzunehmen vermag. Es dringt aber von außen dieses Empfinden an uns heran, wie der Wind oder der Sturm, wie Blitz und Donner in der physischen Atmosphäre. Da gibt es nicht mehr unser eigenes Fühlen und Empfinden. Diese eigenen Gefühle hat der Mensch da abgestreift. Da tritt an ihn heran das, was alle anderen fühlen. Er fühlt sich eins mit dem, was andere fühlen. Das, was Leid und Schmerz ist, durchströmt wie Donner und Blitz diese geistige Welt. Sie können sich wohl denken, dass der Einblick in diese Welt ein ganz anderes
Verständnis gibt für dasjenige, was überhaupt Wirklichkeit ist. Derjenige, der einmal hineingeblickt hat in dieses Wogenmeer von menschlichen und tierischen Leiden und menschlichen und tierischen Freuden, der gesehen hat, was es eigentlich heißt: leiden und sich freuen, was es heißt, dass die Leidenschaften toben und wüten, der hat einen anderen Begriff von dem Krieg und Frieden der Welt, einen ganz anderen Begriff von dem «Kampf ums Dasein». Von dem erlebt nun der Mensch auch etwas zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.

Und dann kommt ein noch höheres Gebiet. Diese Gebiete sind nicht so vorzustellen, dass man sich von dem einen Ort nach dem anderen begibt. Sie sind alle ineinander, sie durchdringen einander vollständig. Ein viertes Gebiet steht mit unserer Erde nur noch in sehr entferntem Zusammenhang. Während wir in den drei Gebieten, die ich aufgeführt habe, Qualitäten wahrnehmen können, die sich auf unsere Erde beziehen, stehen die des vierten Gebietes nur in einem entfernten Zusammenhang mit dem, was wir auf der Erde wahrnehmen. Hier treten wir schon in Verbindung mit höher gearteten Wesenheiten, mit Wesenheiten, die vielleicht niemals auf dieser Erde verkörpert sind. Es treten einem hier entgegen diejenigen Kräfte, welche schon über das Physische hinausreichen. Dasjenige, was der Mensch leistet aus dem rein Idealen, aus dem reinen Denken heraus, aus einer rein wohlwollenden Gesinnung, aus der Liebe heraus, das, was der Mensch leistet über das Gebiet des Physischen hinaus, das stammt von Kräften, die in diesem Gebiete sichtbar werden. Diese Gebiete des Devachan umgeben fortwährend den Menschen, wirken fortwährend auf den Menschen. Derjenige, welcher Intuition, Erfindungsgabe hat, schafft Dinge, die nicht Abbilder von unserer Erde sind; er schafft also etwas, was aus einem Höheren in unsere Erde hineingetragen wird. Das entstammt diesem vierten Gebiet.

Man braucht nicht zu glauben, dass das, was uns nicht bewusst ist, in dieser Sphäre nicht vorhanden ist. Wir dürfen nicht glauben, dass, wenn ein einzelner Mensch diese Dinge nicht wahrnimmt, sie auch nicht da sind. Wer mit einem besonderen Genie auf die Welt kommt, der bringt es sich mit von seinem Verweilen in diesem Gebiete des Devachan.

Damit haben wir die Grenze erreicht, die zwar, wie wir sahen, nur noch entfernt mit unserem Erdenleben zusammenhängt, die aber das enthält, was gerade unserer Erde einen höheren Glanz verleiht und dazu bestimmt ist, unmittelbar hinuntergetragen zu werden in das sinnliche Dasein, was auch noch abhängt von dem sinnlichen Dasein. Der Mensch kann kein Kunstwerk formen, keine Maschine konstruieren, wenn er sich nicht nach der physischen Wirklichkeit richtet. Beim Kunstwerk muss er das Material studieren.

Die anderen drei Gebiete des Devachan, die noch höher liegen, sind Gebiete, die einen noch ferneren Zusammenhang mit der Erde haben, Gebiete, die sozusagen aus einer ganz anderen Welt herüberleuchten. Und steigt der Mensch, entweder als Seher oder in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, in dieses Gebiet hinauf, dann entnimmt er diesem Gebiete alles dasjenige, was man nennen möchte den Himmelsfunken, den der Mensch in diese Welt hineinbringt. Es ist das, was ihm als Göttliches, als höheres Geistiges erscheint, als das eigentlich Idealistische, was aus der höheren Welt hereindringt und nur durch ihn hereinkommen kann in die physische Welt als höhere Moral, höhere Religiosität und feinere geistige Wissenschaft. Alle Weisheit, aller höhere Glanz des Daseins, den der Mensch, gleichsam als Bote Gottes, hereinbringt in diese physische Welt, entnimmt er aus diesen drei höheren Gebieten des Devachan.“

Rudolf Steiner in der GA 53 („Ursprung und Ziel des Menschen – Grundbegriffe der Geisteswissenschaft“), S. 148 ff.

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„Es ist gewiss wertvoll, wenn
der Mensch auch ein Herz hat
und nicht bloß Gedanken.
Aber das Wertvollste ist,
wenn die Gedanken
ein Herz haben.“

Rudolf Steiner
30.10.1922

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Vor einigen Jahrhunderten haben Menschen das, was in der Gotik lebte, in sich aufgenommen. Und jetzt verfolgen wir diese Menschen einige Jahrhunderte weiter, die in der Seele die Kraft dieser Bauformen aufgenommen haben – sie zeigen nun in ihrer nächsten Inkarnation den Ausdruck dieser inneren Gemütsverfassung in ihrer Physiognomie, in ihren Antlitzen. Die Seelen der Menschen haben die Gesichter gebildet. So erkennt man, warum solche Künste geübt werden. Weit, weit hinaus in ferne Zukunft der Menschheit sehen die Eingeweihten…

„Immer wenn Menschen, die etwas von Okkultismus verstanden haben, in der äußeren Welt irgendeinen Gegenstand schufen, so hatte das einen ganz bestimmten Zweck, eine ganz bestimmte Bedeutung für die menschlichen Seelen. Erinnern Sie sich einmal an die gotischen Kirchen und Dome, an die ganz speziellen Eigentümlichkeiten dieser Bauwerke, die in der ersten Zeit des Mittelalters entstanden sind und sich vom Westen nach Mitteleuropa hin ausgebreitet haben. Diese Kirchen tragen einen ganz bestimmten Baustil, der sich darin ausdrückt, dass die eigenartige Bogenart, die aus zwei oben in eine Spitze auslaufenden Teilen besteht, sich über das Ganze als Stimmung ergießt, dass das Ganze nach oben strebt, dass die Pfeiler eine bestimmte Gestalt haben und so weiter. Ganz unrecht hatte derjenige, der behaupten wollte, solch ein gotischer Dom sei bloß aus äußeren Bedürfnissen hervorgegangen, etwa aus einer gewissen Sehnsucht, ein Gotteshaus zu schaffen, welches dieses oder jenes ausdrücken oder bedeuten soll. Oh nein! Der Gotik liegt etwas viel Tieferes zugrunde. Diejenigen, die die ersten Ideen angaben für das Entstehen der gotischen Bauten in der Welt, waren Kenner des Okkultismus, sie waren bis zu einem gewissen Grade Eingeweihte. Ganz bestimmte Absichten verbanden die großen Führer der Menschheit mit dem Entstehen solcher Bauten, solcher Baustile. Die Gotik, die gotischen Dome und Kirchen, lösen ganz bestimmte Seeleneindrücke aus bei dem, der sie betritt. Es ist, als trete man in eine Art von Hain in diesem hohen gewölbten Dome mit den aufstrebenden Säulen. Der Aufenthalt dort wirkt ganz anders auf die Seele, als wenn Sie zum Beispiel in ein gewöhnliches Haus gehen oder in ein Bauwerk, das eine Renaissance-Kuppel oder eine Kuppel romanischen Stiles hat. Es gehen ganz bestimmte Wirkungen von den Formen aus. Der gewöhnliche Mensch wird sich dessen nicht bewusst, für ihn lebt dies alles im Unbewußten, in seinem Unterbewusstsein. Verstandesmäßig macht der Mensch sich nicht klar, was in seiner Seele vorgeht, wenn er solche Formen um sich hat. Und was da vorgeht, ist je nach der Beschaffenheit seiner Umgebung sehr verschieden. Viele Menschen glauben, dass der Materialismus unserer modernen Zeit davon herrühre, dass so viele materialistische Schriften gelesen werden. Aber der Okkultist weiß, dass dies nur einen geringen Einfluss hat. Das, was das Auge sieht, ist von weit größerer Wichtigkeit, denn es hat Einfluss auf Vorgänge der Seele, die mehr oder weniger im Unbewußten verlaufen. Das hat eine eminent praktische Bedeutung. Und wenn die Geisteswissenschaft einmal in Wahrheit die Seele ergreifen wird, dann wird diese praktische Wirkung auch im öffentlichen Leben bemerkbar werden. Ich habe öfters schon darauf aufmerksam gemacht, dass es etwas anderes war als heute, wenn man im Mittelalter durch die Straßen ging. Rechts und links, an jeder Häuserfassade trug alles das Gepräge dessen, der es verfertigt hatte. Jeder Gegenstand, alles, was die Menschen umgab, jedes Türschloss, jeder Schlüssel, war aufgebaut aus etwas, worin die Seele des Verfertigers ihre Gefühle verkörperte. Mit Liebe war alles gemacht. Machen Sie sich einmal klar, wie der einzelne Handwerker seine Freude an jedem Stück hatte, wie er seine Seele da hineinarbeitete. In jedem Ding war ein Stück seiner Seele. Und wo in der äußeren Form Seele ist, da strömen auch die Seelenkräfte über auf den, der es sieht und ansieht. Vergleichen Sie das mit einer Stadt von heute. Wo ist heute noch Seele in den Dingen? Da ist ein Schuhwaren-, ein Messergeschäft, ein Metzgerladen, dann ein Bierhaus und so weiter. Nehmen Sie nur unsere Plakatkunst; was für Produkte bringt sie hervor? Eine grässliche Plakatkunst haben wir! Alt und Jung wandert durch ein Meer solcher scheußlicher Erzeugnisse, die die schlimmsten Kräfte der Seele im Unterbewusstsein auslösen. Die theosophische Erziehungskunst wird darauf aufmerksam machen, dass das, was das Auge sieht, den Menschen tief beeinflusst. Und betrachten Sie gar unsere modernen Witzblätter, was wird da geboten! Das soll keine Kritik sein, sondern nur ein Hinweisen auf Tatsachen. Denn das alles gießt einen Strom von Kräften in die menschliche Seele hinein, die den Menschen hinlenken nach einer gewissen Richtung, die zeitbestimmend sind. Der Geisteswissenschafter weiß, wie viel davon abhängt, ob der Mensch in dieser oder in jener Formenwelt lebt.

Um die Mitte des Mittelalters entstand längs des Rheines jene merkwürdige religiöse Bewegung, welche man die deutsche Mystik nennt. Eine ungeheure Vertiefung und Verinnerlichung ging von den führenden Geistern der christlichen Mystik aus, von Meister Eckhart, Tauler, Suso, Ruysbroek und anderen, die man «Pfaffen» nannte. Im 13. und 14. Jahrhundert hatte der Name «Pfaffe» noch nicht die Bedeutung wie heute, er war noch etwas Verehrungswürdiges. Man nannte den Rhein damals die «große Pfaffengasse Europas». Und wissen Sie, wo diese große Vertiefung und Verinnerlichung des menschlichen Gemütes, diese frommen Gefühle, die eine innige Vereinigung mit den göttlichen Wesenskräften suchten, erzeugt worden sind? Sie sind heranerzogen worden in den gotischen Domen mit ihren Spitzbogen, Pfeilern und Säulen. Das hat diese Seelen erzogen. So stark wirkt das Gesehene. Was der Mensch sieht, was hineingegossen wird in seine Seele aus seiner Umgebung, das wird in ihm eine Kraft. Danach formt er sich selbst – bis in seine nächste Inkarnation.

Wir wollen uns das hier einmal schematisch aus der Entwickelung des Menschen heraus vor die Seele stellen. Ein Baustil wird nicht erfunden, er wird in einer Zeit herausgeboren aus den großen Gedanken der Eingeweihten; sie lassen ihn einfließen in die Welt. Die Bauwerke entstehen, sie wirken auf die Menschen; die menschlichen Seelen nehmen in sich etwas auf von der in diesen Formen lebenden spirituellen Kraft. Das, was die Seele aufgenommen hat durch das Anschauen der Bauformen – zum Beispiel der Gotik -, das tritt hervor in der Stimmung der Seelen: inbrünstige Seelen werden entstehen, die zum Hohen aufblicken. Vor einigen Jahrhunderten haben Menschen das, was in der Gotik lebte, in sich aufgenommen. Und jetzt verfolgen wir diese Menschen einige Jahrhunderte weiter, die in der Seele die Kraft dieser Bauformen aufgenommen haben – sie zeigen nun in ihrer nächsten Inkarnation den Ausdruck dieser inneren Gemütsverfassung in ihrer Physiognomie, in ihren Antlitzen. Die Seelen der Menschen haben die Gesichter gebildet. So erkennt man, warum solche Künste geübt werden. Weit, weit hinaus in ferne Zukunft der Menschheit sehen die Eingeweihten.
Deshalb formen sie in einer bestimmten Zeit äußere Kunstformen, äußere Baustile im Großen. So wird in die Menschenseele der Keim für zukünftige Menschheitsepochen gelegt.

Wenn Sie sich das so recht vor Augen halten, dann werden Sie auch begreifen, was sich damals am Ende der atlantischen Zeit abspielte. Versetzen wir uns noch einmal in die Zeit hinein, als das Ende, der Untergang der Atlantis hereinbrach. Es gab ja zu jener Zeit noch keine Luft wie heute, die Luft- und Wasserverteilung war noch eine ganz andere; Nebelmassen umgaben die Atlantis. Die Nebel verdichteten sich zu Wolken, und als strömender Regen ergoss sich die Sintflut über das Land. Ganz allmählich muss man sich den Untergang der Atlantis vorstellen. Das spielte sich nicht in kurzen Zeiträumen ab, es war ein Prozess, welcher Jahrtausende dauerte. Mit der Änderung der äußeren Lebensverhältnisse veränderte sich auch der Mensch selbst. Vorher nahmen die Menschen wahr durch eine Art von Hellsehen. Und als die Regenströme auftraten, mussten die Menschen sich nach und nach an eine ganz neue Lebensweise gewöhnen, an ein neues Anschauen, eine neue Art von Wahrnehmen. Verändern mussten sich die Körper der Menschen. Sie würden staunen, wenn Sie die atlantischen Menschen einmal aufgezeichnet sehen würden, wie verschieden sie von den heutigen Menschen waren. Aber glauben Sie ja nicht, dass diese Umwandlung von selbst geschah. Der menschliche Leib mit seinen Sinnesorganen hat sich erst nach und nach herausgebildet. Die menschlichen Seelenkräfte mussten durch lange Zeiten hindurch an diesen menschlichen Leibern arbeiten und so wirken, wie ich es vorhin an dem einfachen Beispiel geschildert habe. Erst sieht der Mensch die Bauformen, sie wirken auf sein Gemüt, und das Gemüt wirkt wiederum in einem späteren Leben auf die Physiognomie, auf das Antlitz des Menschen.

Als die atlantische Zeit überging in die nachatlantische Zeit, formte sich erst die Seele des Menschen um und modelte danach seinen Leib um. Wir wollen uns noch weiter dahinein vertiefen. Stellen wir uns einen recht alten Atlantier vor; er hatte noch hellseherisches Bewusstsein, und das hing zusammen mit der Umgebung, in der er lebte, mit der nebelerfüllten Atmosphäre. Dadurch stellten sich ihm die Dinge nicht in fest umrissenen Grenzen dar. Es waren mehr Farbenbilder, die vor ihm auftauchten, Fluten von Farben, die durcheinander wogten und die ihm die Seelenzustände der Menschen anzeigten. Statt des Gegenstandes, der ihm nahte, nahm der atlantische Mensch eine Lichtform wahr, eine blaue für Liebe, eine rote für Leidenschaft, Zorn und so weiter. Um ihn herum breiteten sich die Seelenkräfte aller Menschen aus. Wenn dieser Zustand fortgedauert hätte, niemals hätte der Mensch seinen jetzigen Leib erlangen können. Als die Luft frei wurde vom Wasser und die Gegenstände immer klarer und deutlicher hervortraten und ihre jetzigen Begrenzungen bekamen, war die Zeit gekommen, wo die Seele des Menschen neue Eindrücke empfangen musste. Und nach diesen Eindrücken formte sie ihren Leib. Denn nach dem, was Sie denken und fühlen, formen Sie Ihren Leib. Was musste nun die Menschenseele erleben, als sie sich aus der atlantischen Wasserlandschaft hinausrettete in die neue Luftlandschaft, damit der Leib seine heutige Form bilden konnte? Die Menschenseele musste von einer solchen Form umgeben sein, die eine bestimmte Länge, eine bestimmte Breite und eine bestimmte Tiefe hatte, damit sich der Leib danach formte. Diese Form wurde ihm tatsächlich gegeben durch das, was die Bibel die Arche Noah nennt. Wie die Stimmung der Mystik sich aus der Form der gotischen Dome gebildet hat und der Hellseher nachweisen könnte, welche Gesichter sich danach gebildet haben, so bildeten sich die Leiber der Menschen der alten Atlantis nach und nach um, weil tatsächlich die Menschen in Fahrzeugen lebten, die sie unter dem Einflusse von großen Eingeweihten nach den Maßen gebaut hatten, wie die Bibel die Arche Noah beschreibt. Das Leben in der Zeit der alten Atlantis war eine Art von Wasser- oder Seeleben, wo die Menschen zum größten Teile auf Fahrzeugen auf dem Wasser lebten und sich erst allmählich an das Leben auf dem Lande gewöhnten. Denn die alte Atlantis war nicht nur von einer Wassernebelluft umgeben, ein großer Teil der Atlantis war von der See bedeckt. Der Mensch lebte in diesen Fahrzeugen, damit sein Leib so gebaut werden konnte, wie er heute ist. Das ist das tiefe Mysterium der Arche Noah. Wenn man aus der Bibel wiederum die Tiefe ihrer geheimwissenschaftlichen Bedeutung herauszulesen versteht, dann breitet sich über diese Urkunde ein Glanz von Weisheit und unendlicher Erhabenheit aus. Der Mensch lebte auf Fahrzeugen, weil ihm der Eindruck der Abgeschlossenheit in seiner Haut werden musste. So wirkten die Eingeweihten durch die Jahrtausende auf die Erziehung des Menschen. Was Ihnen in den religiösen Urkunden entgegentritt, ist eben tief herausgeholt aus der okkulten Wirklichkeit.“

Rudolf Steiner in der GA 101 („Mythen und Sagen Okkulte Zeichen und Symbole“), S. 157 ff.

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Beim Menschen ist das Zeitliche ein Reales, während beim Mechanismus das Zeitliche nur eine Funktion des Raumes ist…
MENSCHLICHE RAUMLEIB UND ZEITLEIB
Frage:
Was meint Herr Dr. Steiner, wenn er sagt, daß der physische Leib ein Raumleib ist, der Bildekräfteleib ein Zeitleib? Der physische Leib lebt doch auch in der Zeit, indem er aufwächst und zerfällt.

Rudolf Steiner:
„Ja, das ist nur ungenau gedacht, wenn ich so sagen darf. Um dieses auf ein genaues Denken zurückzuführen, müßten Sie erst eine Analyse des Zeitbegriffes einmal vornehmen. Bedenken Sie nur: Wie die gewöhnlich gemeinte Wirklichkeit vor uns steht, ist ja Raum und Zeit ineinander verwoben. Man kann solche Dinge erst dann denken, wenn man auseinanderhält Raum und Zeit. Im gewöhnlichen gegenständlichen Erkennen haben Sie ja die Zeit überhaupt nicht gegeben. Sie messen ja die Zeit durch lauter Raumgrößen, und Veränderungen in den Raumgrößen sind die Erkennungsmittel für dasjenige, was dann als Zeit gilt. Denken Sie sich doch nur eine andere Zeitmessung. Sie messen sonst immer die Zeit nach dem Raum. Das ist nicht der Fall in dem Augenblick, wo Sie zum wirklichen Erleben der Zeit übergehen. Das tun die Menschen zumeist unbewußt. (S.232) Eigentlich wird das Denken durch die imaginative Erkenntnis ins Bewußtsein heraufgehoben. Ein wirklich zeitliches Erleben aber haben Sie, wenn Sie zum Beispiel, sagen wir, am 12. April 1922 um 4 Uhr 4 Minuten und soundsoviel Sekunden ihr Seelenleben nehmen.

