PFINGSTEN, DAS FEST DER BEFREIUNG DES MENSCHENGEISTES / Rudolf Steiner

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Es wird dringend empfohlen, sich vorab mit Grundlagenthemen der Anthroposophie zu beschäftigen!
Z.B.: hier weiter

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Auszüge aus nachfolgendem Kurztext:

Was ich nun heute sagen werde, entstammt einer alten okkulten Tradition. Der Stoff kann natürlich heute nicht erschöpft…
Das Pfingstfest ist eines der bedeutendsten und am schwersten verständlichen Feste. Im christlichen Bewußtsein erinnert es an die Aus-gießung des Heiligen Geistes…
Wer eine okkulte Schulung durchgemacht hat, wer forschen kann auf diesem Gebiete, der weiß, was Devas sind.
…Wesenheiten, die auch nur zweifacher Natur sind: den Asuras…
Es ist nur eine gewisse Zeitspanne in der irdischen Entwickelung, innerhalb welcher der Mensch sich wiederverkörpert. Vorausgegangen war ein überaus geistiger Zustand, der keine Wiederverkörperung nötig machte, und folgen wird wiederum ein geistiger Zustand, der auch keine Wiederverkörperung bedingt…
…die Genesis bezeichnet diese spätere Inkarnierung als den «Fall» des Menschen, den Sündenfall.
In Schmerzen sollst du Kinder gebären, im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen -, und so weiter. Das heißt nichts anderes als: der Mensch muß sich selbst mit Hilfe der Kultur wieder hochbringen.
In der menschlichen Natur selbst liegt jene satanische Auflehnung, die als luziferisches Streben aber die Gewähr für unsere Freiheit überhaupt ist…
Diese physische Natur muß wieder verklärt werden, so daß sie das spirituelle Leben aufnehmen kann. Des Menschen physiologisches Bewußtsein, der physische Leib, wie er heute lebt, soll selbst den Funken des spirituellen Lebens in Freiheit in sich entzünden…
Der Mensch lebt zunächst in seinem niederen Organismus, in dem von den Wünschen durchdrungenen Bewußtsein. Er soll darin leben, denn nur dieses Bewußtsein konnte ihm die zielsichere Freiheit geben. Aber er darf nicht darinnenbleiben, sondern soll sein Ich heraufheben zu der Devanatur…
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Aus GA 93:
RUDOLF STEINER
Die Tempellegende und die Goldene Legende als symbolischer Ausdruck vergangener und zukünftiger Entwickelungsgeheimnisse des Menschen
Aus den Inhalten der Esoterischen Schule
Zwanzig Vorträge – gehalten in Berlin zwischen dem 23. Mai 1904 und dem 2. Januar 1906

Vortrag – tls. etwas gekürzt:
PFINGSTEN, DAS FEST DER BEFREIUNG DES MENSCHENGEISTES
Berlin, Pfingstmontag, 23. Mai 1904

Hinweis: Steiner benutzte anfangs das Wort: „Theosophie“. Dies sollte grundsätzlich mit dem Wort: „Anthroposophie“ ersetzt werden…

…Was ich nun heute sagen werde, entstammt einer alten okkulten Tradition. Der Stoff kann natürlich heute nicht erschöpft werden. Manches wird sogar unglaubhaft erscheinen. Ich bitte daher, die heutige Stunde als eine Episode zu betrachten, in der nichts bewiesen, sondern einfach Dinge erzählt werden sollen.
Die Menschen feiern heutzutage ihre Feste, ohne so recht eine Ahnung davon zu haben, was solche Feste bedeuten. In den Zeitungen, die für einen großen Teil unserer gegenwärtigen Zeitgenossen die eigentliche Quelle der Bildung und Aufklärung bedeuten, kann man die mannigfaltigsten Artikel über solche Feste lesen, ohne daß bei den Schreibern irgendein Bewußtsem vorhanden ist, – was solch ein Fest zu bedeuten hat. Aber für Theosophen ist es notwendig, wieder auf die innere Bedeutung hinzuweisen. Und so möchte ich heute hinweisen auf die Anfangskeime eines solchen uralten Festes, auf den Ursprung des Pfingstfestes.

