Die Geheimwissenschaft: Vorreden – Charakter / von Rudolf Steiner

Aus: GA 013
Steiner, Rudolf:
Die Geheimwissenschaft im Umriss.

Dornach (CH). Rudolf-Steiner-Verlag, 1962.

Vorbemerkungen und Vorreden – Charakter der Geheimwissenschaft

[16] „Wer es unternimmt, geisteswissenschaftliche Ergebnisse solcher Art darzustellen, wie sie in diesem Buche aufgezeichnet sind, der muß vor allen Dingen damit rechnen, daß diese Art gegenwärtig in weitesten Kreisen als eine unmögliche angesehen wird. Werden doch in den folgenden Ausführungen Dinge gesagt, von welchen ein in unserer Zeit als streng geltendes Denken behauptet, daß sie «für menschliche Intelligenz vermutlich überhaupt unentscheidbar bleiben».

Wer die Gründe kennt und zu würdigen weiß, welche manche ernste Persönlichkeit dazu führen, solche Unmöglichkeit zu behaupten, der möchte immer wieder von neuem den Versuch machen, zu zeigen, auf welchen Mißverständnissen der Glaube beruht, daß dem menschlichen Erkennen ein Eindringen in die übersinnlichen Welten versagt sei.

Denn zweierlei liegt vor.
Erstens
wird sich auf die Dauer keine menschliche Seele bei tieferem Nachdenken vor der Tatsache verschließen können, daß ihre wichtigsten Fragen nach Sinn und Bedeutung des Lebens unbeantwortet bleiben müßten, wenn es einen Zugang zu übersinnlichen Welten nicht gäbe. Man kann sich theoretisch über diese Tatsache hinwegtäuschen; die Tiefen des Seelenlebens gehen aber mit dieser Selbsttäuschung nicht mit. – Wer auf diese Seelentiefen nicht hinhören will, der wird Ausführungen über die übersinnlichen Welten naturgemäß ablehnen.
Doch gibt es eben Menschen, deren Zahl wahrhaft nicht gering ist, welche unmöglich sich taub gegen die Forderungen dieser Tiefen verhalten können. Sie müssen stets an die Pforten klopfen, welche nach der Meinung der anderen das «Unfaßbare» verschließen. [17]
Zweitens, es sind die Darlegungen des «strengen Denkens» keineswegs gering zu achten. Wer sich mit ihnen beschäftigt, der wird da, wo sie ernst zu nehmen sind, diesen Ernst durchaus mitfühlen. Der Schreiber dieses Buches möchte nicht als ein solcher angesehen werden, der leichten Herzens sich hinwegsetzt über die gewaltige Gedankenarbeit, die aufgewendet worden ist, um die Grenzen des menschlichen Intellektes zu bestimmen. Diese Gedankenarbeit läßt sich nicht abtun mit einigen Redensarten über «Schulweisheit» und dergleichen. So wie sie in vielen Fällen auftritt, hat sie ihren Quell in wahrem Ringen der Erkenntnis und in echtem Scharfsinn. – Ja, es soll noch vielmehr zugegeben werden: es sind Gründe dafür vorgebracht worden, daß diejenige Erkenntnis, welche gegenwärtig als wissenschaftlich gilt, nicht in die übersinnlichen Welten vordringen kann, und diese Gründe sind in gewissem Sinne unwiderleglich.

Weil dies von dem Schreiber dieses Buches ohne weiteres selbst zugegeben wird, deshalb kann es manchem ganz sonderbar erscheinen, daß er es nun doch unternimmt, Ausführungen zu machen, die sich auf übersinnliche Welten beziehen. Es scheint ja fast ausgeschlossen zu sein, daß jemand die Gründe für die Unerkennbarkeit der übersinnlichen Welten in gewissem Sinne gelten läßt und dennoch von diesen übersinnlichen Welten spricht.