Wenn Sie dieses Ihr Seelenleben in diesem Augenblick nehmen, so hat es einen zeitlichen Querschnitt. Sie können nicht davon sprechen, daß da irgendein Raumesquerschnitt innerhalb dieses zeitlichen Querschnittes ist.
Innerhalb dieses zeitlichen Querschnittes liegt nun aber Ihre ganze zunächst irdische Vergangenheit drinnen, und Sie müssen, wenn Sie schematisch zeichnen wollen, wenn das der Strom Ihres Erlebens ist von a nach b, den Querschnitt A bis B zeichnen. Sie können nicht anders, als Ihr gesamtes Erleben in diesen Querschnitt hinein verlegen, und dennoch gibt es darin eine Perspektive. Sie können sagen, zeitlich weiter zurückliegende Erlebnisse bilden sich in geringerer Intensität ab als zeitlich nähere. Das wirkt aber alles in dem einen Querschnitt drinnen.
So daß Sie andere Beziehung herausbekommen, wenn Sie die Zeit wirklich analysieren. Die Zeit können wir (S.233)
überhaupt nur zu einer Vorstellung erheben, wenn wir nicht die Analyse nehmen, die wir in der Physik gewohnt sind, nach Raum-Erkenntnismitteln, sondern nur, indem wir auf unser Seelenleben selbst reflektieren. In Ihrem Seelenleben stecken Sie aber, wenn Sie auch nur abstrakte Gedanken haben, in dem Zeitleib drinnen. Das ist das Wichtige, daß man nun wirklich diesen Zeitleib als einen Organismus aufzufassen in der Lage ist. Sehen Sie, wenn Sie irgendwelche Indispositionen, sagen wir durch diese oder jene Verdauungsstörung, im Magen verspüren, so können Sie unter Umständen überhaupt nur zu einer Vorstellung erheben, wenn wir nicht die Analyse nehmen, die wir in der Physik gewohnt sind, nach Raum-Erkenntnismitteln, sondern nur, indem wir auf unser Seelenleben selbst reflektieren. In Ihrem Seelenleben stecken Sie aber, wenn Sie auch nur abstrakte Gedanken haben, in dem Zeitleib drinnen. Das ist das Wichtige, daß man nun wirklich diesen Zeitleib als einen Organismus aufzufassen in der Lage ist. Sehen Sie, wenn Sie irgendwelche Indispositionen, sagen wir durch diese oder jene Verdauungsstörung, im Magen verspüren, so können Sie unter Umständen sehen, daß auch ganz andere Gebiete Ihres Raumesorganismus dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Raumesorganismus ist so, daß die einzelnen Gebiete räumlich voneinander abhängig sind. Beim Zeitorganismus ist das so, daß, trotzdem wir ein Später und ein Früher haben, Später und Früher in organischer Weise zusammenhängen. Ich drücke das manchmal so aus, daß ich sage: Nehmen wir an, wir haben einen sehr alten Menschen. Wir finden, wenn solch ein alter Mensch zu jüngeren Leuten, zum Beispiel zu Kindern spricht, daß sein Zusprechen an den Kindern abprallt, daß seine Worte gar nichts für die Kinder sind. Und wir finden einen anderen Menschen. Wenn der zu Kindern spricht, ist es etwas ganz anderes. Seine Worte fließen von selbst in die kindlichen Seelen ein. Wenn Sie nun studieren – man studiert nur diese Dinge nicht, weil man sehr selten den ganzen Menschen ins Auge faßt, man hält sozusagen nicht so lange mit der Aufmerksamkeit still, daß man zum Beispiel das beobachtet -, worauf das Segnende der Kraft eines älteren Mannes oder einer alten Frau beruht, so muß man manchmal zurückgehen in die erste Kindheit. Soweit dehnt man die Beobachtung heute nicht aus. (S.234)
Das muß die Anthroposophie machen. Da gehen Sie zurück und werden finden: Wer im Alter segnen kann, wer im Alter diese eigentümliche geistige Kraft in sich hat, daß seine Worte wie Segen in jugendliche Menschen einfließen, der hat in der Jugend beten gelernt. Ich drücke das bildlich so aus: Gefaltete Hände in der Jugend werden zu segnenden Händen im Alter.
Da haben Sie einen Zusammenhang zwischen demjenigen, was als Einfluß auf andere Menschen im späteren Alter wirkt und was in der ersten Kindheit, sagen wir, an frommen Gefühlen und dergleichen in dem Leben vorhanden war. Da ist ein organischer Zusammenhang zwischen dem Früheren und dem Späteren. Und nur wenn man den ganzen Menschen kennt, sieht man, wie er unendlich viele solcher Zusammenhänge hat. Heute stecken wir eben mit unserem ganzen Leben außerhalb dieser Wirklichkeit. Wir bilden uns ein, daß wir ganz strotzen von Wirklichkeit, aber wir sind Abstraktlinge in unserer Lebenskultur. Wir achten nicht auf die wahre Wirklichkeit. So achten wir zum Beispiel auf solche Dinge nicht. Wir achten auch nicht darauf, daß wir, wenn wir einem Kinde etwas beibringen, möglichst vermeiden müssen, namentlich im Volksschulalter, ihm scharfkonturierte Begriffe zu geben. Die sind wirklich so für das spätere Alter, als wenn man die Glieder einschnüren würde und sie nicht größer wachsen ließe. Was wir dem Kinde überliefern, muß ein Organismus sein, muß beweglich sein. Da kommen Sie nun allmählich an das heran, was ich mit einem Organismus meine. Natürlich, vollständig ist es nur möglich innerhalb der Imagination. Aber man kommt trotzdem zu einer Vorstellung von einem Organismus, wenn man sich nur klar darüber ist, daß eben dasjenige, was im Menschen zeitlich (S. 235) verläuft, sich nicht bezieht auf den Raumesorganismus, sondern auf den Zeitorganismus. Nun sehen Sie, daß in der Zeit eine Realität liegt. Sie können es wiederum aus der Mathematik heraus entnehmen. Da hat es einmal eine ganz nette Diskussion gegeben. Ich glaube, Ostwald war es, der darauf aufmerksam gemacht hat – also kein Anhänger der Geisteswissenschaft, sondern ein Mensch, der nur nicht gerade Materialist ist -, daß die organischen Prozesse, die in der Zeit verlaufen, nicht mit dem mechanischen Prozeß umkehrbar sind. Nun ist es aber so, daß man mit der gewöhnlichen Rechnung überhaupt an die Zeitprozesse gar nicht herankommt. Sie bleiben mit der gewöhnlichen Rechnung eigentlich immer außerhalb der Zeitprozesse. Sie verfolgen nicht die Prozesse als solche. Wenn Sie zum Beispiel in einer Formel für die
Mondfinsternis negative Größen einsetzen, so kriegen Sie die weiter zurückliegenden Dinge, aber Sie bewegen sich nicht mit den Dingen weg. Sie bewegen sich nur in der Raumessphäre. Und so bekommt man auch nur einen richtigen Begriff von dem, was eigentlich physischer Leib des Menschen ist, wenn man trennen kann vom Zeitlichen das Räumliche. Beim Menschen ist es von fundamentaler Bedeutung, weil man überhaupt zu keinem Verständnis kommt, wenn man nicht weiß, daß bei ihm alles Zeitliche als Entität für sich verläuft, und das Räumliche von dem Zeitlichen als von etwas Dynamischem beherrscht wird, während bei einer Maschine das Zeitliche nur eine Funktion ist desjenigen, was räumlich wirkt. Das ist der Unterschied. Beim Menschen ist das Zeitliche ein Reales, während beim Mechanismus das Zeitliche nur eine Funktion des Raumes ist. Darauf kommt es zuletzt hinaus.

RUDOLF STEINER (aus GA 82 S.232-236)
DAMIT DER MENSCH GANZ MENSCH WERDE
Die Bedeutung der Anthroposophie im Geistesleben der Gegenwart
Sechs Vorträge, gehalten beim anthroposophischen Hochschulkurs in Den Haag vom 7. bis 12. April 1922, mit einem schriftlichen Bericht Rudolf Steiners über den Hochschulkurs.

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Akasha-Chronik
Alles, was in der Welt geschieht und je geschehen ist, wird als Eindruck in einer feinen Stofflichkeit, die unvergänglich ist, erhalten. Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel etwas verständlich machen: Ich spreche jetzt zu Ihnen; Sie würden mich aber nicht hören, wenn meine Stimme nicht die Luft in Schwingungen versetzen könnte. So ist also alles, was von mir gesprochen wird, in feinen Bewegungsformen ausgedrückt hier in der Luft. Diese Bewegungsformen vergehen natürlich; aber in jene feine, geistige Stofflichkeit, die wir erleben, wenn wir in jene höhere Welt kommen, da wird alles eingedrückt, was hier sich ereignet, und das bleibt ewig. Jedes Wort, jeder Gedanke, alles, was in der Menschheit je geschehen ist, kann in dieser Akasha-Chronik gelesen werden.

Rudolf Steiner – GA 100 – Menschheitsentwickelung und Christus-Erkenntnis: Theosophie und Rosenkreuzertum – Kassel, 19 Juni 1907 (Seite

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Zahlensymbolik

„Das erste, was uns heute beschäftigen soll, ist eine Betrachtung über das, was man Zahlensymbolik nennt. Wenn man über okkulte Zeichen und Sinnbilder spricht, muss man wenigstens auch kurz jene Sinnbilder erwähnen, die sich in den Zahlen ausdrücken. Sie erinnern sich meiner vorgestrigen Ausführungen, wo die Rede war von den Zahlenverhältnissen im Universum, von den Geschwindigkeiten, mit denen sich die einzelnen Planeten bewegen. Wir haben gesehen, dass diese Zahlen und Zahlenverhältnisse sich ausdrücken in der Sphärenharmonie, die den Raum durchwogt, und dass sie eine gewisse
Bedeutung haben für das Weltganze und für die Betrachtung der Welt.

Heute soll uns nun eine intimere Zahlensymbolik beschäftigen, eine Symbolik, die wir freilich in ihrer Bedeutung nur streifen können, denn um uns wirklich in sie zu vertiefen, würden noch viele andere Dinge notwendig sein, auf die wir uns genauer einlassen müssten. Immerhin werden Sie wenigstens eine Idee davon erhalten, was damit gemeint ist, wenn zum Beispiel in der alten pythagoreischen Geheimschule gesagt wurde, dass man sich in die Zahlen und ihre Natur vertiefen müsse, um einen Einblick in die Welt zu gewinnen. Es mag manchem trocken und öde erscheinen, dass er über Zahlen nachdenken soll. Vor allem wird es denjenigen Menschen, die von der materialistischen Bildung unserer Zeit angekränkelt sind, wie eine Spielerei erscheinen, wenn man glaubt, durch die Betrachtung der Zahlen etwas über das Wesen der Dinge ergründen zu können. Dennoch ist es tief begründet, dass der große Pythagoras zu seinen Schülern sagte, das Wissen über die Natur der Zahlen führe tief hinein in das Wesen der Dinge. Man darf nur nicht glauben, dass es genüge, über die Zahl 1 oder 3 oder 7 nachzudenken. Der wirklichen Geheimlehre ist nichts von Hexerei und Zauberei eigen, auch nichts von einem Aberglauben über die Bedeutung irgendeiner Zahl; ihr Wissen beruht auf viel tieferen Dingen. Aus der kurzen Skizze, die Sie heute von mir erhalten sollen, werden Sie sehen, dass die Zahl einen gewissen Anhaltspunkt geben kann für das Sich-Vertiefen, das man auch Meditieren nennt, wenn man den Schlüssel dazu hat, sich richtig in die Zahl zu vertiefen.

Wir müssen ausgehen von der Zahl Eins, von der Einheit. Inwiefern diese Zahl Eins wirklich das versinnbildlicht, was ich sagen werde, wird sich später bei der Betrachtung der anderen Zahlen noch deutlicher ergeben. In allem Okkultismus hat man immer mit der Zahl Eins die unzertrennliche Einheit Gottes in der Welt bezeichnet. Mit der Eins bezeichnet man den Gott. Nun darf man aber nicht glauben, dass man irgendetwas für die Welterkenntnis gewinnt, wenn man sich bloß in die Eins als Zahl vertieft; Sie werden sehen, in welcher Weise diese Vertiefung zu geschehen hat. Aber wir betrachten das weit fruchtbarer, wenn wir zunächst zu den anderen Zahlen übergehen.

Die Zwei nennt man im Okkultismus die Zahl der Offenbarung. Mit der Zahl Zwei bekommen wir sozusagen schon etwas Boden unter die Füße, während wir bei der Zahl Eins noch ziemlich im Bodenlosen herumtappen. Wenn wir sagen: Zwei ist die Zahl der Offenbarung -, dann heißt das nichts anderes als: Alles, was uns in der Welt entgegentritt, was nicht in irgendeiner Beziehung verborgen ist, sondern heraustritt in die Welt, steht irgendwie in der Zweiheit. Sie werden nämlich die Zahl Zwei überall in der Natur verbreitet finden. Es kann sich nichts offenbaren, ohne die Zahl Zwei zu berühren. Licht kann sich niemals für sich allein als Einheit offenbaren. Wenn sich Licht offenbart, muss auch Schatten oder Dunkelheit dabei sein, es muss also eine Zweiheit da sein. Es könnte niemals eine Welt geben, die mit offenbartem Licht erfüllt wäre, wenn es nicht auch dementsprechenden Schatten gäbe. Und so ist es mit allen Dingen. Nie könnte sich das Gute offenbaren, wenn es nicht als Schattenbild
das Böse hätte. Die Zweiheit von Gut und Böse ist eine Notwendigkeit in der offenbaren Welt. Solche Zweiheiten gibt es unendlich viele, sie erfüllen die ganze Welt, wir müssen sie nur an der richtigen Stelle aufsuchen.

Eine wichtige Zweiheit, über die der Mensch viel nachdenken kann im Leben, ist folgende: Wir haben gestern die verschiedenen Zustände betrachtet, die der Mensch durchgemacht hat, bevor er ein Bewohner unserer heutigen Erde wurde. Wir sahen, dass er auf dem Saturn und der Sonne eine gewisse Unsterblichkeit dadurch hatte, dass er seinen Leib von außen dirigierte, dass Stücke dieses Leibes abbröckelten und neue sich wieder ansetzten, so dass der Mensch nichts von Tod und Vergehen empfand. Aber sein Bewusstsein war damals nicht so wie sein heutiges Bewusstsein, es war ein dumpfes, dämmerndes Bewusstsein. Erst auf unserer Erde hat sich der Mensch ein Bewusstsein errungen, das mit Selbstbewusstsein verbunden ist. Hier erst wurde er ein Wesen, das von sich selbst etwas wusste und sich von den Gegenständen unterscheiden konnte. Dazu musste er nicht nur den Leib von außen dirigieren, sondern er musste hineinschlüpfen in diesen Leib – abwechselnd -, sich in ihm empfinden, «Ich» zu ihm sagen. Nur dadurch, dass der Mensch ganz in seinem Leibe drinnensteckt, hat er sein volles Bewusstsein erringen können. Aber nun teilt er auch das Schicksal dieses Leibes. Früher, als er noch darüberstand, tat er das nicht. Erst dadurch, dass der Mensch diesen Grad des Bewusstseins errungen hat, ist er in Beziehung zu dem Tode getreten. In dem Augenblick, wo sein Leib zerfällt, fühlt er, dass sein Ich aufhört, weil er dieses mit seinem Leibe identifiziert hat. Erst allmählich, durch geistige Entwickelung, wird er sich die alte Unsterblichkeit wieder erringen, und der Leib ist da als Schule, um sie sich bewusst zu erringen. Niemals würde der Mensch auf höherer Stufe die Unsterblichkeit erringen können, wenn er sie nicht erkaufte durch den Tod, wenn er nicht die Zweiheit Leben und Tod erkennen würde. Solange der Mensch nicht Bekanntschaft gemacht hatte mit dem Tode, war ihm die Welt noch nicht offenbar, denn zur offenbaren Welt gehört die Zweiheit Leben und Tod. Und so könnten wir auf Schritt und Tritt Zweiheiten im Leben nachweisen. Sie finden in der Physik positive und negative Elektrizität, im Magnetismus Anziehungs- und Abstoßungskraft, alles erscheint in der Zweiheit. Die Zwei ist die Zahl der Erscheinung, der Offenbarung.

Aber es gibt keine Offenbarung, ohne dass hinter ihr das Göttliche waltet. Daher ist hinter jeder Zweiheit noch eine Einheit verborgen. Die Zahl Drei ist deshalb nichts anderes als die Zwei und die Eins, nämlich die Offenbarung und die hinter ihr stehende Göttlichkeit. Eins ist die Zahl der Einheit Gottes, Drei ist die Zahl der sich offenbarenden Göttlichkeit. Es gibt einen Satz im Okkultismus, der lautet: Niemals kann die Zwei eine Zahl für die Göttlichkeit sein. – Die Eins ist eine Zahl für das Göttliche, und die Drei ist eine Zahl für das Göttliche, denn wenn es sich offenbart, offenbart es sich in der Zweiheit, und dahinter ist die Einheit. Der Mensch, der die Welt in der Zweiheit sieht, sieht sie nur im Offenbaren. Wer also sagt, in den äußeren Erscheinungen ist eine Zweiheit, der hat Recht. Wer aber sagt, dass diese Zweiheit das Ganze sei, hat immer Unrecht. Wir wollen uns das einmal an einigen wenigen Beispielen klarmachen.

Es wird vielfach, auch da, wo von Theosophie die Rede ist, gegen diesen Satz des wahren Okkultismus gesündigt, dass die Zahl Zwei nur die Zahl der Offenbarung, nicht aber die Zahl der Fülle, der Vollständigkeit sei. So können Sie im populären Okkultismus von Leuten, die ihn nicht wirklich kennen, oft sagen hören, dass alle Entwickelung in Involution und Evolution verlaufe. Wir werden sehen, wie sich das in Wirklichkeit verhält. Aber zunächst wollen wir einmal untersuchen, was Involution und Evolution bedeuten. Betrachten wir einmal eine Pflanze, eine vollentwickelte Pflanze mit Wurzel, Blättern, Stengel, Blüte, Frucht, kurz mit allen Teilen, die eine Pflanze nur haben kann. Das ist das eine. Und nun betrachten Sie das kleine Samenkorn, aus dem die Pflanze wiederum entstehen kann. Wer den Samen anschaut, sieht nur ein kleines Körnchen, aber in diesem kleinen Körnchen ist die ganze Pflanze schon enthalten; sie steckt gewissermaßen eingehüllt darin. Warum steckt sie darin? Weil das Korn genommen ist von der Pflanze, weil die Pflanze alle ihre Kräfte in das Samenkorn hineingelegt hat. Deshalb unterscheidet man im Okkultismus die beiden Vorgänge: Der eine besteht darin, dass sich das Samenkorn aufrollt und zur ganzen Pflanze entfaltet – Evolution; der andere, dass sich die Pflanze zusammenfaltet, so dass ihre Gestalt gewissermaßen hineinkriecht in das Samenkorn – Involution. Wenn also irgendein Wesen, das viele Organe hat, sich so heranbildet, dass von diesen Organen nichts mehr sichtbar ist, dass sie zusammengeschrumpft sind zu einem kleinen Teil, so nennt man das eine Involution, und das Auseinandergehen, das Sich-Entfalten eine Evolution. Überall im Leben wechselt diese Zweiheit, aber stets nur im Offenbaren. Nicht bloß bei der Pflanze können Sie das verfolgen, auch in den höheren Gebieten des Lebens verhält es sich so. […]

So wechselt überall im Leben Involution und Evolution ab im Offenbaren. Aber wer dabei stehenbleibt, betrachtet nur die Außenseite. Will man das Ganze betrachten, so muss noch ein Drittes hinzukommen, das hinter diesen beiden steht. Was ist dieses Dritte? Denken Sie sich einmal, Sie stünden einer Erscheinung der Außenwelt gegenüber und Sie denken darüber nach. Sie sind da, die äußere Welt ist da, und in Ihnen entstehen Ihre Gedanken. Diese Gedanken waren früher nicht da. Wenn Sie zum Beispiel den Gedanken der Rose bilden, so entsteht dieser erst in dem Augenblick, wo Sie in Beziehung zu der Rose treten; Sie waren da, die Rose war da; und wenn nun in Ihnen der Gedanke, das Bild der Rose aufsteigt, so entsteht etwas ganz Neues, noch nicht Dagewesenes. Das ist auch auf anderen Gebieten des Lebens der Fall. Stellen Sie sich den schaffenden Michelangelo vor. Michelangelo hat ja beinah nie nach Modellen gearbeitet. Wir wollen uns aber einmal vorstellen, er habe eine Gruppe von Modellen zusammengestellt. Michelangelo war da, die Modelle waren da. Aber das Bild, das Michelangelo nun von dieser Gruppe in der Seele hat, das ist neu, das ist eine völlig neue Schöpfung. Das hat nichts zu tun mit Involution und Evolution. Das ist ein völlig Neues, das entsteht aus dem Verkehr eines Wesens, das empfangen kann, mit einem Wesen, das geben kann. Solche Neuschöpfungen entstehen immer durch den Verkehr von Wesen mit Wesen. Solche Neuschöpfungen sind ein Anfang. Erinnern Sie sich an das, was wir gestern hier betrachtet haben, wie die Gedanken schöpferisch sind, wie sie die Seele veredeln können, ja später sogar an der Formung des Körpers arbeiten. Dasjenige, was irgendein Wesen einmal denkt, die Gedankenschöpfung, die Vorstellungsschöpfung, die arbeitet, die wirkt weiter. Sie ist eine Neuschöpfung und zugleich ein Anfang, aber sie zieht Folgen nach sich. Wenn Sie heute gute Gedanken haben, so sind diese Gedanken fruchtbar für die fernste Zukunft, denn Ihre Seele geht ihren eigenen Weg in der geistigen Welt. Ihr Leib geht wieder in die Elemente zurück, er zerfällt. Aber wenn auch alles zerfällt, wodurch der Gedanke entstanden ist, die Wirkung des Gedankens bleibt, der Gedanke wirkt fort. Nehmen wir noch einmal das Beispiel von Michelangelo. Seine herrlichen Bilder haben auf Millionen von Menschen erhebend gewirkt. Aber diese Bilder werden einst zu Staub zerfallen, und es wird Generationen geben, die nichts mehr von seinen Schöpfungen sehen werden. Was in Michelangelos Seele gelebt hat, bevor seine Bilder äußere Gestalt angenommen haben, was zuerst als Neuschöpfung in seiner Seele war, das lebt fort, das bleibt, und das wird in künftigen Entwickelungsstufen hervortreten und Form gewinnen. Wissen Sie, weshalb uns heute Wolken und Sterne entgegentreten? Weil es in der Vorzeit Wesen gab, die den Gedanken der Wolken und der Sterne hatten. Alles entsteht aus Gedanken-Schöpfungen, und der Gedanke ist eine Neuschöpfung, Aus Gedanken ist alles entstanden, und die größten Dinge der Welt sind hervorgegangen aus den Gedanken der Gottheit.