Das Pfingstfest ist eines der bedeutendsten und am schwersten verständlichen Feste. Im christlichen Bewußtsein erinnert es an die Aus-gießung des Heiligen Geistes. Dieses Ereignis wird uns beschrieben als eine Wundergeschichte: über die Jünger und die Apostel Christi habe sich der Heilige Geist ergossen, so daß sie anfingen, in allen möglichen Zungen zu sprechen. Das heißt, daß sie zu jedem Herzen den Zugang fanden und je nach dem Verständnis der Menschen sprechen konnten. Das ist eine Bedeutung des Pfingstfestes. Wenn wir es aber gründlicher verstehen wollen, müssen wir viel tiefer gehen. Das Pfingstfest – als symbolisches Fest – hängt mit den tiefsten Mysterien, mit den heiligsten geistigen Gütern der Menschheit zusammen. Deshalb ist es so schwer, darüber zu sprechen. Wenigstens auf einiges möchte ich indessen heute doch hindeuten.

Wofür eigentlich das Pfingstfest Symbol ist, was dem Pfingstfest zugrunde liegt, was es im tieferen Sinne bedeutet, das ist nur aufgeschrieben in einem Manuskript, das sich im Vatikan, in der Vatikanischen Bibliothek befindet und in der sorgfältigsten Weise behütet wird. In diesem Manuskript ist allerdings nicht von dem Pfingstfest, wohl aber von dem gesprochen, wofür das Pfingstfest nur das äußere Symbol ist. Dieses Manuskript hat wohl kaum jemand gesehen, der nicht in die tiefsten Geheimnisse der katholischen Kirche eingeweiht war oder es im Astrallichte zu lesen vermochte. Eine Kopie davon besitzt eine Persönlichkeit, welche von der Welt sehr verkannt worden ist, die aber heute für den Geschichtsbetrachter anfängt interessant zu werden. Ich könnte auch ebenso sagen «hat besessen» statt «besitzt», aber es entstände eine Unklarheit dadurch. Deshalb sage ich: eine Kopie besitzt der Graf von Samt-Germain, von dem wohl die einzigen Mitteilungen stammen, die es in der Welt davon gibt.

Ich möchte im Sinne der Theosophie nur andeutungsweise einiges darüber sagen. Wir werden da zu etwas geführt, was tief zusammenhängt mit der Evolution, mit der Entwickelung der Menschheit in der fünften Wurzelrasse. Der Mensch hat ja diejenige Form, die er heute an sich trägt, in der dritten Wurzelrasse, der alten lemurischen Zeit bekommen, sie weitergebildet durch die vierte Wurzelrasse, die Zeit der alten Atlantis, und ist dann mit dem Resultat in die fünfte Wurzelrasse eingetreten. Wer meine Atlantis-Vorträge gehört hat, wird sich erinnern, daß bei den Griechen noch eine lebhafte Erinnerung an jene Zeit vorhanden war.

