Schicksal – Karma/ Die Bedeutung der die Erde umgebenden Himmelskörper für das Leben des Menschen / Rudolf Steiner

Vorspann – Kurzauszug aus 1.Vortrag/R.Steiner:

„Was wäre denn, wenn ein Mensch vor uns stünde mit seinen Händen, Armen, seinem Kopf, seiner Brust, seinen Beinen und Füßen und wir, etwa in bezug auf seine Finger, auf die Frage «Was ist das?» antworten würden: Das ist Menschliches! – Indem wir auf seine Füße weisen: Das ist Menschliches! – auf seine Nase: Menschliches! – Wenn wir nichts unterscheiden, sondern alles nur mit dem allgemeinen Ausdruck «Menschliches» belegen, fangen wir ja an, im Unbestimmten herumzuschwimmen. Ebenso schwimmen wir im Unbestimmten herum, wenn wir nur hinausstarren ins Weltenall, Sonne, Mond und Sterne anschauen, und nur vom Allgemein-Göttlichen sprechen. Wir müssen wiederum zu einer bestimmten Anschauung des Göttlichen kommen…
… Und was hängt nicht alles in der Bildung unseres Schicksals davon ab, daß Menschen, die in zwei verschiedenen Weltenecken ihren Ausgangspunkt nehmen, dann zusammentreffen wie hergeleitet mit einer wirklich ehernen Notwendigkeit, die überall hinzielt nach diesem Punkte, in dem sie sich treffen. Man faßt ja gar nicht in das Seelenauge das Wunderbare, das sich in solchen Betrachtungen enthüllen kann! Das menschliche Leben wird arm, wenn man es nicht so betrachtet, und es wird unendlich reich, wenn man es so betrachtet. Man muß dann schon darauf aufmerksam werden, wie man gegenüber einem Menschen, dem man scheinbar ganz zufällig begegnet, sich sagen muß, wenn man auf die ganze Art, wie man sich dann zu ihm verhält, hinsieht: Man hat ihn gesucht, gesucht seit man in diesem irdischen Dasein herinnen ist; man könnte auch schon sagen: vorher, aber darauf will ich jetzt nicht eingehen. Man braucht ja nur zu erwägen, wie man nicht auf diesen Menschen aufgestoßen wäre, wenn man da oder dort in seinem vergangenen Erdenleben nur ein wenig einen anderen Schritt nach links
oder rechts gemacht hätte und nicht dahin gegangen wäre, wo man gegangen ist. Wie gesagt, diese Betrachtungen werden nicht angestellt; aber es ist ja ein unendlicher Hochmut des Menschen, wenn er glaubt, daß dasjenige, worüber er nicht Beobachtungen anstellt, auch nicht vorhanden sei. Es ist eben da! Fängt man an mit der Beobachtung, so enthüllt es sich schon. Und es ist nun ein sehr bedeutsamer Unterschied zu bemerken zwischen alledem, was da vorgegangen ist, ehe sich zwei Menschen treffen, und von dem Momente an, wo sie sich treffen. Denn ehe sie sich getroffen haben, ehe sie sich gefunden haben im Erdenleben, haben sie aufeinander gewirkt, aber ohne daß sie etwas gewußt haben voneinander…
…Alles, was nicht karmisch ist an uns, wirkt auf unseren Verstand; alles was karmisch ist an uns, was uns bindet als Menschen im Sinne dessen, was wir mit den menschlichen Individualitäten, die in den Leibern uns entgegentreten, durchgemacht haben, das wirkt durch unseren Willen, das wirkt durch die Tiefen des menschlichen Wesens, die im Willen sind. Und auch so ist es: Bevor wir einem Menschen, mit dem wir karmisch verbunden sind im Leben, nun auch von Angesicht zu Angesicht entgegentreten, wirkt der Wille. Der Wille ist ja nicht immer vom Verstand erhellt. Denken Sie nur, wieviel Dunkles im Willen wirkt! Das dunkelste ist dasjenige, was das Karma trägt, das zwei Menschen zusammenführt, so daß sie dann an der Art und Weise, wie ihr Wille erfaßt wird, merken, daß da das Karma wirkt. In dem Momente, wo sie sich von Angesicht zu Angesicht kennenlernen, beginnt der Verstand zu wirken. Und was vom Verstände dann gewoben wird, das kann ja wieder Grundlage für ein nächstes Karma sein…
…Wie der Finger des Menschen das, was er ist, nur so lange ist, als er am menschliehen Leibe ist – schneidet man ihn ab, ist er kein Finger mehr, er hat ein Fingersein nur, so lange er am menschlichen Leib ist -, ebenso hat der Mensch ein Sein nur, indem er ein Stück des Kosmos ist. Nur ist der Mensch hochmütig, und der Finger würde wahrscheinlich bescheidener sein, wenn er in derselben Weise Bewußtsein hätte wie der Mensch.“

Die Bedeutung der die Erde umgebenden Himmelskörper für das Leben des Menschen
aus GA 240

Inhalt: Erster Vortrag, Bern, 25. Januar 1924
Mond und Sonne als die beiden Tore der geistigen Welt. Vergangenheit (Individualität) und Zukunft (das Allgemein-Menschliche). Notwendigkeit und Freiheit: Kosmisches Monden- und Sonnendasein. Urweisheit der Menschheit. Mond und Sonne bei der schicksalhaften Begegnung zweier Menschen. Mond: Vergangenheit – Notwendigkeit; Sonne: Zukunft – Freiheit. Die Empfindung des kosmischen Schicksals. Impulse der Weihnachtstagung.

ERSTER VORTRAG
Bern, 25. Januar 1924

Der Mensch verdankt sein gegenwärtiges Erdenleben – wir wissen ja, daß er wiederholte Erdenleben durchmacht – zum Teil der äußeren Welt, und zwar der äußeren Welt im weiteren Sinne; nicht nur dem, was unmittelbar auf der Erde in den verschiedenen Reichen der Natur um ihn ist, sondern auch demjenigen, was ihm aus den Gestirnen, aus den Weiten des Kosmos zukommt. Das aber ist nur der eine Teil der Welt, dem der Mensch sein gegenwärtiges Erdenleben verdankt; vor allen Dingen verdankt er es auch dem anderen Teile, von dem er sich aber in dieses Erdenleben nur innerlich die Ergebnisse, die Wirkungen mitbringt; er verdankt es seinen früheren Erdenleben selber. Wir gliedern ja den Menschen, wie Sie aus der anthroposophischen Literatur wissen, zunächst in vier Glieder. Von seinem physischen Leib und von seinem Ätherleib, von diesen beiden trennt sich der Mensch jedesmal, wenn er in Schlaf übergeht; er trennt sich von seinem physischen und Ätherleib mit seinem astralischen Leib und mit seinem Ich. Nur unser physischer Leib und unser Ätherleib verdanken ihre ganze Wesenheit der äußeren Welt, die sichtbar – oder wohl auch als Ätherwelt unsichtbar – um uns ist. Dagegen, was der Mensch in sich trägt in seinem astralischen Leib und in seinem Ich, das verdankt er im gegenwärtigen Erdendasein eigentlich durchaus der Vorzeit, verdankt er dem, was er in früheren Erdenleben mit der Welt durchgemacht hat.

