Der moderne Mensch kann das vorirdische Dasein nicht wahrnehmen, weil er gar nicht in der Substanz seiner Gedanken, sondern nur in den Gedankenspiegelbildern lebt… R.Steiner

„Dieser Intellektualismus, der auf Gedanken beruht, die ganz und gar von der Entwickelung des physischen Menschenleibes abhängen, bringt eigentlich die ganze Menschheit in Gefahr, von der geistigen Welt abzufallen. Und man kann schon sagen: Wenn die älteren Religionsbekenntnisse von einem Sündenfall in älterer Form sprechen, der mehr als ein moralischer Sündenfall gemeint ist, so muss man von der Gefahr, in die die neuere Menschheit versetzt ist, als von einem intellektualistischen Sündenfall sprechen.
Denn die heute allgemeinen Menschheitsgedanken, denen gegenüber die Menschheit das größte Autoritätsgefühl hat, die sogenannten gescheiten Gedanken der modernen Wissenschaft, diese durchaus intellektualistischen Gebilde sind ganz und gar begründet auf den physischen Menschenleib. Man darf eben nicht glauben, dass, wenn der moderne Mensch denkt, er etwas anderes als den physischen Menschenleib zu Hilfe nimmt. Die Gedanken waren eben in früherer Erdperiode etwas ganz anderes. In früheren Perioden der geschichtlichen Entwickelung kamen die Gedanken der Menschen zugleich mit gewissen spirituellen Schauungen. Spirituelle Schauungen drangen entweder aus dem Kosmos an den Menschen heran, oder aber sie stiegen aus dem Inneren des Menschen auf. Diese spirituellen Schauungen, sie trugen, ich möchte sagen, auf ihren Wogen Gedanken. Das waren geistig gegebene Gedanken, das waren Gedanken, die aus der geistigen Welt dem Menschen geschickt waren, Gedanken, die sich eben dem Menschen offenbarten. Solche Gedanken sind dem Intellektualismus nicht zugänglich.

Wenn man aus der bloßen Logik heraus, nach der ja die moderne Menschheit strebt, sich seine Gedanken selber macht, so ist man dadurch mit seinem Bewusstsein an den physischen Leib gebunden. Nicht, als ob die Gedanken selber aus diesem physischen Leib erstünden, das ist natürlich durchaus nicht der Fall; aber die Kräfte, die in diesen Gedanken wirken, werden dem modernen Menschen nicht bewusst. Er lernt die Gedanken gar nicht in ihrer wahren Wesenheit kennen. Alle Gedanken, die der moderne Mensch schon in der Schule empfangt durch das, was ihm als populäre Wissenschaft übermittelt wird, was in der populären Literatur enthalten ist, alle diese Gedanken sind ihrer eigentlichen Substanz nach, dem nach, was in ihnen lebt, dem modernen Menschen unbekannt. Er kennt sie nur als Spiegelbilder. Der physische Leib ist der Spiegel, und der Mensch lernt nicht erkennen, was in seinen Gedanken eigentlich lebt, sondern er lernt nur das erkennen, was ihm der physische Leib von diesen Gedanken zurückspiegelt. Denn würde der Mensch sich hineinleben in diese Gedanken, dann würde er das vorirdische Dasein wahrnehmen können. Das kann er nicht. Der moderne Mensch kann das vorirdische Dasein nicht wahrnehmen, weil er gar nicht in der Substanz seiner Gedanken, sondern nur in den Gedankenspiegelbildern lebt. Sie sind keine Realitäten, diese Gedanken.

Und das ist gerade das Gefährliche für die moderne Menschheitsentwickelung, dass eigentlich in diesen Gedanken substantiell das Geistige, das Spirituelle, das vorirdische Leben ist, dass aber der Mensch nichts davon weiß, sondern nur von den Spiegelbildern weiß. Dadurch fällt etwas, was eigentlich für die geistige Welt bestimmt ist – denn diese Gedanken sind für die geistige Welt bestimmt, sie wurzeln in der geistigen Welt -, im modernen Menschen ab von der geistigen Welt und spiegelt sich am physischen Leib. Und was da gespiegelt wird, das ist nur die äußere Sinneswelt, so dass man wirklich für die moderne Zeit von einem Sündenfall sprechen könnte, der auf intellektualistischem, intellektuellem Gebiete sich ergibt. Die große Aufgabe der Zeit – wir haben das ja oftmals charakterisiert – besteht gerade darin, dass wiederum Spiritualität, wirklicher Geist auch für das Bewusstsein des Menschen in die Gedankenwelt einzieht. Der Mensch kann sich nicht, wenn er wirklich mit der modernen Welt leben will, seines Intellektualismus entschlagen; aber er muss den Intellektualismus
spiritualisieren, er muss wiederum geistige Substanz in seine Gedanken hineinbringen.