Zur Orientierung müssen wir einen kurzen Einblick gewinnen in zwei Strömungen innerhalb unserer fünften Wurzelrasse, die als verborgene Kräfte in den Gemütern lebendig sind und vielfach miteinander streiten: die eine Strömung findet sich am reinsten und klarsten ausgeprägt in dem, was wir die ägyptische, indische und südeuropäische Weltanschauung nennen. Alles spätere Judentum und auch das Christentum enthält etwas davon. Das hat sich aber andererseits in unserem Europa wiederum vermischt mit der anderen Strömung, die in derjenigen Weltanschauung lebt, die wir im alten Persien finden und die wir – wenn wir nicht auf das hören, was uns die Anthropologen und Etymologen sagen, sondern wenn wir auf die Sache tiefer eingehen – wiederfinden können von Persien westwärts sich hinziehend bis zu den Regionen der Germanen.
Von diesen zwei Strömungen möchte ich behaupten, daß sie auf zwei wichtige, zwei große spirituelle Intuitionen hindeuten, die ihnen zugrunde liegen. Die eine ist am reinsten aufgegangen den uralten Rishis. Ihnen ging auf die Intuition höhergearteter Wesen: der sogenannten Devas. Wer eine okkulte Schulung durchgemacht hat, wer forschen kann auf diesem Gebiete, der weiß, was Devas sind. Diese rein spirituellen Wesenheiten, die im Astral- und Mentalraum leben, haben eine zweifache Natur, während die Menschen eine dreifache Natur haben. Denn der Mensch besteht aus Leib, Seele und Geist. Die Devanatur aber besteht – soweit wir sie verfolgen können – nur aus Seele und Geist. Sie mag noch andere Glieder haben, aber wir können sie selbst mit okkulter Schulung nicht .verfolgen. Ein Deva hat in seinem Inneren unmittelbar den Geist. Der Deva ist ein seelenbegabter Geist. Was Sie beim Menschen nicht sehen können, nämlich die Begierden, Triebe, Leidenschaften und Wünsche, die in ihm leben, die aber für den, der seine spirituellen Sinne erschlossen hat, wahrnehmbar sind als Lichterscheinungen, diese Seelenkräfte, dieser Seelenleib des Menschen, der für den Menschen sein Inneres ist und getragen wird von unserem physischen Leib, das ist der unterste Leib der Devas. Wir können ihn als ihren Körper ansehen. Die indische Intuition ging vorzugsweise auf die Verehrung dieser Devas. Der Inder sieht diese Devas überall. Er sieht sie als die schaffenden Kräfte, wenn er hinter die Kulissen unserer Welterscheinungen blickt. Diese Intuition liegt dem südlichen Weltanschauungsgürtel zugrunde. In der Weltanschauung Ägyptens kommt sie groß und gewaltig zum Ausdruck.

Die andere Intuition liegt der alten persischen Mystik zugrunde und rührte zur Verehrung von Wesenheiten, die auch nur zweifacher Natur sind: den Asuras. Diese haben auch das, was wir Seele nennen; aber in großartiger, titanenhafter Weise haben sie ausgebildet den physischen Leib, der ein Seelenorgan einschließt. Die indische Weltanschauung, die an der Devaverehrung festhält, sieht diese Asuras als etwas Untergeordnetes an, während diejenigen, die sich zum nördlichen Weltanschauungsgürtel bekannten, mehr an den Asuras hingen, an der physischen Natur. Daher hatte sich auch hier besonders der Drang ausgebildet, die Welt der Sinneserscheinungen in materieller Weise zu beherrschen, die Welt der Wirklichkeit durch die bis ins Höchste gehende Vervollkommnung der Technik, durch physische Künste und dergleichen zu beherrschen. Heute gibt es keine Menschen mehr, die an der Asuraverehrung festhalten; aber viele unter uns gibt es noch, die etwas von dieser Natur in sich haben. Von daher rührt der Zug nach der materiellen Seite des Lebens und das ist der Grundzug des nördlichen Weltanschauungsgürtels. Wer sich zu rein materialistischen Grundsätzen bekennt, kann sicher sein, daß er in seiner Natur etwas hat, was von diesen Asuras herrührt.
Innerhalb der Bekenner der Asuras entwickelte sich dann ein eigentümliches Grundgefühl. Es sproßte zuerst im persischen Geistesleben auf. Die Perser bekamen eine Art Furcht vor der Devanatur. Furcht, Scheu und Grauen bekamen sie vor dem, was rein geistig-seelisch ist. Das bewirkte, daß wir heute den großen Gegensatz erblicken zwischen der persischen und der indischen Anschauung. In der persischen Weltanschauung wurde oft gerade das angebetet, was die indische Richtung als schlecht, als etwas Untergeordnetes betrachtete, und geradezu gemieden, was der Inder als verehrungswürdig betrachtet. Innerhalb des persischen Weltgefühles entstand also diese eigentümliche Grundempfindung gegenüber einer Wesenheit, die eigentlich Devanatur hat, die aber innerhalb dieser Weltanschauung gemieden, gefürchtet wird. Kurz, es ist das Bild des Satans, das in dieser Weltanschauung auftritt. Luzifer, der Geistig-Seelische, wird ein mit Schauder erfüllendes Wesen. Darin haben wir den Ursprung zu suchen von dem, was als Teufelsglaube existiert. Diese Grundempfindung ist auch in die moderne Weltanschauung übergegangen; namentlich im Mittelalter wurde der Teufel eine gefürchtete und gemiedene Figur. Luzifer wurde also förmlich gemieden.