Da haben Sie das Dritte. Im Offenbaren wechseln die Dinge zwischen Evolution und Involution. Aber dahinter steht tief verborgen das Dritte, das erst die Fülle gibt, eine Schöpfung, die eine völlige Neuschöpfung ist, die aus dem Nichts hervorgegangen ist. Dreierlei gehört also zusammen: Die Schöpfung aus dem Nichts, und dann, wenn diese offenbar wird und in der Zeit verläuft, nimmt sie die Formen des Offenbaren an: Evolution und Involution.

So ist es gemeint, wenn gewisse religiöse Systeme davon sprechen, dass die Welt aus dem Nichts geschaffen ist. Und wenn man heute darüber spottet, so geschieht das, weil die Menschen nicht verstehen, was in diesen Urkunden steht. Im Offenbaren – um es noch einmal zusammenzufassen – wechselt alles zwischen Involution und Evolution. Dem liegt zugrunde eine verborgene Schöpfung aus dem Nichts, die sich mit dieser Zweiheit zu einer Dreiheit vereinigt. Die Dreiheit ist die Verbindung des Göttlichen mit dem Offenbaren.

So sehen Sie, wie man über die Zahl Drei nachdenken kann, man darf nur nicht pedantisch darüber spintisieren. Man muss hinter der Zweiheit, die einem überall begegnen kann, die Dreiheit aufsuchen. Dann betrachtet man das Zahlensymbol in der richtigen Art im pythagoreischen Sinne, wenn man hinter der Zwei die Drei sucht. Für alle Zweiheiten kann das verborgene Dritte gefunden werden.“

Rudolf Steiner in der GA 101 („Mythen und Sagen – Okkulte Zeichen und Symbole“), S. 169 ff.

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24. Wochenspruch
Sich selbst erschaffend stets,
Wird Seelensein sich selbst gewahr;
Der Weltengeist, er strebet fort
In Selbsterkenntnis neu belebt
Und schafft aus Seelenfinsternis
Des Selbstsinns Willensfrucht.

Rudolf Steiner

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„Sie erinnern sich an die Andeutungen, die in der Interpretation über Goethes «Märchen» gegeben worden sind. Es handelt sich darum, dass der Mensch Seelenkräfte verschiedener Art hat und dass von der Ausbildung derselben: also des Denkens in sich selbst, des Fühlens in sich selbst und des Wollens in sich selbst, der Aufstieg auf der einen Seite abhängt, und auf der anderen Seite, dass der Mensch durch die Methode der Übungen diese drei in das richtige Maßverhältnis zueinander bringt. Das Wollen, Fühlen und Denken muss in Erkenntnis der einzelnen, geistigen Lebensziele immer in genau richtigem Maße zur Entwickelung gebracht werden. Für ein bestimmtes Ziel muss zum Beispiel das Wollen zurücktreten, das Fühlen dagegen stärker hervortreten, für ein anderes Ziel muss das Denken zurücktreten und wieder für ein anderes Ziel das Fühlen. Alle diese Seelenkräfte müssen durch die okkulten Übungen in richtiger Proportion ausgebildet werden. Mit der Ausbildung des Denkens, Fühlens und Wollens hängt der Aufstieg in die höheren Welten zusammen.

Vor allem handelt es sich um eine Läuterung, Reinigung des Denkens. Das ist nötig, damit das Denken nicht mehr abhängig ist von der äußeren Sinnesbeobachtung, die auf dem physischen Plan gewonnen werden kann. Doch nicht nur das Denken, sondern auch das Fühlen und Wollen können Erkenntniskräfte werden. Sie gehen im gewöhnlichen Leben persönliche Wege. Sympathie und Antipathie gehen auf die einzelne Persönlichkeit hin zugeschnittene Wege. Sie können aber zu objektiven Erkenntniskräften werden. Es mag
dieses unglaublich klingen für die heutige Wissenschaft. Vom Denken, besonders von dem auf die sinnliche Beobachtung gerichteten vorstellungsmäßigen Denken, glaubt man das leicht, aber wie sollten Menschen zugeben können, dass das Gefühl eine Erkenntnisquelle werden könne, wenn sie sehen, wie gegenüber demselben Dinge der eine so, der andere so fühlt? Wie könnte man annehmen, dass etwas so Schwankendes, was so von der Persönlichkeit abhängt wie Sympathie und Antipathie, maßgebend werden könne für eine Erkenntnis, und dass sie so weit diszipliniert werden können, dass sie das innerste Wesen eines Dinges erfassen könnten. Dass der Gedanke es tut, dies kann man leicht begreifen; dass aber auch dann, wenn wir einem Dinge gegenüberstehen und dieses Ding in uns ein Gefühl erweckt, dieses Fühlen so in uns vorhanden sein kann, dass nicht die Sympathie oder Antipathie des einzelnen spricht, sondern es selbst zum Ausdrucksmittel werden kann für das, was im Innersten des Dinges vorhanden ist, das scheint schwer glaublich. Dass ferner auch die Kraft des Willens und Begehrens Ausdrucksmittel werden kann für das Innere, das scheint zunächst geradezu frivol.

Ebenso aber, wie das Denken gereinigt und dadurch objektiv werden kann, so dass es zum Ausdrucksmittel der Tatsachen sowohl in der sinnlichen als auch in den höhern Welten wird, so kann auch das Fühlen und das Wollen objektiv werden. Doch diese Sache darf nicht missverstanden werden. So wie das Gefühl im heutigen Menschen im gewöhnlichen Leben ist, in seinem unmittelbaren Gefühlsinhalte, so wird es nicht zum Ausdrucksmittel einer höheren Welt. Dies Gefühl ist etwas Persönliches; die okkulten Übungen, die der Schüler erhält, gehen darauf aus, dies Gefühl zu kultivieren, das heißt zu verändern, zu verwandeln. Dadurch wird das Gefühl allerdings etwas anderes, als es war, da es noch persönlich war. Nun darf man aber nicht glauben, wenn man auf dem okkulten Pfade durch die Ausbildung des Gefühls eine gewisse Stufe erlangt hat, dass man dann etwa vom Gesichtspunkte des erkennenden Menschen aus sagen könne: Ich habe eine Wesenheit vor mir und ich fühle etwas von dieser Wesenheit -, und dass dasjenige, was man da im Gefühl hat, eine Wahrheit, eine Erkenntnis sei. Der Vorgang ist ein viel intimerer, innerlicherer, der an der Hand der okkulten Übungen das Gefühl umwandelt. Das drückt sich darin aus, dass derjenige, der durch die Übungen sein Gefühl verwandelt hat, zu der imaginativen Erkenntnis kommt, so dass sich ihm ein geistiger Inhalt in Symbolen offenbart, die Ausdruck sind dessen, was in der astralischen Welt an Tatsachen und Wesenheiten vorhanden sind. Das Gefühl wird anders, es wird Imagination, so dass im Menschen die astralen Bilder auftauchen, die ihm die Geschehnisse des Astralraumes ausdrücken. Der Mensch sieht nicht so, wie in der physischen Welt, zum Beispiel eine Rose mit Farben überzogen, sondern in symbolischen Bildern, und zwar alles, was uns in der okkulten Wissenschaft vorgeführt wird, in Bildern. So das schwarze Kreuz, das mit Rosen geziert ist. Alle solche Symbole sollen eine bestimmte Tatsache zum Ausdruck bringen und entsprechen ebenso astralen Tatsachen, wie das, was wir in der äußeren physischen Welt sehen, physischen Tatsachen entspricht. Man bildet also das Gefühl aus, erkennt aber in der Imagination.

Ebenso ist es mit dem Willen. Wenn man die Stufe erlangt hat, die durch Schulung des Willens bis zu einem gewissen Grade erlangt werden kann, dann sagt man nicht, wenn eine Wesenheit einem entgegentritt: sie erweckt in mir ein Begehrungsvermögen, sondern, wenn der Wille ausgebildet ist, beginnt man dasjenige wahrzunehmen, was Gegenstand des Tönens im Devachan ist.

Das Gefühl wird in uns ausgebildet, und das astralische Schauen in der Imagination ist die Folge. Der Wille wird in uns ausgebildet, und das Erleben des devachanischen Geschehens in der geistigen Musik, der Sphärenharmonie, aus der uns heraustönt die innerste Natur der Dinge: das ist die Folge. Ebenso wie man das Denken ausbildet und dadurch zum objektiven Denken gelangt, was die erste Stufe ist, so bildet man das Fühlen aus, und es wird auf der Stufe der Imagination eine neue Welt aufgehen. Und ebenso bildet man den Willen aus, und es ergibt sich in der Inspiration die Erkenntnis der niederen devachanischen Welt, und endlich tut sich in der Intuition die höhere devachanische Welt vor dem Menschen auf.

So können wir sagen: Indem sich der Mensch in die nächste Stufe des Daseins hinauf hebt, ergeben sich ihm Bilder, die wir aber jetzt nicht mehr so anwenden wie unsere Gedanken, so dass wir fragen: wie entsprechen diese Bilder der Wirklichkeit? Sondern die Dinge zeigen sich ihm in Bildern, die aus Farben und Formen bestehen, und durch die Imagination muss der Mensch selber die Wesenheiten, die sich ihm so symbolisch zeigen, enträtseln. In der Inspiration sprechen die Dinge zu uns, da brauchen wir nicht zu fragen, nicht zu enträtseln in Begriffen, das wäre ein Übertragen der Theorie des Erkennens vom physischen Plan, sondern da spricht das innerste Wesen der Dinge selbst zu uns. Wenn uns ein Mensch entgegentritt, der sein innerstes Wesen uns zum Ausdruck bringt, so ist das anders, als wenn wir einem Stein gegenüber sind. Den Stein müssen wir enträtseln und über ihn nachdenken. Beim Menschen ist etwas, was wir nicht so erfahren, sondern wir erfahren sein Wesen in dem, was
er zu uns sagt: er spricht zu uns. So ist es mit der Inspiration. Da ist es nicht ein begriffliches diskursives Denken, sondern da hört man hin, was die Dinge sagen; sie sprechen selber ihr Wesen aus. Es hätte keinen Sinn, wenn man sagen wollte: Wenn jemand stirbt und ich treffe ihn im Devachan wieder, werde ich da wissen, wen ich da treffe, da doch die devachanischen Wesenheiten anders ausschauen müssen und nicht verglichen werden können mit dem, was auf dem physischen Plan ist? – Im Devachan sagt das Wesen selbst, was es für ein Wesen ist, so wie wenn ein Mensch uns nicht nur seinen Namen sagen würde, sondern wie wenn er fortwährend sein Wesen uns zufließen ließe. Das strömt uns durch die Sphärenmusik zu; ein Verkennen ist da nicht mehr möglich.

Nun ist das ein gewisser Anhaltspunkt zur Beantwortung einer Frage. Man kommt sehr leicht zu Missverständnissen durch die verschiedenen geisteswissenschaftlichen Darstellungen und glaubt leicht, dass die physische, die astralische und die devachanische Welt sich räumlich voneinander unterscheiden. Wir wissen ja: da, wo die physische Welt ist, da ist auch die astralische und devachanische; sie sind ineinander. Nun könnte man da die Frage aufwerfen: Wenn alles ineinander ist, da kann ich die drei Welten ja nicht unterscheiden wie im physischen Raum, wo alles nebeneinander ist. Wenn das Jenseits im Diesseits darin steckt, wie unterscheide ich dann die astralische und die devachanische Welt voneinander? – Dadurch unterscheidet man sie, dass, wenn man vom Astralischen zum Devachanischen aufsteigt, die Summe von Bildern und Farben in demselben Maße, als man hinaufsteigt in das Devachanische, in ihren Formen durchklungen werden. Dasjenige, was vorher geistig leuchtend war, wird nunmehr geistig tönend. Es gibt auch einen Unterschied im Erleben der höheren Welten, so dass derjenige, der sich hinauf lebt, immer an bestimmten Erlebnissen erkennen kann, ob er in dieser oder jener Welt ist.“

Rudolf Steiner in der GA 107 („Geisteswissenschaftliche Menschenkunde“), S. 56 ff.

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„Es ist eigentlich so, daß die Erde fortwährend das Bestreben hat, den physischen Leib des Menschen für sich in Anspruch zu nehmen, ihrem eigenen Wesen einzuverleiben. Dagegen hat das Weltenall fortwährend die Tendenz, den Bildekräfte- oder Ätherleib des Menschen in die ganze Welt zu zerstreuen. Wenn der Mensch in dem Zustande ist zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen, dann wirken in dem, was im Bette bleibt, in dem physischen und in dem Bildekräfteleib, eigentlich die Kräfte so, daß der physische Leib fortwährend, wenn ich mich so ausdrücken darf, sich mit der Erde verbinden will. Er will der Erde ähnlich werden, er will ganz irdisch werden. Der Bildekräfte- oder Ätherleib will sich in das Weltenall zerstreuen. Und wenn wir des Morgens beim Aufwachen unseren physischen Leib und unseren Ätherleib wiederfinden, so ist es eigentlich so, daß, indem wir da in den physischen Leib hineinkommen, er uns sagt: Mich hat die Erde in Anspruch genommen während der ganzen Nacht, mich wollte die Erde zu Staub formen. Nur dadurch, daß du mich den gestrigen Tag und die vorhergehenden Erdentage zusammengehalten hast durch dein Ich und durch deinen astralischen Leib, bin ich noch ein physischer Leib geblieben; es wirkten in mir die Kräfte des Zusammenhaltens fort. – Ebenso sagt der Bildekräfte- oder Ätherleib: Eben nur, weil ich die Gewohnheit angenommen habe, dir ähnlich zu sein, habe ich die menschliche Form behalten. Eigentlich haben mich die Kräfte des Weltenalls während der Nacht, während du schliefest, während du außer mir warest, in alle Winde zerstreuen wollen.“

RUDOLF STEINER aus GA 211 S. 78 (online)

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„Man kann heute nicht sagen: Nun, wenn es Engel gibt, so brauchen wir ja im wachen Zustand nicht an sie zu glauben, denn wenn wir schlafen, werden sie sich schon um uns annehmen. – Nein, sie gehen dann nicht mit, wenn sie bei Tag verleugnet werden! Das ist etwas, was sehr tief in die Geheimnisse des Menschendaseins hineinführt und was Ihnen zugleich zeigt, wie des Menschen Gesinnung sich durchaus ebenso hineinstellt in die ganze kosmische Gesetzmäßigkeit, wie, sagen wir, des Menschen Blutkreislauf sich hineinstellt in dasjenige, was die äußere Naturwissenschaft überblickt oder eigentlich auch nicht überblickt.

Der Mensch selbst ist dann ja mit seinem Ich und der Anwartschaft auf ein selbständiges Wesen in dem Ganzen eingeschlossen. Aber zu diesem Ich-Bewußtsein kam ja der Mensch erst im Verlauf des Erdendaseins. Und langsam kam er dazu. Und gehen wir zurück in die alten Zeiten, wo es die sogenannte instinktive Hellsehergabe der Menschheit gab, da hatten noch die Menschen dieses Ich-Bewußtsein vollständig nicht. Wenn diese alten Bewohner der Erde ihre besonderen Schauungen hatten, diese instinktiven Schauungen, dann waren das eigentlich nicht ihre eigenen Schauungen, denn dieses Ich war noch gar nicht erweckt. Das gab sich hin dem, was der Engel dachte, dem, was der Erzengel fühlte, dem, was der Arche wollte. Das lebte im Schoße dieser Wesenheiten. Wir blicken heute auf die wunderbare alte Urweisheit zurück. Aber die ist gar keine menschliche Weisheit im Grunde genommen, sondern sie ist eine Weisheit, die dadurch auf die Erde gekommen ist, daß Archai, Archangeloi, Angeloi die Menschen umkleideten und in die Menschenseelen hereinkamen durch diese Urweisheit, die viel höhere Wesenheiten eigentlich besessen und sich angeeignet haben, bevor die Erde Erde geworden ist. – Und der Mensch muß mit Hilfe seines Engels, dem er in der Gesinnung verbunden sein soll, sich erwerben seine eigene Weisheit. Dieser Zeit gehen wir eben entgegen.

Und jetzt in diesem Zeitraum, der nun eingetreten ist, wo der Mensch schon immer mehr das Ich erweckt hat, da war der Mensch, wenn er sich nicht durch eigenen Entschluß dazu aufraffte, gewissermaßen verlassen von dem, was der Engel, der Erzengel in ihm dachte.

Dadurch aber, daß der Mensch verlassen wurde von diesen Engeln, kam er so recht erst in Verbindung mit dem irdischen Dasein. Und dieses In-Verbindung-Kommen mit dem irdischen Dasein, das ist es, was den Menschen auf der einen Seite frei macht, das ist aber auch dasjenige, was die Notwendigkeit für den Menschen hervorruft, nun aus seiner Kraft wiederum hinaufzustreben zu dem, was den höheren Hierarchien möglich macht, mit dem Menschen, in seinem Bewußtsein zu leben. Dem muß entgegengestrebt werden, daß wir wiederum solche Gedanken bekommen, daß die Engel mit uns leben können. Das sind die Gedanken, die wir nur bekommen können aus der Imagination der Geisteswissenschaft heraus.

Und wenn wir dadurch unser ganzes Fühlen zur Welt wiederum orientieren, daß wir solche Gedanken bekommen, dann können wir wiederum hinaufreichen in das Reich der Archangeloi. Der Mensch steht ja jetzt vor der Gefahr, wenn er aufwachend wiederum zurückkehrt in seinen physischen Leib, überhaupt gar nicht zu ahnen, daß er da einen Ätherleib hat, und daß in diesem Ätherleib die Substanz der Archangeloi drinnen waltet. Er muß das erst wieder lernen. Und er muß lernen, daß die Urkräfte, die Arohai walten in seiner physischen Form. Er muß verstehen lernen den Moment des Einschlafens und den Moment des Aufwachens.

Denn der Mensch kam, indem er zu seinem Ich vorrückte, indem dieses Ich erlebt wurde, aus dem Reiche der höheren Hierarchien heraus. Er wurde ein selbständiges Wesen. Dadurch aber kam er in ein anderes Reich, in das Reich des Ahrimanischen hinein. Das Ich geht, und zwar jetzt namentlich wachend, in das Reich des Ahriman.

Weg zurück in die Geistgen Reiche:
Die irdische Form geht in das Reich der Exusiai.
Aus der menschlichen Form geht etwas über in das Reich der Archai.
Aus dem menschlichen Ätherleib geht etwas über in das Reich derArchangeloi.
Aus dem menschlichen astralischen Leib geht etwas über in das Reichder Angeloi.
Das Ich geht in das Reich des Ahriman (Maja des Ahriman)

Am stärksten wurde die Gefahr, in das Reich des Ahriman hineinzuverfallen, etwa im Jahre 333 vor dem Mysterium von Golgatha. Das ist die Zeit, in der man zum bloßen Intellekt, zu der bloßen Logik übergegangen ist. Dann trat das Mysterium von Golgatha ein, lebte sich alsbald in die Menschheit hinein. Und vom Jahre 333 ab nach dem Mysterium von Golgatha, da begann die Zeit, seit welcher der Mensch bewußt hineinstreben muß in das Reich der höheren Hierarchien.

Allerdings, er hat sich bis jetzt, weil seit dem 15. Jahrhundert andererseits der Intellektualismus erst recht eingetreten ist, noch nicht wieder erhoben aus dem ahrimanischen Reiche. Aber dadurch, daß er in dem Intellekt, also nicht in einer Wirklichkeit lebt, lebt er ja eigentlich im Bilde, er lebt in der Maja. Und das ist sein Glück. Er lebt nicht im wirklichen Reich des Ahriman, sondern er lebt in der Maja des Ahriman, in dem bloßen Schein, in dem Sinne, wie ich das in diesen Tagen ausgeführt habe. Dadurch kann er wiederum heraus und kann wiederum die Umkehr machen. Aber er kann sie eben nur aus Freiheit machen. Denn es ist Maja, es sind Bilder, in denen wir leben; die ganze intellektualistische Kultur ist nur Bild. Seit jener Zeit, seit 333 wurde es in die Freiheit des Menschen gestellt, hinaufzustreben. Die katho lische Kirche gab sich alle Mühe, das zu verhindern; sie muß nach dieser Richtung endlich überwunden werden. Der Mensch muß hinaufstreben nach den geistigen Welten.“ (GA 205 S.234-237)

RUDOLF STEINER
Menschenwerden, Weltenseele und Weltengeist
VORTRÄGE gehalten 1921.