Und doch kann man sich so verhalten. Und man kann zugleich begreifen, daß dieses Verhalten als widerspruchsvoll empfunden wird. Es läßt sich eben nicht jedermann auf die Erfahrungen ein, welche man macht, wenn man mit dem menschlichen Verstande an das übersinnliche Gebiet heranrückt.
Da stellt sich heraus, daß die Beweise dieses Verstandes wohl unwiderleglich sein können; und daß sie trotz ihrer [18] Unwiderleglichkeit für die Wirklichkeit nicht entscheidend zu sein brauchen. Statt aller theoretischen Auseinandersetzungen sei hier versucht, durch einen Vergleich eine Verständigung herbeizuführen. Daß Vergleiche selbst nicht beweisend sind, wird dabei ohne weiteres zugegeben; doch hindert dies nicht, daß sie oft verständlich machen, was ausgedrückt werden soll.

Das menschliche Erkennen, so wie es im alltäglichen Leben und in der gewöhnlichen Wissenschaft arbeitet, ist wirklich so beschaffen, daß es in die übersinnlichen Welten nicht eindringen kann. Dies ist unwiderleglich zu beweisen;
allein dieser Beweis kann für eine gewisse Art des Seelenlebens keinen anderen Wert haben als derjenige, welchen jemand unternehmen wollte, um zu zeigen, daß das natürliche Auge des Menschen mit seinem Sehvermögen nicht bis zu den kleinen Zellen eines Lebewesens oder bis zur Beschaffenheit ferner Himmelskörper vordringen kann.

So richtig und beweisbar die Behauptung ist: das gewöhnliche Sehvermögen dringt nicht bis zu den Zellen, so richtig und beweisbar ist die andere, daß das gewöhnliche Erkennen nicht in die übersinnlichen Welten eindringen könne. Und doch entscheidet der Beweis, daß das gewöhnliche Sehvermögen vor den Zellen haltmachen muß, nichts gegen die Erforschung der Zellen. Warum sollte der Beweis, daß das gewöhnliche Erkenntnisvermögen vor den übersinnlichen Welten haltmachen muß, etwas gegen die Erforschung dieser Welten entscheiden?…

Daß ich dem Buche den Titel Geheimwissenschaft» gegeben habe, hat sogleich Mißverständnisse hervorgerufen. Von mancher Seite wurde gesagt, was «Wissenschaft» sein will, darf nicht «geheim» sein. Wie wenig bedacht war ein solcher Einwand.
Als ob jemand, der einen Inhalt veröffentlicht, mit diesem «geheim» tun wolle. Das ganze Buch zeigt, daß nichts als «geheim» bezeichnet, sondern eben in eine solche Form gebracht werden sollte, daß es verständlich sei wie nur irgendeine «Wissenschaft». Oder will man, wenn man das Wort «Naturwissenschaft» gebraucht, nicht andeuten, daß es sich um Wissen von der «Natur» handelt? Geheimwissenschaft ist Wissenschaft von dem, was sich insoferne im «Geheimen» abspielt, als es nicht draußen in der Natur wahrgenommen wird, sondern da, wohin die Seele sich orientiert, wenn sie ihr Inneres nach dem Geiste richtet.

«Geheimwissenschaft» ist Gegensatz von «Naturwissenschaft».

Meinen Schauungen in der geistigen Welt hat man immer wieder entgegengehalten, sie seien veränderte Wiedergaben dessen, was im Laufe älterer Zeit an Vorstellungen der Menschen über die Geist-Welt hervorgetreten ist. Man sagte, ich hätte mancherlei gelesen, es ins Unterbewußte aufgenommen und dann in dem Glauben, es entspringe aus dem eigenen Schauen, zur Darstellung gebracht. Aus gnostischen [12] Lehren, aus orientalischen Weisheitsdichtungen und so weiter soll ich meine Darstellungen gewonnen haben.
Man ist, indem man dieses behauptet hat, mit den Gedanken ganz an der Oberfläche geblieben.
Meine Erkenntnisse des Geistigen, dessen bin ich mir voll bewußt, sind Ergebnisse eigenen Schauens. Ich hatte jederzeit bei allen Einzelheiten und bei den großen Übersichten mich streng geprüft, ob ich jeden Schritt im schauenden Weiterschreiten so mache, daß vollbesonnenes Bewußtsein diese Schritte begleite. Wie der Mathematiker von Gedanke zu Gedanke schreitet, ohne daß Unbewußtes, Autosuggestion und so weiter eine Rolle spielen, so – sagte ich mir – muß geistiges Schauen von objektiver Imagination zu objektiver Imagination schreiten, ohne daß etwas anderes in der Seele lebt als der geistige Inhalt klar besonnenen Bewußtseins…