Nun sind auch in der äußeren physischen Welt zwei Tore – lassen Sie uns heute mit dieser kosmischen Betrachtung beginnen, um dann mit einer recht menschlichen abzuschließen -, es sind, sage ich, in der physischen Welt zwei Tore, durch die eigentlich das Menschenleben in seiner Ganzheit hinausreicht aus dieser physischen Welt. Und diese zwei Tore sind für uns Erdenbewohner auf der einen Seite der Mond, auf der anderen Seite die Sonne.
Sehen Sie, meine lieben Freunde, es ist ja so, daß die heutige äußere Wissenschaft wirklich nur das Allergeringste von den außerirdischen Himmelskörpern weiß. Sie weiß eben das Physische, das man durch Rechnung bestimmen oder durch Instrumente beobachten kann. Denken Sie nur einmal daran, was etwa ein Marsbewohner von der Erde wüßte, wenn er in derselben Art wie die Erdenbewohner vom Mars oder gar von anderen Sternen seine Kenntnisse von der Erde erwerben würde.
Er würde eben auch von der Erde nur so viel wissen: sie ist ein glimmend leuchtender Körper, der in den „Weltenraum hinaus das von ihm zurückgeworfene Sonnenlicht strahlt. Er würde vielleicht allerlei Hypothesen aufstellen, ob auf der Erde Wesen sind, oder nicht Wesen sind – wie es ja der Mensch für den Mars macht und so weiter. Aber der Erdenbewohner weiß ja natürlich von der Erde selbst, daß er mit Wesen seinesgleichen, mit Wesen anderer Reiche zusammen die Erde bewohnt. Derjenige nun, der von den inneren geistigen Schicksalen der Erdenmenschheit seine Kenntnisse holen kann, der kommt eben aus geistigen Untergründen heraus zu einer tieferen Erkenntnis dessen, was die anderen Himmelskörper, was zum Beispiel der Mond und die Sonne innerhalb der Welt eigentlich bedeuten.

Lassen wir einmal vor unsere Seele treten, was in dieser physischseelisch-geistigen Bedeutung über das Mondendasein zu sagen ist. Ich muß an allerlei erinnern, das Sie nachlesen können in meiner «Geheimwissenschaft im Umriß» und in verschiedenen Vortragszyklen, die gedruckt sind. Wir wissen daraus, daß das Mondendasein einmal mit dem irdischen Dasein verknüpft war. Das nimmt ja selbst heute die äußere Wissenschaft an, wenigstens in ihren wichtigeren Vertretern, daß der ganze physische Monden-Weltkörper sich einmal losgetrennt hat von der Erde und sozusagen seinen eigenen Ort im Weltenraum gewählt hat.
Aber die Geisteswissenschaft zeigt uns, daß nicht nur der physische Mond sich von der Erde getrennt hat, sondern mit diesem Monde andere Wesenheiten, die einmal gemeinsam mit dem Menschen die Erde bewohnt haben, die allerdings viel geistigerer Art waren, als der Mensch in seinem physischen Leibe es ist, aber die dennoch einen intensiven Verkehr mit dem Menschen gehabt haben, wenn auch nicht auf die Weise, wie der heutige menschliche Verkehr vermittelt wird.

Wer die Vorzeit der Erde, vielleicht auch zunächst nur äußerlich, in ihren Geisteserzeugnissen studiert, der bekommt ja, wenn er zurückgeht in den verschiedenen Zivilisationen, eine große Ehrfurcht vor dem, was einmal an Zivilisationen auf Erden vorhanden war. Allerdings, so gescheit in unserem gegenwärtigen Sinne, wie wir gegenwärtigen Menschen uns dünken, so gescheit waren unsere Vorfahren, das heißt wir selbst in früheren Erdenleben, gewiß nicht. Aber gewußt haben diese Vorfahren mehr. Man erlangt Wissen eben nicht nur durch Gescheitheit. Gescheitheit kommt vom Verstände, und der Verstand ist eben nur eine Fähigkeit der Menschen, wenn er auch gegenwärtig namentlich von der Wissenschaft am allermeisten von allen Fähigkeiten geschätzt wird. Aber schließlich, wenn wir heute die Welt anschauen, wie sie sich in moralischer, in sozialer Beziehung namentlich in dem gesegneten 20. Jahrhunderte entwickelt hat, dann brauchen wir auf unsere Verstandeskultur eigentlich nicht besonders stolz zu sein. Diese Verstandeskultur hat sich eben erst im Laufe der Zeit ergeben.
Und wie gesagt, wenn wir nur an Hand der äußeren Geschichte zurückgehen und wahrnehmen, was herrührt, sagen wir zum Beispiel vom alten Orient, dann kann uns eine große Ehrfurcht überkommen. Wir könnten selbst manche Erzeugnisse sogenannter wilder Völker anführen; aber bleiben wir bei den Erzeugnissen des indischen Orients, des persischen Orients, sehen wir uns an, welch Wunderbares da hinter allem ist, in der alten Dichtung, in der Vedendichtung, in der alten Philosophie, der Vedantaphilosophie, der Jogaphilosophie. Wenn man das nicht oberflächlich auf sich wirken läßt, sondern wenn man es auf sich wirken läßt mit all den Tiefen, die es birgt, dann bekommt man eine immer größere Ehrfurcht vor dem, was alte Zeiten nicht auf dem Wege der gewöhnlichen Gescheitheit, sondern gewiß auf einem anderen Wege hervorgebracht haben. Aber sie haben es eben hervorgebracht.

Nun zeigt uns Geisteswissenschaft, daß eigentlich dasjenige, was sich durch äußerliche Dokumente erhalten hat, ja nur die Reste sind einer wunderbaren Urweisheit der Menschheit, die allerdings viel mehr dichterisch, künstlerisch aufgetreten ist als unser heutiges Wissen, die aber dennoch eine wunderbare Urweisheit der Menschheit war. Diese Urweisheit haben die Menschen eben erhalten durch Wesen, die weit hinausragen über die eigene menschliche Entwickelung der Erde. Denken, verständig denken, das geschieht ja durch unseren physischen Leib.
Diese Wesenheiten haben nicht einen physischen Leib gehabt; daher rührt die Tatsache, daß sie in einer mehr dichterischen, künstlerischen Art ihr Urwissen der Menschheit überliefert haben.
Aber diese Wesenheiten sind nicht bei der Erde geblieben, sondern sie bewohnen in ihrer Mehrzahl tatsächlich heute den Monden-Weltenkörper. Was die heutige Wissenschaft erkunden kann, das ist eben nur das Äußerliche des Mondes. Der Mond ist der Träger hoher geistiger Wesenheiten, die einmal die Aufgabe gehabt haben, die Erdenmenschheit mit der Urweisheit zu inspirieren, die sich dann zurückgezogen haben und gewissermaßen diese Mondenkolonie im Weltenall zu begründen hatten. Schon das, was ich so sagen muß von diesen Wesenheiten, die also eigentlich heute die Mondbewohner sind, das zeigt uns, daß unsere eigene menschliche Vergangenheit mit diesen Wesenheiten verknüpft ist. Wir waren in früheren Erdenleben die irdischen Genossen dieser Wesenheiten. Und es zeigt sich sogleich unser Verknüpftsein mit ihnen, wenn wir hinausschauen über dasjenige, was die äußere Erkenntnis und das äußere Leben dem Menschen geben kann. Denn wenn wir auf all das schauen, was in uns bestimmend ist, aber was nicht von unserem Verstände abhängt, sondern was gewissermaßen über den Verstand hinaus mit unserem tieferen Menschenwesen zusammenhängt, dann finden wir, daß auch heute noch diese Mondenwesenheiten, wenn sie ihren Wohnplatz auch nicht mehr auf Erden haben, mit unserem inneren Sein verknüpft sind.
Denn bevor wir auf die Erde herabsteigen, durch unsere Vorfahren einen physischen Leib bekommen, waren wir oder sind wir ja in einer geistigen Welt in dem vorirdischen Dasein. In diesem vorirdischen Dasein haben wir auch heute noch mit diesen alten Genossen unseres Erdendaseins viel zu tun. Wir steigen sozusagen aus den geistigen Welten herab in unser irdisches Dasein, indem wir die Sphäre des Mondes passieren, indem wir durchkommen durch das Mondendasein. Und so wie einstmals diese Mondenwesen auf der Erde selbst hier für uns Menschen tief bestimmend waren, so sind sie heute noch bestimmend für die Erdenmenschen, indem sie dem menschlichen Ich und dem menschlichen astralischen Leib dasjenige einprägen, was sich dann überträgt in den physischen Leib, wenn der Mensch physischer Erdenmensch wird.