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GA 58 S. 315-324
Die Menschen, welche das zu beobachten verstehen, wissen, daß es eine vierzehntägige produktive Periode der Seele gibt. Wenn die vorbei ist, tritt für jeden Menschen, der mit einer gewissen Produktion der Gedanken zu tun hat, eine Erschöpfung ein, da produzieren die Gedanken weniger. Es mögen einmal Künstler oder Literaten darauf achtgeben; sie werden sehen, wie es sich bestätigt, und wie sie nichts aus sich herauspressen können, wenn diese produktive Periode um ist. Da ist die Seele wie eine ausgepreßte Zitrone. Aber sie kann dann darangehen, das Gewonnene durch den Willen zu verarbeiten. Dichter oder Künstler werden natürlich nicht immer darauf achten; aber sie werden wissen: wenn sie in eine solche Stimmung hineinkommen, dann können sie singen und sagen – oder malen -, aber zu anderen Zeiten will es nicht gehen…
„Wenn der Mensch dann aber im Zustand des Schlafes ist – daß davon die äußere Wissenschaft nicht viel weiß, ist kein Wunder; denn die äußere Wissenschaft beschäftigt sich nur mit dem, was man sehen kann; nur Geistesforschung beschäftigt sich mit dem, was abends herausgeht und in der geistigen Welt vorhanden ist, nur unsichtbar natürlich für die äußere Sinnenwelt —, wenn die Rede von dem ist, was jetzt außerhalb des Ätherleibes und des physischen Leibes des Menschen sich auch entwickeln soll, was hat denn da von außen her Einfluß? Was kommt da in Betracht?

Da zeigt uns die Geisteswissenschaft in der verschiedensten Art, daß zwar beim tagwachenden Menschen jene eben beschriebenen Einflüsse, die in der Hauptsache Sonneneinflüsse sind, die maßgebenden sind — dann aber treten beim schlafenden Menschen merkwürdige Dinge ein: Der Schlaf hat ja seine Wirkung auch auf die Tageserlebnisse; er gibt uns die durch die Tageserlebnisse verbrauchten Kräfte wieder. Während des Schlafes holen wir uns Ersatz aus einer anderen Welt heraus für dasjenige, was während des Tages verbraucht worden ist. Gibt es nun eine Möglichkeit, in ähnlicher Weise einen äußeren Einfluß nachzuweisen, wie wir es eben beschrieben haben für die tagwachen Verhältnisse? Auch das gibt es. – Und was man da findet, das stimmt merkwürdigerweise überein mit der Länge der Mondphasen. Ich behaupte durchaus nicht, daß es zusammenfällt mit den Mondphasen, oder daß die Mondphasen die entsprechende Wirkung haben; ich sage bloß, daß dieser Verlauf der nächtlichen Wirkungen in einem gewissen Ablauf steht, der sich vergleichen läßt mit dem Ablauf der Mondphasen. Und Sie können sich eine Vorstellung davon machen, wenn Sie sich das Folgende denken. Ich will an zwei Beispielen zeigen, wie die Sache ist. Äußere Belege werden Sie nur finden können für das, was ich jetzt sage, und was Ergebnis der Geistesforschung ist, wenn Sie intim in dem, was sich Ihnen manchmal in dem Lebenslauf dieser oder jener Menschen darbietet, diese Belege suchen.

Dichter – Denker – Künstler – Geistesforscher S. 317 ff

Sie werden es schon öfter gehört haben, daß Menschen, die darauf angewiesen sind, produktive Gedanken zu haben und die Phantasie spielen zu lassen, nicht immer in gleicher Weise die Phantasie spielen lassen können. Oder sollten Sie noch nicht gehört haben, daß Dichter, die ehrlich mit sich zu Werke gehen, zuweilen sagen: Es ist jetzt keine Stimmung da – und die dann schweigen? Das weiß man. Nur kann man den Verlauf, weil er zu den Intimitäten des Lebens gehört, nicht verfolgen. Die Menschen, die das bei sich selbst einmal beobachteten, würden sehen, daß jene Perioden der produktiven Gedanken, zu denen der Mensch Stimmung, Phantasie, ein gewisses warmes Gefühl braucht, merkwürdig abwechseln mit anderen, wo er mehr daran gehen kann, diese Stimmungen, diese Gebilde der Phantasie wiederum zu Papier zu bringen oder in Gedanken auszuleben. Diesen Wechsel gibt es durchaus. Die Menschen, welche das zu beobachten verstehen, wissen, daß es eine vierzehntägige produktive Periode der Seele gibt. Wenn die vorbei ist, tritt für jeden Menschen, der mit einer gewissen Produktion der Gedanken zu tun hat, eine Erschöpfung ein, da produzieren die Gedanken weniger. Es mögen einmal Künstler oder Literaten darauf achtgeben; sie werden sehen, wie es sich bestätigt, und wie sie nichts aus sich herauspressen können, wenn diese produktive Periode um ist. Da ist die Seele wie eine ausgepreßte Zitrone. Aber sie kann dann darangehen, das Gewonnene durch den Willen zu verarbeiten. Dichter oder Künstler werden natürlich nicht immer darauf achten; aber sie werden wissen: wenn sie in eine solche Stimmung hineinkommen, dann können sie singen und sagen – oder malen -, aber zu anderen Zeiten will es nicht gehen, weil sie da gerade in einer Zeit der Unproduktivität sind. Darauf haben die Tagesverhältnisse gar keinen Einfluß, sondern die Zeit, in der die menschliche Seele mit dem Ich heraus ist aus dem physischen Leib und Ätherleib. Da werden während einer vierzehntägigen Periode in den Menschen, der unabhängig ist vom physischen Leib und Ätherleib, die produktiven Kräfte gleichsam hineingegossen; während auf der anderen Seite [zu der Zeit] dann keine produktiven Kräfte hineingegossen werden, wenn die anderen vierzehn Tage da sind. So geht der Rhythmus. Es ist das aber eine Erscheinung, die in bezug auf die verschiedenen inneren Seelenkräfte für alle Menschen vorhanden ist; nur bei denjenigen Menschen, von denen eben gesprochen worden ist, drückt es sich deutlicher aus.

Einen viel deutlicheren Beleg dafür können Sie aber in dem sehen, was man wahres, echtes geisteswissenschaftliches Forschen nennt. Das ist auch kein solches Forschen, das zu jeder beliebigen Zeit und Stunde vorge-nommen werden kann, sondern es hängt auch von einem rhythmischen Verlauf ab. Damit spreche ich etwas aus, was kaum irgendwo ausgesprochen worden ist; aber es ist so. In der geistigen Forschung ist man allerdings nicht in einem Schlaf zustand. Den Seinigen gibt es der Weltengeist eben durchaus nicht im Schlaf zustand! Man ist da nur in einem Zustand, wo der menschliche physische Leib untätig ist gegenüber dem, was sonst von der Sinneswelt kommt. Aber der Mensch ist da nicht schlafend, obwohl er sozusagen außerhalb seines physischen Leibes und Ätherleibes ist. Denn der Mensch hat sich durch Meditation, Konzentration und so weiter die Fähigkeit errungen, daß sein Bewußtsein nicht erstirbt, wenn er herausgeht aus dem physischen Leib und Ätherleib, nicht etwa, daß da ein Schlaf eintreten muß, sondern, daß der Mensch dann in der geistigen Welt wahrnehmen kann. – Da gibt es nun für den auf der heutigen modernen Höhe stehenden Geistesforscher wiederum zwei streng voneinander geschiedene Epochen: die eine – wiederum eine vierzehntägige – ist eine solche, in welcher er seine Beobachtungen machen kann, wo er sich besonders stark fühlt, wo sich von allen Seiten herandrängen die Ergebnisse der geistigen Welt; dann tritt die andere Periode ein, wo er durch jene Kräfte, die er während der eben charakterisierten Periode aufgenommen hat, nun besonders befähigt ist, diese Erleuchtungen der geistigen Welt, diese Inspirationen und Imaginationen mit seinen Gedanken zu durchdringen, mit seinen Gedanken zu durcharbeiten, so daß sie eine strenge wissenschaftliche Form annehmen können. Gedankentechnik und Inspiration stehen nun wiederum in einem rhythmischen Verlauf. Da ist nun der Geistesforscher nicht auf die Registrierung der äußeren Tatsachen angewiesen; er sieht einfach, wie diese Perioden abwechselnd sich ihm ergeben wie Vollmond- und Neumondwechsel. Aber es ist wiederum dabei zu bemerken, daß nur ihr rhythmischer Verlauf sich vergleichen läßt mit dem Vollmond und dem Neumond; es fällt nicht etwa die inspirierende Periode mit dem Vollmond und die verarbeitende Periode mit dem Neumond zusammen, sondern nur der rhythmische Verlauf läßt sich vergleichen mit Vollmond, Neumond und den dazwischenliegenden Vierteln. Woher kommt das?

Wenn wir unsere Erde betrachten, so ist sie hervorgegangen durch Entwicklung aus einem früheren Zustand. Wie jeder Mensch in seinem Leben hervorgeht seelisch-geistig aus einer früheren Verkörperung, so ist unsere Erde für die Geisteswissenschaft hervorgegangen aus einer früheren planetarischen Verkörperung. Aber es haben sich innerhalb unserer Erde selbst Reste jener Tatsachen erhalten, welche sich in früheren Verhältnissen auf der früheren planetarischen Verkörperung unserer Erde abgespielt haben. Und diese Reste haben wir in dem zu suchen, was sich heute als Mondenumlauf um die Erde herum abspielt. Geisteswissenschaftlich rechnet man den Mond zur Erde. Was ist es uns geisteswissenschaftlich, was den Mond an der Erde hält und ihn umkreisen läßt? Die Erde ist es selber. Und wir stehen dadurch als Geisteswissenschafter mit der äußeren Wissenschaft in einem vollkommenen Einklang.* Denn auch für die äußere Wissenschaft ist der Mond einmal von der Erde abgespalten worden, und er hat seine Umlaufskraft dadurch erhalten, daß er einmal physisch zur Erde zugehörig war. Daher stellt uns dasjenige, was Mondenumlauf ist, einfach einen früheren Zustand der Erde dar. So haben wir, indem wir zum Monde hinaufsehen, das Andenken an einen früheren Erdenzustand vor uns. Die Erde selbst ist es, welche sich in ihrem Trabanten diese früheren Zustände erhalten hat, weil sie ihn braucht, weil sie hineinleuchten lassen will in ihre jetzigen Verhältnisse einen früheren Zustand.

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Meditationsspruch:

„Suchet das wirklich praktische materielle Leben,
Aber suchet es so, dass es euch nicht betäubt
über den Geist, der in ihm wirksam ist.
Suchet den Geist,
Aber suchet ihn nicht in übersinnlicher Wollust,
aus übersinnlichem Egoismus,
Sondern suchet ihn,
Weil ihr ihn selbstlos im praktischen Leben,
in der materiellen Welt anwenden wollt.
Wendet an den alten Grundsatz:
«Geist ist niemals ohne Materie,
Materie niemals ohne Geist»
in der Art, dass ihr sagt:
Wir wollen alles Materielle im Lichte des Geistes tun,
Und wir wollen das Licht des Geistes so suchen,
Daß es uns Wärme entwickele für unser praktisches Tun.“

Rudolf Steiner

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Für die Menschen, die sich schon jetzt vorbereiten auf dieses Christus-Ereignis des zwanzigsten Jahrhunderts, wird es keinen Unterschied machen, ob sie dann, wenn dieses Christus-Ereignis in umfassendem Maße eintritt, in einem physischen Leibe verkörpert sind oder durch die Pforte des Todes gegangen sind. Denn auch diejenigen, die durch die Pforte des Todes gegangen sind, wenn sie sich hier auf das Christus-Ereignis vorbereitet haben, werden nach dem Tode das richtige Verständnis und Verhältnis erhalten können für das und zu dem Christus-Ereignis, nicht aber diejenigen, welche achtlos an der dritten großen Verkündigung für die Menschheit, an der Geisteswissenschaft vorübergegangen sind. Denn die Vorbereitung für das Christus- Ereignis muss hier im physischen Leibe gewonnen werden. Diejenigen, welche durch die Pforte des Todes gehen, ohne die Blicke hingewendet zu haben zur Geisteswissenschaft in der gegenwärtigen Inkarnation, werden abwarten müssen die nächste Inkarnation, bis sie in der richtigen Weise Verständnis werden gewinnen können für das Christus Ereignis…
„Wenn der Mensch durchgegangen ist durch die Pforte des Todes und durchlebt hat jene Zeit, in welcher er Rückschau halten kann auf das bisherige Erdenleben, durchlebt hat die Zeit bis zu dem Punkt, da er den Ätherleib abgelegt hat, wenn der Mensch übergeht in die Kamaloka-Zeit, dann tritt er vor zwei Gestalten hin. Gewöhnlich wird nur eine von diesen erwähnt, aber wir können der Vollständigkeit halber sagen – und was ich jetzt erzähle, ist für jeden wahren Okkultisten eine reale Tatsache -: Es tritt der Mensch vor seiner Kamaloka-Zeit vor zwei Gestalten hin. Allerdings, was ich jetzt erzähle, gilt nur für die Menschen des Abendlandes und für alle diejenigen Menschen, welche mit der Kultur dieses Abendlandes in den letzten Jahrtausenden einen Zusammenhang gehabt haben. Da tritt der Mensch nach seinem Tode zwei Gestalten gegenüber: Moses ist die eine – der Mensch weiß ganz genau, dass er Moses gegenübertritt -, der ihm vorhält die Gesetzestafeln, im Mittelalter nannte man es «Moses mit dem scharfen Gesetz», und der Mensch hat ganz genau in seiner Seele das Bewusstsein, inwiefern er bis in das Innerste seiner Seele abgewichen ist von dem Gesetz. Die andere Gestalt ist diejenige, die man nennt «den Cherub mit dem feurigen Schwert», der da entscheidet über diese Abweichung. Das ist ein Erlebnis, das der Mensch hat nach dem Tode, so dass wir in unserem geisteswissenschaftlichen Sinne sagen können: Das was da dem Menschen entgegentritt durch diese zwei Gestalten, durch Moses mit dem scharfen Gesetz und durch den Cherub mit dem feurigen Schwert, es stellt gewissermaßen das karmische Konto fest.

Diese Tatsache geht in unserer Zeit einer Änderung entgegen. Und das ist eine bedeutsame Änderung. Man kann diese Änderung dadurch ausdrücken, dass man sagt: Es wird in unserem Zeitalter der Christus der Herr des Karma für alle diejenigen Menschen, die das eben Besprochene nach ihrem Tode durchgemacht haben. Es tritt der Christus sein Richteramt an.

Stellen wir uns diese Tatsache genauer vor! Wir wissen ja alle aus der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung, dass wir ein karmisches Lebenskonto haben, dass wir für gewisse Taten, die auf der einen Seite unseres karmischen Kontobuches stehen, für alle gescheiten Taten, für alle schönen Taten, für alle guten Taten einen gewissen karmischen Ausgleich zu erfahren haben, aber auch für alle bösen, hässlichen, unwahren Taten und Gedanken. Es kommt nun auf der einen Seite darauf an, dass der Mensch im weiteren Verlaufe seines Erdenlebens für sich selber dieses karmische Konto auslebt, aber es kommt auch darauf an, dass der Mensch dasjenige, was er ausleben kann dadurch, dass er gute Taten, schöne Taten auf seinem karmischen Konto hat, oder was er ausleben muss, weil er böse Taten hat, in den verschiedensten Taten ausleben kann. Es ist nicht eindeutig bestimmt, wie wir, sagen wir, den Ausgleich durch diese oder jene Tat in unserem künftigen Leben finden. Nehmen wir an, irgendein Mensch hätte dieses oder jenes Böse getan, so muss er ein Gutes tun, welches ausgleicht das Böse. Aber dieses Gute, das kann er in zweifacher Weise tun, so dass es vielleicht für ihn die gleiche Anstrengung bedeutet, wenn es nur wenig Menschen zugute kommt oder so, dass es für ihn die gleiche Anstrengung bedeutet, wenn es vielen Menschen zum Heile gereicht. Dass unser karmisches Konto in der Zukunft so ausgeglichen
wird, das heißt in eine solche Weltordnung hineingestellt wird gegen die Zukunft, wenn wir den Weg zum Christus gefunden, dass die Art unseres karmischen Ausgleiches das größtmöglichste Menschenheil für den Rest der Erdenentwickelung hervorrufe, das wird die Sorge sein dessen, der von unserer Zeit an der Herr des Karma wird, es wird die Sorge Christi sein.

Mit dieser Übertragung des Richteramtes über die menschlichen Taten an den Christus ist aber verknüpft, dass dieser Christus auch unmittelbar eingreift in die menschlichen Geschicke. Nicht in einem physischen Leib, aber deshalb doch für diejenigen Menschen, die sich immer mehr und mehr die Fähigkeit erwerben werden, dass sie wahrnehmen können diesen Christus, für die wird der Christus eingreifen in die Geschicke der Erdenmenschheit. Da werden zum Beispiel Menschen sein, welche dieses oder jenes getan haben werden, irgendeine Tat vollbracht haben werden. Dann werden diese Menschen den Drang verspüren – und immer mehr und mehr wird es solche Menschen geben in den nächsten drei Jahrtausenden von unserem zwanzigsten Jahrhundert an -, etwas zurückzutreten von ihrer Tat, denn etwas wie ein merkwürdiges Traumbild wird ihnen aufsteigen. In diesem Traumbild werden sie wie traumhaft etwas sehen, was so aussieht, wie wenn es ihre eigene Tat wäre, aber doch werden sie sich nicht erinnern können, jemals getan zu haben, was in diesem Bilde auftritt. Diejenigen aber, die sich nicht vorbereitet haben dafür, dass so etwas kommen wird in der Menschheitsentwickelung, die werden das nur als Ausbund einer wüsten Phantasie oder kranken Seele betrachten können. Jene aber, welche sich durch die neue Offenbarung, welche in die Menschheit kommt in unserer Zeit durch die Geisteswissenschaft, durch diese dritte Offenbarung des letzten Menschheitszyklus, genügend vorbereitet haben, werden wissen, dass dies heranwachsende neue Fähigkeiten der Menschen sind, solche Fähigkeiten, welche hineinschauen können in die geistige Welt. Und sie werden wissen, dass das Bild, das vor ihre Seele tritt, eine Vorherverkündigung jener karmischen Tat ist, welche eintreten muss einmal in der Zukunft, sei es in diesem Leben, sei es namentlich in den nächsten Erdenleben, um einen Ausgleich für das zu schaffen, was wir begangen haben. Kurz, die Menschen werden nach und nach die Fähigkeit erringen, den karmischen Ausgleich, die ausgleichende Tat, die in der Zukunft geschehen muss, zu schauen wie im Traumbilde. An dieser Tatsache können wir schon sehen, wie auch in unserer Zeit gesagt werden darf, ähnlich wie der Täufer Johannes am Jordan gesagt hat: Ändert die Seelenverfassung, denn neue Zeiten kommen, in denen neue Fähigkeiten der Menschen erwachen.

Aber was so gesagt ist über eine Art Wahrnehmung des Karmas, das tritt noch dadurch in der kommenden Menschheit hervor, dass einem in solchem Schauen direkt entgegentritt da oder dort die ätherische Christus-Gestalt, der wirkliche Christus, wie er auf dem astralischen Plane lebt, wie er zwar nicht im physischen Leibe sich verkörpert, wie er aber auf der Erde auftritt, sichtbar für die neu erwachten Fähigkeiten der Menschen als Ratgeber, als Beschützer der Menschen, die Rat oder Hilfe oder Trost brauchen in der Einsamkeit ihres Lebens. Da werden die Zeiten kommen, wo die Menschen, sagen wir, sich durch das oder jenes betrübt und elend fühlen werden. Die Zeiten werden immer mehr und mehr solche werden, wo weniger Bedeutung und Wert haben wird das, was Hilfe des einen Menschen für den anderen ist, weil die Individualitätskraft, das individuelle Leben des Menschen immer mehr und mehr zunimmt, wo immer weniger wird, wie das in alten Zeiten unmittelbar der Fall war, dass
der eine Mensch in die Seele des anderen helfend hineinwirken könne. Dafür aber wird der große Ratgeber als Äthergestalt da und dort erscheinen.

Der beste Rat, der uns für die Zukunft gegeben werden kann, ist der, unsere Seele zu stärken und zu kräftigen, damit wir immer mehr und mehr erkennen, je mehr wir der Zukunft entgegenwachsen, sei es schon in dieser Inkarnation – was für die Jugend der Gegenwart der Fall ganz gewiss ist -, sei es für die nächste Inkarnation, dass neu erwachte Fähigkeiten der Menschen den großen Ratgeber, der zugleich der Richter des Karma für die kommende Menschheit wird, den Christus in seiner neuen Gestalt erkennen lernen.