Wer über die Bedeutung der Naturwissenschaft im menschlichen Leben Überlegungen anstellt, der wird finden, daß diese Bedeutung nicht erschöpft sein kann mit der Aneignung von Naturerkenntnissen. Denn diese Erkenntnisse können nie und nimmer zu etwas anderem führen als zu einem Erleben desjenigen, was die Menschenseele selbst nicht ist. Nicht in dem lebt das Seelische, was der Mensch an der [37] Natur erkennt, sondern in dem Vorgang des Erkennens. In ihrer Betätigung an der Natur erlebt sich die Seele. Was sie in dieser Betätigung lebensvoll sich erarbeitet, das ist noch etwas anderes als das Wissen über die Natur selbst. Das ist an der Naturerkenntnis erfahrene Selbstentwickelung. Den Gewinn dieser Selbstentwickelung will die Geheimwissenschaft bestätigen auf Gebieten, die über die bloße Natur hinausliegen. Der Geheimwissenschafter will den Wert der Naturwissenschaft nicht verkennen, sondern ihn noch besser anerkennen als der Naturwissenschafter selbst. Er weiß daß er ohne die Strenge der Vorstellungsart, die in der Naturwissenschaft waltet, keine Wissenschaft begründen kann. Er weiß aber auch, daß, wenn diese Strenge durch ein echtes Eindringen in den Geist des naturwissenschaftlichen Denkens erworben ist, sie festgehalten werden kann durch die Kraft der Seele für andere Gebiete…

Diese Ausführungen richten sich an Leser, welche sich ihre Unbefangenheit nicht dadurch nehmen lassen, daß ein Wort durch verschiedene Umstände Vorurteile hervorruft. Von einem Wissen, das in irgendeiner Beziehung als ein «geheimes», nur durch besondere Schicksalsgunst für manchen zugängliches, gelten soll, wird hier nicht die Rede sein.

Man wird dem hier gemeinten Wortgebrauche gerecht werden, wenn man an dasjenige denkt, was Goethe im Sinne hat, wenn er von den «offenbaren Geheimnissen» in den Welterscheinungen spricht. Was in diesen Erscheinungen «geheim», unoffenbar bleibt, wenn man sie nur durch die Sinne und den an die Sinne sich bindenden Verstand erfaßt, das wird als der Inhalt einer übersinnlichen Erkenntnisart angesehen.

(1) Wer als «Wissenschaft» nur gelten läßt, was [35] durch die Sinne und den ihnen dienenden Verstand offenbar wird, für den kann selbstverständlich das hier als «Geheimwissenschaft» Gemeinte keine Wissenschaft sein. Ein solcher müßte aber, wenn er sich selbst verstehen wollte, zugeben, daß er nicht aus einer begründeten Einsicht heraus, sondern durch einen seinem rein persönlichen Empfinden entstammenden Machtspruch eine «Geheimwissenschaft» ablehnt. Um das einzusehen, hat man nur nötig, Überlegungen darüber anzustellen, wie Wissenschaft entsteht und welche Bedeutung sie im menschlichen Leben hat.

Das Entstehen der Wissenschaft dem Wesen nach erkennt man nicht an dem Gegenstande, den die Wissenschaft ergreift man erkennt es an der im wissenschaftlichen Streben auftretenden Betätigungsart der menschlichen Seele. Wie sich die Seele verhält, indem sie Wissenschaft sich erarbeitet, darauf hat man zu sehen.

Eignet man sich die Gewohnheit an, diese Betätigungsart nur dann ins Werk zu setzen, wenn die Offenbarungen der Sinne in Betracht kommen, dann gerät man leicht auf die Meinung, diese Sinnesoffenbarung sei das Wesentliche.
Und man lenkt dann den Blick nicht darauf, daß ein gewisses Verhalten der menschlichen Seele eben nur auf die Sinnesoffenbarung angewendet worden ist.
Aber man kann über diese willkürliche Selbstbeschränkung hinauskommen und, abgesehen von dem besonderen Falle der Anwendung, den Charakter der wissenschaftlichen Betätigung [36] ins Auge fassen. Dies liegt zugrunde, wenn hier für die Erkenntnis nichtsinnlicher Weltinhalte als von einer «wissenschaftlichen» gesprochen wird. An diesen Weltinhalten will sich die menschliche Vorstellungsart so betätigen, wie sie sich im andern Falle an den naturwissenschaftlichen Weltinhalten betätigt.