Nicht wahr, man kann ja nicht beschließen, ein Talent zu sein, auch nicht ein Genie zu sein. Man kann nicht einmal beschließen, so ohne weiteres ein guter Mensch zu sein. Dennoch, es gibt Talente, es gibt Genies, es gibt sozusagen durch die Geburt gute Menschen. Das ist etwas, was der Verstand nicht machen kann, was mit dem inneren tiefen Wesen des Menschen zusammenhängt, wovon er sich ein gut Teil mitbringt, indem er durch die Geburt aus einem vorirdischen Dasein in das irdische eintritt. Dieses seinem Ich und seinem astralischen Leib einzuprägen, was dann sozusagen in sein Blut, in seine Nerven schießt als Talent, als Begabung, als der Wille zum Guten oder zum Bösen, dieses ihm einzuprägen, das ist die Aufgabe der Mondwesen, wenn der Mensch in seinem vorirdischen Dasein die Mondensphäre passiert. Und nicht nur, wenn in den bekannten poetischen Stimmungen Liebende im Mondenschein spazieren gehen, ist der Mond von Einfluß auf das, was tiefer im Menschen, was mehr unter dem Bewußtsein webt und lebt, sondern bei alledem ist dieses Mondendasein wirksam, was eben aus den Tiefen des Menschen heraufkommt und ihn eigentlich unter seinem Verstände zu dem macht, was er im Erdenleben eigentlich ist. Und so hängen heute noch diese Mondenwesen dadurch mit unserer Vergangenheit zusammen, daß sie es sind, die nach unseren früheren Erdenleben uns prägen, sozusagen im vorirdischen Dasein, damit wir als dieser bestimmte Mensch im irdischen Dasein auftreten können.

Blicken wir also zurück in unserem Leben, da wo sozusagen unser Leben aus dem irdischen Bereich hinausgeht in das eigentlich Geistige hinein, in jenes Geistige hinein, aus dem heraus wir dann bestimmt sind nach unseren innersten Fähigkeiten, nach unserem Temperament, sogar nach dem innersten Wesen unseres Charakters, blicken wir zurück, so finden wir in dem Monde das eine Tor aus der physischen Welt hinaus in die geistige. Er ist das Tor, durch das die Vergangenheit in unser Menschenleben hereinzieht, und er ist dasjenige, was uns eigentlich die Individualität gibt, was uns zu diesem bestimmten individuellen Menschen macht.

Das andere Tor ist die Sonne. Aber der Sonne verdanken wir nicht unser individuelles Leben. Die Sonne leuchtet nicht nur über Gute und Böse in gleicher Weise, sondern die Sonne leuchtet auch über Genies und Dummköpfe in gleicher Weise. Die Sonne kennt zunächst für das irdische Leben nichts, was mit der Individualität unmittelbar zusammenhängt. Es ist ja nur eines, das von der Sonne her mit der irdischen Individualität zusammenhängt. Und das konnte nur dadurch eintreten, daß in einem bestimmten Zeitpunkte der Erdenentwickelung ein hohes Sonnenwesen, der Christus, eben nicht auf der Sonne geblieben ist, sondern von der Sonne aus auf die Erde herabgestiegen ist, in einem Menschenleibe Erdenmensch geworden ist und dadurch sein eigenes Weltenschicksal mit dem Erdenschicksal der Menschheit vereinigt hat. Dadurch, daß der Christus aus einem Sonnenwesen ein Erdenwesen geworden ist, dadurch hat er den Zugang bekommen zu den einzelnen menschlichen Individualitäten. Die anderen Sonnenwesen, die in der Sonne geblieben sind, haben nicht den Zugang zu den einzelnen menschlichen Individualitäten, sondern nur zu dem Allgemeinen der Menschheit. Dem Christus ist sogar etwas davon geblieben, aber etwas, was für unsere Erdenmenschheit unendlich segensreich ist:
was ihm geblieben ist, das ist, daß sein Wirken nicht irgendeine menschliche Differenzierung kennt. Der Christus ist nicht der Christus dieser oder jener Nation, nicht der Christus dieses oder jenes Standes, nicht dieser oder jener Klasse, der Christus ist der Christus für alle Menschen ohne Unterschied von Klasse, Rasse, Nation und so weiter. Der Christus ist auch insofern nicht der Christus der Individualitäten, als er in seiner Wirksamkeit dem Genie und dem Toren in gleicher Weise innerlich Hilfe leistet. Es hat der Christus-Impuls Zugang zu der Individualität des Menschen, und gerade er muß im tiefsten Inneren wirken, wenn er überhaupt im Menschen zur Wirksamkeit kommen soll. Nicht die Verstandeskräfte, sondern die tiefsten Seelen- und Herzenskräfte sind es, die den Christus-Impuls aufnehmen müssen; wenn er aber dann aufgenommen wird, wirkt er nicht im Sinne des Individuell-Menschlichen, sondern ganz im Sinne des Allgemein-Menschlichen. Dieses allgemeinmenschliche Wirken, das eignet dem Christus, weil er ein Sonnenwesen ist.

Aber sehen Sie, indem wir zurückblicken und uns in diesem Zurückblicken verbunden fühlen mit dem Mondendasein, wissen wir ja, daß wir etwas in uns tragen, das wir nicht der Gegenwart verdanken, das eigentlich ein Stück nicht nur irdischer, sondern sogar kosmischer Vergangenheit ist. Wir Menschen verbinden es eben in unserem gegenwärtigen Erdendasein mit der Gegenwart, dieses Stück Vergangenheit. Man bedenkt gewöhnlich nicht, was eigentlich alles in diesem Stück Vergangenheit steckt. Wir wären als Menschen nicht viel, wenn nicht diese Vergangenheit in uns steckte. Das, was wir uns aneignen, unmittelbar wenn wir heruntersteigen aus dem vorirdischen Dasein in das irdische, das hat eigentlich sogar etwas Automatisches, das Automatische unseres physischen und unseres Ätherleibes. Dasjenige, was in bestimmter Weise uns zu diesem oder jenem Menschen macht, das ist innig zusammenhängend mit unserer Vergangenheit und damit mit dem Mondendasein. Aber ebenso wie wir durch unser Mondendasein mit der Vergangenheit zusammenhängen, so hängen wir durch das Sonnendasein mit unserer Zukunft zusammen. Für den Mond sozusagen, namentlich auch mit Bezug auf die Wesen, die sich auf ihn zurückgezogen haben, waren wir reif in früheren Zeiten; für die Sonne, die heute nur das Allgemein-Menschliche impulsiert, werden wir erst in viel späteren Zeiten reif werden, wenn noch viel Entwickelung vor sich gegangen ist. Die Sonne kann heute nur an unser Äußeres heran. An unsere Individualität, an unser Inneres wird sie erst in künftigen Zeiten heran können. Wenn die Erde nicht mehr als Erde vorhanden sein wird, wenn sie in eine ganz andere Metamorphose übergegangen sein wird, da werden wir erst für das Sonnendasein reif sein. Der Mensch ist so stolz auf seinen Verstand; aber der Verstand, wie er gerade in der gegenwärtigen Menschheit ist, ist so ein richtiges Erdenprodukt, denn er ist eigentlich an das Gehirn gebunden, und das Gehirn ist dasjenige, was am meisten physisch wird im Menschen, wenn man es auch sonst nicht glaubt.