Wir erhalten darüber Aufschluß in dem angegebenen Manuskript. Wenn wir im Sinne desselben den Gang der Weltentwickelung verfolgen, dann finden wir, daß in der Mitte der dritten, der lemurischen Rasse, die Menschen sich mit physischem Stoff bekleidet haben. Es ist eine falsche Vorstellung, wenn die Theosophen glauben, daß die Reinkarnation keinen Anfang und kein Ende habe. Die Reinkarnation hat in der lemurischen Zeit angefangen und wird im Beginne der sechsten Rasse auch wiederum aufhören. Es ist nur eine gewisse Zeitspanne in der irdischen Entwickelung, innerhalb welcher der Mensch sich wiederverkörpert. Vorausgegangen war ein überaus geistiger Zustand, der keine Wiederverkörperung nötig machte, und folgen wird wiederum ein geistiger Zustand, der auch keine Wiederverkörperung bedingt.
Die ursprüngliche Verkörperung in der dritten Rasse bestand darin, daß gleichsam der jungfräuliche Menschengeist, Atma-Buddhi-Manas, seine erste physische Verkörperung suchte. Es konnte damals die physische Entwickelung unserer Erde mit den tierartigen Wesenheiten noch nicht so weit vorgeschritten sein, die ganze tierisch-menschliche Wesenheit konnte damals noch nicht so weit sein, daß sie den Menschengeist hätte aufnehmen können. Aber ein Teil, eine gewisse Gruppe tierartiger Wesenheiten war schon so weit entwickelt, dass sich der Same des Menschengeistes in diese tierischen Leiber senken konnte, damit sie dem Menschenleibe die Form geben konnten.
Ein Teil der Individualitäten, welche dazumal sich inkarnierten, bildeten den kleinen Stamm derjenigen, die sich später als sogenannte Adepten über die ganze Welt verbreiteten. Das waren die ursprünglichen Adepten, nicht diejenigen, die wir heute Initiierte nennen. Die, welche wir heute Initiierte nennen, machten damals noch keine Inkarnation durch. Es verkörperten sich damals aber nicht alle, die menschlich-tierische Körper hätten finden können, sondern nur ein Teil. Ein anderer Teil widersetzte sich dem Gang der Inkarnation aus bestimmten Gründen. Sie warteten damit bis in die vierte Rasse hinein. Die Bibel deutet jenen Zeitpunkt in verborgener und tiefsinniger Weise an: Die Söhne der Götter fanden, daß die Töchter der Menschen schön waren und sie verbanden sich mit ihnen.
Das heißt, es begann in jenem späteren Zeitpunkte eine Inkarnation von denjenigen, welche gewartet hatten. Wir nennen diese Gruppe «Söhne der Weisheit», und es scheint fast, als liege eine gewisse Vermessenheit und ein Stolz in ihnen. Von der kleinen Ausnahme der Adepten wollen wir jetzt absehen. Hätte sich dieser andere Teil damals auch inkarniert, so wäre der Mensch niemals zu dem klaren Bewußtsein gekommen, in dem er heute lebt. Der Mensch wäre in dumpfem Trancebewußtsein steckengeblieben. Er würde das Bewußtsein angenommen haben, das Sie heute bei Hypnotisierten, Somnambulen und so weiter finden können. Kurz, die Menschen hätten in einer Art Traumbewußtsein bleiben müssen. Aber eines hätte ihnen dann gefehlt, was außerordentlich wichtig, wenn nicht das Wichtigste war: das Freiheitsgefühl, die selbsteigene Entscheidung des Menschen über Gut und Böse aus seinem eigenen Bewußtsein, aus seinem Ich heraus.