Geheimwissenschaft will die naturwissenschaftliche Forschungsart und Forschungsgesinung, die auf ihrem Gebiete sich an den Zusammenhang und Verlauf der sinnlichen Tatsachen hält, von dieser besonderen Anwendung loslösen, aber sie in ihrer denkerischen und sonstigen Eigenart festhalten. Sie will über Nichtsinnliches in derselben Art sprechen, wie die Naturwissenschaft über Sinnliches spricht.

Während die Naturwissenschaft im Sinnlichen mit dieser Forschungsart und Denkweise stehenbleibt, will Geheimwissenschaft die seelische Arbeit an der Natur als eine Art Selbsterziehung der Seele betrachten und das Anerzogene auf das nichtsinnliche Gebiet anwenden.

Sie will so verfahren, daß sie zwar nicht über die sinnlichen Erscheinungen als solche spricht, aber über die nichtsinnlichen Weltinhalte so, wie der Naturforscher über die sinnenfälligen. Sie hält von dem naturwissenschaftlichen Verfahren die seelische Verfassung innerhalb dieses Verfahrens fest, also gerade das, durch welches Naturerkenntnis Wissenschaft erst wird. Sie darf sich deshalb als Wissenschaft bezeichnen.

Wer über die Bedeutung der Naturwissenschaft im menschlichen Leben Überlegungen anstellt, der wird finden, daß diese Bedeutung nicht erschöpft sein kann mit der Aneignung von Naturerkenntnissen. Denn diese Erkenntnisse können nie und nimmer zu etwas anderem führen als zu einem Erleben desjenigen, was die Menschenseele selbst nicht ist.
Nicht in dem lebt das Seelische, was der Mensch an der [37] Natur erkennt, sondern in dem Vorgang des Erkennens. In ihrer Betätigung an der Natur erlebt sich die Seele. Was sie in dieser Betätigung lebensvoll sich erarbeitet, das ist noch etwas anderes als das Wissen über die Natur selbst.

Das ist an der Naturerkenntnis erfahrene Selbstentwickelung. Den Gewinn dieser Selbstentwickelung will die Geheimwissenschaft bestätigen auf Gebieten, die über die bloße Natur hinausliegen. Der Geheimwissenschafter will den Wert der Naturwissenschaft nicht verkennen, sondern ihn noch besser anerkennen als der Naturwissenschafter selbst. Er weiß daß er ohne die Strenge der Vorstellungsart, die in der Naturwissenschaft waltet, keine Wissenschaft begründen kann.

Er weiß aber auch, daß, wenn diese Strenge durch ein echtes Eindringen in den Geist des naturwissenschaftlichen Denkens erworben ist, sie festgehalten werden kann durch die Kraft der Seele für andere Gebiete.

Etwas, was bedenklich machen kann, tritt dabei allerdings auf. In der Betrachtung der Natur wird die Seele durch den betrachteten Gegenstand in einem viel stärkeren Maße geleitet als in derjenigen nichtsinnlicher Weltinhalte. In dieser muß sie in einem höheren Maße aus rein inneren Impulsen heraus die Fähigkeit haben, das Wesen der wissenschaftlichen Vorstellungsart festzuhalten. Weil sehr viele Menschen – unbewußt – glauben, daß nur an dem Leitfaden der Naturerscheinungen dieses Wesen festgehalten werden kann, sind sie geneigt, durch einen Machtspruch sich dahin zu entscheiden; sobald dieser Leitfaden verlassen wird, tappt die Seele mit ihrem wissenschaftlichen Verfahren im Leeren. Solche Menschen haben sich die Eigenart dieses Verfahrens nicht zum Bewußtsein gebracht; sie bilden sich ihr Urteil zumeist aus den Verirrungen, die entstehen [38] müssen, wenn die wissenschaftliche Gesinnung an den Naturerscheinungen nicht gefestigt genug ist und trotzdem die Seele sich an die Betrachtung des nichtsinnlichen Weltgebietes begeben will. Da entsteht selbstverständlich viel unwissenschaftliches Reden über nichtsinnliche Weltinhalte. Aber nicht deswegen, weil solches Reden seinem Wesen nach nicht wissenschaftlich sein kann, sondern weil es, im besonderen Falle, an der wissenschaftlichen Selbsterziehung durch die Naturbeobachtung hat fehlen lassen…