Die Sonne reißt uns aus diesem Gebundensein an das Irdische eigentlich fortwährend heraus, denn die Sonne wirkt eigentlich nicht auf unser Gehirn. Wir würden viel gescheitere Gedanken ausgehen lassen aus unserem Gehirn, wenn die Sonne auf unser Gehirn wirken würde. Die Sonne wirkt eigentlich auf unser Herz, wenn wir das Physische betrachten. Und dasjenige, was vom Herzen ausstrahlt, meine lieben Freunde, das ist Sonnenwirkung. Durch das Gehirn sind die Menschen
eigentlich egoistisch; durch das Herz werden sie egoismusfrei, werden sie erhoben zum Allgemein-Menschlichen. So daß wir eigentlich durch die Sonne mehr sind, als wir durch uns im heutigen Erdendasein sein können. Nur möchte ich sagen: Der Christus gibt uns wiederum, wenn wir wirklich zu ihm den Zugang finden, weil er ein Sonnenwesen ist, mehr, als wir heute als Menschen sein können.

Die Sonne steht uns eben wirklich eigentlich am Himmel wie ein Zukunftswesen, während uns der Mond wie ein Vergangenheitswesen am Himmel steht. Es ist das andere Tor, das in die geistige „Welt führt, es ist das Tor in die Zukunft hinein. Denn ebenso, wie wir gewissermaßen hereingeschoben werden ins irdische Dasein durch die Mondenwesen und Mondenkräfte, so werden wir im Tod wiederum herausgeschoben durch die Sonnenkräfte. Die Sonnenkräfte hängen mit demjenigen in uns zusammen, was wir noch nicht bewältigen, was uns sozusagen die Götter gegeben haben, damit wir nicht im Erdenleben verkümmern, sondern über uns hinausreichen. Und so sind wirklich Mond und Sonne die beiden Tore aus dem Weltenall heraus ins irdische und aus diesem ins geistige Leben hinein. Der Mond ist bewohnt von Wesenheiten, mit denen wir einmal verbunden waren in der Art, wie ich es gekennzeichnet habe. Die Sonne ist bewohnt von Wesenheiten, mit denen wir – mit Ausnahme des Christus – erst in der Zukunft unseres kosmischen Daseins verbunden sein werden. Der Christus wird uns führen zu seinen ehemaligen Genossen in der Sonne. Aber das ist durchaus für den Menschen die Zukunftswelt.

Und auch das, was da von der Sonne als Zukunftswelt wirkt aus dem Geistigen herein, ist ebenso wirksam auf unseren physischen Leib und auf unseren Ätherleib, wie das, was vom Monde aus wirkt aus dem Geistigen herein. Betrachten wir zum Beispiel unser Temperament. Da sind schon Kräfte in unserem Temperament, die durchaus in den physischen Leib, namentlich aber in den Ätherleib hineinspielen: Das regelt in uns das Zusammenwirken von Sonne und Mond. Derjenige, der einen starken melancholischen Einschlag hat in seinem Temperament, der ist stark beeinflußt vom Mondenhaften. Wer einen starken sanguinischen Zug in seinem Temperament hat, der ist stark beeinflußt vom Sonnenhaften. Derjenige, in dem sich Sonnen- und Mondenhaftes ausgleichen, neutralisieren, der wird dann ein Phlegmatiker. Da, wo das Physische in uns hereinspiek und seelisch zum Vorschein kommt wie in dem Temperament, da spielt im ganzen Wesen, das wir als Mensch in uns tragen, das Sonnen- und Mondenhafte herein. Aber es erblickt dieses Sonnen- und Mondenhafte der Mensch zunächst nur da, wo es in seiner äußeren physischen Erscheinungsform ihm entgegentritt, wo sozusagen sich ihm der Mond ankündigt durch die äußere Scheibe, die sich ihm zeigt, ebenso die Sonne.

Doch sind ja Wirkungen da, die weit über dieses Physische hinausgehen; wir müssen durchaus von einem Geistigen des Mondes und der Sonne sprechen. Und das können wir ja wirklich leicht einsehen.

Sie brauchen zunächst nur, um sich das zu verdeutlichen, einen menschlichen Körper anzusehen. Dieser menschliche Körper hat heute nicht mehr dieselben Substanzen in sich, die er vor etwa zehn Jahren gehabt hat. Sie stoßen fortwährend die äußeren physischen Substanzen ab, ersetzen sie durch neue. Was bleibt, ist die geistige Form, die Gestalt des Menschen: das sind die inneren Kräfte. Wenn Sie vor zehn Jahren hier gesessen haben – das Fleisch und Blut, das Sie dazumal in sich gehabt haben als materielle Substanz, das bringen Sie heute nicht wieder auf denselben Sessel: das Physische ist in einer fortwährenden Strömung von innen nach außen, es stößt sich fortwährend ab. Das bedenkt man nicht immer, doch weiß man es wenigstens heute in bezug auf die Erde. Aber daß dies auch im Weltall der Fall ist, das weiß man nicht einmal, denn die Menschen denken: Derselbe Mond, der heute herunterscheint, das war auch der Mond, der auf den alten Cäsar oder Alcibiades oder auf Buddha gestrahlt hat. Geistig ja, aber der physischen Materie nach nicht! Und in bezug auf die Sonne, da rechnen die Physiker, die Astrophysiker aus, wann sie im Weltenraum zerstäubt sein wird. Daß sie zerstäubt, das wissen sie allenfalls, aber sie rechnen da nach Millionen von Jahren. Dasselbe käme nämlich heraus, wenn man eine solche Rechnung in bezug auf den Menschen anstellen würde. Diese Rechnungen sind todsicher richtig, es ist gar nichts einzuwenden – aber nur sind sie nicht wahr. Sie sind ganz richtig, aber sie sind wie folgt: Wenn Sie heute ein menschliches Herz prüfen, nach fünf Tagen wieder, nach weiteren fünf Tagen wieder, dann können Sie an den kleinen Veränderungen ausrechnen, wie dieses Herz vor dreihundert Jahren gestaltet war, und wie es gestaltet sein wird nach dreihundert Jahren. Sie kriegen schon etwas heraus, wenn Sie solche Rechnungen anstellen: nur war es just vor dreihundert Jahren nicht da und wird in dreihundert Jahren wieder nicht da sein. So kann man heute auch mit der geologischen „Wissenschaft ausrechnen, wie die Erde ausgesehen hat vor zwanzig Millionen Jahren. So rechnen die Leute aus, wie sie ausgesehen hat, so rechnen sie heute auch aus, wie sie aussehen wird nach zwanzig Millionen Jahren. Die Rechnung ist ganz richtig; die Erde hat so ausgesehen nach einer ganz richtigen Rechnung, wie man es ausrechnet, wird auch so aussehen nach zwanzig Millionen Jahren.
Aber dagewesen ist sie noch nicht vor zwanzig Millionen Jahren, und da sein wird sie wieder nicht nach zwanzig Millionen Jahren! Die Rechnungen sind todsicher richtig, nur wahr sind sie nicht! Ja, nicht einmal für die engsten Zeiträume ist das im Weltenraum draußen anders als beim Menschen. Wenn auch die mineralischen Substanzen wesentlich länger dauern als die Gestaltungen der Substanzen in lebendigen Leibern, so ist doch auch für die Mineralsubstanzen das rein Physische, substantiell Physische, ein Vorübergehendes. Und der Mond, der heute am Himmel steht, ist in seiner physischen Zusammensetzung nicht mehr derselbe, der er war, als er auf Cäsar heruntergeschienen hat oder auf Alcibiades oder auf den Kaiser Augustus; denn der Mond hat seine Materie ebenso ausgetauscht, wie ein physischer Menschenleib seine Materie austauscht. Dasjenige, was da draußenbleibt, ist eben auch durchaus das Geistige, wie beim Menschen das, was von der Geburt bis zum Tode bleibt, das Geistige ist, nicht die physische Materie.