Dadurch, dass dies unsere Aufgabe ist, stellen wir uns in einen Gegensatz zu dem, was die Eingeweihten der alten Ägypter tun mussten. Die Eingeweihten der vorägyptischen Zeit drüben in Asien konnten ohne weiteres, weil die Menschen ein altes Hellsehen hatten, jene Zwischenzustände zwischen Schlafen und Wachen, die bei den Menschen zu finden waren, dazu benützen, um die Mondengeister, die in den Einatmungen der Menschen leben konnten, als ihre Helfer zu haben. Aber während der ägyptischen Entwickelungsperiode verloren die Menschen allmählich das alte Hellsehen, und die Initiierten waren dazu gezwungen, ihren Helfern auf der Erde eine Wohnung zu verschaffen, weil allmählich diese Mondengeister auf der Erde obdachlos geworden sind, wie ich es gestern geschildert habe. Und ich habe Ihnen gesagt, die Wohnungen, welche die ägyptischen Initiierten diesen Mondengeistern verschafften, das waren die mumifizierten Menschenkörper, das waren die Mumien. Die Mumien spielen wirklich dadurch eine denkbar größte Rolle während des dritten nachatlantischen Zeitraums der geschichtlichen Entwickelung. In den Mumien wohnten jene elementarischen Geister, ohne welche die Initiierten auf der Erde in sozialer Beziehung mit den Menschen kaum etwas machen konnten. So dass also das, was in alten Zuständen durchaus möglich war: die in der Einatmung des Menschen lebenden Mondengeister zu Helfern der geistigen Leitung der Erdenentwickelung zu machen, dann ersatzweise, stellvertretend im alten Ägypten durch das bewirkt wurde, was die Elementargeister, die in den Mumien ihre Behausung hatten, bewirkten.

Wir sind heute in der entgegengesetzten Lage. Der Eingeweihte Ägyptens blickte auf eine Vorzeit, für deren Eigentümlichkeiten er einen Ersatz zu schaffen hatte. Wir müssen in die Zukunft blicken, wo wiederum Menschen vorhanden sein werden, welche mit der geistigen Welt leben, Menschen, welche die Impulse ihrer Moralität in ihrem individuellen Charakter tragen, wie ich das in meiner «Philosophie der Freiheit» beschrieben habe, wo ich auseinandergesetzt habe, wie die moralischen Impulse in dem einzelnen Menschen geboren werden und aus dem einzelnen Menschen heraus in die Welt wirken müssen. Das werden sie nur können, wenn die Ausatmung dieser Menschen so gestaltet wird, dass die ausgeatmete Luft die Abbilder dieser Moralität und dieser moralischen Gesinnungen dem äußeren kosmischen Leben einprägt. So wie mit der Einatmung, wie ich es gestern charakterisiert habe, die ätherischen Formen des Kosmos in den Menschen hereinkommen und zur Erhaltung seiner Organe wirken, so muss das, was in dem Menschen selber sich ausbildet, was gewissermaßen als die Form seiner inneren Organe sich loslöst dadurch, dass er ein intellektualistisches Leben führt, so muss das sich in die Ausatmung hinein als Impuls prägen, muss mit der Ausatmungsluft in den äußeren Kosmos kommen.

Und wenn einstmals diese Erde in den Weltenraum zerstäuben wird, dann muss ein Leben vorhanden sein, das zuerst im kosmischen Äther sich dadurch gebildet hat, dass die moralischen Impulse der Menschen, die durch moralische Intuitionen, wie Sie wissen, immer mehr und mehr entstehen müssen, durch die Ausatmungsluft ihre Bilder in den Äther hinausgeschickt haben werden. Dann wird sich eine neue Erde, ein Jupiterplanet, wie ich ihn in meiner «Geheimwissenschaft im Umriss » beschrieben habe, aufbauen aus den verdichteten Formen, welche die Menschen in der Zukunft ausatmen werden. So müssen wir auf eine Menschenzukunft hinschauen, in der die Ausatmung eine hervorragende Rolle spielt, wo der Mensch seiner Ausatmung das anvertraut, wodurch er eine Zukunft bilden soll.

Man könnte hier ein Evangelien-Wort ergänzen. Ich habe öfter von dem Worte des Christus Jesus gesprochen: «Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.» Ich habe darauf hingewiesen, dass damit gemeint ist, dass eben das, was uns physisch einschließlich der heutigen Sternenwelt umgibt, einmal nicht mehr sein wird, das aber, was spirituell aus den Menschenseelen heraus kommt, an dessen Stelle treten wird und die zukünftige Verkörperung der Erde, den Jupiterplaneten, finden wird. Man könnte dieses Christus-Wort so ergänzen: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen -, wenn die Menschen so durchchristet werden, dass sie das, was Christi Worte in den Menschenseelen als moralische Impulse anregen, der ausgeatmeten Luft anvertrauen werden, die dann die neue Welt erbauen wird aus den dem Menschen entspringenden Formen.