Für die Menschen, die sich schon jetzt vorbereiten auf dieses Christus-Ereignis des zwanzigsten Jahrhunderts, wird es keinen Unterschied machen, ob sie dann, wenn dieses Christus-Ereignis in umfassendem Maße eintritt, in einem physischen Leibe verkörpert sind oder durch die Pforte des Todes gegangen sind. Denn auch diejenigen, die durch die Pforte des Todes gegangen sind, wenn sie sich hier auf das Christus-Ereignis vorbereitet haben, werden nach dem Tode das richtige Verständnis und Verhältnis erhalten können für das und zu dem Christus-Ereignis, nicht aber diejenigen, welche achtlos an der dritten großen Verkündigung für die Menschheit, an der Geisteswissenschaft vorübergegangen sind. Denn die Vorbereitung für das Christus- Ereignis muss hier im physischen Leibe gewonnen werden. Diejenigen, welche durch die Pforte des Todes gehen, ohne die Blicke hingewendet zu haben zur Geisteswissenschaft in der gegenwärtigen Inkarnation, werden abwarten müssen die nächste Inkarnation, bis sie in der richtigen Weise Verständnis werden gewinnen können für das Christus Ereignis. In der Tat, wer niemals von diesem Christus-Ereignis gehört hat auf dem physischen Plan, kann auch das Verständnis nicht gewinnen zwischen Tod und neuer Geburt, der muss dann warten, bis er wiederum auf dem physischen Plan dazu vorbereitet wird.

So also steht die Menschenwesenheit, gleichgültig wann sie für die jetzt bestehende Inkarnation stirbt, vor dem großen angedeuteten Ereignis, vor dem Übergang des Christus zu seinem Richteramt, vor der Möglichkeit, dass der Christus im ätherischen Leibe vom astralischen Plane herunter in die Menschheitsentwickelung unmittelbar eingreift, sichtbar wird unter den Menschen, da und dort auftritt.“

Rudolf Steiner am 2. 12.1911 in der GA 130 („Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit“), S. 165 ff.

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„Denn diese Herrschaft des Materialismus trägt zu gleicher Zeit den Keim des Zerstörens in sich. Das Zerstören, das begonnen hat, wird nicht aufhören. Und die äußere Herrschaft heute antreten bedeutet: die Kräfte der Zerstörung, die Kräfte der Menschenkrankheit zu übernehmen, in ihnen zu leben. Denn dasjenige, was die Menschheit in die Zukunft hineintragen wird, das wird aus dem neuen Keim des Geistes hervorgehen. Der wird gepflegt werden müssen. Und dafür gibt es die Verantwortlichkeit gerade auf jener Seite, der die Weltherrschaft zufällt.“

Weltherrschaft USA

“ Man wird fragen: Wie steht es denn eigentlich mit dem, was sich gewandelt hat, gewandelt hat bei den sogenannten Besiegten, gewandelt hat bei den sogenannten Siegern?

Nun, die eigentlichen Sieger, das ist ja das anglo-amerikanische Wesen. Und dieses anglo-amerikanische Wesen ist durch die Kräfte, die ich ja auch hier öfter charakterisiert habe, zur künftigen Weltherrschaft bestimmt.

Nun kann man fragen: Da das deutsche Volk ausgeschaltet sein wird von dem Miterleben der Dinge, durch welche die äußere Welt in der Zukunft beherrscht sein wird, was geht da eigentlich vor? Es fällt die Verantwortlichkeit – nicht die des Individuums natürlich -, aber die Volksverantwortlichkeit fällt ja weg, die Verantwortung für die Menschheitsereignisse. Nicht die des Individuums, aber die Volksverantwortwortlichkeit fällt weg bei denjenigen, die niedergetreten sind, denn das sind sie. Sie können sich auch nicht wieder erheben. Alles das, was gesagt wird nach dieser Richtung, ist Kurzsichtigkeit. Die Verantwortung fällt weg. Um so größer wird die Verantwortung auf der anderen Seite. Dort wird die eigentliche Verantwortung liegen. Die äußere Herrschaft wird leicht zu erringen sein. Die wird errungen durch Kräfte, die nicht das eigene Verdienst sind. Wie die letzte Naturnotwendigkeit vollzieht sich dieser äußere Übergang der äußeren Herrschaft. Aber die Verantwortlichkeit wird etwas tief Bedeutsames für die Seelen sein. Denn die Frage steht schon im Schicksalsbuche der Menschheit niedergeschrieben: Wird sich bei denjenigen, denen die äußere Herrschaft wie durch eine äußere Notwendigkeit zufällt, eine genügend große Anzahl von Menschen finden, welche die Verantwortlichkeit fühlt, daß hineingestellt werden in diese rein äußerliche, materialistische Herrschaft — denn eine rein äußerliche, materialistische Herrschaft wird es sein, täuschen Sie sich darüber nicht —, daß in diese rein äußerliche, materialistische Herrschaft, in diese Kulmination der materialistischen Herrschaft hinein versetzt werden die Antriebe des spirituellen Lebens? Und das darf nicht allzu langsam geschehen! Die Mitte dieses Jahrhunderts ist ein sehr bedeutungsvoller Zeitpunkt. Fühlen sollte man gerade die ganze Schwere der Verantwortlichkeit, wenn man gewissermaßen vom äußeren Naturschicksal dazu aus-ersehen ist, die Herrschaft des Materialismus – denn die Herrschaft des Materialismus wird es sein – in der äußeren Erdenwelt anzutreten. Denn diese Herrschaft des Materialismus trägt zu gleicher Zeit den Keim des Zerstörens in sich. Das Zerstören, das begonnen hat, wird nicht aufhören. Und die äußere Herrschaft heute antreten bedeutet: die Kräfte der Zerstörung, die Kräfte der Menschenkrankheit zu übernehmen, in ihnen zu leben. Denn dasjenige, was die Menschheit in die Zukunft hineintragen wird, das wird aus dem neuen Keim des Geistes hervorgehen. Der wird gepflegt werden müssen. Und dafür gibt es die Verantwortlichkeit gerade auf jener Seite, der die Weltherrschaft zufällt. “

RUDOLF STEINER – aus GA 184 SEITE 213-214 –
DIE SENDUNG MICHAELS

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Rundbrief von Friedwart Husemann:
Wie im Mittelalter die Pest und der Aussatz, so werden durch den Materialismus, der im 19. Jahrhundert nur gedacht wurde, in Zukunft physische Krankheiten kommen, die in epidemischen „Erkrankungen des Nervensystems“ und in „Nervosität“ bestehen.

Das Verjüngende der Anthroposophie

Rudolf Steiner hat oft darüber gesprochen, dass der Materialismus krank macht. Das war sogar der Grund, warum die theosophische bzw. anthroposophische Bewegung inauguriert wurde, weil sonst die Nachkommen einer materialistisch gesonnenen Generation an „epidemischen Geisteskrankheiten“ und die Kinder „schon bei ihrer Geburt an Zittererscheinungen und Nervosität“ leiden werden (GA100, 22.6.1907).
An anderer Stelle (GA 96, 29.1.1906) bezieht er sich auf den indischen Spruch „Was du heute denkst, das bist du morgen“. Wenn die eine Generation bzw. das eine Zeitalter schlechte und verdorbene Gedanken hat, so muss es die nächste Generation bzw. das nächste Zeitalter „physisch büßen.“ Das entspricht dem Wort aus der Bibel : die Sünden der Väter werden heimgesucht bis ins 3. oder 4. Glied (2. Moses 20,5 und weitere Stellen). Wie im Mittelalter die Pest und der Aussatz, so werden durch den Materialismus, der im 19. Jahrhundert nur gedacht wurde, in Zukunft physische Krankheiten kommen, die in epidemischen „Erkrankungen des Nervensystems“ und in „Nervosität“ bestehen.
An einer weiteren Stelle heißt es, wobei man direkt an die epidemisch zunehmende Demenz denken kann: „Durch den Materialismus werden die Menschen vorzeitig alt“ (GA 130, 29.1.1912) und einige Sätze weiter: „Und das ist die ungeheuer wichtige Aufgabe der Anthroposophie: der Welt die Verjüngung zu bringen, die sie braucht“ (ebenda).
Darüber, wie man durch Anthroposophie länger jung und frisch bleibt, hat Gisela von Gaumnitz ein ganzes Buch zusammengestellt mit Dutzenden Stellen aus dem gesamten Werk Rudolf Steiners: „Vom Alt Werden – eine Materialsammlung aus der R. St. GA“ , Verlag die Pforte , Basel, 1987, 349 Seiten. Hier einige Überschriften aus dem Inhaltsverzeichnis: „Wir müssen so erziehen, dass der Mensch versteht, alt zu werden.“ „Lernen müssen wir bewusst das Älterwerden“ – „Die Gnade durch die Lebensalter gehen zu dürfen.“
Weil jeder Mensch gerne möglichst lange jung und frisch bleiben möchte, ist hier ein wichtiger Punkt, die Menschen „dort abzuholen, wo sie stehen.“ Das ist nicht bloß eine Anbiederung an den persönlichen Gesundheitsegoismus des einzelnen Menschen, sondern gerade anders herum: ein frischer und tatkräftiger alter Mensch hilft seiner Umgebung und kann den anderen Menschen nützlich sein, statt z. B. als Demenzkranker der Umgebung zur Last zu fallen.

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Das, was das Auge sieht, ist von weit größerer Wichtigkeit, denn es hat Einfluss auf Vorgänge der Seele, die mehr oder weniger im Unbewußten verlaufen. Das hat eine eminent praktische Bedeutung…

Über die Wirkung von Bauwerken und Formen auf den Menschen. Die Gotik als Schöpfung von Eingeweihten, ihr Gegensatz zu der Formenwelt, die den modernen Menschen umgibt:

„Erinnern Sie sich einmal an die gotischen Kirchen und Dome, an die ganz speziellen Eigentümlichkeiten dieser Bauwerke, die in der ersten Zeit des Mittelalters entstanden sind und sich vom Westen nach Mitteleuropa hin ausgebreitet haben. Diese Kirchen tragen einen ganz bestimmten Baustil, der sich darin ausdrückt, dass die eigenartige Bogenart, die aus zwei oben in eine Spitze auslaufenden Teilen besteht, sich über das Ganze als Stimmung ergießt, dass das Ganze nach oben strebt, dass die Pfeiler eine bestimmte Gestalt haben und so weiter. Ganz unrecht hatte derjenige, der behaupten wollte, solch ein gotischer Dom sei bloß aus äußeren Bedürfnissen hervorgegangen, etwa aus einer gewissen Sehnsucht, ein Gotteshaus zu schaffen, welches dieses oder jenes ausdrücken oder bedeuten soll. Oh nein! Der Gotik liegt etwas viel Tieferes zugrunde. Diejenigen, die die ersten Ideen angaben für das Entstehen der gotischen Bauten in der Welt, waren Kenner des Okkultismus, sie waren bis zu einem gewissen Grade Eingeweihte. Ganz bestimmte Absichten verbanden die großen Führer der Menschheit mit dem Entstehen solcher Bauten, solcher Baustile. Die Gotik, die gotischen Dome und Kirchen, lösen ganz bestimmte Seeleneindrücke aus bei dem, der sie betritt. Es ist, als trete man in eine Art von Hain in diesem hohen gewölbten Dome mit den aufstrebenden
Säulen. Der Aufenthalt dort wirkt ganz anders auf die Seele, als wenn Sie zum Beispiel in ein gewöhnliches Haus gehen oder in ein Bauwerk, das eine Renaissance-Kuppel oder eine Kuppel romanischen Stiles hat. Es gehen ganz bestimmte Wirkungen von den Formen aus. Der gewöhnliche Mensch wird sich dessen nicht bewusst, für ihn lebt dies alles im Unbewußten, in seinem Unterbewusstsein. Verstandesmäßig macht der Mensch sich nicht klar, was in seiner Seele vorgeht, wenn er solche Formen um sich hat. Und was da vorgeht, ist je nach der Beschaffenheit seiner Umgebung sehr verschieden. Viele Menschen glauben, dass der Materialismus unserer modernen Zeit davon herrühre, dass so viele materialistische Schriften gelesen werden. Aber der Okkultist weiß, dass dies nur einen geringen Einfluss hat. Das, was das Auge sieht, ist von weit größerer Wichtigkeit, denn es hat Einfluss auf Vorgänge der Seele, die mehr oder weniger im Unbewußten verlaufen. Das hat eine eminent praktische
Bedeutung. Und wenn die Geisteswissenschaft einmal in Wahrheit die Seele ergreifen wird, dann wird diese praktische Wirkung auch im öffentlichen Leben bemerkbar werden. Ich habe öfters schon darauf aufmerksam gemacht, dass es etwas anderes war als heute, wenn man im Mittelalter durch die Straßen ging. Rechts und links, an jeder Häuserfassade trug alles das Gepräge dessen, der es verfertigt hatte. Jeder Gegenstand, alles, was die Menschen umgab, jedes Türschloss, jeder Schlüssel, war aufgebaut aus etwas, worin die Seele des Verfertigers ihre Gefühle verkörperte. Mit Liebe war alles gemacht. Machen Sie sich einmal klar, wie der einzelne Handwerker seine Freude an jedem Stück hatte, wie er seine Seele da hineinarbeitete. In jedem Ding war ein Stück seiner Seele. Und wo in der äußeren Form Seele ist, da strömen auch die Seelenkräfte über auf den, der es sieht und ansieht. Vergleichen Sie das mit einer Stadt von heute. Wo ist heute noch Seele in den Dingen? Da ist ein Schuhwaren-, ein Messergeschäft, ein Metzgerladen, dann ein Bierhaus und so weiter. Nehmen Sie nur unsere Plakatkunst; was für Produkte bringt sie hervor? Eine grässliche Plakatkunst haben wir! Alt und Jung wandert durch ein Meer solcher scheußlicher Erzeugnisse, die die schlimmsten Kräfte der Seele im Unterbewusstsein auslösen. Die theosophische Erziehungskunst wird darauf aufmerksam machen, dass das, was das Auge sieht, den Menschen tief beeinflusst. Und betrachten Sie gar unsere modernen Witzblätter, was wird da geboten! Das soll keine Kritik sein, sondern nur ein Hinweisen auf Tatsachen. Denn das alles gießt einen Strom von Kräften in die menschliche Seele hinein, die den Menschen hinlenken nach einer gewissen Richtung, die zeitbestimmend sind. Der Geisteswissenschafter weiß, wie viel davon abhängt, ob der Mensch in dieser oder in jener Formenwelt lebt.“ GA 101, S. 157-159

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Sturz der Geister der Finsternis in die Reiche der Menschen
“ Aber was bedeutet es denn, daß nun die Mächte des Drachen, diese ahrimanischen Scharen, in die Reiche der Menschen, gewissermaßen vom Himmel auf die Erde gestoßen sind? Der Verlust dieses Kampfes bedeutet, daß sie nun nicht mehr, biblisch gesprochen, in den Himmeln zu finden sind. Dafür sind sie zu finden in den Reichen der Menschen, und das heißt: das Ende der siebziger Jahre war vorzugsweise diejenige Zeit, in welcher die menschlichen Seelen mit Bezug auf gewisse Erkenntniskräfte von ahrimanischen Impulsen ergriffen wurden. Weil diese ahrimanischen Impulse früher sich in den geistigen Reichen betätigen konnten, haben sie die Menschen mehr in Ruhe gelassen; weil sie heruntergestoßen worden sind aus den geistigen Reichen, sind sie über die Menschen gekommen. Und wenn wir uns fragen: Was ist eigentlich dazumal von den geistigen Reichen aus in die Menschen gefahren als ahrimanische Mächte? so ist es eben die persönlich gefärbte, wohlgemerkt die persönlich gefärbte ahrimanische, materialistische Weltauffassung.

Gewiß, der Höhepunkt des Materialismus war in den vierziger Jahren vorhanden. Aber er hatte dazumal seine Impulse mehr instinktiv in die Menschen hineingeschickt. Die ahrimanischen Scharen haben dazumal noch von der geistigen Welt aus in die menschlichen Instinkte hinein ihre Impulse geschickt. Persönliches Eigentum der Menschen wurden diese ahrimanischen Impulse, namentlich Erkenntniskräfte und Willenskräfte, seit dem Herbst 1879. Was vorher mehr Allgemeingut war, wurde damit verpflanzt in das Eigentum der Menschen. Und so können wir sagen, daß seit dem Jahre 1879 durch die Anwesenheit dieser ahrimanischen Mächte im Reiche der Menschen persönliche Ambition, persönliche Tendenz vorhanden ist, die Welt materialistisch zu deuten. Und wenn Sie mancherlei verfolgen, was seit jener Zeit geschehen ist aus den persönlichen Tendenzen der Menschen heraus, dann werden Sie es verstehen aus dem Herabstoßen des Drachen, das heißt der ahrimanischen Scharen durch den Erzengel Michael von den Reichen des Geistes, von den Himmeln auf die Erde.
Es ist dies ein Vorgang von ungeheurer Bedeutung, von ganz tiefgehender Bedeutung.“ …

RUDOLF STEINER GA 177 Seite: 16.

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„Das ganze Tierreich zerfällt in die Hauptabteilungen der Wirbeltiere und der Wirbellosen. Bei den wirbellosen Tieren kann man sich nun die Frage vorlegen: Wo haben diese Tiere ihre Nerven? – Denn der Hauptnervenstrang geht sonst durch die Wirbelsäule hindurch. Die Wirbellosen haben aber auch ein Nervensystem, und zwar findet es sich ebenso beim Menschen wie bei den Wirbeltieren. Bei diesen verläuft es außen, längs der Wirbelsäule, bis es sich in der Leibeshöhle ausbreitet. Dies nennt man das sympathische Nervensystem mit dem Sonnengeflecht. Es ist dasselbe System, welches auch die wirbellosen Tiere besitzen, nur daß es bei den Wirbeltieren und beim Menschen weniger Bedeutung hat. Dieses System steht in einem viel engeren Zusammenhang mit der übrigen Welt als das Nervensystem in Kopf und Rückenmark des Menschen. Man kann die Tätigkeit der letzteren im Trancezustand auslöschen, dann tritt das sympathische Nervensystem in Tätigkeit. So geschieht es zum Beispiel bei den Somnambulen. Das somnambule Bewußtsein erstreckt sich auf das ganze Leben der Umgebung und geht über in die anderen Wesen um uns her. Die Somnambulen fühlen die Dinge in sich. Der Lebensäther ist nun das Element, das uns überall umströmt. Im Sonnengeflecht hat er seine Vermittlung. Könnten wir nur mit dem Sonnengeflecht wahrnehmen, so würden wir in einer intimen Gemeinschaft mit der ganzen Welt leben. Diese intime Gemeinschaft ist bei den Wirbellosen Tieren vorhanden. Ein solches Tier fühlt zum Beispiel eine Blume in sich. Das wirbellose Tier ist im Erdensystem etwas Ähnliches wie beim Menschen Auge und Ohr. Es ist ein Teil des Organismus. Es gibt tatsächlich einen gemeinschaftlichen geistigen Organismus, welcher durch die wirbellosen Tiere wahrnimmt, sieht, hört und so weiter. Der Erdengeist ist ein solcher gemeinschaftlicher Organismus. Alles was wir so um uns haben, ist ein Körper für diesen gemeinschaftlichen Geist. Wie sich unsere Seele Augen und Ohren schafft, um die Welt wahrzunehmen, so schafft sich diese gemeinschaftliche Erdenseele die wirbellosen Tiere als Augen und Ohren, um in die Welt hineinzusehen und hineinzuhören.“ (GA 093a, S. 17f)

Rudolf Steiner: Grundelemente der Esoterik, GA 93a(1987)

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Worte und Taten
Ich muß immer innerlich furchtbar in eine humoristische Stimmung kommen, wenn gutmeinende Zeitgenossen immer wieder und wieder sagen: Auf Worte kommt es nicht an, auf Taten kommt es an! – Ich habe an den ungeeignetsten Stellen, sowohl in Zwiegesprächen wie auch von verschiedenen Podien herab, immer wieder deklamieren hören: Auf Worte kommt es nicht an; auf Taten kommt es an! – Bei dem, was in der Welt an Taten geschieht, kommt alles auf die Worte an! Es geschehen nämlich für den, der die Sache durchschaut, gar keine Taten, die nicht vorher durch die Worte von irgend jemandem vorbereitet sind.