So daß man eigentlich die Welt erst richtig anschaut, wenn man sie so anschaut, daß man für den Menschen sagt: Was da bleibt zwischen Geburt und Tod, das ist seine Seele. Was da draußen an den Weltenkörpern bleibt, das sind die Wesenheiten; dort ist es eine Vielheit. Beim Menschen ist es eine Einheit, eine Seele; da draußen eine Vielheit. Und wenn wir sprechen von Mond und Sonne, so sollten wir eigentlich uns bewußt sein, daß wenn wir von der Wahrheit sprechen wollen, wir von dem sprechen müssen, was als Wesenheiten des Mondes und als Wesenheiten der Sonne existiert: als Wesenheiten des Mondes solche, die mit
unserer Vergangenheit verknüpft sind; als Wesenheiten der Sonne solche, die mit unserer Zukunft verknüpft sein werden. Aber herein wirken sie in unser gegenwärtiges Dasein.

Und dasjenige, was sie am Menschen unmittelbar bewirken, das ist das, was wir sein Karma nennen: das Ganze in dem Aufbau und in der Entwickelung seines Schicksals. Indem sich Vergangenheit und Zukunft ineinanderweben, wird des Menschen Schicksal bestimmt. Und in diesem Weben des Schicksals, da wirken eben Mondenkräfte und Sonnenkräfte, Mondenwesenheiten und Sonnenwesenheiten zusammen.

Man gelangt eigentlich erst zu einer wirklichen Unterlage für eine Betrachtung des menschlichen Karma, des menschlichen Schicksals, wenn man den Menschen in dieser Weise hineinstellen kann in das Ganze des Weltenalls.
Das Vergangene können wir mit dem besten Willen niemals anders machen als es ist. Daher haben die Mondenkräfte, indem sie in unser menschliches Wesen hineinwirken und hineingreifen, etwas von unabänderlicher Notwendigkeit. Alles, was uns vom Monde herkommt, hat diesen Charakter einer unabänderlichen Notwendigkeit. Alles das, was von der Sonne herkommt, und was in die Zukunft hineinweist, hat etwas, wo unser Wille, ja wo unsere Freiheit eingreifen kann. So daß man auch sagen könnte: Wenn der Mensch nun wirklich wiederum ein Göttliches sieht im Kosmos, nicht bloß im allgemeinen schwärmerisch-schwummelig spricht über das Göttliche in der Welt, sondern wenn er wiederum in bestimmter Weise über das Göttliche sprechen wird, wie es sich offenbart in den einzelnen Gliedern des Weltenalls, in den Himmelskörpern, dann wird sich für den Menschen, ich möchte sagen, eine besondere Sprache ergeben, indem er aus dieser Herzens- und wirklichen Menschenerkenntnis hinaufschaut zu den Himmelskörpern.

Was wäre denn, wenn ein Mensch vor uns stünde mit seinen Händen, Armen, seinem Kopf, seiner Brust, seinen Beinen und Füßen und wir, etwa in bezug auf seine Finger, auf die Frage «Was ist das?» antworten würden: Das ist Menschliches! – Indem wir auf seine Füße weisen: Das ist Menschliches! – auf seine Nase: Menschliches! – Wenn wir nichts unterscheiden, sondern alles nur mit dem allgemeinen Ausdruck «Menschliches» belegen, fangen wir ja an, im Unbestimmten herumzuschwim-
men. Ebenso schwimmen wir im Unbestimmten herum, wenn wir nur hinausstarren ins Weltenall, Sonne, Mond und Sterne anschauen, und nur vom Allgemein-Göttlichen sprechen. Wir müssen wiederum zu einer bestimmten Anschauung des Göttlichen kommen. Wir kommen zu einer bestimmten Anschauung des Göttlichen, wenn wir zum Beispiel den tiefen Zusammenhang des Mondes mit unserem vergangenen Dasein erkennen, ja mit dem Vergangenen der ganzen Erde. Da können wir dann zum Monde hinaufblicken und können sagen: Du Weltensohn der Notwendigkeit, ich fühle – indem ich alles dasjenige, worüber ich keinen Willen habe, in mir selber anschaue -, ich fühle mich dir, göttlicher Weltensohn, innig verbunden. Da wird unsere Erkenntnis des Mondes Gefühl. Denn alles das, was uns aus der inneren Notwendigkeit heraus empfindbar wird, wird uns mondenverwandt.

Und wenn wir in derselben Weise recht das Sonnensein erfühlen, nicht bloß errechnen, nicht bloß durch Instrumente anschauen, so fühlen wir es verwandt mit alldem, was in uns als Freiheit lebt, als das, was durch uns selber für die Zukunft geschehen kann. Und wie uns jeder neue Morgen mit seinem Sonnendasein aufruft dazu, als Mensch zu wirken, empfängt uns die Nacht mit unseren Träumen, die uns zeigen, was wir waren, was in uns lebt und webt, was als Vergangenheit mit uns verknüpft ist. Die vom Monde beherrschte Nacht zeigt uns unsere Vergangenheit; jedes neue Morgendasein mit seinen Sonnenstrahlen weist uns hin auf das, was aus unserer Freiheit kommen kann. – So hängt in unserem gesamten Weltendasein unser Menschliches mit dem Sonnendasein zusammen, und wir können, die Sonne ansprechend, so fühlen: O du Weltensohn der Freiheit, dich fühle ich verwandt mit allem in mir, was meinem eigenen Wesen die Freiheit und die Entschlußfähigkeit für die Zukunft gibt!

Mit solchen Empfindungen würden wir wieder anknüpfen an instinktive Weisheiten der Urmenschheit. Denn, was aus uralten Zivilisationen in wunderbarer Weise dichterisch strahlt, man versteht es nur dann, wenn man so etwas auch heute noch in sich fühlt, wie das Aufblicken zum Monde als zu der Notwendigkeit der Vergangenheit, das Aufblicken zur Sonne als zur Freiheit der Zukunft. Und so wirken in unserem Schicksal in seinem Weben, Notwendigkeit und Freiheit inein-
ander. Sprechen wir irdisch-menschlich, so sprechen wir von Notwendigkeit und Freiheit. Sprechen wir himmlisch-kosmisch, so sprechen wir von Monden- und Sonnendasein.

Und nun suchen wir das Mondenhafte und das Sonnenhafte in dem Weben unseres Schicksals einmal auf. Wir begegnen im Leben einem Menschen. Wir geben uns gewöhnlich damit zufrieden, daß wir diesem Menschen begegnen, denn wir beobachten ja nicht viel vom Leben, sondern nehmen das Leben zum großen Teil gedankenlos hin. Wenn man aber einen tieferen Blick in das einzelne Menschenleben wirft, dann erkundet man, daß wenn zwei Menschen sich im Leben treffen, ihre Wege wirklich in einer merkwürdigen Weise gelenkt worden sind. Zwei Menschen, die sich, sagen wir, der eine im fünfundzwanzigsten, der andere im zwanzigsten Jahre, treffen, sie können zurückblicken auf das, was sie bisher erlebt haben, und es wird ihnen wirklich sehr deutlich werden, wie bei dem Zwanzigjährigen, aus einer ganz anderen Weltenecke alle einzelnen Tatsachen seines Lebens ihn so hineingedrängt haben, daß er gerade dort zusammengetroffen ist mit dem anderen Menschen, der ebenso seine fünfundzwanzig Jahre überblicken kann, der wiederum aus einer ganz anderen Ecke kommt und mit ihm zusammentrifft. Und was hängt nicht alles in der Bildung unseres Schicksals davon ab, daß Menschen, die in zwei verschiedenen Weltenecken ihren Ausgangspunkt nehmen, dann zusammentreffen wie hergeleitet mit einer wirklich ehernen Notwendigkeit, die überall hinzielt nach diesem Punkte, in dem sie sich treffen. Man faßt ja gar nicht in das Seelenauge das Wunderbare, das sich in solchen Betrachtungen enthüllen kann! Das menschliche Leben wird arm, wenn man es nicht so betrachtet, und es wird unendlich reich, wenn man es so betrachtet. Man muß dann schon darauf aufmerksam werden, wie man gegenüber einem Menschen, dem man scheinbar ganz zufällig begegnet, sich sagen muß, wenn man auf die ganze Art, wie man sich dann zu ihm verhält, hinsieht:
Man hat ihn gesucht, gesucht seit man in diesem irdischen Dasein herinnen ist; man könnte auch schon sagen: vorher, aber darauf will ich jetzt nicht eingehen. Man braucht ja nur zu erwägen, wie man nicht auf diesen Menschen aufgestoßen wäre, wenn man da oder dort in seinem vergangenen Erdenleben nur ein wenig einen anderen Schritt nach links
oder rechts gemacht hätte und nicht dahin gegangen wäre, wo man gegangen ist. Wie gesagt, diese Betrachtungen werden nicht angestellt; aber es ist ja ein unendlicher Hochmut des Menschen, wenn er glaubt, daß dasjenige, worüber er nicht Beobachtungen anstellt, auch nicht vorhanden sei. Es ist eben da! Fängt man an mit der Beobachtung, so enthüllt es sich schon. Und es ist nun ein sehr bedeutsamer Unterschied zu bemerken zwischen alledem, was da vorgegangen ist, ehe sich zwei Menschen treffen, und von dem Momente an, wo sie sich treffen. Denn ehe sie sich getroffen haben, ehe sie sich gefunden haben im Erdenleben, haben sie aufeinander gewirkt, aber ohne daß sie etwas gewußt haben voneinander. Nunmehr, nachdem sie sich getroffen haben, wirken sie aufeinander, indem sie wissen voneinander. Aber hier beginnt nun wiederum etwas außerordentlich Bedeutsames.