Die Genesis bezeichnet diese spätere Inkarnation – in derjenigen Gestalt, die sie eben schon erhalten hat unter den Einflüssen, die von jener Empfindung herkommen, die ich charakterisiert habe dadurch, daß ich gesagt habe, daß vor dem Deva eine gewisse Scheu besteht -, die Genesis bezeichnet diese spätere Inkarnierung als den «Fall» des Menschen, den Sündenfall. Der Deva wartete und sank erst herunter, als die physische Menschheit schon eine Stufe weiter entwickelt war, um dann erst Besitz zu ergreifen von dem physischen Leib, damit er dann ein reiferes Bewußtsein entwickeln könne, als das früher der Fall gewesen wäre.
So sehen Sie, daß der Mensch sich seine Freiheit dadurch erkauft hat, daß sich seine Natur verschlechterte, weil er mit der Inkarnierung wartete, bis seine Natur heruntergestiegen ist in die dichteren physiologischen Zustände. In der griechischen Mythologie hat sich ein tiefes Bewußtsein von diesem Tatbestand erhalten. Wäre der Mensch schon früher zur Inkarnation gekommen – das sagt der Mythos der Griechen -, dann wäre das eingetreten, was Zeus wollte, als sich die Menschen noch im «Paradiese» befanden: Er wollte sie glücklich machen, aber als unbewußte Wesen. Das klare Bewußtsein hätte dann einzig bei den Göttern gelegen und der Mensch wäre ohne das Gefühl der Freiheit geblieben. Die Auflehnung des Luzifergeistes, des Devageistes in der Menschheit, der heruntersteigen wollte, um sich aus der Freiheit heraus selbst emporzuentwickeln, ist symbolisiert in der Sage von Prometheus. Er aber muß für sein Bestreben büßen dadurch, daß fortwährend ein Adler – als Symbol der Begierde – an seiner Leber nagt und ihm dadurch die furchtbarsten Schmerzen verursacht.
Der Mensch ist also tiefer heruntergestiegen und muß nun das, was er durch magische Künste und Kräfte erreicht haben würde, mit dem erreichen, was ihm selbsttätig aus dem klaren Bewußtsein der Freiheit erfließt. Aber weil er tiefer heruntergestiegen ist, muß er auch Schmerzen und Qualen erdulden. Auch dies deutet die Bibel an mit den Worten: In Schmerzen sollst du Kinder gebären, im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen -, und so weiter. Das heißt nichts anderes als: der Mensch muß sich selbst mit Hilfe der Kultur wieder hochbringen.