Rudolf Steiner – GA 339 – Anthroposophie, soziale Dreigliederung und Redekunst – Dornach, 14 Oktober 1921 (Seite 81)

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Die wunderbarsten Maschinen werden von den Menschen ersonnen werden
Nun hat die Menschheit aber erst angefangen, sich Naturkräfte dienstbar zu machen. Dies wird schon in der nächsten Zeit und hinein in die nächsten Jahrtausende ganz anders werden. Die Menschen werden die Kräfte im fließenden Wasser herausziehen und sich dienstbar machen, sie werden die mächtigen Kräfte, die in den Sonnenstrahlen liegen, durch mächtige Spiegel auffangen und sich dienstbar zu machen verstehen; sie werden die Kräfte im Erdinnern, die jetzt durch vulkanische Ausbrüche sich auslösen und die von einem mächtigen Geistwesen im Erdinnern herrühren, zu beherrschen lernen; die wunderbarsten Maschinen werden von den Menschen ersonnen werden, um all diese ausgelösten Kräfte in den Dienst der Menschheit zu stellen, ja sie werden die Magnetkraft der ganzen Erde in ihre Gewalt bekommen. […] Als vor Urzeiten die Veränderungen der Erde notwendig waren, haben die Kräfte der Götter die Achse der Erde schief gestellt; in kommenden Zeiten wird die Menschheit die Achse zu drehen vermögen.
Rudolf Steiner – GA 264 – Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 – 1914 (Seite 210-211)

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In unserem Zeitraum werden ungeheure Geisteskräfte dazu verwendet, um für die niedersten Bedürfnisse zu sorgen. Telefon, Telegraf, Eisenbahn, Dampfschiff und andere Dinge, die noch kommen werden, haben (schon) und werden (noch) ungeheure Geisteskräfte absorbieren, die nur zur Befriedigung der niederen menschlichen Bedürfnisse verwendet werden. Der Mensch hat aber nur eine gewisse Summe von Geisteskräften. Tatsächlich ist der Mensch in einer gewissen Weise schon hineingestiegen in den Abgrund, und wer vom geisteswissenschaftlichen Standpunkt aus die Zeit studiert, kann an den profansten Erscheinungen sehen, wie das von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weitergeht, wie immer ein gewisser Punkt erreicht wird, wo gerade noch die Persönlichkeit sich selbst fangen kann. Überläßt sie sich an diesem Punkte dem Hinabsinken, dann verliert sich die Persönlichkeit, dann wird sie nicht gerettet, um hinaufzusteigen in die geistigen Welten. Das Kapital* (beispielsweise) fängt an sich selbst zu verwalten. Wir haben rein objektive Kräfte, die innerhalb des Kapitals wirtschaften, und sogar schon Kräfte innerhalb dieses Gebietes, die allen Willen der Persönlichkeit an sich ziehen, so daß die Persönlichkeit ohnmächtig geworden ist. Nun kann sich die Persönlichkeit retten und wieder hinaufsteigen, dadurch, daß sie zum Beispiel durch Stärkung der inneren seelischen Kräfte wirklich lernt, sich auf sich selbst zu stellen, sich unabhängig zu machen von den objektiven Kapitalsmächten. Die Persönlichkeit kann sich aber auch hineinwerfen in diese Kräfte, kann in einer gewissen Weise hineinsegeln und hinunterdringen in den Abgrund, sich umgarnen lassen von den im Kapital wirksamen Kräften…
Rudolf Steiner: Gesamtausgabe 104. Seite 142f

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Der zurückgehaltene Himmel verwandelt sich in Gewalt
„Man bringt das Unbildliche an das Kind heran;
das Kind aber hat da in seinem Leibe Kräfte – ich meine natürlich die Seele, wenn ich jetzt vom Leibe spreche, wir sagen ja auch der «Astralleib» -,
das Kind hat in seinem Leibe Kräfte sitzen, welche es zersprengen, wenn sie nicht heraufgeholt werden in bildhafter Darstellung.
Und was ist die Folge?
Verloren gehen diese Kräfte nicht; sie breiten sich aus, sie gewinnen Dasein, sie treten doch in die Gedanken, in die Gefühle, in die Willens-impulse hinein.
Und was entstehen daraus für Menschen?
Rebellen,Revolutionäre, unzufriedene Menschen, Menschen, die nicht wissen,was sie wollen, weil sie etwas wollen, was man nicht wissen kann, weil sie etwas wollen, was mit keinem möglichen sozialen Organismus vereinbar ist, was sie sich nur vorstellen, was in ihre Phantasie hätte gehen sollen, da nicht hineingegangen ist, sondern in ihre sozialen Treibereien
hineingegangen ist.
Und so kann man sagen, daß diejenigen Menschen, die es in okkultistischer Weise nicht ehrlich meinen mit ihren Mitmenschen, sich nur nicht zu sagen getrauen:
Wenn heute die Welt revoltiert, da ist es der Himmel, der revoltiert, das heißt der Himmel, der zurückgehalten wird in den Seelen der Menschen, und der dann nicht in seiner eigenen Gestalt,sondern in seinem Gegenteile zum Vorschein kommt, der in Kampf und Blut zum Vorschein kommt, statt in Imaginationen.
Es ist daher gar kein Wunder, wenn jene Menschen, die sich an solchem Zerstörungswerk der sozialen Ordnung beteiligen, eigentlich das Gefühl haben, sie tun etwas Gutes.
Denn was spüren sie in sich? Den Himmel spüren sie in
sich; er nimmt aber nur karikaturhafte Gestalt an in ihrer Seele.
So ernst sind die Wahrheiten, die wir heute einsehen sollen.“„

Rudolf Steiner GA 166 S. 260

ESOTERISCHE STUNDE Berlin, 11. November 1908
Ein Teil aus Aufzeichnung A :
„Wir müssen als Esoteriker lernen, alles Exoterische möglichst objektiv anzusehen. Wenn wir Menschen vor uns haben, an denen wir Eigenschaften sehen, die uns nicht gefallen, da dürfen wir nie verdammen, sondern wir müssen alles richtig zu erkennen trachten. Ehrgeiz, Eitelkeit sind zwar Eigenschaften, die ein Esoteriker in sich bekämpft, aber ohne sie wäre manches nicht da, was die Menschen sich in der Welt erringen. Sie sind in den Weltenplan aufgenommen, sie haben Wert und Unwert. Darum sollen wir über Menschen, die solche Eigenschaften haben, nicht aburteilen. Ehrgeiz und Eitelkeit machen sich im Astralleib bemerkbar wie Stacheln, wie spitzige Einströmungen von außen nach innen [Zeichnung], die tief eindringen, dann nach außen gehen und sich da verlieren. Diese Stacheln kann der Esoteriker benutzen, um solche Gedanken zurückzuweisen, er kann sie als Schutzvorrichtung benutzen gegen Gedanken von Ehrgeiz und Eitelkeit. Unterliegt er ihnen aber, so drängen sich bei ihm diese Stacheln viel tiefer ein, als beim Exoteriker, der sie immer hat. Man muß, wenn man Versuchungen dieser Art hat, sofort seine Gedanken richten auf Großes, Schönes, Erhabenes, was geleistet worden ist durch hervorragende Genies der Menschheit. Beim Neid wird der Ätherkörper angegriffen, bis zur Hemmung der Blutzirkulation kann das gehen. Es entsteht etwas im Astralleib wie ein Nebel, der einen die Menschen, Dinge und Verhältnisse nicht klar sehen läßt. – Der Esoteriker soll im Augenblick, wo ein Neidgefühl sich meldet, an verehrungswürdige (GA 266a Seite: 431) Wesen denken, an erhabene Kunstwerke, alle Offenbarungen der Schönheit. Bei beiden Eigenschaften sollte man auch Vorstellungen schematicher Art auf sich wirken lassen, wie wir sie in unserer theosophischen Arbeit gewinnen. [Zeichnung aus GA 89] Vorstellungen über die sieben Grundteile des Menschen oder Entwicklungsvorgänge der Erde. Durch obige Untugenden leidet die wahrheitsgemäße Vorstellungskraft des Menschen. Durch dies Gegenmittel wird sie gestärkt und geordnet, und der Astralleib wird wieder gesund und harmonisch.

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Wunder geschehen jeden Tag
„Wir können uns angewöhnen, wachende Menschen zu sein. Wir können mancherlei beachten. Wir können gleich einmal anfangen mit der Wachsamkeit, können finden, daß eigentlich im Grunde genommen kein Tag vergeht, in dem nicht in unserem Leben ein Wunder geschieht. Wir können diesen Satz, den ich jetzt sprach, umkehren, wir können sagen: Wenn wir an irgendeinem Tag kein Wunder finden in unserem Leben, so haben wir es nur aus dem Auge verloren. –

Versuchen Sie einmal, Ihr Leben am Abend zu überblicken; Sie werden ein kleines oder ein großes oder ein mittleres Ereignis darinnen finden, von dem Sie sich werden sagen können: Es ist ja ganz merkwürdig in mein Leben hereingetreten, es hat sich ganz merkwürdig vollzogen. –

Sie können dies erreichen, wenn Sie nur umfassend genug denken, wenn Sie nur Zusammenhänge des Lebens umfassend genug ins seelische Auge fassen. Aber das tut man im gewöhnlichen Leben gar nicht, weil man sich gewöhnlich nicht fragt: Was ist zum Beispiel durch irgend etwas verhindert worden ? Wir kümmern uns meistens nicht um die Dinge, die verhindert worden sind, die, wenn sie eingetreten wären, unser Leben gründlich verändert hätten. Hinter diesen Dingen, die aus unserem Leben fortgeschafft werden auf irgendeine Weise, sitzt ungeheuer viel von dem, was uns zu wachsamen Menschen erzieht. Was hätte mir heute alles passieren können? – Wenn ich diese Frage mir an jedem Abend stelle und dann einzelne Ereignisse betrachte, die dies oder jenes hätten herbeiführen können, so knüpfen sich an solche Fragen Lebensbetrachtungen, die Wachsamkeit in die Selbstzucht hereinbringen.

Das ist etwas, was einen Anfang machen kann und was schon von selbst immer weiter und weiter führt, endlich dazu führt, daß wir nicht nur auskundschaften, was es in unserem Leben bedeutet, daß wir zum Beispiel um halb elf Uhr vormittags einmal ausgehen wollten und daß gerade im letzten Augenblicke noch irgendein Mensch kam, der uns aufhielt; wir sind ärgerlich, daß er uns aufhielt, aber wir fragen nicht nach, was hätte geschehen können, wenn wir wirklich zur rechten Zeit ausgegangen wären, wie wir es geplant haben. Wir fragen nicht: Was hat sich da verändert? “

Rudolf Steiner /GA 182 (S. 158f)

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„Wenn der Mensch durch die Pforte des Todes getreten ist, so hat er seinen physischen Leib abgelegt; der physische Leib ist den Elementen der Erde übergeben. Mit anderen Worten könnte auch über ihn gesagt werden: Der physische Leib hat sich herausgehoben aus den Kräften und Gesetzen, die ihn zwischen der Geburt und dem Tode vom eigentlichen Menschen heraus durchdringen und die andere Gesetze sind als die bloß chemischen und physikalischen Gesetze, denen er dann nach dem Tode als physischer Leib verfällt. Vom Gesichtspunkt der physischen Welt aus hat der Mensch ja selbstverständlich die Anschauung: Von der menschlichen Wesenheit ist zurückgeblieben auf dem physischen Plane das, was diesem physischen Plane angehört. Es wird dieses dem physischen Plane Angehörige nun auch dem physischen Plane übergeben. Für den Menschen selbst aber und für alle Auffassung der geistigen Welt kommt der Gesichtspunkt in Betracht, den der Tote, der Mensch, der durch die Pforte des Todes geschritten ist, hat einnehmen müssen. Für ihn bedeutet das Verlassen des physischen Leibes einen inneren Vorgang, einen Seelenvorgang; für die Hinterbliebenen ist das, was mit dem physischen Leibe nach dem Tode geschieht, ein äußerer Vorgang. Das Innere des Menschen, das Menschlich-Seelenhafte des verstorbenen Menschen drückt sich ja innerhalb dessen, was als sterblicher Überrest zurückgeblieben ist, nicht mehr aus. Für den Menschen selbst aber, der durch die Pforte des Todes gegangen ist, ist dennoch etwas verbunden mit dem Verlassen des Leibes. Es bedeutet ein inneres Seelenerlebnis: Du bist aus deinem physischen Leibe herausgegangen und lassest diesen physischen Leib zurück.

Es ist außerordentlich schwierig, ich möchte sagen, vom Standpunkt des physischen Planes aus dieses, was da im Inneren der Seele des Menschen vorgeht, wirklich sachgemäß zu schildern. Denn es ist ein innerer Vorgang, der im Grunde etwas ungeheuer Umfassendes, etwas ungeheuer Bedeutsames hat. Es ist ein innerer Vorgang, der ja im Grunde kurz dauert, aber von einer für das gesamte menschliche Leben universalen Bedeutung ist. Nun, wenn man den Vorstellungsinhalt dessen schildern möchte, was da mit der Seele vorgeht, diesen Vorstellungsinhalt, den man natürlich heute in einem öffentlichen Vortrag noch nicht berühren kann, denn er würde die Öffentlichkeit zu sehr frappieren – vielleicht kommt aber auch dazu die Zeit -, wenn man den äußeren, also jetzt geistig äußerlichen Vorstellungsvorgang schildern wollte, mit dem sozusagen der Lebensweg beginnt, der zwischen dem Tod und einer neuen Geburt verläuft, so könnte man sagen, der durch die Pforte des Todes Geschrittene hat zunächst das Gefühl: Du bist jetzt in einem ganz anderen Verhältnisse zur Welt als du vorher warst, und das ganze frühere Verhältnis, das du zur Welt hattest, ist im Grunde genommen umgekehrt, radikal umgekehrt. Man müsste eigentlich in der folgenden Weise schildern, wenn man das, was da vorstellungsmäßig erlebt wird, schildern wollte. Man müsste sagen: Der Mensch hat bis zu seinem Tode auf der Erde gelebt, er ist gewohnt gewesen in dieser Zeit auf der festen, materiellen Erde zu stehen, auf dieser materiellen Erde die Wesen des mineralischen, pflanzlichen, tierischen Reiches, Berge, Flüsse, Wolken, Sterne, Sonne und Mond zu sehen, und ist gewohnt worden, durch seinen eigenen Gesichtspunkt und durch seine im physischen Leib vorhandenen Fähigkeiten, sich dieses Ganze so vorzustellen, wie man es sich ja doch vorstellt, trotzdem man heute durch den Kopernikanismus weiß, dass es im Grunde ein Scheinbild ist: Da oben ist das blaue Himmelsgewölbe wie eine Himmelsschale, da sind die Sterne darauf, darüber gehen Sonne und Mond und so weiter, man selber ist wie in dieser Schale, in dieser Hohlkugel, im Inneren da drinnen, in der Mitte, auf der Erde, mit dem, was einem die Erde für die Wahrnehmung zeigt.

Es kommt uns jetzt nicht darauf an, dass das ein Scheinbild ist, dass wir selber nur durch die Beschränktheit unserer Fähigkeiten uns diesen blauen Umkreis bilden, sondern darauf, dass wir ja gar nicht anders können als das zu sehen. Wir sehen eben das, was nur durch die Beschränktheit unserer Fähigkeiten so ist, sehen eben eine blaue Kugel als Firmament über uns gebildet. Wenn nun der Mensch durch die Pforte des Todes gegangen ist, so ist das erste, dass er die Vorstellung seiner Seele ausbilden muss: Du bist jetzt außerhalb dieser blauen Kugel, in der du warst. Du siehst sie von außen an, aber so, als ob sie zu einem Stern zusammengeschrumpft wäre. Man hat zunächst kein Bewusstsein von der Sternenwelt, in die man sich eigentlich ausbreitet, sondern man hat zunächst nur ein Bewusstsein von dem, was man verlassen hat: dass man seine Bewusstseinssphäre, die man gehabt hat im physischen Leibe, verlassen hat, dass man das verlassen hat, bis wohin einen die menschlichen Fähigkeiten, die im physischen Leibe ausgebildet sind, haben schauen lassen. Es ist wirklich,
aber geistig, etwas Ähnliches vorgegangen, wie es vorgehen müsste, wenn mit bewusstem Erleben ein Kücklein, das in der Eierschale drinnen ist, diese zerbricht und nachher die zerbrochene Eischale, die es bisher umschlossen hat, seine bisherige Welt, von außen statt von innen ansieht. Natürlich ist diese Vorstellung wiederum Maja, die da durch die menschliche Seele zieht, aber eine notwendige Maja. Wie gesagt, zusammengeschrumpft wie zu einem Sterne ist das, was uns vorher den Inhalt unseres Bewusstseins gab, nur dass sich, von diesem Sterne ausgehend, dasjenige ausbreitet, was man nennen könnte: erstrahlende kosmische Weisheit.

Diese erstrahlende kosmische Weisheit ist dasselbe, welches ich auch gestern im letzten Vortrag behandelt habe, und von dem ich gesagt habe, dass wir es in Fülle haben. Das glimmt und glitzert uns entgegen wie von einem feurigen Stern. Jetzt ist es nicht blau wie das Firmament, sondern jetzt ist es feurig, rötlich erglimmend, und davon ausstrahlend in den Raum die Fülle von Weisheit, die uns aber zuerst zeigt – sie ist in sich ganz beweglich – das, was man ein Erinnerungstableau unseres letzten Erdenlebens nennen könnte. All die Vorgänge, die wir mit unserem inneren Seelenerleben durchmessen haben zwischen der Geburt und dem Tode, wo wir bewusst dabei waren, treten vor unsere Seele hin, aber so, dass wir wissen: Du siehst das alles, weil der Stern, der da vor dir aufglänzt, der Hintergrund ist, der durch seine innere Tätigkeit bewirkt, dass du das alles sehen kannst, was sich als ein Erinnerungstableau ausbreitet. Das ist so mehr vom Standpunkt der Imagination aus gesprochen. Vom Standpunkt der Innerlichkeit gesprochen ist das Erlebnis etwa dieses, dass derjenige, der durch die Pforte des Todes gegangen ist, nunmehr ganz erfüllt ist von dem Gedanken: Ja, du hast deinen Leib verlassen. Jetzt, in der geistigen Welt, ist dieser Leib lauter Wille. Ein Willensstern, ein Stern, dessen Substanz Wille ist, das ist dein Leib. Und dieser Wille erglüht in Wärme und strahlt dir in den Weltenweiten, in die du dich jetzt selber ergossen hast, dein eigenes Leben zwischen der Geburt und dem Tode wie ein großes Tableau zurück. Und du verdankst dem Umstände, dass du innen verweilen konntest in diesem Stern, dass du alles das aus der Welt ziehen und saugen konntest, was du auf dem physischen Plan aus der Welt eben gezogen und gesaugt hast. Denn dieser Stern, dieser Willensstern, der jetzt den Hintergrund bildet, das ist das Geistige deines physischen Leibes, dieser Willensstern ist der Geist, der deinen physischen Leib durchtränkt und durchkraftet. Das, was dir als Weisheit erstrahlt, das ist die Tätigkeit, die Beweglichkeit deines Ätherleibes.“

Rudolf Steiner in der GA 153 („Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt“), S. 144 ff.

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„Wenn Sie die alten Mythen durchgehen, so werden Sie immer finden, sogar bis in die biblische Schöpfungsgeschichte herein: es sind Genesis-Mythen, auf die da hingewiesen wird, weil man nach dem Ursprung der Welt vorzugsweise zunächst suchte, aber auch bei diesem Suchen nach dem Ursprung der Welt im Wesentlichen stehen blieb. Diese ganze Stimmung der Menschenseele, sie war dadurch gegeben, dass eben der Mensch in seiner Gedankenwelt von den Geistern der Form abhängig war. Bis in das 4. nachchristliche Jahrhundert herein, und in den Nachwirkungen noch bis ins 15. Jahrhundert waren gewissermaßen die Geister der Form in der Weltenordnung – wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf – vollberechtigt, die ganze Gedankenregierung, die Gedankenverwaltung zu haben, und das Denken, die Gedankenentfaltung von außen an den Menschen heranzubringen. Seit jener Zeit ist es anders geworden. Seit jener Zeit haben die Exusiai, die Geister der Form eben die Gedankenverwaltung an die Archai abgegeben. Aber wie verwalten die Archai diese Gedanken? Nun nicht mehr so, wenn sie selbst sie verwalten, dass sie den Menschen sie einflößen, dass sie den Menschen sie von außen hineinlegen, sondern dass sie den Menschen selber die Möglichkeit geben, diese Gedanken zu entwickeln. – Wie kann das sein? Das kann eben dadurch sein, dass wir Menschen ja alle durch eine große Anzahl von Erdenleben durchgegangen sind. In jenen älteren Zeiten, in denen die Exusiai mit Recht die Gedanken von außen heranbrachten, waren die Menschen noch nicht durch so viele Erdenleben gegangen wie in der jetzigen Zeit. Da konnten sie noch nicht in sich, wenn sie wirklich den Impuls dazu in sich rege machten, die eigene Aktivität finden, um die Gedankenkraft in sich selber zu erzeugen. Wir leben heute, sagen wir, in der so und so vielten Erdeninkarnation. Und wenn wir nur den Willen dazu haben – denn auf den Willen kommt es an -, dann können wir in uns dasjenige finden, was Kraft ist, eine eigene Gedankenwelt aus uns heraus zu erzeugen, eine individuelle Gedankenwelt, wie ich es auch in der «Philosophie der Freiheit» ausgeführt habe.

Aber nehmen Sie nun diesen Gedanken völlig ernst! Denken Sie daran, dass wir in das Zeitalter eingetreten sind, in dem der Mensch aus seinem eigenen Inneren heraus beschäftigt ist, seine Gedanken sich zu erarbeiten, seine Gedanken zu formen. Er steht aber nun auch als einzelner in der Welt da. Diese Gedanken würden gewissermaßen isoliert in der Welt dastehen, keine Bedeutung für den Kosmos haben, wenn nicht geistige Wesenheiten da wären, welche den Gedanken, den sich der Mensch in seiner Freiheit erarbeitet, nun in der rechten Weise als Kraft und Impuls dem Kosmos einfügten. Und so haben wir den Fortschritt, der gegeben ist von der Gedankenverwaltung durch die Geister der Form zu jener durch die Geister der Persönlichkeit.