Wir treffen ja natürlich auch sehr viele Menschen im Leben, auf die wir sozusagen nicht zugegangen sind. Ich will nicht sagen, daß wir sehr viele Menschen im Leben treffen, bei denen wir uns sagen, es wäre gescheiter, wenn wir sie nicht getroffen hätten; das will ich nicht sagen. Aber wir treffen eben sehr viele Menschen, bei denen wir dies, was ich eben jetzt auseinandergesetzt habe, daß wir unbedingt auf sie zugegangen sind, nicht als eine Betrachtung anstellen können.
Sieht man das Ganze, was ich jetzt gesagt habe, im Lichte der Geisteswissenschaft, dann zeigt sich, daß all das, was sich zwischen zwei Menschen abspielt, ehe sie sich im Erdenleben kennenlernen, vom Mondenhaften bestimmt ist, daß alles, was sich zwischen ihnen abspielt, nachdem sie sich kennengelernt haben, vom Sonnenhaften bestimmt ist. Daher kann das, was sich abspielt zwischen zwei Menschen, bevor sie sich kennenlernen, nur im Lichte der ehernen Notwendigkeit gesehen werden; dasjenige, was sich abspielt, nachdem sie sich kennenlernen, im Lichte der Freiheit, im Lichte des gegenseitigen freien Verhaltens. Es ist tatsächlich so, daß, wenn wir einen Menschen kennenlernen, unsere Seele im Unterbewußtsein sich umschaut nach hinten und nach vorne: Nach hinten nach dem geistigen Monde, nach vorn nach der geistigen Sonne. Und damit hängt es zusammen, wie unser Karma, unser Schicksal eigentlich gewoben wird.

Heute haben noch die wenigsten Menschen Empfindungsfähigkeiten für solche Dinge. Aber gerade deshalb gärt in unserem Zeitalter so viel, weil die Empfindungsfähigkeiten anfangen, für solche Dinge sich zu entwickeln. Sie sind schon in zahlreichen Menschen vorhanden, nur wissen es diese Menschen nicht. Sie schreiben das allerlei anderen Dingen zu. In Wirklichkeit wollen diese Empfindungsfähigkeiten heraus bei den Menschen, wollen so heraus, daß die Menschen beobachten, wenn sie einander kennenlernen, wieviel sie der ehernen Notwendigkeit, dem Mondenhaften verdanken, wieviel ihnen obliegen wird im Lichte der hellen Sonne, im Lichte der Freiheit. Das Schicksal so zu empfinden, das ist selbst ein Weltenschicksal der Menschheit von der Gegenwart in die Zukunft hinein! Denn wenn man einen Menschen in der Welt trifft, dann kann man genau unterscheiden zwischen zwei Arten des Verhaltens zu ihm. Den einen Menschen beurteilt man so, daß alles, was in der Beziehung zu ihm auftritt in uns, vom Willen ausgeht; den anderen Menschen beurteilt man so, daß alles, was in der Beurteilung von uns ausgeht, mehr oder weniger vom Verstände oder vom ästhetischen Sinn ausgeht.

Bedenken Sie nur einmal, wie fein verschieden die Menschen in ihrer Menschenerkenntnis nach diesen Dingen sind, schon in der Jugend, schon im Kindesalter: Den einen Menschen lieben wir vielleicht, oder wir hassen ihn auch. Wenn es nicht bis zu der Stärke kommt, dann haben wir Sympathie oder Antipathie für ihn; aber es geht nicht tief, wir gehen an ihm vorüber und lassen ihn an uns vorübergehen.

Es wird ja nicht zu leugnen sein, daß, sagen wir, die meisten unserer in der Schule uns gegenübertretenden Lehrer so von uns aufgefaßt werden: Wir gehen an ihnen vorüber, sie gehen an uns vorüber. Es gehört eben zum Glück eines Menschen, wenn er einmal ein anderes erfährt.
Aber es gibt ein anderes Verhältnis, schon in der Kindheit. Das ist das, wo es uns innerlich ergreift, wo wir sagen: Der Mensch tut etwas, das müssen wir auch tun! – Da beurteilen wir gar nicht den Menschen so, daß wir ihn nur vorübergehen lassen können. Da kommt das von selbst durch die Beziehung von ihm zu uns, daß wir uns ihn als Helden wählen, dem wir die Wege zum Olymp hinauf uns nacharbeiten. Kurz, es gibt Menschen, die wirken bloß auf den Verstand, auf die Verstandessympathie und -antipathie, höchstens noch auf die ästhetische Sympathie und Antipathie; andere Menschen wirken auf unseren Willen.
Oder wenn wir mehr die andere Seite des Lebens betrachten: Wissen Sie es denn nicht alle, meine lieben Freunde, daß uns Menschen im Leben begegnen, uns unter Umständen durch die äußeren Verhältnisse sogar recht nahekommen können, aber es ist uns unmöglich, von ihnen zu träumen? Wir träumen nicht von ihnen! Und andere begegnen uns ein einziges Mal: Wir kommen nicht wieder los von ihnen, wir träumen ewig von ihnen. Und wenn es uns dann in diesem Erdenleben nicht gegönnt ist, mit ihnen in innigere Beziehung zu kommen, so müssen wir uns halt das für andere Erdenleben aufsparen. Aber es geht uns jene Beziehung zum Menschen wirklich tiefer, wenn wir, kaum daß wir ihn kennengelernt haben, sogleich von ihm träumen, als wenn wir einen Menschen kennenlernen, von dem wir überhaupt nicht träumen können.

Dann gibt es auch ein Wachträumen. Dieses Wachträumen spielt sich allerdings für die meisten Menschen heute noch in einer ziemlichen Unbestimmtheit ab. Aber Sie wissen ja: Es gibt auch initiierte Menschen, die erleben das Leben doch anders noch! Treffen diese einen Menschen, der auf ihren Willen wirkt, so wirkt er auch auf die innere Sprache. Der spricht nicht nur, wenn er einem gegenübersteht, sondern der spricht aus uns heraus. Ist man eingeweiht in die Geheimnisse des Weltendaseins, so stellt sich die Beziehung des Menschen folgenderweise als eine zweifache dar: Man begegnet Menschen, denen hört man zu. Man verläßt sie wieder: Man braucht ihnen dann nicht mehr zuzuhören, wenn man weit genug von ihnen ist. – Aber man begegnet anderen Menschen, denen hört man zu; dann kann man von ihnen weggehen und dann sprechen sie aus dem eigenen Inneren heraus: Sie sind da, sie sprechen!