INHALT

Vorbemerkungen und Vorreden
I. Charakter der Geheimwissenschaft
II. Wesen der Menschheit
III. Schlaf und Tod
IV. Die Weltentwicklung und der Mensch
V. Die Erkenntnis der höheren Welten (von der Einweihung oder Initiation)
VI. Gegenwart und Zukunft der Welt- und Menschheitsentwicklung
Einzelheiten aus dem Gebiet der Geisteswissenschaft
Der Ätherleib des Menschen
Die astralische Welt
Vom Leben des Menschen nach dem Tode
Der Lebenslauf des Menschen
Die höheren Gebiete der geistigen Welt
Die Wesensglieder des Menschen
Der Traumzustand
Zur Erlangung übersinnlicher Erkenntnisse
Beobachtung besonderer Ereignisse und Wesen der Geisteswelt
Besondere Anmerkungen

Aus:
GA 013 Die Geheimwissenschaft

s. dazu auch:

„…Und ich möchte auf die Frage: Worin besteht denn nun der Unterschied zwischen der modernen Naturwissenschaft und dem, was ich in meinem Buche «Geheimwissenschaft» gegeben habe antworten: Der Unterschied besteht darinnen, daß der moderne Naturdenker nur an das Ich sich wenden kann, sofort ins Träumen kommt, wenn er aus dem Ich herauskommt, und ich konnte dem Astralleib sagen, was die Naturforscher für Vorstellungen haben; dadurch konnte der Astralleib hineindringen in die Welten, die ich zu beschreiben hatte:“

STEINERS „abnorme Wege“ in die geistige Welt
Die Benutzung naturwissenschaftlicher Vorstellungen für den Erkenntnisweg

„Nun, ich kann ja sagen, ich habe manchen solchen Initiaten kennengelernt, kennengelernt, wie solche Geister vordringen in die Mondensphäre, und wie sie uninteressiert werden, wenn man weiterkommen will. Wenn ich also – es ist das ja in den Jahren 1906 bis 1909 geschehen – in meinem Buche «Geheimwissenschaft im Umriß» beschrieben habe die Erde in ihrer früheren Inkorporation Mond, in ihrer früheren (GA243 Seite: 183) Inkorporation Sonne, in ihrer früheren Inkorporation Saturn, so finden Sie, daß ich da nicht bei der Mondeninkorporation Halt gemacht habe, sondern weitergegangen bin, zurück bis zum Saturn; wogegen alle die Initiaten, die von diesen Dingen sprachen, Halt machten zwischen Mond und Sonne, eigentlich nur zurückgingen bis zur Mondensphäre. Sie wurden uninteressiert, sogar zuweilen unruhig, wenn man an sie die Zumutung stellte, da weiter zurückzudringen. Das kann man nicht, sagten sie, da kommt man an eine Grenze, wo ein Schleier ist, über den man nicht hinauskommt.

Es war natürlich außerordentlich wichtig und auch interessant, zu sehen, woran das liegt. Sehen Sie, das liegt daran, daß solche Initiaten wenn man sie gut kennenlernte, bemerkte man das bald – einen Widerwillen hatten, eine Antipathie hatten gegen das Kennenlernen derjenigen Vorstellungsformen, welche sich auf die neuere Naturwissenschaft beziehen. Man konnte sogar die Erfahrung machen, wenn man Vorstellungen, wie sie im Darwinismus, Haeckelismus und so weiter leben, an diese Initiaten heranbrachte, daß sie ganz unwillig wurden, das als kindisch, als tölpelhaft von dem modernen Menschen betrachteten, und sich nicht damit befassen wollten. Brachte man Goethesche Vorstellungen an sie heran, dann waren sie anfangs nicht so unwillig, aber sie fanden doch, der drückt sich auch so aus, wie sich ein Naturforscher der neueren Zeit ausdrückt. Und dann schmissen sie die Sache auch weg.