Den Repräsentanten der in Freiheit durch Kämpfe zur Kultur strebenden Menschheit hat die griechische Mythologie in Prometheus symbolisiert. In ihm hat sie dargestellt den leidenden Menschen und zugleich den Befreier. Derjenige, der des Prometheus Befreiung herbeiführt, ist Herakles, von dem uns erzählt wird, daß er sich in die eleusinischen Mysterien einweihen ließ. Wer hinabstieg in die Unterwelt, war ein Initiierter, denn das Hinabsteigen in die Unterwelt ist der technische Ausdruck für die Initiation. Diese Fahrt nach der Unterwelt wird uns von Herakles, Odysseus und von allen denjenigen gesagt, bei denen wir es mit Eingeweihten zu tun haben, die nun die Menschen innerhalb der gegenwärtigen Entwickelung zu dem Quell ursprünglicher Weisheit, zum spirituellen Leben führen wollen.
Wäre die Menschheit auf dem Standpunkte der dritten Rasse stehengeblieben, dann wären wir heute Traummenschen. Durch seine Devanatur hat der Mensch seine niedere Natur befruchtet. Aus seinem Selbstbewußtsein, seinem Freiheitsbewußtsein heraus muß er nun jenen Bewußtseinsfunken, den er sich damals in berechtigtem Übermut herunterholte, wieder entwickeln, also jene spirituelle Erkenntnis, die er in dem früheren unfreien Zustande nicht angestrebt hat. In der menschlichen Natur selbst liegt jene satanische Auflehnung, die als luziferisches Streben aber die Gewähr für unsere Freiheit überhaupt ist. Und aus dieser Freiheit entwickeln wir wieder spirituelles Leben. Dieses spirituelle Leben soll innerhalb der Menschheit der fünften Rasse wieder angefacht werden. Wieder soll von Initiierten dieses Bewußtsein ausgehen. Nicht ein traumhaftes, sondern ein klares Bewußtsein soll es sein. Die Herkulesse des Geistes, die Initiierten sind es, die die Menschheit vorwärtsbringen und ihr die verborgene Devanatur, die Erkenntnis des Geistigen enthüllen. Das ist auch das Streben aller großen Religionsstifter gewesen, der Menschheit wieder die Erkenntnis des Geistigen zu bringen, das sie im physiologischen Leben verloren hat. Die Atlantier hatten eine hohe physische Kultur, und unsere fünfte Rasse hat noch immer viel von dem materiellen Leben in sich. Diese materialistische Kultur unserer Zeit zeigt uns, wie sehr der Mensch sich verstrickt hat in die rein physisch-physiologische Natur, wie Prometheus in seine Ketten. Aber ebenso sicher ist es, daß der Geier, das Symbol der Begierde, der an unserer Leber nagt, beseitigt werden wird durch den spirituellen Menschen. Dahin wollen die Initiierten die selbstbewußte Menschheit führen durch solche Bewegungen, von denen die theosophische Bewegung eine ist, damit der Mensch in voller Freiheit wieder emporsteigen kann.
Den Zeitpunkt, den wir als den Augenblick des Einströmens spirituellen Lebens in die selbstbewußte Menschheit zu erfassen haben, finden wir im Evangelium, im Neuen Testament, genau angedeutet. Im tiefsten Evangelium, das von der heutigen Theologie verkannt wird, im Johannes-Evangelium, da wo erzählt wird, daß Jesus das Laubhüttenfest besucht, wird dieser Zeitpunkt angedeutet. Der Stifter des Christentums spricht da davon, spirituelles Leben über die Menschheit auszugießen. Es ist das eine merkwürdige Stelle. Das Laubhüttenfest bestand ja darin, daß man zu einer Quelle ging, aus der Wasser floß. Dort entwickelte sich dann ein Fest, das darauf hindeutete, daß der Mensch sich wieder einmal besinnen solle auf das Spirituelle, auf die Devanatur und das geistige Streben. Das Wasser, das da geschöpft wurde, war eine Erinnerung an das Seelisch-Geistige. Nach wiederholten Absagen geht Jesus doch zu dem Fest. Und am letzten Tage des Festes geschieht folgendes (J oh. 7,37): Am letzten Tage des Festes, der am herrlichsten war – so heißt es -, trat Jesus auf und sprach: «Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!» -Diejenigen, welche tranken, feierten ein Erinnerungsfest an das spirituelle Leben. Jesus aber verbindet noch etwas anderes damit und das deutet Johannes mit den Worten an: «Wer an mich glaubet, wie die Schrift saget, von des Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geiste, welchen empfangen sollten die, die an ihn glaubten, denn der Heilige Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verkläret.»