Nun, für den Initiierten macht sich das so, wie ich es Ihnen eben geschildert habe, daß er tatsächlich mit der vollen Stimmfärbung die Menschen in sich trägt, die in dieser Weise auf ihn wirken. Für die anderen, nicht initiierten Menschen macht es sich mehr gefühlsmäßig, mehr empfindungsmäßig, aber es ist doch auch da, unterbewußt sehr stark da. Man kann sagen: Es trifft jemand einen Menschen, und er kommt zu anderen Menschen, die den auch kennen, und je nachdem er
diese oder jene Ausdrucksweise hat, sagt er: Er ist ein Prachtskerl! -Vielleicht sagen einige andere auch: Ja, er ist ein Prachtskerl. – Das heißt: er hat ihn betrachtet und gibt ein Urteil mit dem Verstände über ihn ab.
Aber nicht so verhalten wir uns zu jedem Menschen, daß wir ihn als einen Prachtskerl oder als einen Schubjack oder dergleichen auffassen; sondern es gibt eben Menschen, die unseren Willen, der ja auch, wie ich Ihnen oftmals auseinandergesetzt habe, eine Art von Schlafdasein in uns führt beim sonstigen Wachen, direkt zur Nachfolgeschaft oder zum Widerstände unmittelbar bestimmen. Bei nicht initiierten Menschen sprechen sie nicht, aber im Willen leben sie. Was ist das eigentlich für ein Unterschied?

Nun, sehen Sie, wenn man zu Menschen kommt, an Menschen herankommt, die nicht in unserem Willen leben, bei denen wir uns nicht aufgefordert fühlen, ihnen nachzuarbeiten oder ihnen zu widerstreben im Willen, sondern die wir bloß beurteilen, so sind wir mit denen wenig karmisch verknüpft, mit denen haben wir wenig zu tun gehabt in vorigen Erdenieben. Menschen, die in unseren Willen hineingehen, so daß sie uns nachgehen, so daß sich uns ihre Gestalt gleich einprägt, daß wir sie behalten, daß wir auch wie wach noch träumen von ihnen, das sind diejenigen Menschen, mit denen wir viel in vergangenen Erdenleben zu tun gehabt haben. Das sind die Menschen, mit denen wir sozusagen kosmisch durch das Tor des Mondes verbunden sind, während wir im gegenwärtigen Leben immer für alles dasjenige, was nicht mit der Notwendigkeit des Mondendaseins in uns lebt, verbunden werden durch das Sonnendasein.

Und so wird unser Schicksal gewoben. Und so können wir sagen: Der Mensch ist ja ein polarisches Wesen. Auf der einen Seite hat er sein isoliertes Kopfdasein – das hat ja eine große Selbständigkeit. Dieses Kopfdasein hebt sich eigentlich fortwährend heraus aus dem allgemeinen Weltendasein des Menschen, schon physisch: Das Gehirn ist im Durchschnitt tausendfünfhundert Gramm schwer. Bei einem solchen Gewichte müßte es eigentlich alle Adern, die darunter sind, zerdrücken. Denken Sie sich, tausendfünfhundert Gramm Gewicht auf den feinen Adern! Aber das tut es nicht. Warum denn nicht? Nun ja, weil es im Gehirnwasser eingebettet ist. Und wenn Sie Physik gelernt haben, wissen Sie, daß ein jeder Körper im Wasser so viel von seinem Gewicht verliert, als das Gewicht des verdrängten Wassers beträgt – das sogenannte Archimedische Prinzip. Real zwanzig Gramm etwa – das andere ist nicht da, weil das Gehirn im Gehirnwasser schwimmt. So daß in Wahrheit unser Gehirn im menschlichen Leib nur mit zwanzig Gramm nach unten gezogen wird, gar nicht mit seinen tausendfünfhundert Gramm. Das Gehirn ist isoliert, hat sein eigenes Dasein, hat in bezug auf viele andere Dinge noch sein eigenes Dasein.

Das Gehirn ist wirklich so, daß wenn wir in der Welt herumgehen, es gleich einem Menschen ist, der in seinem Auto sitzt. Der Mensch selbst bewegt sich nicht im Auto: das Auto bewegt sich und er sitzt still. So ist es schon. Das Gehirn als Träger unseres Verstandes hat ein isoliertes Dasein. Deshalb ist der Verstand eigentlich so unabhängig von unserer Individualität. Wir haben doch nicht jeder einen eigenen Verstand. Wir würden uns sehr schlecht verständigen können, wenn wir jeder einen eigenen Verstand hätten! Wir können uns nur dadurch verständigen, daß jeder denselben Verstand hat, wenn auch im größeren oder geringeren Maße – das sind dann Gradunterschiede -, aber der Verstand hat etwas Allgemeines. Deshalb verständigen sich die Menschen durch den Verstand, der ist unabhängig von unseren Qualitäten. Und was im Menschenschicksal auftritt als unmittelbar Gegenwärtiges, also auch das Zusammentreffen zweier Menschen, das wirkt auf den Verstand und diejenigen Gefühlsimpulse, die an den Verstand sich angliedern. Da sprechen wir von dem «Prachtskerl», von dem uns nichts weiter interessiert, als daß er eben auf unseren Verstand wirkt. Alles, was nicht karmisch ist an uns, wirkt auf unseren Verstand; alles was karmisch ist an uns, was uns bindet als Menschen im Sinne dessen, was wir mit den menschlichen Individualitäten, die in den Leibern uns entgegentreten, durchgemacht haben, das wirkt durch unseren Willen, das wirkt durch die Tiefen des menschlichen Wesens, die im Willen sind. Und auch so ist es: Bevor wir einem Menschen, mit dem wir karmisch verbunden sind im Leben, nun auch von Angesicht zu Angesicht entgegentreten, wirkt der Wille. Der Wille ist ja nicht immer vom Verstand erhellt. Denken Sie nur, wieviel Dunkles im Willen wirkt!
Das dunkelste ist dasjenige, was das Karma trägt, das zwei Menschen zusammenführt, so daß sie dann an der Art und Weise, wie ihr Wille erfaßt wird, merken, daß da das Karma wirkt. In dem Momente, wo sie sich von Angesicht zu Angesicht kennenlernen, beginnt der Verstand zu wirken. Und was vom Verstände dann gewoben wird, das kann ja wieder Grundlage für ein nächstes Karma sein. Aber man kann schon sagen: Im wesentlichen hat das Karma – im wesentlichen, nicht ganz -, hat das Karma sich ausgewirkt für zwei Menschen, die karmisch verbunden sind, wenn sie sich begegnet sind. Nur was sie dann noch tun als Fortsetzung des Unbewußten, das wirkt weiter im Sinne des Karma. Aber es wird dann in das Schicksal vieles, vieles hineingewoben, was eben nur auf den Verstand und seine Sympathien und Antipathien wirkt. Und da gliedert sich Vergangenheit und Zukunft, Mondendasein und Sonnendasein ineinander. Der Faden des Karmas, der in die Vergangenheit reicht, wird zusammengewoben mit dem Faden, der in die Zukunft reicht.

Wir können ganz genau hineinschauen in das Weltendasein. – Denn schauen wir hinaus, wenn wir des Morgens die Sonne aufgehen sehen, wenn wir in der Nacht den Mond betrachten, so haben wir in diesem gegenseitigen Zusammenwirken, das wir da ahnen, zunächst ein Bild dessen, wie in unserem eigenen Menschenwesen Notwendigkeit und Freiheit im Schicksale ineinander wirken. Und haben wir dann eine wirkliche Idee von diesem Zusammenwirken von Notwendigkeit und Freiheit im menschlichen Schicksal, schauen wir mit dieser Erkenntnis wiederum zurück, dann beginnen Sonne und Mond ihre eigene Geistigkeit uns zu enthüllen. Und dann reden wir nicht bloß wie der einfältige Physiker, der da sagt, wenn er den Mond anschaut: Der strahlt das Sonnenlicht zurück -, sondern dann reden wir, indem wir gewahr werden dieses Rückstrahlen des Mondenlichtes, welches dasselbe ist wie das Sonnenlicht, von dem Weben und Regen des kosmischen Schicksals.