Kurz, man kam mit diesen Vorstellungen an diese Initiaten gar nicht heran. Und erst als ich in diesen Jahren 1906 bis 1909 einfach die modernen naturwissenschaftlichen Vorstellungen der [eigenen] Seele imprägnierte, um sie in die Region zu bringen, wo sonst die Imaginationen sitzen, war es mir möglich, vorzudringen bis Sonne und Saturn. Ich benutze also diese naturwissenschaftlichen Vorstellungen nicht, um mit ihnen so zu erkennen, wie Haeckel oder Huxley erkannten, sondern ich benutze sie als innerliche Aktivität, um über diese Begrenzung hinauszukommen, der die Initiaten in
d e r Zeit unterlagen, als eine neuere naturwissenschaftliche Denkungsart noch nicht vorhanden war, und man daher nur innerlich durch Imprägnieren der Traumwelt mit Imaginationen in das höhere Bewußtsein hineinkam. (GA 243 Seite: 184)

Es ist also hier zur Abfassung meiner «Geheimwissenschaft» der Versuch gemacht worden, die ganz bewußte Vorstellungswelt, die sich sonst nur auf äußerliche Naturgegenstände bezieht, innerlich zu nehmen und damit die imaginative Welt zu imprägnieren. Da ergab sich dann die Möglichkeit, in diese ganze Kette: Saturn, Sonne, Mond einzudringen. Da kam man dann darauf, dasjenige auf Erden zu erforschen, was auch die alten Initiaten hatten.

… Und wenn man etwas getadelt hat an meiner «Geheimwissenschaft», so ist es das, daß sie wie ein mathematisches Lehrbuch geschrieben ist, daß ich nichts Subjektives versuchte hineinzubringen, sondern diesen ganzen Gang, wie ich ihn jetzt erzählte, mit einer mathematischen Kühle geschrieben habe. Aber er ist so. Er ist dadurch zustande gekommen, daß man die Denkungsweise, die seit Kopernikus, Galilei und so weiter da ist, die von Goethe so sehr vertieft worden ist, in dieselbe Seelenverfassung hineingetragen hat, die man sonst bei der Imagination hat. Dadurch konnte man dieses Gebiet, das immer den Initiaten zugänglich war, eben nach vorne hin, in der Zeit nach vorne hin bis zum Saturn hineintragen.

So sehen Sie vielleicht an diesem Beispiel, wie es darauf ankommt, in diesen Dingen nicht nebulos, sondern ganz klar und besonnen vorzugehen, eben gerade Besonnenheit hineinzutragen da, wo sonst leicht die Besinnungslosigkeit beginnt. So haben wir also hier das Beispiel, wo das Traumleben, das sonst nur das Ich ergreift, den astralischen Leib ergreift.

Und ich möchte auf die Frage: Worin besteht denn nun der Unterschied zwischen der modernen Naturwissenschaft und dem, was ich in meinem Buche «Geheimwissenschaft» gegeben habe antworten: Der Unterschied besteht darinnen, daß der moderne Naturdenker nur an das Ich sich wenden kann, sofort ins Träumen kommt, wenn er aus dem Ich herauskommt, und ich konnte dem Astralleib sagen, was die Naturforscher für Vorstellungen haben; dadurch konnte der Astralleib hineindringen in die Welten, die ich zu beschreiben hatte.

Das ist ein Weg, der Ihnen ganz exakt beschrieben werden kann und der Ihnen, als Beispiel, als Exempel vielleicht viel genauer zeigen wird, wie die richtigen Wege sind gegenüber den falschen, als irgend etwas anderes.“ (GA 243 S.185)

RUDOLF STEINER
INITIATENBEWUSSTSEIN
GA 243 Seite: 183-185.
NEUNTER VORTRAG Torquay, 20. August 1924

+++

Evolution – war alles ganz anders? – Armin Risi
hier weiter

„Vertiefung des spirituellen Erlebens“ – ein Kurzvid zum Thema: „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten“
hier weiter

…mehr Kurztexte von R.Steiner
hier weiter

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*