Hier ist nun hingedeutet auf das Pfingstmysterium, hingedeutet darauf, daß die Menschheit zu warten hat auf diesen Heiligen Geist des spirituellen Lebens. Wenn der Zeitpunkt erreicht sein wird, daß der Mensch in sich selbst den Funken des spirituellen Lebens entzünden kann, wenn die physiologische Natur des Menschen aus sich selbst den Aufstieg versuchen kann, dann wird der Heilige Geist über die Menschen kommen, die Zeit des spirituellen Erwachens.
Der Mensch ist heruntergestiegen, bis in den physischen Leib hinein, so daß er im Gegensatz zur Devanatur aus drei Prinzipien besteht: aus Geist, Seele und Leib. Der Deva steht höher als der Mensch, aber er hat nicht die physische Natur zu überwinden wie der Mensch. Diese physische Natur muß wieder verklärt werden, so daß sie das spirituelle Leben aufnehmen kann. Des Menschen physiologisches Bewußtsein, der physische Leib, wie er heute lebt, soll selbst den Funken des spirituellen Lebens in Freiheit in sich entzünden.
Das Christus-Opfer ist ein Beispiel dafür, daß der Mensch aus dem physischen Leben heraus das höhere Bewußtsein entfalten kann. Im physischen Leibe lebt sein niederes Ich; aber angefacht soll es werden, damit das höhere Ich sich entwickle. Dann erst können die Ströme lebendigen Wassers auch aus diesem physischen Leibe fließen. Dann kann der Geist erscheinen, dann kann der Geist sich ausgießen. Wie abgestorben muß so der Mensch als Ich für dieses physiologische Leben werden.

Hierin liegt das eigentliche Christliche und auch das tiefere Mysterium des Pfingstfestes. Der Mensch lebt zunächst in seinem niederen Organismus, in dem von den Wünschen durchdrungenen Bewußtsein. Er soll darin leben, denn nur dieses Bewußtsein konnte ihm die zielsichere Freiheit geben. Aber er darf nicht darinnenbleiben, sondern soll sein Ich heraufheben zu der Devanatur. Er soll in sich selbst den Deva zeitigen, den Deva gebären, der dann ein Heils-Geist sein wird, ein Heiliger Geist. Dazu muß er jedoch den irdischen Leib bewußt hinopfern, dazu muß er empfinden das «Stirb und Werde», damit er nicht bleibe «ein trüber Gast» auf dieser «dunklen Erde».
So stellt uns das Ostermysterium im Zusammenhang mit dem Pfingstmysterium erst eine Ganzheit dar: wie das menschliche Ich in dem großen Repräsentanten sich entäußert des niederen lebendigen Ichs, wie es dahinstirbt, um die physische Natur völlig zu verklären und sie wieder zurückzugeben den göttlichen Mächten. Die Himmelfahrt ist das Symbol dafür. Wenn der Mensch diesen physischen Leib verklärt hat, zum Geistigen zurückgebracht hat, dann ist er reif, daß sich das spirituelle Leben in ihn ergießt, daß er erleben wird das, was nach der Erklärung des größten Repräsentanten der Menschheit die «Ausgießung des Heiligen Geistes» genannt wird. Daher heißt es auch: «Drei sind, die da zeugen auf der Erde: das Blut, das Wasser und der Geist.» – Das Pfingstfest ist die Ausgießung des Geistes in die Menschheit.
Das größte Ziel der Entwickelung ist symbolisch im Pfingstfeste ausgedrückt, nämlich daß der Mensch aus dem intellektuellen Leben wieder zu einem spirituellen Leben vordringen soll. Wie Prometheus durch den Herakles von seinen Leiden befreit wurde, so wird es der Mensch werden durch die Kraft des Geistes. Dadurch, daß der Mensch heruntergestiegen ist in die Materie, ist er zum Selbstbewußtsein gekommen. Dadurch, daß er wieder hinaufsteigt, wird er zum selbstbewußten Deva werden. Von denen, die die Asuras verehrten und die Devas als etwas Satanisches erkannten, die nicht im tiefsten Inneren vordringen wollen, ist dieser Herunterstieg als etwas Teuflisches dargestellt worden.
Auch das ist in der griechischen Mythologie angedeutet. Der Repräsentant der unfreien Bewußtseinszustände ist Epimetheus – der Nachdenkliche -, der nicht aus voller Freiheit zur Erlösung kommen will, also der Gegner des Prometheus. Er bekommt von Zeus die Pandorabüchse, deren Inhalt – Leiden und Plagen – auf die Menschheit beim Öffnen herabfällt. Nur als letzte Gabe bleibt darin die Hoffnung, daß er in einem künftigen Zustande auch zu diesem höheren, klaren Bewußtsein vordringen werde. Es bleibt ihm die Hoffnung auf Befreiung. Prometheus rät ab, das zweifelhafte Geschenk des Gottes Zeus anzunehmen. Epimetheus gehorcht seinem Bruder nicht, sondern er nimmt das Geschenk an. Das Epimetheus-Geschenk ist weniger wichtig als das seines Bruders Prometheus.