Die Geister der Form haben gewissermaßen aus dem allgemeinen kosmischen Reservoir der Gedanken diese Gedanken herausgeschöpft, um sie von außen an den Menschen heranzubringen. Der Mensch hat die Weltengedanken in sich aufgenommen, musste sich fühlen als eine Art von Geschöpf, das sich fortbewegt innerhalb der von den Geistern der Form im Kosmos erzeugten Fluten und Wellen. Da war die Gedankenwelt so im Kosmos darinnen, dass sie ihre Harmonie auf den Menschen selber übertrug. Aber der Mensch war ein unfreies Wesen innerhalb des Kosmos. Nun hat der Mensch die Freiheit erlangt, seine eigenen Gedanken sich zu erarbeiten; sie würden aber alle im Kosmos Gedanken-Eremiten bleiben, wenn sie nun nicht aufgenommen und in die kosmische Harmonie wiederum zurückgetragen würden. Und das geschieht eben durch die Archai in unserem Zeitalter.

Hier ist die Grundlage dafür geschaffen, jenen ungeheuer bedeutsamen historischen Zwiespalt, der heraufgekommen ist in der neueren Zeit und der die Menschenseelen in so unendliche Verwirrung gebracht hat, zu lösen. Sehen wir denn nicht diesen Zwiespalt? Ich habe Ihnen von andern Gesichtspunkten aus öfter erwähnt, wie der Mensch auf der einen Seite lernt, dass der ganze Kosmos von einer Naturordnung durchzogen ist, dass diese Naturordnung auch in die eigene menschliche Wesenheit hereinspielt, dass da einstmals ein Urnebelgebilde war, aus dem sich Sonne und Planeten herausgeballt haben, aus dem sich wieder der Mensch selber herausgeballt hat. Sehen wir nicht auf der einen Seite das System der kosmischen Naturgesetze, in das der Mensch sich eingespannt fühlt? Und sehen wir nicht auf der andern Seite, wie der Mensch, um seine wirkliche Menschenwürde zu wahren, darauf angewiesen ist, indem er nun dasteht als naturgegebenes Wesen, in sich rege zu machen den Gedanken an eine moralische Weltenordnung, auf dass seine moralischen Impulse nicht verfliegen im Weltenall, sondern Realität haben? […]

Der Mensch macht sich das heute nicht klar, weil er nicht ehrlich genug dazu ist. Aber alles, was er aus der heutigen Zivilisation entnimmt, müsste ihn dazu führen, an diesem ungeheuer bedeutsamen Zwiespalt in seiner Weltanschauung zu kranken – nur weiß er es nicht -, daran zu kranken, dass eine natürliche Welt da ist, der er unterworfen ist, dass er annehmen muss eine sittliche Welt, und dass er keine Möglichkeit hat aus seiner heutigen Anschauung heraus, den sittlichen Ideen eine Realität zuzuschreiben.

So war es nicht für eine ältere Menschheit. Eine ältere Menschheit empfand, dass sie ihre sittlichen Ideen von den Göttern hatte. Das war in der Zeit, als eben die Exusiai, die Geister der Form dem Menschen die Gedanken einflößten, also auch die sittlichen Gedanken. Da wusste der Mensch, dass wahrhaftig, möge auch die Erde dem Wärmetod verfallen, in der Zukunft da sein werden die göttlich-geistigen Wesenheiten, welche aus dem ganzen Kosmos heraus die Weltgedanken haben. So dass der Mensch wusste: nicht er macht die Gedanken, sie sind so da, wie die äußeren Naturvorgänge da sind; sie mussten also eine immerwährende Existenz haben wie die äußeren Naturvorgänge.

Man muss sich das nur ganz klarmachen, dass heute viele Menschen eben immer mehr und mehr mit dem Leben nicht fertigwerden. Die einen gestehen sich das – es sind vielleicht noch die besten -, die andern gestehen sich das nicht, aber durch ihr Handeln entsteht das allgemeine Weltenchaos, in das wir hineingeraten sind.

Aber alles, was heute als Weltenchaos, als Weltenunordnung da ist, das ist die tatsächliche Folge dieses inneren Zwiespaltes, dieses Nichtwissens, inwiefern die moralische Weltenordnung eine Realität hat. Es möchten sich die Menschen stumpf machen gegenüber den großen Weltfragen, da sie sich nicht aufraffen wollen, sich zu gestehen, wo der Zwiespalt eigentlich liegt. Sie möchten ihn am liebsten vergessen.

Nun, mit dem, was man heute unsere äußere Zivilisation nennt, lässt sich der Zwiespalt nicht lösen. Er lässt sich allein lösen auf demjenigen Boden einer geistigen Weltanschauung, der durch die Anthroposophie gesucht wird. Und da kommt man eben dazu, einzusehen, wie Archai da sind, welche nunmehr die Aufgabe im Kosmos, in der kosmischen Führung erhalten haben, die Gedanken der Menschen, die nun isoliert, durch innere Arbeit in der Seele entstehen, wirklich überall anzuknüpfen an die Weltenvorgänge, sie überall einzuordnen.

Und in einer großartigen, gewaltigen Weise findet der Mensch wiederum den Boden für die moralische Weltenordnung gerade auf diese Weise. Wie findet er ihn? Nun, der Mensch könnte nicht frei werden, wenn er nicht das Gefühl entwickeln könnte: Du entfaltest deine Gedanken aus deiner eigenen Individualität heraus; du bist der Erarbeiter deiner Gedanken.

Aber damit reißen wir zu gleicher Zeit die Gedanken los vom Kosmos. Es war gewissermaßen in alten Zeiten so: Wenn ich hier das Meer der kosmischen Gedanken aufzeichne (siehe 1. Zeichnung, gelb) und da die Menschen wären, die ich schematisch so zeichne (rot), dann müsste ich dasjenige, was in jedem Menschen als sein Teil der kosmischen Gedankenwelt hineinkäme, so zeichnen (gelb). Der Mensch hing an der kosmischen Gedankenwelt, sie senkte sich in ihn hinein. Dass es so sein konnte, ergab sich aus dem Wirken der Geister der Form. Das ist im Laufe der Menschheitsentwickelung anders geworden. Wir haben hier das Meer der kosmischen Gedanken (siehe 2. Zeichnung, gelb), die Verwaltung ist übergegangen an die Archai. Wenn ich nun da unten die einzelnen Menschen zeichne, so ist dasjenige abgeschnürt, was ihre Gedanken sind; es hängt nicht mehr mit den kosmischen Gedanken zusammen. – Das muss so sein. Denn niemals könnte der Mensch ein freies Wesen werden, wenn er nicht seine Gedankenwelt abrisse vom Kosmos. Er muss sie abreißen, um ein freies Wesen zu werden; dann aber müssen sie wieder angeknüpft werden. Was also notwendig ist, das ist die Verwaltung dieser Gedanken – die ja zunächst das menschliche Leben nicht unmittelbar angeht (grün), sondern den Kosmos angeht – durch die Archai, die Geister der Persönlichkeit.

Aber nun nehmen wir diesen Gedanken in moralischer Gesinnung, und fühlen wir, wie dieser Gedanke in moralischer Gesinnung so wird, dass wir uns sagen: Wir werden, wenn wir die geistige Welt betreten – sei es, wenn wir durch die Pforte des Todes gegangen sind, sei es sonst wo, oder in der Erdenzukunft -, zusammentreffen mit den Geistern der Persönlichkeit, mit den Archai. Wir werden dann wahrnehmen können, was sie haben machen können mit unseren Gedanken, die zunächst um unserer Freiheit willen in uns isoliert waren. Und da werden wir unseren Menschenwert und unsere Menschenwürde an dem erkennen, was die Archai, die Geister der Persönlichkeit aus unseren Gedanken haben machen können. Und es wendet sich der kosmische Gedanke unmittelbar an moralische Gesinnung, an moralische Impulsivität.

Es kann aus der richtig erfassten Anthroposophie heute durchaus überall die moralische Impulsivität entspringen. Es muss nur mit dem ganzen Menschen dasjenige erfasst werden, was Anthroposophie ist. Erfassen wir diesen Gedanken, den Gedanken der Verantwortlichkeit
gegenüber den normal sich entwickelnden Archai, erfassen wir diese unsere geistige Beziehung im Kosmos richtig, dann leben wir uns auch richtig in unser Zeitalter herein, dann werden wir richtige Menschen unseres Zeitalters. Und dann werden wir in der richtigen Weise hinschauen auf das, was uns ja immer umgibt: nicht nur eine sinnliche Welt, sondern auch eine geistige Welt. Wir werden hinschauen auf diese geistigen Wesenheiten, die Archai, denen gegenüber der Mensch verantwortlich werden soll, wenn er in der richtigen Weise würdig seine Menschheitsentwickelung durchmachen will im Laufe der Erdenzeiten. Wir werden sehen, wie in der heutigen Zeit dem, was einmal die notwendige Weltenordnung war, auch noch gegenübersteht alles das, was übriggeblieben ist an solchen Geistern der Form, die noch immer die Gedanken in der alten Weise verwalten wollen. Und das ist der wichtigste Zivilisationseinschlag in unserer Zeit! Das sind die eigentlichen tieferen Aufgaben des Menschen: durch seine richtige Stellung zu den Archai, zu den Geistern der Persönlichkeit, frei zu werden, damit er auch die richtige Stellung zu den Geistern der Form gewinne, die heute mit der Gedankenverwaltung, die sie ebenso noch machen wollen wie früher, nicht im Rechte sind, die aber einstmals in ihrem Rechte waren. Und wir werden auf der einen Seite dasjenige finden, was in der Welt heute das Leben schwierig macht, wir werden aber auch überall die Wege aus den Schwierigkeiten der Welt heraus finden. Nur müssen wir diese Wege als freie Menschen suchen. Denn wenn wir keinen Willen haben zur freien Gedankenentwickelung, was sollen dann die Archai mit uns anfangen?

Dasjenige, worauf es ankommt in unserem Zeitalter, das ist, dass der Mensch wirklich ein freies Wesen sein will. Meistens will er es ja zunächst noch nicht. Er muss sich erst hineinfinden, es zu wollen. Dem Menschen wird es heute noch schwer, sich als freies Wesen zu wollen. Er möchte eigentlich am liebsten, dass er das, was ihm gefällt, wünschen kann, und dass dann die richtigen Geister da wären, die seine Wünsche auf eine unsichtbare übersinnliche Art ausführen. Dann würde er sich vielleicht frei fühlen, menschenwürdig fühlen! Wir brauchen nur ein paar Inkarnationen herankommen zu lassen, gar nicht einmal
so lange Zeit, nur etwa das Jahr 2800 oder 3000, dann werden wir uns gar nicht mehr verzeihen können in einer nächsten Inkarnation – wo wir ja zurückschauen werden auf die frühere Inkarnation -, dass wir einmal menschliche Freiheit verwechselt haben mit Förderung der menschlichen Bequemlichkeit durch nachsichtige Götter!

Diese zwei Dinge verwechselt ja der Mensch heute: Freiheit, und Nachsicht von gütigen Göttern mit der menschlichen Bequemlichkeit, mit den bequemen menschlichen Wünschen. Heute wollen das viele Menschen noch, dass es gütige Götter gibt, die ihnen ihre Wünsche ohne viel Zutun ausführen. Wie gesagt, wir brauchen nur das Jahr 2800 oder 3000 herankommen zu lassen, in einer nächsten Inkarnation werden wir das dann sehr verachten. Aber gerade wenn wir heute richtige moralische Gesinnung entwickeln, so muss sie auch verbunden sein mit einer gewissen moralischen Stärke, welche die Freiheit wirklich will – die innere Freiheit zunächst; die äußere wird sich dann schon in der richtigen Weise entwickeln, wenn der Wille zur inneren Freiheit vorhanden ist. Dazu ist aber notwendig, dass man nun in rechter Weise beobachten kann, wo denn diese unberechtigten Geister der Form überall tätig sind.

Nun, sie sind überall tätig. Ich könnte mir denken – der menschliche Intellekt hat ja solch einen luziferischen Hang -, dass es nun Menschen gäbe, die da sagen: Ja, es wäre doch viel vernünftiger für die göttliche Weltenordnung, wenn diese zurückgebliebenen Geister der Form da nicht wirtschaften würden, gar nicht da wären! – Menschen, die so denken, denen rate ich, als vernünftiger Mensch auch zu denken, dass sie sich nähren könnten, ohne dass sich der Darm zu gleicher Zeit mit unangenehmen Stoffen anfüllt. Das eine ist eben nicht möglich ohne das andere. Und so ist es in der Welt nicht möglich, dass die Dinge, die groß und gewaltig die Würde des Menschen bedingen, da seien ohne ihre entsprechenden Korrelate.

Wo sehen wir denn nun zurückgebliebene Geister der Form tätig? In erster Linie sehen wir sie heute tätig in den nationalen Chauvinismen, die über die ganze Welt sich verbreiten, da, wo die Gedanken der Menschen sich nicht aus unmittelbarer innerster menschlicher Zentralität
heraus entwickeln, sondern aus dem Blute heraus, aus dem, was aus den Instinkten aufflutet.

In dieser Beziehung gibt es zweierlei Verhalten zu der Nationalität. Das eine ist dieses: Man verachtet die normalen Archai und gibt sich einfach demjenigen hin, was die zurückgebliebenen Geister der Form aus den Nationalitäten machen. Man wächst dann einfach aus der Nationalität herauf, pocht in chauvinistischer Weise auf das, was man dadurch geworden ist, dass man aus dem Blute einer Nationalität heraus geboren ist. Man redet aus der Nationalität heraus, seine Gedanken bekommt man mit der Sprache dieser Nationalität; mit der besonderen Form dieser Sprache bekommt man auch seine Gedankenformen. Man steigt auf aus demjenigen, was die Geister der Form aus den Nationalitäten gemacht haben.

Und wenn man nun nachgeben will diesen zurückgebliebenen Geistern der Form und zu gleicher Zeit ein furchtbar ehrgeiziger Mensch ist, der durch das Schicksal an einen besonderen Posten gestellt ist, dann fabriziert man, gerade mit Rücksicht auf die nationalen Chauvinismen der Welt, «Vierzehn Punkte» und findet dann Anhänger, welche diese vierzehn Punkte Woodrow Wilsons als dasjenige betrachten, was der Welt etwas Großartiges geben soll.

In Wahrheit gesehen, was waren sie, diese vierzehn Punkte Woodrow Wilsons? Sie waren etwas, was der Welt hingeworfen werden sollte, damit sie frönen kann dem, was die zurückgebliebenen Geister der Form ausgießen wollen über die verschiedenen Naturgrundlagen der Nationen. Sie waren unmittelbar von da her inspiriert.

Man kann über alle diese Dinge reden von den verschiedensten Niveaus aus. Ganz dasselbe, was ich heute auf einem Niveau sage, das der Charakteristik von Archai und Exusiai entspricht, ganz dasselbe habe ich vor Jahren immer gesagt, um die Weltbedeutung dieser vierzehn Punkte von Woodrow Wilson zu charakterisieren, durch welche, weil sie die Welt in Illusionen gewiegt haben, so ungeheuer viel Unglück und Chaos in die Welt gekommen ist.

Ferner sehen wir heute, wie das, was von diesen zurückgebliebenen Geistern der Form ausgeht, sich geltend macht in der einseitigen naturwissenschaftlich-materialistischen Weltanschauung, wo ein wahrer Horror vorhanden ist – besser gesagt, eine scheußliche Angst davor besteht -, in die Aktivität der Gedanken überzugehen. Man soll sich heute nur einmal vorstellen, was für einen furchtbaren Spektakel ein richtiger Professor machen würde, wenn irgendein Student im Laboratorium ins Mikroskop schaute und irgendeinen Gedanken hervorbringen wollte. Das gibt es nicht! Da muss man sorgfältig nur dasjenige verzeichnen, was die äußere sinnliche Beobachtung gibt, gar nicht wissend, dass die ja nur die Hälfte der Wirklichkeit gibt, die andere Hälfte der Wirklichkeit wird eben im eigenen menschlichen Schaffen von Gedanken erzeugt. Da muss man aber wissen, was die gegenwärtige Mission der richtig entwickelten Archai ist. Es muss in der Wissenschaft, die verdorben wird durch die zurückbleibenden Geister der Form, geltend gemacht werden die richtige Mission der Geister der Persönlichkeit. Davor besteht heute die denkbar größte Angst.“

Rudolf Steiner in der GA 222 („Die Impulsierung des weltgeschichtlichen Geschehens durch geistige Mächte“), S. 78 ff.

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Suche im Denken den Willen
und du findest dich selbst:
Denn des eigenen Wesens Weben
gehet dir auf
Suche im Wollen die Gedanken
und du findest die Welt:
Denn die Weltgedanken:
kraftend enthüllen sich dir!