Und dann lernen wir durch unser eigenes Menschenschicksal das kosmische Schicksal kennen! Dann verweben wir erst unser Menschendasein so recht mit dem kosmischen Dasein. Und so muß der Mensch wiederum hineinwachsen in ein Sich-im-Kosmos-Fühlen. Wie der Finger des Menschen das, was er ist, nur so lange ist, als er am menschliehen Leibe ist – schneidet man ihn ab, ist er kein Finger mehr, er hat ein Fingersein nur, so lange er am menschlichen Leib ist -, ebenso hat der Mensch ein Sein nur, indem er ein Stück des Kosmos ist. Nur ist der Mensch hochmütig, und der Finger würde wahrscheinlich bescheidener sein, wenn er in derselben Weise Bewußtsein hätte wie der Mensch. Aber er würde vielleicht auch nicht mehr bescheiden sein, wenn er sich immer losreißen könnte und am Menschen herumspazieren könnte – nur müßte er auch in der Sphäre des Menschen bleiben, um ein Finger zu bleiben! Und es muß der Mensch, so wie er einmal ein Erdenmensch ist, in der Sphäre der Erde bleiben, um Mensch zu sein. -Er ist etwas ganz anderes, er ist in seinem ewigen Wesen, wenn er außerhalb der Erdensphäre ist im vorirdischen Dasein, im nachirdischen Dasein. Aber auch diese lernen wir nur kennen, wenn wir uns als Glied des Weltenalls kennenlernen. Das können wir nicht, indem wir einfach phantasieren von unserem Zusammenhang mit dem Weltenall; sondern das können wir nur dann, wenn wir in einer solchen Weise, wie es heute wieder geschehen ist, uns allmählich ganz einfühlen lernen in die einzelnen konkreten Gestaltungen des Weltenalls. Dann fühlen wir aber, wie unser Schicksal wirklich ein Abbild der Sternenwelt ist, des Sonnen-und Mondenhaften. Dann lernen wir hinausschauen in das Weltenall und lernen unser Menschenleben abzulesen von dem Leben des großen Weltenalls. Und wiederum lernen wir hineinschauen in unsere eigene Seele und lernen die Welt verstehen aus unserer eigenen Seele. Denn niemand versteht den Mond, der nicht die Notwendigkeit im menschlichen Schicksal versteht; niemand versteht die Sonne, der nicht die Freiheit im menschlichen Wesen versteht. So hängen die Dinge zusammen von Notwendigkeit und Freiheit.

Daß dieses, was in solcher Weise als eine wirklich esoterische Anschauung in unsere Herzen, in unsere Gemüter einziehen kann, in der Zukunft noch in wirksamerer Weise leben könne in der Welt, dazu haben wir mit der Weihnachtstagung am Goetheanum die Impulse zu geben versucht. Und ich hoffe, daß, was auf dieser Weihnachtstagung sich abgespielt hat, immer mehr und mehr ins Bewußtsein unserer Freunde, unserer lieben Mitglieder einziehen wird. Und ich möchte nach dieser Richtung besonders darauf aufmerksam machen, daß ja jetzt zu Händen eines jeden Mitgliedes jenes Nachrichtenblatt kommen kann, das den Titel tragt «Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht» und das seit unserer Weihnachtstagung jede Woche erscheint. Durch dieses Nachrichtenblatt und durch vieles andere, was sich in der Anthroposophischen Gesellschaft entwickelt, soll nun in der Zukunft wirklich diese Anthroposophische Gesellschaft jenes lebendigen Lebens teilhaftig sein, das aus der Anthroposophie kommen kann. Die Isoliertheit unserer Zweige soll etwas aufhören. Dadurch wird die Anthroposophische Gesellschaft erst ein Ganzes, daß derjenige, der in einem Anthroposophischen Zweige in Neuseeland ist, weiß, was in einem Anthroposophischen Zweige in Bern oder in Wien vorgeht; derjenige, der in einem Anthroposophischen Zweige in Bern ist, weiß, was in Neuseeland oder in New York oder in Wien vorgeht. Dafür wird eine Möglichkeit da sein. Und unter den vielen Dingen, die wir schaffen, oder wenigstens unter den mannigfaltigen Dingen, die wir schaffen wollen im Anschluß an diese Weihnachtstagung, wird eben dieses sein, daß in diesem Nachrichtenblatt tatsächlich ein Vermittlerorgan da sein wird für alles, was in der Welt anthroposophisch vorgeht. Es wird nur nötig sein, ein wenig Einsicht zu nehmen von diesem Nachrichtenblatt, dann wird man ja auch wissen, was man nun wiederum zum Gedeihen dieses Nachrichtenblattes tun soll.
Während ich hier spreche, wird eben drüben in Dornach die dritte Nummer dieses Nachrichtenblattes ausgegeben, in dem ich ausgeführt habe, wie jedes einzelne Mitglied wirken kann dazu, daß dieses Nachrichtenblatt wirklich in entsprechender Weise ein Spiegelbild des anthroposophischen Schaffens in der anthroposophischen Bewegung ist. Nur weil ich glaube, daß das Leben in der Anthroposophischen Gesellschaft reger werden muß, als es gewesen ist, nur weil ich glaube, daß dazu notwendig ist, daß wirklich mehr Anthroposophie in der Anthroposophischen Gesellschaft gepflegt wird, als es bisher geschehen ist -ich meine nicht mehr an Stoff, sondern mehr an Intensität und an Enthusiasmus und Liebe -, deshalb habe ich mich entschlossen, während ich nach den sonstigen Usancen in der Welt reichlich ein Recht dazu hätte, mich pensionieren zu lassen – es ist ja so das Lebensalter, in dem man das tut -, nur weil ich das meine, habe ich mich dazu entschlossen, wieder anzufangen.
Nachdem ich ja schon 1912 die persönliche Leitung der Anthroposophischen Gesellschaft abgegeben hatte, habe ich mich entschlossen, wieder anzufangen und mir einzubilden, ich wäre wieder jung und könnte eben durchaus wirken. Und ich möchte, daß auch wirklich in diesem Sinne, meine lieben Freunde, verstanden wird, daß ein gewisses regeres Interesse kommen möchte für ein regeres Leben in der Anthroposophischen Gesellschaft. Das ist dasjenige, wovon ich möchte – Sie können es ja im «Goetheanum» und Nachrichtenblatt lesen, diejenigen, die nicht in Dornach waren -, daß aus dem, was in der Weihnachtstagung geschehen ist, als geistiges Wort wirklich zu jedem einzelnen Mitgliede etwas dringen möge. Und dadurch wird das erreicht werden, daß wieder wirkliches esoterisches Leben einzieht. Denn dazu ist die Hochschule für Geisteswissenschaft zu Weihnachten gegründet worden: daß wiederum esoterisches Leben einziehen möge in unsere Anthroposophische Gesellschaft. Das wird kommen können.
Ich wollte die Worte, die ich heute zu Ihnen gesprochen habe, meine lieben Freunde, eben so gesprochen haben, daß sie zu gleicher Zeit ausdrücken sollen: Es möge wiederum solches esoterisches Leben unter uns einziehen, in der Weise, wie es zu Ihnen immer mehr und mehr wird gesagt werden, und wie es dann wird verwirklicht werden können durch dasjenige, was in der Zukunft von Dornach als dem Orte der allgemeinen, zu Weihnachten gegründeten Gesellschaft ausgehen kann. Möge die liebe Mitgliedschaft dieses Berner Zweiges recht viel beitragen können zu dem, was wir gern von Dornach aus für die anthroposophische Bewegung leisten möchten nach den Kräften, die wir eben haben.

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