Nun sind ungefähr seit dem 4., 5. nachchristlichen Jahrhundert elementarische geistige Wesenheiten aus andern Welten in die Erdenwelt hereingekommen. Diese Wesenheiten waren früher nicht da. Diese Wesenheiten können wir im Gegensatz zu den Mondenwesenheiten, die in der urindischen und in der urpersischen Zeit eine große Rolle gespielt haben und dann später in den Mumien ihre Wohnsitze aufgeschlagen haben, und im Gegensatz zu den Luftdämonen, welche in der griechischen Zeit eine große Rolle gespielt haben und auf die Homer gelauscht hat, diese Wesenheiten können wir im Gegensatz zu den andern die eigentlichen Erdwesenheiten nennen. Diese Wesenheiten, die einstmals gerade die größten Helfer des individuellen Menschen mit seinen individuellen moralischen Impulsen sein werden, die Helfer sein werden im Aufbauen eines neuen Erdenplaneten aus den moralischen Impulsen der Menschen heraus, diese Helfer können wir die Erdgeister nennen, elementarische Erdgeister, denn sie hängen mit dem irdischen Leben innig zusammen. Sie erwarten von dem irdischen Leben, dass sie genügend angeregt werden, um ihre Tätigkeit in der zukünftigen Verkörperung der Erde zu vollführen. Diese Wesenheiten sind, wie gesagt, seit dem 4., 5. nachchristlichen Jahrhundert in die Erdenevolution eingetreten, und ich habe es sowohl in den öffentlichen Vorträgen als sonst betont, wie sich noch Reste des alten Hellsehens, auch nachdem das Mysterium von Golgatha sich abgespielt hatte, erhalten hatten. Da gab es auch noch äußere menschliche Verrichtungen, Kultushandlungen und dergleichen, durch welche diese Wesenheiten, die so in die Erdenentwickelung hereingezogen waren, wenn ich mich trivial ausdrücken darf, ihr Fortkommen fanden. Aber es ist die besondere Tendenz dieser Wesenheiten, den Menschen zu helfen, gewissermaßen recht individuell zu werden, wenn der Mensch eine intensive moralische Idee hat, den ganzen Organismus so zu gestalten, dass diese moralische Idee im Menschen zur Temperamentsanlage, zur Charakteranlage, zur Blutsgestaltung werden kann, so dass man gewissermaßen aus seiner Blutsgestaltung heraus seine moralische Idee, seine ganze moralische Qualität entnehmen
kann.

Bedeutsame Helfer können diese elementarischen Erdwesen gerade für den immer mehr und mehr in die individuelle Freiheit hineinkommenden Menschen werden. Aber ein großes Hindernis haben diese Wesenheiten, ein ungeheures Hindernis. Man kann wirklich nicht anders, wenn man nicht aus Theorien heraus, die niemals völlig ernst zu nehmen sind, sondern aus der wirklichen Lebenspraxis über die spirituelle Welt redet, als dass man über diese spirituellen Wesenheiten so redet, wie man über Menschen redet, denn sie sind wirklich auf der Erde da, wie Menschen auf der Erde da sind. Man kann also schon sagen: Diese Wesenheiten fühlen sich insbesondere beirrt durch das, was menschliche Vererbung ist. Und wenn der Aberglaube der menschlichen Vererbung ganz besonders intensiv wirkt, dann geht das gegen alle inneren Stimmungen und Tendenzen dieser Wesen, die sehr leidenschaftlich sind. Wie gesagt, Sie müssen diese Paradoxie hinnehmen, denn man muss über diese Wesenheiten reden wie über Menschen.
…Was dem modernen Menschen eigen werden muss, das ist eben, dass er loskommt von den vererbten
Eigenschaften, dass er nicht an dem Aberglauben festhält, alles komme nur vom Blute, das von den Ahnen herunterfließt, sondern dass er wirklich zum Gebrauche seiner Individualität kommt, so dass seine moralischen Impulse an ihm als einzelnem Menschen in diesem Erdenleben haften und er schöpferisch, produktiv werden kann durch seine individuellen moralischen Impulse. Dazu dienen diese Wesenheiten und können einmal Helfer werden.

In der heutigen Welt geht es zwar diesen Wesenheiten nicht so, wie es einst den Mondenwesenheiten ging, die obdachlos geworden waren und die deshalb in den Mumien ihre Häuser finden mussten; sondern diesen Wesenheiten, auf die wir als die Hoffnung der Zukunft für die Menschheit hinblicken, geht es so, dass sie zwar unter der Menschheit nicht obdachlos sind, dass sie aber wie verirrte Pilger herumirren und überall Zustände finden, die ihnen nicht angemessen sind. Sie fühlen sich überall zurückgestoßen, am meisten von den Köpfen der Gelehrten. Da wollen sie gar nicht auch nur in die Nähe kommen. Es ist für diese Wesenheiten etwas Ungemütliches auf allen Wegen und Stegen, denn der Glaube an die bloße Allmacht der Materie ist ihnen ganz besonders zuwider. Dieser Glaube an die Allmacht der Materie hängt zusammen mit dem intellektualistischen Sündenfall, mit dem, dass der Mensch an Gedanken festhalten will, die ja im Grunde genommen nichts sind, weil sie nur Spiegelbilder sind, weil der Mensch sich ihres substantiellen Inhalts gar nicht bewusst wird.“

Rudolf Steiner in der GA 216, S. 56 ff.

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