Rudolf Steiner

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Adler, Löwe, Kuh – als Bild des Menschen
„Die Sonne erhält ja ihre Kraft dadurch, dass sie in Beziehung tritt zu den verschiedenen Gegenden des Universums. Ausgedrückt wird diese Beziehung dadurch, dass der Mensch mit seinen Erkenntnissen die Sonnenwirkungen bezieht auf den sogenannten Tierkreis, so dass, wenn der Sonnenschein zur Erde fällt aus dem Löwen, aus der Waage, aus dem Skorpion, er immer etwas anderes für die Erde bedeutet. Aber er bedeutet auch etwas anderes für die Erde, je nachdem er verstärkt oder entkräftet wird durch die anderen Planeten unseres Planetensystems. Und da bestehen verschiedene Beziehungen zu den verschiedenen Planeten unseres Planetensystems. Es bestehen andere Beziehungen zu den sogenannten äußeren Planeten Mars, Jupiter, Saturn, und andere Beziehungen zu den sogenannten inneren Planeten Merkur, Venus und dem Mond.
Wenn wir nun die Organisation des Adlers ins Auge fassen, dann haben wir vor allen Dingen darauf zu sehen, inwiefern die Sonnenkräfte modifiziert werden, verstärkt oder geschwächt werden durch das Zusammenwirken der Sonne mit Saturn, Jupiter, Mars. Nicht umsonst spricht die Legende davon, dass der Adler eigentlich Jupiters Vogel ist. Der Jupiter steht überhaupt da als Repräsentant für die äußeren Planeten. Wenn wir uns schematisch das hinzeichnen, um was es sich dabei handelt, dann müssen wir uns hinzeichnen die Sphäre, die im Weltenraum, im Kosmos der Saturn hat, die Sphäre, die der Jupiter hat, die Sphäre, die der Mars hat.
Stellen wir das einmal vor unser Auge hin: die Saturnsphäre, die Jupitersphäre, die Marssphäre; dann finden wir den Übergang zur Sonnensphäre, und wir haben sozusagen im Äußersten unseres Planetensystems ein Zusammenwirken von Sonne, Mars, Jupiter, Saturn. Und wenn wir den Adler in den Lüften kreisen sehen, dann sprechen wir durchaus eine Realität aus, wenn wir sagen: Diejenigen Kräfte, die von der Sonne aus die Luft durchströmen, so dass sie zusammengesetzt sind aus dem Zusammenwirken von Sonne mit Mars, Jupiter und Saturn, die sind es, die in der ganzen Gestalt, in der Wesenheit des Adlers leben. Sie leben aber zugleich in dem Gebilde des menschlichen Hauptes. U n d wenn wir den Menschen hineinstellen in Bezug auf sein wirkliches Dasein – man möchte sagen, auf Erden ist er ja nur in seinem Miniaturbilde – in das Weltenall, dann müssen wir ihn hineinstellen in die Adlersphäre seinem Haupte nach. Wir müssen uns also den Menschen seinem Haupte nach hineingestellt vorstellen in die Adlersphäre, und haben damit dasjenige im Menschen gegeben, was mit den Kräften nach oben zusammenhängt.
Der Löwe ist der Repräsentant desjenigen Getiers, das im eigentlichen Sinne Sonnengetier ist, wo die Sonne gewissermaßen ihre eigene Kraft entfaltet. Der Löwe gedeiht am besten, wenn die Gestirne über der Sonne, die Gestirne unter der Sonne so in Konstellation vorhanden
sind, dass sie am wenigsten Einfluss auf die Sonne selber ausüben. Dann entsteht jenes Eigentümliche, was ich Ihnen gestern beschrieben habe, dass die Kräfte der Sonne selber, die die Luft durchdringen, gerade ein solches Atmungssystem in dem Löwen anregen, dass dieses Atmungssystem in seinem Rhythmus in vollständigem Gleichgewichte ist mit dem Blutzirkulationsrhythmus, nicht der Zahl nach, aber der Dynamik nach. Das gleicht sich beim Löwen wunderschön aus. Der Löwe setzt der Blutzirkulation die Atmungshemmung entgegen, und die Blutzirkulation regt fortwährend die Atmungsströmung an. Ich sagte Ihnen, dass man das der Form nach sogar in der Gestaltung des Löwenmauls sehen kann. Da drückt sich diese wunderbare Beziehung des Blutrhythmus und des Atmungsrhythmus der Form nach schon aus. Man kann es sehen aus dem eigentümlichen, in sich ruhenden und doch wiederum kühn nach auswärts gewendeten Blick des Löwen. Aber dasjenige, was da im Löwen im Blick lebt, lebt wiederum angeschlossen an die anderen Elemente der Menschennatur, an die Hauptesorganisation, an die Stoffwechselorganisation, in der Brust- oder Herzorganisation, in der rhythmischen Organisation des Menschen.
Stellen wir daher vor uns hin die eigentliche Sonnenwirkung, so müssen wir der Sonnensphäre entsprechend den Menschen uns so einzeichnen, dass wir sein Herz, die dazugehörige Lunge in die Region der Sonnenwirksamkeit stellen, und wir haben in diesem Gebiete die Löwennatur des Menschen.
Wenn wir übergehen zu den inneren Planeten, zu den erdennahen Planeten, dann haben wir zunächst die Merkursphäre, welche es nun schon zu tun hat namentlich mit den feineren Partien des Stoffwechselsystems, des Stoffwechselorganismus des Menschen, da wo die Nahrungsstoffe umgewandelt werden in den lymphartigen Stoff, wo sie dann übertragen werden in die Blutzirkulation hinein.
Wenn wir dann weitergehen, kommen wir in die Region des Venuswirkens. Wir kommen zu den etwas gröberen Partien des Stoffwechselsystems des Menschen, wir kommen zu dem, was im menschlichen Organismus die aufgenommenen Nahrungsmittel zunächst verarbeitet vom Magen aus. Wir kommen dann in die Sphäre des Mondes. Ich zeichne diese Folge so, wie sie heute in der Astronomie üblich ist; ich könnte sie auch anders zeichnen. Wir kommen also nun in die Sphäre des Mondes und kommen da in diejenige Region, wo auf den Menschen wirkt und gewirkt wird in jenen Stoffwechselvorgängen, die mit dem Monde zusammenhängen.
Wir haben den Menschen auf diese Weise hineingestellt in das gesamte Weltenall. Indem wir uns an diejenigen kosmischen Wirkungen wenden, die die Sonne im Verein mit Merkur, Venus, Mond vollführt, kommen wir dann hinein in das Gebiet, das die Kräfte enthält, die jenes Getier aufnimmt, das uns repräsentiert wird durch die Kuh in dem Sinne, wie ich das gestern auseinandergesetzt habe. Da haben wir das was die Sonne nicht durch sich selbst machen kann, sondern was die Sonne machen kann, wenn sie durch die erdennahen Planeten in ihren Kräften gerade an die Erde herangeführt wird. Wenn diese Kräfte alle dann wirken, wenn sie nicht nur die Luft durchströmen, sondern die Oberfläche der Erde in verschiedener Art durchsetzen, dann wirken diese Kräfte herauf aus den Erdentiefen. Und das, was da heraufwirkt aus den Erdentiefen, das gehört der Region an, die wir äußerlich verkörpert sehen eben in der Organisation der Kuh.
Die Kuh ist das Verdauungstier. Aber die Kuh ist zugleich dasjenige Tier, welches die Verdauung in einer solchen Weise ausführt, dass in diesem Verdauungsvorgange die irdische Abbildung eines wirklich Überirdischen liegt, dass dieser ganze Verdauungsvorgang der Kuh durchsetzt ist von einer Astralität, hell und wunderbar abbildend den ganzen Kosmos. Es ist – wie ich schon gestern sagte – eine ganze Welt in diesem astralischen Organismus der Kuh, aber alles getragen von Schwere, alles so eingerichtet, dass die Schwere der Erde sich auswirken kann. Sie brauchen nur zu bedenken, dass die Kuh genötigt ist, jeden Tag etwa ein Achtel ihres Körpergewichtes an Nahrungsstoffen aufzunehmen. Der Mensch kann sich mit einem Vierzigstel begnügen und gesund bleiben dabei. Die Kuh braucht also, damit sie ihre Organisation voll ausfüllen kann, Erdenschwere. Ihre Organisation ist daraufhin orientiert, dass die Stoffe Schwere haben. Ein Achtel muss jeden Tag an Schwere ausgewechselt werden bei der Kuh. Das bindet die Kuh mit ihren Materien an die Erde, während sie durch ihre Astralität zu gleicher Zeit eben ein Abbild der Höhen, des Kosmos ist.
Deshalb ist die Kuh für den Bekenner der Hindureligion – wie ich gestern sagte – ein so verehrungswürdiges Objekt, weil er sich sagen kann: Die Kuh lebt hier auf der Erde; allein indem sie hier auf der Erde lebt, bildet sie in der physischen Schwere-Materie ab, man kann schon sagen, ein Überirdisches, wenn man im Sinne des Bekenners der Hindureligion redet. Und es ist durchaus so, dass die menschliche Natur dann ihre Normalorganisation hat, wenn der Mensch diese drei in Adler, Löwe und Kuh vereinseitigten kosmischen Wirkungen in Harmonie bringen kann, wenn er also wirklich der Zusammenfluss der Adler-, Löwen- und Kuh- oder Stierwirkungen ist. Aber nach dem allgemeinen Weltengang leben wir in einer Zeit, in welcher der Entwickelung der Welt eine gewisse – wenn ich mich so ausdrücken darf – Gefahr droht: die Gefahr, dass die einseitigen Wirkungen auch wirklich im Menschen einseitig zum Ausdrucke kommen. Seit dem 14., 15. Jahrhundert, bis in unsere Tage sich immer mehr und mehr verstärkend, ist die Sache so in der irdischen Menschheitsentwickelung, dass die Adlerwirkungen das menschliche Haupt einseitig in Anspruch nehmen wollen, die Löwenwirkungen den menschlichen Rhythmus einseitig in Anspruch nehmen wollen, die Kuhwirkungen den menschlichen Stoffwechsel und das ganze menschliche Wirken auf Erden einseitig in Anspruch nehmen wollen.
Das ist die Signatur unserer Zeit, dass der Mensch sozusagen durch die kosmischen Mächte dreigeteilt werden soll, und dass immer die eine Form der kosmischen Mächte das Bestreben hat, die anderen Elemente zu unterdrücken.“
Rudolf Steiner in der GA 230 („Der Mensch als Zusammenklang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes“), S. 28 ff.

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Die Aufgabe der anthroposophischen Bewegung
Es ist im wesentlichen die Aufgabe der anthroposophischen Bewegung, uns bekanntzumachen mit Welten, die uns täglich und stündlich umgeben, mit Welten, innerhalb derer wir leben, von denen wir aber unter gewöhnlichen Verhältnissen nichts wissen. Nicht mit Welten, die jenseits der unsrigen Hegen, will uns die Anthroposophie bekanntmachen, nicht mit Welten, die an uns unzugänglichen Orten zu finden sind, sondern mit denjenigen Welten, die in unsere Welt fortwährend hereinragen, die uns immer umgeben, die uns aber unbekannt bleiben, weil unsere Organe dafür nicht aufgeschlossen sind. Zunächst können wir von diesen Welten nur sprechen. Wir können auf sie nur hindeuten und dazu auffordern, teilzunehmen an denjenigen Arbeiten, durch welche sich dem Menschen die Sinne erschließen zu diesen höheren Welten, so daß er diese höheren Welten wahrzunehmen vermag, so wie er heute nur die gewöhnliche Welt wahrzunehmen imstande ist.
Rudolf Steiner – GA 88 – Über die astrale Welt und das Devachan – Berlin, 28 Oktober 1903 (Seite 20)

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Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind. Im Gestalten und Wachsen des menschlichen Organismus offenbart sich ein Geistiges. Denn dieses Geistige erscheint dann im Lebensverlaufe als die geistige Denkkraft.
„Die Anthroposophie bildet, bevor sie über das Geistige Aussagen macht, die Methoden aus, die sie berechtigen, solche Aussagen zu machen. Um einen Einblick in diese Methoden zu bekommen, bedenke man das Folgende: Alle Ergebnisse der gegenwärtig anerkannten Naturwissenschaft sind im Grunde aus den Eindrücken der menschlichen Sinne gewonnen. Denn wenn auch der Mensch im Experiment oder in der Beobachtung mit Werkzeugen das erweitert, was die Sinne ihm geben können, so kommt dadurch nichts wesentlich Neues zu den Erfahrungen über die Welt hinzu, in der der Mensch durch seine Sinne lebt.
Aber auch durch das Denken, insofern dieses bei der Erforschung der physischen Welt tätig ist, kommt nichts Neues zu dem sinnenfällig Gegebenen hinzu. Das Denken kombiniert, analysiert usw. die Sinneseindrücke, um zu Gesetzen (Naturgesetzen) zu gelangen; aber es muss sich der Erforscher der Sinneswelt sagen: dieses Denken, das da aus mir hervorquillt, fügt etwas Wirkliches zu dem Wirklichen der Sinneswelt nicht hinzu.
Das aber wird sogleich anders, wenn man nicht bei dem Denken stehen bleibt, zu dem es der Mensch zunächst durch Leben und Erziehung bringt. Man kann dieses Denken in sich verstärken, erkraften. Man kann einfache, leicht überschaubare Gedanken in den Mittelpunkt des Bewusstseins stellen, und dann, mit Ausschluss aller anderen Gedanken, alle Kraft der Seele auf solchen Vorstellungen halten. Wie ein Muskel erstarkt, wenn er immer wieder in der Richtung der gleichen Kraft angespannt wird, so erstarkt die seelische Kraft mit Bezug auf dasjenige Gebiet, das sonst im Denken waltet, wenn sie in der angegebenen Art Übungen macht. Man muss betonen, dass diesen Übungen einfache, leicht überschaubare Gedanken zugrunde liegen müssen. Denn die Seele darf, während sie solche Übungen macht, keinerlei Einflüssen eines halb oder ganz Unbewußten ausgesetzt sein. (Wir können hier nur das Prinzip solcher Übungen angeben; eine ausführliche Darstellung und Anleitung, wie solche Übungen im Einzelnen zu machen sind, findet man in Rudolf Steiners «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», in dessen «Geheimwissenschaft» und in anderen anthroposophischen Schriften.)
Es liegt nahe, den Einwand zu erheben, dass jemand, der sich so mit aller Kraft bestimmten, in den Mittelpunkt des Bewusstseins gerückten Gedanken hingibt, allerlei Autosuggestionen und dergleichen ausgesetzt ist, und dass er einfach in das Gebiet der Einbildung hineinkommt. Allein Anthroposophie zeigt zugleich, wie die Übungen verlaufen müssen, damit dieser Einwand völlig unberechtigt ist. Sie zeigt, wie man innerhalb des Bewusstseins in vollbesonnener Art während des Übens so fortschreitet wie beim Lösen eines arithmetischen oder geometrischen Problems. Wie da das Bewusstsein nirgends ins Unbewusste ausgleiten kann, so auch nicht während des angedeuteten Übens, wenn die anthroposophischen Anleitungen richtig befolgt werden.
Im Verfolge dieses Übens kommt man zu einer Verstärkung der Denkkraft, von der man vorher keine Ahnung hatte. Man fühlt die waltende Denkkraft in sich wie einen neuen Inhalt seines Menschenwesens. Und zugleich mit diesem Inhalt des eigenen Menschenwesens offenbart sich ein Weltinhalt, den man vorher vielleicht geahnt, aber nicht durch Erfahrung gekannt hat. Sieht man einmal in Augenblicken der Selbstbeobachtung auf das gewöhnliche Denken hin, so findet man die Gedanken schattenhaft, blass gegenüber den Eindrücken, die die Sinne geben.
Was man jetzt in der verstärkten Denkkraft wahrnimmt, ist durchaus nicht blass und schattenhaft; es ist vollinhaltlich, konkret-bildhaft; es ist von einer viel intensiveren Wirklichkeit als der Inhalt der Sinneseindrücke. Es geht dem Menschen eine neue Welt auf, indem er auf die angegebene Art die Kraft seiner Wahrnehmungsfähigkeit erweitert hat.
Indem der Mensch in dieser Welt wahrnehmen lernt, wie er früher nur innerhalb der sinnlichen Welt wahrnehmen konnte, wird ihm klar, dass alle Naturgesetze, die er vorher gekannt hatte, nur in der physischen Welt gelten; und dass das Wesen der Welt, die er jetzt betreten hat, darin besteht, dass ihre Gesetze andere, ja die entgegengesetzten gegenüber denen der physischen Welt sind. In dieser Welt gilt nicht das Gesetz der Anziehungskraft der Erde, sondern im Gegenteil, es tritt eine Kraft auf, die nicht von dem Mittelpunkt der Erde nach auswärts wirkt, sondern umgekehrt so, dass ihre Richtung von dem Umkreis des Weltalls her nach dem Mittelpunkt der Erde geht. Und entsprechend ist es mit den andern Kräften der physischen Welt.
In der Anthroposophie wird die durch Übung erlangte Fähigkeit des Menschen, diese Welt zu schauen, die imaginative Erkenntnis-Kraft genannt. Imaginativ nicht aus dem Grunde, weil man es mit «Einbildungen» zu tun habe, sondern weil der Inhalt des Bewusstseins nicht mit Gedankenschatten, sondern mit Bildern erfüllt ist. Und wie man sich durch die Sinneswahrnehmung im unmittelbaren Erleben in einer Wirklichkeit fühlt, so auch in der Seelentätigkeit des imaginativen Erkennens. Die Welt, auf die sich diese Erkenntnis bezieht, wird von der Anthroposophie die ätherische Welt genannt. Es handelt sich dabei nicht um den hypothetischen Äther der gegenwärtigen Physik, sondern um ein wirklich geistig Geschautes. Der Name wird im Einklange mit älteren instinktiven Ahnungen dieser Welt gegeben. Diese haben gegenüber dem, was gegenwärtig klar erkannt werden kann, keinen Erkenntniswert mehr; aber will man etwas bezeichnen, so braucht man Namen.
Innerhalb dieser Ätherwelt ist eine neben der physischen Leiblichkeit des Menschen bestehende ätherische Leiblichkeit wahrnehmbar.
Diese ätherische Leiblichkeit ist etwas, das sich ihrem Wesen nach auch in der Pflanzenwelt findet. Die Pflanzen haben ihren Ätherleib. Die physischen Gesetze gelten tatsächlich nur für die Welt des leblosen Mineralischen.
Die Pflanzenwelt ist auf der Erde dadurch möglich, dass es Substanzen im Irdischen gibt, die nicht innerhalb der physischen Gesetze beschlossen bleiben, sondern die alle physische Gesetzmäßigkeit ablegen und eine solche annehmen können, die dieser entgegengesetzt ist. Die physischen Gesetze wirken wie ausströmend von der Erde; die ätherischen wirken wie von allen Seiten des Weltumfanges auf die Erde zuströmend. Man begreift das Werden der Pflanzenwelt nur, wenn man in ihr das Zusammenwirken des Irdisch-Physischen und des Kosmisch-Ätherischen sieht.
Und so ist es mit Bezug auf den Ätherleib des Menschen. Durch ihn geschieht im Menschen etwas, das nicht in der Fortsetzung des gesetzmäßigen Wirkens der Kräfte des physischen Leibes liegt, sondern das zur Grundlage hat, dass die physischen Stoffe, indem sie in das Ätherische einströmen, sich zuerst ihrer physischen Kräfte entledigen.
Diese im Ätherleibe wirksamen Kräfte betätigen sich im Beginne des menschlichen Erdenlebens – am deutlichsten während der Embryonalzeit – als Gestaltungs- und Wachstumskräfte. Im Verlaufe des Erdenlebens emanzipiert sich ein Teil dieser Kräfte von der Betätigung in Gestaltung und Wachstum und wird Denkkräfte, eben jene Kräfte, die für das gewöhnliche Bewusstsein die schattenhafte Gedankenwelt hervorbringen.
Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind. Im Gestalten und Wachsen des menschlichen Organismus offenbart sich ein Geistiges. Denn dieses Geistige erscheint dann im Lebensverlaufe als die geistige Denkkraft.
Und diese Denkkraft ist nur ein Teil der im Ätherischen webenden menschlichen Gestaltungs- und Wachstumskraft. Der andere Teil bleibt seiner im menschlichen Lebensbeginne innegehabten Aufgabe getreu. Nur weil der Mensch, wenn seine Gestaltung und sein Wachstum vorgerückt, das ist, bis zu einem gewissen Grade abgeschlossen sind, sich noch weiter entwickelt, kann das Ätherisch-Geistige, das im Organismus webt und lebt, im weiteren Leben als Denkkraft auftreten.
So offenbart sich der imaginativen geistigen Anschauung die bildsame (plastische) Kraft als ein Ätherisch-Geistiges von der einen Seite, das von der andern Seite als der Seelen-Inhalt des Denkens auftritt.“
Rudolf Steiner und Ita Wegman in der GA 27 („Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen“), S. 8 ff.

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C.Albert Friedenreich:
Der ganze Mensch ist auf das Denken hin organisiert, und zwar vom Göttergedanken her. Er ist in der Tat ein sinnliches Abbild der Gottheit. und wollen wir die göttliche Weisheit, welche am Menschen geschaffen hat, erfassen, müssen wir uns in unserem Geistig- (Imagination, Inspiration und Intuition) Seelischen (Denken, Fühlen, Wollen) so verwandeln und steigern, dass unser individualisiertes Bewusstsein jenes Urbildliche der Menschheitsschöpfung wieder wahrnehmen kann. Unser interlektuelles Denken, welches nur sinnliche Wahrnehmungen fassen kannist unzureichend. Es gibt uns aber für unsere Zukunftsentwicklung das nötige Selbstbewusstsein, auf dessen Urgrund erst das spirituelle Denken entwickelt werden muss…
Wohl ruht tief im Seelenraum (versteckt!) jenes uralte Götterdenken, wie verzaubert, aber wir müssen es durch geduldiges uns intensivwes Üben unter Beibehaltung des errugenen Selbstbewusstseins erwecken…

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H.Erhard Lauer – Ausschnitt aus: Ein Leben im Frühlicht des Geistes (zum Thema Dreigliederung im Geistigen, Seelischen und Körperlichen):

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Egoismus/Seelenstärke
Nicht dadurch kann der Mensch stark und kräftig werden, daß er vom Morgen bis zum Abend darüber nachbrütet: Was soll ich jetzt denken? Was soll ich jetzt tun? Was tut mir nun wieder weh? – und so weiter, sondern dadurch, daß er auf sein Herz wirken läßt, was an Schönheit und Größe in der ganzen Umgebung ist, daß er Verständnis und Interesse hat für alles, was in andern Herzen warm erglüht, oder was andere Menschen entbehren. In dem Aufsteigenlassen derjenigen Gefühle, welche Verständnis, lebendigen Anteil entwickeln mit unserer Umwelt, bilden wir Lebenskräfte in der Gefühlswelt in uns selber aus. Da überwinden wir den engherzigen Egoismus und erhöhen und bereichern unser Ich, indem wir es in Einklang stellen mit unserer Umwelt.
[…] So lange der Mensch nur wollen kann für sich selber, so lange seine Willensimpulse nur das anstreben, was seinem eigenen Wesen förderlich ist, wird er sich immer in sich unbefriedigt fühlen. Erst wenn er in der Außenwelt sieht das Spiegelbild seines Willensentschlusses, wenn sich da die Verwirklichung seiner Willensimpulse abspielt, kann er sagen, daß er sein Wollen mit dem in Einklang gebracht hat, was in der Umwelt geschieht. Da ist es in der Tat so, daß unsere eigene Stärke und Kraft nicht an dem ausgebildet wird, was wir für uns selber wollen, sondern daß wir wollen für die Umwelt, für die anderen Menschen; daß sich unser Wille realisiert und als Spiegelbild wieder in uns hereinscheint. Wie das Licht das Auge aus uns herausbildet, so bildet sich unsere Seelenstärke aus uns selber heraus durch die Welt unserer Taten, unseres Wirkens.
Rudolf Steiner – GA 58 – Metamorphosen des Seelenlebens/Pfade der Seelenerlebnisse – Erster Teil – Berlin, 25 November 1909 (Seite 235-236)

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Urselbst,
von dem alles ausgegangen,
Urselbst,
Zu dem alles zurückkehrt,
Urselbst,
Das in mir lebt – Zu dir strebe ich hin.
R.Steiner

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Das medizinische Papsttum
Um das Kranksein oder wenigstens um diese oder jene Form des Krankseins kümmert sich ja der Mensch in der Regel erst dann, wenn er von dieser oder jener Krankheit befallen ist, und da interessiert ihn dann im Grunde genommen auch nicht viel anderes als zumeist nur die Heilung, das heißt es interessiert ihn die Tatsache, daß er geheilt werde. Das, wie er geheilt werde, ist ihm zuweilen höchst gleichgültig, und es ist ihm auch höchst angenehm, wenn er sich um dieses «Wie» nicht weiter zu kümmern braucht. Dazu sind ja die da, die dazu von den entsprechenden Stellen eben angestellt sind, so denken die meisten unserer Zeitgenossen. Auf diesem Gebiet herrscht ein viel ärgerer Autoritätsglaube innerhalb unserer Zeitströmung, als er eigentlich auf religiösem Gebiete je geherrscht hat. Das medizinische Papsttum, gleichgültig, wie es sich da oder dort gestaltet, ist ein solches, welches sich bis heute schon in der intensivsten Weise geltend macht und das sich in Zukunft noch viel mehr geltend machen wird.
Rudolf Steiner – GA 107 – Geisteswissenschaftliche Menschenkunde – Berlin, 10 November 1908 (Seite 99)

…wird laufend aktualisiert

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Karma – Gedanken Kurzauszüge
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