So sehen wir, daß die Menschen in zwei Strömungen dahinleben. Die einen sind diejenigen, die an dem Freiheitsgefühl festhalten und -trotzdem es gefährlich ist, das Spirituelle zu entwickeln – es doch in Freiheit suchen. Die anderen sind diejenigen, die durch dumpfes Dahinleben und blinden Glauben ihre Befriedigung finden und in dem luziferischen Streben der Menschheit etwas Gefährliches wittern. Diejenigen, welche die äußeren Formen der Kirche begründet haben, haben das tiefste luziferische Streben entstellt. Die uralten Lehren darüber sind in geheimen Manuskripten enthalten, die in verborgenen Räumen kaum jemand gesehen hat. Einigen wenigen, die sie im Astrallichte zu sehen vermögen, und sonst noch einigen Eingeweihten sind sie zugänglich. Es ist allerdings ein gefährlicher Weg, aber es ist der einzige, der zu dem erhabenen Ziele der Freiheit führt.

Der Geist des Menschen soll ein befreiter sein und kein dumpfer.

Das will auch das Christentum. Heil, heilen hängt zusammen mit heilig. Ein Geist, der heilig ist, der heilt, der befreit von Leiden und Plagen. Gesund und frei ist der Mensch, wenn er entrissen ist der Knechtung durch das Physiologische, wenn er befreit ist von dem Physiologischen. Denn der befreite Geist ist allein der gesunde, an dessen Körper kein Adler mehr nagt.
So ist das Pfingstfest aufzufassen als ein Symbol der Befreiung des Menschengeistes, als das große Symbol des menschlichen Ringens nach Freiheit, nach einem Bewußtsein in Freiheit.
Wenn das Osterfest ein Auferstehungsfest in der Natur ist, so ist das Pfingstfest ein Symbol für das Bewußtwerden des Menschengeistes, das Fest derjenigen, die wissen und erkennen, und – davon durchdrungen – die Freiheit suchen.
Diejenigen spirituellen Bewegungen in der modernen Zeit, welche zur Wahrnehmung der geistigen Welt bei klarem Tagesbewußtsein -nicht in Trance, nicht im Hypnotismus – hinführen, die sind es, welche zur Erkenntnis eines solchen bedeutsamen Symbols führen. Das klare Bewußtsein, daß nur der Geist befreit, das ist es, was uns vereint in der Theosophischen Gesellschaft. Nicht das Wort allein, sondern der Geist gibt ihr ihre Bedeutung. Der Geist, der ausgeht von den großen Meistern, der durchfließt durch einige wenige, die sagen können: Ich weiß, daß sie da sind, die großen Adepten, welche die Begründer der spirituellen Bewegung sind, nicht der Gesellschaft, ergießt sich in unsere Gegenwartskultur und gibt ihr die Impulse für die Zukunft.
Lassen Sie einen Funken des Verständnisses für diesen Heiligen Geist wieder einfließen in das unverstandene Pfingstfest, dann wird es belebt werden und wieder Sinn bekommen. In einer sinnvollen Welt sollen wir leben. Wer gedankenlos Feste feiert, feiert sie als Anhänger des Epimetheus. Der Mensch muß sehen, was uns verbindet mit dem, was um uns ist, und auch mit dem, was unsichtbar in der Natur ist. Wir sollen wissen, wo wir stehen. Denn wir Menschen sind nicht zu einem traumhaften, halben, dumpfen Dahinleben, sondern wir sind zur freien, vollbewußten Entfaltung unserer ganzen Wesenheit bestimmt.

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PFINGSTEN. „Was ist es nun, was den Menschen bewahrt vor dem Abschnüren, vor dem Herumirren ohne Richtung und Ziel… R.Steiner
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